Kanada

Alles, was von den Menschen übrig blieb: die Halden mit Essen, die Koffer, Kleidung, Unterwäsche, sollte grundsätzlich auch verbrannt werden, aber das war nur die Theorie. In der Praxis gingen die Unterwäsche und die Kleidung nach der Desinfektion in die Bekleidungskammer, die Schuhe wurden in der Gerberei ausgedünstet. Die Koffer brachte man zum Verbrennen in die Gerberei. Aber aus den Halden in Birkenau und auf dem Weg in die Lederfabrik suchten sich die SS-Männer und die Kapos das Beste für sich aus und sagten, dass aus Oświęcim „Kanada“ geworden sei. Dieser Terminus wurde angenommen, und das Wort „Kanada“ wurde von da an für alles benutzt, was von den vergasten Menschen kam.

Also gab es ein „Kanada“ für Lebensmittel, aus dem ins Lager unterschiedliche bisher hier nicht gesehene Leckerbissen strömten: Feigen, Datteln, Zitronen, Orangen, Schokolade, holländischer Käse, Butter, Zucker, Gebäck und ähnliche Dinge.

Im Prinzip durfte man überhaupt nichts aus „Kanada“ haben und erst recht nicht ins Lager bringen. Am Tor gab es ständig Leibesvisitationen. Wenn jemand schuldig befunden wurde, etwas aus „Kanada“ zu besitzen, dann ging er in den Bunker und kam meistens überhaupt nicht mehr zurück. Aber das Lebensrisiko in Oświęcim unterschied sich von dem auf der Erde und war immer noch so hoch, dass es nichts bedeutete, sein Leben für irgendeine Freude bereitende Kleinigkeit zu riskieren. Die hier umgeformte Psyche forderte ein kleines bisschen Freude ein, die mit einem ungeheuer großen Risiko bezahlt wurde.

Also schleppte man immer alles mit sich, was man dort im nahen „Kanada“ an Essen ergattern konnte. Wenn man von der Arbeit ins Lager ging, dann passierte man mit einem Frösteln die Durchsuchung am Tor.

Ein anderes „Kanada“ bestand aus Unterwäsche, Kleidung und Schuhen. Bald konnte man auch bei den Kapos und den SS-Männern die beste Wäsche sehen, die oft aus der französischen Hauptstadt kam: Seidenhemden sowie kurze Hosen oder Luxusschuhe. Darüber hinaus Seife, die besten Parfüms, Rasiermesser, Rasierpinsel und Frauenkosmetik. Es ist nicht einfach, hier all das aufzuzählen, was eine gut situierte Frau oder ein gut situierter Mann mitnehmen wollten.

Etwas aus „Kanada“ zu „organisieren“ wurde zu einem fast allgemeinen Streben, und für manche der Tagesinhalt. Die SS-Männer stöberten in den Koffern und Geldbeuteln: Sie suchten Geld, Gold und Brillanten. In Kürze wurde Oświęcim zu einer Quelle, aus der Brillanten und Gold in kleinen Bächen abflossen. Und bald konnte man auf den Straßen die Militärpolizei sehen, die alle kontrollierte und sogar Armeefahrzeuge anhielt. Die SS-Männer und Kapos waren beim Durchsuchen der Sachen aber nicht so schlau wie die Häftlinge, denen es manchmal gelang, einen Brillanten in dem Absatz eines Schuhs, in den Vertiefungen eines Koffers, einer Handtasche, in einer Zahncreme, in einer Cremetube, einer Schuhcreme oder überall dort zu finden, wo man es am wenigsten vermuten würde. Sie taten das heimlich und nur unter günstigen Umständen, wenn sie irgendeinen Gegenstand von den vergasten Menschen in die Hände bekommen konnten.

Die SS-Männer hielten es ebenfalls vor einander geheim, aber sogar der Lagerkommandant kam persönlich zu Erich in die Gerberei, in die man mit Autos Koffer voller schon sortierter Sachen fuhr: Wertsachen wie Ringe, Uhren, Parfüm, Geld und Ähnliches. Also musste er bei den anderen ihm untergeordneten SS-Männern ein Auge zudrücken, denn er selbst sorgte sich vor einer unangenehmen Meldung.

Die Häftlinge, die zu irgendeinem „Kanada“ Zutritt hatten, wurden schnell zur privilegierten Klasse im Lager. Sie handelten mit allem, aber das soll nicht heißen, dass im Lager keine Disziplin mehr herrschte und unter dem Einfluss von Gold irgendein größerer Sittenverfall eingetreten war.

Ungeachtet unserer großen Vertrautheit mit dem Tod wurde er immer noch als Strafe angesehen, also war der ganze Handel strikt geheim und man gab acht, dass man sich nach außen mit nichts verriet.

Verluste

Die Jasminbäume dufteten und standen in voller Blüte, als man einen erstklassigen Mann erschoss (mit einem Schuss in den Hinterkopf ermordete) – den erstklassigen Ulan 123 [Stefan Stȩpień]. In meiner Erinnerung bleiben seine tapfere Gestalt und sein fröhliches Gesicht.

Bald darauf wurde auf die gleiche Art einer meiner liebsten Freunde, der tapfere Offizier des 13. Ulanerregiments Oberleutnant 29 [Włodzimierz Kakaliński] erschossen. Er vermachte mir das Wissen über den Ort, an dem er 1939 die Banner von zwei Ulanerregimentern vergraben hatte (dem 4. und dem 13.).

20. Juni 1942

Flucht im Auto des Lagerkommandanten

Ich schicke erneut einen Bericht nach Warschau über Offiziersanwärter 112 [Stanisław Jaster], der mit drei Kameraden zusammen eine großartige Flucht aus dem Lager ausheckte.

Es ist schon lange her, dass ich den Film „Dziesiȩciu z Pawiaka“ [Die Zehn aus dem Pawiak gesehen habe. Ich wage zu behaupten, dass die Flucht der vier Häftlinge aus Oświęcim mit dem besten Auto des Lagers – dem des Kommandanten – verkleidet in SS-Offiziersuniformen, unter den Bedingungen dieser Hölle, einmal für einen Film eine wirklich hervorragende Vorlage wäre.

Die Hauptwache präsentierte das Gewehr.

Lagerführer
Hans Aumeier, der hoch zu Ross aus Buna zum Abendappell galoppierte, traf das Auto mit den Offizieren auf dem Weg. Er grüßte sie artig und wunderte sich etwas, dass der Fahrer das Auto in Richtung eines alten Bahnübergangs lenkte, der doch jetzt geschlossen war. Das Auto wendete aber rasch und fuhr an einer anderen Stelle über die Gleise.

Er schob es auf den Wodka und die schlechten Erinnerung des Fahrers.

Sie hatten starke Nerven, und die Flucht gelang.

Der Lagerführer kehrte direkt zum Appell nach Oświęcim zurück, als alle schon in geordneten Blöcken standen. Erst hier sollte das Schauspiel beginnen. Man meldete ihn, dass vier beim Appel fehlten – und was schlimmer war, dass sie mit Auto des Kommandanten abgefahren waren. Das geschah in der Baracke der Blockführerstube. Aumeier wurde fuchsteufelswild, riss an seinen Haaren, schrie, dass er sie doch getroffen habe. Dann warf er entnervt seine Mütze zu Boden, und plötzlich brach er in ein lautes Lachen aus.

Es gab keine Vergeltungsmaßnahmen, keine Erschießung, auch kein längeres Stillstehen. So war es schon seit Februar 1942.

Fußball und Boxkämpfe

Fußballspiele wurden 1941 auf dem Appellplatz ausgetragen. Jetzt (im Jahr 1942) war das nicht mehr möglich, da der Platz völlig zugebaut worden war. Der einzige Sport, bei dem sich Repräsentanten deutscher Kapos mit polnischen Häftlingen begegneten, waren Boxkämpfe. Sowohl im Fußball als auch im Boxen verpassten die Polen, trotz der unterschiedlichen Arbeit und Nahrung den deutschen Kapos immer eine Abreibung.

Nur beim Boxen konnte man einem Kapo auf die Schnauze zu hauen, was der polnische Häftling auch mit vollster Befriedigung tat – zu allgemeinen Freudenschreien der Zuschauer.

Wir hatten mehrere ganz gute Boxer. Näher kannte ich nur 21 [Tadeusz Petrzykowski] von der Arbeit in der Organisation, der immer siegreich aus den Begegnungen herauskam und so manchem Schuft das Maul verdrosch.

Strafen für Fluchtversuche

Bei der Flucht gefasste Häftlinge wurden öffentlich und sichtbar für alle aufgehängt. Aber das war ebenfalls eine Wendung zum Besseren, da sie nicht mit dem Stock totgeschlagen oder von einem Brett durchbohrt wurden. Erst nachdem sie für eine gewisse Zeit im Bunker gewesen waren, wurden sie am Galgen aufgehängt. Er wurde in die Nähe der Küche gerollt, wenn es Zeit für den Abendappell war und alle Häftlinge auf dem Platz standen. Das Hängen übernahmen jene, die selber in der nächsten Runde von ihren Nachfolgern aufgehängt werden sollten. Das wurde getan, um sie noch mehr zu quälen.

Einmal wurde uns während so eines Hängens von Kameraden ein Befehl verlesen, in dem der Lagerkommandant feierlich verkündete, dass ein Häftling bei guter Führung und produktiver Arbeit sogar freigelassen werden könne. Also seien Fluchtversuche nicht besonders klug, da diese – wie man gerade sehen könne – zu einem schändlichen Tod durch Erhängen führten.

Dieser Befehl überzeugte uns nicht. Niemand glaubte an Freilassungen. Unsere Augen hatten zu viele Mordtaten gesehen, als dass ihre Besitzer es verdienten, freigelassen zu werden. Im Übrigen konnte das Verlesen in so einem leidvollen Moment nur einem Deutschen in den Sinn kommen.

Zu der ganzen Welle humanitärer Tötungsformen, die von der Kultur unserer Henker zeugen sollten, kam ebenfalls das öffentliche Wegfahren der Häftlinge aus dem Krankenhaus ins Gas. Wenn man über einige Tage aus den Reihen so viele in das Krankenhaus aufgenommen hatte, dass es keinen Platz mehr für sie gab und sie sogar zu dritt auf einem Bett lagen – und das Verlangen von Klehr, Nadeln einzustechen befriedigt war, aber immer noch Gedränge im Krankenhaus herrschte – dann wurden die Kranken mit Autos in die Gaskammern von Brzezinka gefahren. Am Anfang machte man das noch mit einer Art Hemmung und fuhr sie in der Nacht, spät am Abend oder früh am Morgen weg, damit sie niemand sah. Als dann das ganze Lager langsam schon von dieser Praxis und den „kranken Touristen“ wusste, schämte man sich nicht mehr, und die „kranken Touristen“ fuhren am helllichten Tag ins Gas. Mehrmals wurde das während dem Appell gemacht, wenn von den Wachtürmen die Augen der verstärkten Wache und die Gewehrmündungen kalt auf uns gerichtet waren. Manch einer, der mit dem Auto ins Gas fuhr, rief einem Freund, den er in den Reihen erkannt hatte, zu: „Serwus Jasiu, trzymaj siȩ!“ [Leb wohl Jaś, halte durch!]. Er schwang seine Mütze, winkte mit der Hand, fuhr fröhlich davon.

Alle im Lager wussten, wohin sie fuhren. Warum war jene guten Mutes? Vermutlich hatte er so genug von dem, was er hier gesehen und erlitten hatte, dass er nicht erwartete, nach dem Tod Schlimmeres zu sehen.

Eines Tages rannte Kamerad 41 im Lager auf mich zu. Er brachte die Nachricht, dass er unter jenen aus Birkenau, die man hierher zum Erschießen gebracht hatte, Oberst 62 [Jan Karcz] erkannte hatte (er hatte ihn genau gesehen). Oberst 62, ein tapferer Offizier, starb.

Die Frauen

Es war schwer, die Kolonnen der Frauen mitanzusehen, wie sie durch die Arbeit getötet wurden, wie sie durch den Schlamm wateten. Graue Gesichter, verdreckte Kleider… Sie gehen, halten die schwachen Muselfrauen. Es gibt noch einige, die fortwährend durch ihren starken Geist ihre eigenen Muskeln und die der anderen aufrechterhalten. Noch gibt es Augen, die kühn aus der Marschkolonne blicken und versuchen, die Reihen zu ordnen. Ich weiss nicht, ob es härter war, jene anzuschauen, die am Abend erschöpft von der Arbeit zurückkehrten oder jene, die am Morgen – den ganzen Tag vor sich – auf das Feld nach einer Pseudo-Nachtruhe gingen und ihre schwachen Kolleginnen stützten.

Man sah Gesichter und Gestalten, die sich für die Schufterei auf dem Feld nicht eigneten und auch nicht dazu passten. Man sah ebenfalls unsere Bauersfrauen, die harte Arbeit wohl gewohnt waren, aber hier liquidierte man sie fast genauso wie die „Damen“.

Alle wurden kilometerweit zu Fuß zur Arbeit getrieben, bei gutem wie bei schlechtem Wetter. Wenn die Frauen knöcheltief im Schlamm versanken, trieben sie die dabeistehenden „Helden“ auf ihren Pferden und mit ihren Hunden an, wie Cowboys ihre Schaf- oder Rinderherde, schrien und rauchten dabei.

Turm zu Babel

Wir hatten schon einen wahrhaftigen Turm zu Babel im Lager. Die Kameraden sprachen alle möglichen Sprachen. Zusätzlich zu den Polen, Deutschen, Bolschewiken, Tschechen, einigen Belgiern, Jugoslawen, Bulgaren wurden auch Franzosen, Holländer, einige Norweger und Griechen hierher gebracht. Ich erinnere mich, dass die Franzosen Nummern bekamen, die über 45.000 gingen. Sie starben so schnell wie niemand sonst im Lager. Sie waren weder für die Arbeit noch für Kameradschaft zu gebrauchen. Kränkliche Weichlinge und dämlich widerspenstig.

Einige Juden wurden aus den Transporten genommen

Aus den ankommenden Judentransporten wurde ein Teil der jungen Mädchen, die sich in den zusammengestellten Hundertschaften für das „Bad“ im Gas eingereiht hatten, von SS-Männern herausgenommen und ihr Leben gerettet. Sie ergötzten sich sichtlich an der Schönheit des nackten Körpers und suchten sich täglich mehrere der Attraktiveren aus. Wenn es ein Mädchen nach einigen Tagen immer noch schaffte, ihr Leben mit ihrer Schönheit oder Schlauheit zu erhalten, dann kam es manchmal vor, dass so eines irgendwo in der Schreibstube, im Krankenhaus oder in der Kommandantur untergebracht wurde. Plätze gab es jedoch wenige und Schönheiten viele.

Genauso zogen die SS-Männer aus den Hundertschaften, die ins Gas gingen, einen Teil der jungen Juden heraus. Diese wurden normal registriert. Sie kamen in unsere Blöcke und in verschiedene Kommandos.

Das war wieder ein Trick für die restlichen Juden auf der Welt.

Ich hatte schon erwähnt, dass Juden für eine gewisse Zeit mit einer Arbeit unter dem Dach untergebracht worden waren. Damals schrieben sie Briefe an ihre Familien, dass es ihnen hier gut gehe. Aber da schrieben sie die Briefe genauso wie wir, das heißt zweimal im Monat, am Sonntag.

Jetzt erschienen von Zeit zu Zeit in den Blöcken, in denen die Juden wohnten, SS-Männer – meistens an einem Werktag (wir schrieben die Briefe weiterhin am Sonntag). Die SS-Männer kamen am Abend und versammelten alle Juden, die in diesem Block wohnten und befahlen ihnen, an einem Tisch Platz zu nehmen. Sie verteilten die obligatorischen Lagerformulare und ordneten an, Briefe an ihre Familien zu schreiben, an Verwandte und falls es solche nicht gab, sogar an Bekannte. Sie standen hinter ihnen und warteten, bis sie fertig waren. Dann nahmen sie ihnen die Briefe weg und schickten sie in unterschiedliche europäische Länder. Man stelle sich vor, dass so ein Jude geschrieben hätte, dass es ihm schlecht gehe… Also schrieben alle, dass es ihnen hier sehr gut gehe…

Wenn unsere Juden im Lager ihre Aufgabe schon erfüllt hatten, nämlich beruhigende Briefe an Juden in verschiedene Länder zu schreiben und zu einer unnötigen Belastung im Lager geworden waren, dann wurden sie so schnell wie möglich liquidiert, indem man sie zu einer schweren Arbeit irgendwo in Brzezinka oder sogar oft direkt in die SK [Strafkompanie] verlegte.

Dusiciel

In der SK wurden sie unterdessen – wie immer – ermordet. Dort gab es einen Juden [Izak Gąska], der allgemein „Dusiciel“ [Würger] genannt wurde. Man wies ihm täglich einige oder ein gutes Dutzend Juden zu, um sie zu ermorden. Das hing vom Personenstand der ganzen SK ab.

Diese zur Vernichtung bestimmten Juden erwartete hier ein übler Tod durch die Hand ihres Glaubensgenossen, den breitschultrigen Juden „Dusiciel“. Jede halbe Stunde, manchmal häufiger, manchmal weniger, abhängig davon, wie groß der Andrang in der Todesschlange war, befahl „Dusiciel“ dem von ihm ausgesuchten Opfer, sich auf dem Rücken auf den Boden zu legen (einen Widerspenstigen legte er sich selber schnell und geschickt zurecht), dann legte er den Griff einer Schaufel auf die Kehle des Liegenden, sprang mit den Füssen auf die Stange der Schaufel und drückte mit dem vollen Gewicht seines Körpers zu. Die Stange drückte die Kehle zu, und „Dusiciel“ schaukelte auf ihr, verlegte das Gewicht einmal auf die linke, dann noch einmal auf die rechte Seite. Der Jude unter der Schaufel röchelte, trat um sich, starb.

Manchmal sagte er zu seinem Opfer, dass es sich nicht fürchten solle, da der Tod schnell eintrete.

Die SK, „Dusiciel“ und die ihm zugeteilten, zum Tod bestimmten Juden behandelte man als ein unabhängiges Unter-Todeskommando. Die eigentliche Strafkompanie, in der Polen dominierten, lebte, arbeitete und starb separat für sich den gleichen Tod, aber auf eine andere Art.

Fluchtversuch der Strafkompanie

Im Sommer wurden plötzlich viele Häftlinge in die SK verlegt. Das war eine Anordnung der politischen Abteilung und die Folge einer Fallprüfung, die ergeben hatte, dass die Vorwürfe gegen diese Häftlinge auf der Erde bewiesen waren. Von den mir bekannten Kameraden und Mitarbeitern unserer Organisation im Lager wurden folgende Personen in die SK nach Rajsko gebracht: Zugführer und Offiziersanwärter 26 [Stanisław Maringe], Oberst 27 [Jerzy Poraziński], Hauptmann 124 [Tadeusz Chrościcki – der Vater] und 125 [Tadeusz Lucjan Chrościcki – sein Sohn]. Nach einiger Zeit bekam ich von Oberst 27 einen etwas unvorsichtig geschickten Zettel, der aber glücklicherweise niemandem in die Hände fiel. Auf dem schrieb er: „Ich lasse Dich wissen, dass wir in Kürze nur noch kleine Wölkchen sein sollen – daher versuchen wir also Morgen unser Glück während der Arbeit… Unsere Chancen sind gering. Verabschiede mich irgendwann von meiner Familie, falls du es kannst und noch auf der Erde am Leben sein solltest, und falls ich sterbe, dann sage, dass ich im Kampf gefallen sei…“ Am nächsten Tag brachten sie am späten Abend die Nachricht, dass an jenem Abend beim Signal, das das Ende des Arbeitstages in Brzezinka verkündete, die Häftlinge der SK zusammen losschlugen und alle einen Fluchtversuch unternahmen. Schwer zu sagen, ob er schlecht vorbereitet war oder jemand etwas verraten hatte, da man alle informieren musste oder ob die Bedingungen zu schwer waren – kurz, die SS-Männer verwandelten praktisch alle der etwa 70 Häftlinge in Leichen. Beim Einfangen und Töten halfen die deutschen Kapos ohne zu zögern den SS-Männern.

Anscheinend ließ man einige am Leben. Man sagte ebenfalls, dass etwa ein Dutzend entkamen. Einige durchschwammen wohl die Weichsel. Die Nachrichten waren jedoch sehr widersprüchlich. Fakt ist aber, dass ich drei Jahre später von Romek G. erfuhr, dass 125 (der Sohn meines Arbeitskollegen aus Warschau), der auch in dieser Gruppe war, dem Tod damals auf irgendeine Weise entrann.

Flohplage im Frauenlager

Wir wussten, dass im Frauenlager, in den von uns abgetrennten Blöcken, eine riesige Flohplage war – so wie wir einmal in den Häftlingsblöcken unter den Läusen gelitten hatten. Wir verstanden nicht, woher das kam, warum diese Insekten so einen Unterschied zwischen den Geschlechtern der Häftlinge machten. Später zeigte sich, dass einige der Kommandos des Frauenlagers in irgendwelche mit Flöhen infizierte Gebäude zum Arbeiten gingen und die Flöhe mit in die Blöcke schleppten. Diese vermehrten sich unter den guten Bedingungen schlagartig und verjagten die bisherigen weißen Bewohner. Bald wurden die Frauen von uns aus den Blöcken des Stammlagers weg nach Birkenau gebracht, wo sie in Holzblöcken unter schrecklichen Bedingungen starben. Es gab weder Wasser in den Blöcken noch Toiletten. Einige schliefen auf dem Boden, da die Blöcke aus Brettern keine Zwischenböden hatten. Sie wateten durch knöcheltiefen Dreck, da es keinen Abfluss und keine Absätze gab. Am Morgen blieben sie zu Hunderten auf dem Platz, da sie keine Kraft mehr zum Arbeiten hatten. Niedergeschlagen und ohne Gefühl Leidende, hörten sie auf, wie Frauen auszusehen. Bald fanden sie das „Erbarmen“ der Lagerleitung und gingen zu Hunderten ins Gas. Damals vergaste man mehr als zweitausend dieser Wesen, die in einem früheren Leben einmal Frauen gewesen waren.

In den von den Frauen verlassenen Blöcken blieb eine unzählbare Masse von Flöhen zurück. Die Tischler, die in diese Blöcke gingen, um vor einem erneuten Einzug männlicher Kommandos eventuelle Schäden an Fenstern und Türen zu beheben, erzählten von der fürchterlichen Arbeit in diesem Reich der „Braunhaarigen“, die in ganzen Schwärmen in den verlassenen Blöcken herumsprangen. Hungrig warfen sie sich auf die Ankömmlinge und bissen, sprenkelten ihre Körper einer neben dem anderen. Nichts half dagegen. Weder das Anbinden der Hosenbeine am Knöchel oder der Ärmel an den Handgelenken. So warfen die Tischler gleich ihre Kleidung ab, legten sie an irgendeinem flohsicheren Ort ab, und schützten ihre nackten Körper durch ständiges Verscheuchen wie weidende Tiere auf dem Feld. Die Flöhe sprangen in Schwärmen auf dem Boden herum und wenn man sie in der Sonne auf dem Boden ansah, dann machte es den Eindruck eines Betrachtens von Springbrunnen.

In unserem Lager hatten wir damals schon in allen Blöcken Toiletten und schöne Bäder. Kanalisation und Wasserleitungen gab es schon überall. In den Kellern dreier Blöcke waren Kraftspritzen in Betrieb, die das ganze Lager mit Wasser versorgten. Viele Häftlinge ließen ihr Leben beim Bau all dieser Annehmlichkeiten.

Ein „Zugang“, der jetzt in das Lager kam, fand sofort andere Bedingungen vor als die, unter denen man uns damals eingesperrt hatte, wo man uns ebenfalls dadurch tötete, dass wir keine Möglichkeiten hatten, uns zu waschen oder keinen ruhigen Moment auf irgendeiner Toilette verbringen konnten. Jetzt gab es einen Ordnungsdienst, den manch einer um seinen Posten beneidete. Er saß in der Toilette und aß Suppe (er hatte immer einen Nachschlag), auch wenn dieser Ort zum Essen vielleicht etwas seltsam erschien, er hatte überhaupt kein Problem damit. Er aß ruhig und mit Geschrei beschleunigte er die Verrichtungen der Häftlinge in der schönen Toilette.

Die Frauen, die aus diesen Bedingungen, die schon 1942 in unseren Blöcken herrschten, in die primitiven Bedingungen von Brzezinka verlegt wurden, bekamen das sehr zu spüren.

Man verlegte die Frauen, aber der hohe Zaun, der im Frühling gebaut worden war, um uns vom anderen Geschlecht zu trennen, sollte weiter bis zur Desinfizierung des gesamten Lagers bestehen bleiben. Die Flöhe wurden jedoch mit dem Zaun fertig. Nicht alle, aber die Unternehmungslustigeren schafften es auf irgendeine Weise, die Mauer zu überwinden und warfen sich auf unser Lager, wo sie in den Blöcken eine Unmenge von Nahrung fanden.

Tischlereikommando II

Währenddessen gestaltete sich die Situation in der Löffelwerkstatt so, dass über eine andere Arbeit nachzudenken war, da schon viele tausend Löffel hergestellt waren, und man konnte voraussehen, dass sie unser Kommando bald auflösen würden. Da machte man mir aufgrund der Beziehungen meiner Freunde 111 [nicht bekannt], 19 [Tadeusz Słowiaczek] und 52 [Tadeusz Myszkowski] Platz in der Tischlerwerkstatt unter den ausgewählten Tischlern (jenen von früher, aus Konrads Zeit). Vorläufig arbeitete ich mit dem Tischlermeister 111 in einer Werkstatt, aber als 111 und 127 [nicht bekannt] nacheinander an Fleckfieber erkrankten, blieb ich alleine in der Werkstatt zurück und musste einen Fachmann spielen, der verantwortlich für die Arbeit seiner Werkstatt war.

Der Kapo war neu, er hatte nach dem Tod (Fleckfieber) des verrückten „Hulajnoga“ das Tischlerkommando in der Lederfabrik übernommen. Meine Lage wurde problematisch. Ich bekam Skizzen bestellter Möbel, die ich selber aus Holz anfertigen musste. Obwohl ich nur zwölf Tage allein in dieser Werkstatt arbeitete, gebe ich zu, dass ich mit den Nerven fertig war. Ich durfte nicht auffallen, war aber kein Fachmann. Auf jeden Fall machte ich einen aufklappbaren Schrank, und wenigstens zum Fertigmachen kam der erstklassige Meister 92 [Wacław Weszke] in meine Werkstatt – trotzdem schaffte ich es diese zwölf Tage lang ohne Zwischenfälle, dem launischen, aber dummen Kapo gegenüber einen Tischlermeister vorzutäuschen. Ich war ja kein völliger Anfänger in der Tischlerei (und den Rest musste man mit Raffinesse wettmachen). Die Aufnahme von 92 in meine Werkstatt, die er sich absichtlich ausgesucht hatte, bereitete mir jedoch aufrichtige Freude.

Von da an hatte ich mehr Zeit, die ich dem Weben eines „Netzes“ hier und der Koordination der Arbeitsschritte unserer Organisation widmete: Ich traf mich mit den Kameraden in der Lederfabrik direkt oder im Schuppen, wo die Bretter lagen (unter dem Vorwand Material auszusuchen) und beriet mich mit 50 [Jan Mielcarek, „Wernyhora“] und 106 [nicht bekannt] auf einem Stapel neuer Strohsäcke, die hier direkt unters Dach reichten. Wie von einem perfekten Aussichtspunkt aus, beobachteten wir durch die Ritzen im Dach die Bewegungen Erichs oder des Kommandanten.

Fleckfieber

Das Fleckfieber setzte uns immer noch böse zu, und in den Kasernen der SS-Männer wurde eine Entlausung durchgeführt. In allen unseren Blöcken gab es Kranke. In unserem Saal (7 im Block 25) ging täglich jemand ins Krankenhaus, der an Fleckfieber erkrankt war.

Da hatten wir schon zu zweit ein Bett.

Als erster aus unserer Gruppe erkrankte Offiziersanwärter 94 [nicht bekannt], dann Korporal 91 [Stanisław Polkowski], später 71 [Jan Mosdorf], 73 [Piotr Kownacki] und 95 [nicht bekannt], dann der mit mir in einem Bett schlafende 111 [nicht bekannt], auch 93 [nicht bekannt]. Am Ende waren fast alle, einer nach dem anderen krank geworden. (Es ist schon schwierig, sich zu erinnern, wer nach wem ins Krankenhaus ging). Sehr viele kamen nicht mehr zurück und fuhren in einem Wagen voller Leichen in das Krematorium. Täglich konnte man einige bekannte Gesichter unter den Körpern der Häftlinge sehen, die wie Holz auf den Wagen geworfen wurden.

Vorläufig packte mich das Fleckfieber nicht.

Dr. 2 [Władysław Dering] tauchte bei mir auf und schlug vor, mir eine Anti-Fleckfieber-Spritze zu geben – den Impfstoff hatte er heimlich aus der Freiheit bekommen. Ich musste mir aber überlegen, was zu tun war, denn wenn mich die vom Fleckfieber infizierten Läuse schon gebissen hatten (was man annehmen konnte, da ich mit 111 zusammen schlief, der schon erkrankt war, und vom Biss bis zum ersten Fieber vergingen normalerweise ein gutes Dutzend Tage), dann durfte man in so einem Fall den Impfstoff nicht applizieren, denn das konnte zum Tod führen. Jedoch war ich nicht infiziert, also entschied ich mich für eine Spritze mit dem Impfstoff.

Von unserer Gruppe, die beim Appell des Blocks vorne stand, blieben von 30 Jungs in Kürze nur noch sieben, vielleicht acht, übrig. Der Rest starb an Fleckfieber. Von unseren Mitarbeitern starben der tapfere „Wernyhora“ – Nummer 50 [Jan Mielcarek], ebenfalls 53 [Józef Chramiec], 54 [Stefan Gaik], 58 [Andrzej Marduła], 71 [Jan Mosdorf], 73 [Piotr Kownacki], 91 [Stanisław Polkowski], 94 [nicht bekannt], 126 [Tadeusz Czechowski] und der unvergessliche Freund Nummer 30 [Eugeniusz Triebling]. Im Übrigen, darf ich nur von einem Einzelnen sagen, dass er unvergessen bleibt? Ich beklagte alle. Hauptmann 30 versuchte ich, mit allen Mitteln zu retten. Er war immer fröhlich, unterstützte die Leute mit seinem ganz eigenen Humor und einer Schüssel Nachschlag, ihn umgab immer eine Gruppe von Leuten. Vor dem eigentlichen Fleckfieber bekam er plötzlich eine Blutvergiftung, die aber beseitigt werden konnte: Dr. 2 operierte ihm schnell den Arm, und die Gefahr war vorüber. Eine Woche später bekam er Fleckfieber und ging in den Block 28. Dort lag er ein paar Tage und lud die Kameraden gastfreundlich ein, die ihm gebrachten Leckerbissen aus „Kanada“ zu essen. Er sprach dabei laut: „Bóg dał, dobrzy ludzie przynieśli, wiȩc jedzcie!” [Es kommt von Gott, gute Menschen haben es hergebracht, also esst!]. Er hatte hohes Fieber, aber er schwatzte trotzdem und sprach gut gelaunt davon, dass er leben müsse, dass er, selbst mit seinem Kopf in der Hand, aus Oświęcim herauskommen werde, dass er schreckliche Dinge in Hamburg durchgemacht habe und dass er seine Jasia noch wiedersehen werde. Und so, ununterbrochen redend, bekam er eine Hirnhautentzündung. Er wurde in den Block 20 verlegt und punktiert. Er wurde sorgfältig gepflegt, aber es half schon nichts mehr. Er verliess Oświęcim: Als Rauch durch den Kamin.

Er gab mir eine Anordnung: „Isjago“. Falls das jemand versteht, dann soll er sich bei mir melden.

So hatten wir Verluste (Sommer 1942), aber ebenfalls Zugänge. In dieser Zeit kamen neue Kameraden in unsere Organisation hinein, auch wenn einige von ihnen schon lange im Lager waren: 128 [nicht bekannt], 129 [Leon Kukiełka], 130 – 141 [alle nicht bekannt], 142 [Stanisław Niebudek], 143 und 144 [beide nicht bekannt].

Kunst

Ich arbeitete für einige Wochen im Block und ging überhaupt nicht in die Tischlerei, die freundschaftliche Einstellung des Blockältesten 80 [Alfred Włodarczyk] mir gegenüber nutzend, der mich schon vorher öfters in schwierigen Momenten geschützt hatte. Er gab mir kreative Arbeit im Block und erklärte es gegenüber seinen Vorgesetzten damit, dass es nötig sei, auf den Block-Büchern Dienstsignaturen anzubringen. Ich malte Bilder vom Lagerleben: wie jene Suppe abholten, die einen Nachschlag bekamen, die abendliche Fuß Kontrolle mit Schlägen auf dem Tisch. Aus farbigem Papier bastelte ich so etwas wie ein Schnittbild oder einen Aufkleber. Es war offensichtlich nicht schlecht gelungen, denn als Palitzsch einen Monat später einmal in den Block kam (als ich schon nicht mehr da war), zerstörte er alle Bilder, zerschlug das Glas in Stücke, zerstörte sogar die Rahmen, befahl aber, ihm meinen Aufkleber zu geben.

August 1942 - Entlausung

Man begann eine neue Entlausung des Lagers. Eines Tages, zwischen dem 20. und dem 25. August, ich war wie immer in der letzten Zeit nicht zur Arbeit gegangen und war im Lager, malte im Block, sah ich plötzlich Autos mit einer größeren Anzahl von SS-Männern, die in das Lager zum Fleckfieber-Block fuhren (Block 20, neue Nummerierung). Die SS-Männer umstellten schnell den Block. Ich gestehe, dass es mir für eine Weile heiß und kalt ums Herz wurde, als ich diese Szene beobachtete. Ich dachte an einen anderen Grund für diese Invasion von SS-Männern[69], aber das, was ich sah, war ebenfalls schrecklich. Die Kranken wurden herausgezogen und in die Autos gesteckt. Sowohl Bewusstlose als auch fast Gesunde sowie Rekonvaleszenten, jene, die vor einem Monat noch krank waren, aber noch die Quarantäne durchliefen – man pferchte alle zusammen auf Autos und fuhr sie in mehreren Lieferungen in die Gaskammern.

Alle, die im Block 20 wohnten, wurden damals mitgenommen – sogar Gesunde, die hier ihren Aufenthalt verlängert hatten, um sich auszuruhen – mit Ausnahme der „Pfleger“, die man an ihrer Kleidung erkannte, denn seit einer Reihe von Monaten trug das Krankenhauspersonal Kleidung, die sich deutlich von unserer unterschied. Das war Kleidung aus weißem Leintuch, mit einem den Rücken entlanglaufenden, in roter Farbe aufgemaltem Streifen und ebensolchen Streifen auf den Hosen.

Damals rette Dr. 2 eine Reihe von Polen: Er befahl ihnen, sich jeweils paarweise nacheinander die weiße Kleidung der „Pfleger“ anzuziehen, und stellte sie der SS-Kommission als Ärzte vor, die sich um die Kranken kümmerten. Schließlich wies man ihn darauf hin, dass es etwas zu viele dieser Krankenpfleger seien. Weil dann aber am Ende die echten, den SS-Männern bekannten Sanitäter herauskamen, gelang die Aktion.

Ich beobachtete, wie ein SS-Mann zwei junge Häftlinge auf den Lastwagen warf. Ein achtjähriger Junge bat den SS-Mann, ihn gehen zu lassen. Er kniete vor ihm auf den Boden. Der SS-Mann trat ihm in den Bauch und warf ihn wie einen jungen Hund auf den Wagen.

Alle wurden noch am gleichen Tag in Brzezinkas Gaskammern getötet. Das Krematorium brannte zwei Tage lang, da man ständig Häftlinge aus dem Lager anlieferte. Denn mit dem Block 20 war nicht Schluss. Später nahm man sie aus dem Block 28, als nächstes aus der Holzbaracke, die man für die Zeit der Fleckfieber-Epidemie zwischen dem Block 27 und 28 gebaut hatte. Und dann holte man schon Leute aus den Kommandos heraus. Eine Kommission ging herum und wählte aus den normalen Blöcken, in denen die Kommandos wohnten, aus. Sie fuhren alle ins Gas, die geschwollene Füße hatten oder deren Körper irgendwie beschädigt waren und die den Eindruck schwacher Arbeiter machten. Sie nahmen sich auch den „Schonungsblock“ und alle Muselmänner im Lager vor, die allerdings so wenig wie noch nie wegen dem Zufluss aus „Kanada“ waren. Jene aber, die Muselmänner waren, fuhren ins Gas zu einer „Entlausung“. Nach dem Gas gingen sie über das Krematorium als Rauch durch den Kamin.

Diesen neuen Begriff „odwszenie życia“ [Entlausung mit dem Leben] übernahm man erneut im Lager.

Nach den hertransportierten Menschen, die aus der Freiheit kamen, um ihr Leben im Gas zu lassen, wurden die Halden Kleidung und Unterwäsche ebenso ins Gas gepackt, die man in den einzelnen Kammern zur Desinfektion aufhängte, also für die richtige Entlausung. Daher wurde alles „Entlausung genannt“, was in den Wirkungsbereich des Gases kam, auch wenn es ein Häftling war.

Zweite Krankheit - Fleckfieber

Einige Tage später, am 30. August, bekam ich Fieber und Gelenkschmerzen, auch meine Waden taten mir bei Berührung weh. Das waren fast alles Anzeichen für Fleckfieber. Nur das Kopfweh fehlte, aber mein Kopf hatte mir noch nie im Leben wehgetan, und ich kannte dieses Gefühl gar nicht. Ich nehme an, dass ich das von meinem Vater habe, der oftmals erstaunt, sagte: „co to za durna musi być głowa, która boli!“ [Wie dumm muss doch ein Kopf sein, der weh tut].Weil aber die Ärzte und Kameraden sagten, dass bei Fleckfieber der Kopf schmerzen muss, wartete ich ein paar Tage. Glücklicherweise, und das verdankte ich dem Blockältesten 80, konnte ich im Block bleiben und ging nicht zur Arbeit. Ich hatte schon über 39 Grad Fieber und das Stehen beim Appell fiel mir schwer. Ich wollte aber nicht in den HKB, da es keine Sicherheiten gab, dass die Lastwagen nicht erneut kommen und alle ins Gas bringen würden. Umso mehr, da die Krankheit im besten Fall und mit der notwendigen Quarantäne mindestens zwei Monate dauerte. Das war meine zweite schwere Krankheit in Oświęcim. Abgesehen davon, hatte ich einige Male während dem Aufenthalt im Lager eine erhöhte Temperatur, weil ich mich erkältet hatte, in der Freiheit hätte sich das vielleicht zu irgendeiner Grippe entwickelt. Hier kämpfte ich die Krankheit mit Willensstärke oder auch durch die nervliche Anspannung nieder und ging zur Arbeit.

Jetzt fühlte ich jedoch von Tag zu Tag, besonders am Abend, dass ich die Krankheit nicht einfach „ignorieren“ konnte, und überhaupt hatte ich zum Laufen zu wenig Kraft. Ich weiß nicht, was weiter gewesen wäre, wenn nicht so wie beim ersten Vorfall das Entlausen entschieden hätte. Ich war schon von dem Fieber erschöpft, das seit einigen Tagen andauerte. Die Entlausung hatte schon alle Blöcke durchlaufen, und nun war unserer Block an der Reihe. Trotz dem abendlichen Fieber, das schon 40 Grad erreichte, bereitete ich mich auf die Entlausung vor und half dem Stubendienst, Kamerad 111 [nicht bekannt], der glücklicherweise nach überstandenem Fleckfieber zurückgekehrt war. Als der Block zur Entlausung ging und nur das Personal zurückblieb, das das Inventar des Blockes aufnahm und wir in einer halben Stunde alle zur Entlausung gehen sollten, da war ich so geschwächt, dass ich keine Kraft mehr dazu hatte. (Ich erinnerte mich daran, wie schwer das damals für mich war, die Entlausung im Fieber zu durchlaufen). Es gab nur einen Weg, dem zu entgehen: Man musste ins Krankenhaus gehen, aus dem sie einen erneut ins Gas mitnehmen konnten.

Ich zögerte, aber Dr. 2 tauchte auf, der zu einer vorschriftswidrigen Zeit alle Formalitäten für mich erledigte, mich im Block 28 (im Krankenhaus) unterbrachte und mich im letzten Moment vor dem Appell aus dem Personenstand des Blocks 25 herausnahm. Ich hatte bis zu 41 Grad Fieber und war ernsthaft geschwächt. Das war mein Fleckfieber. Das fehlende Kopfweh hatte jedoch den Vorteil, dass ich überhaupt nicht das Bewusstsein verlor. Vielleicht war der Krankheitsverlauf wegen dem Impfstoff milder?

Luftangriff: 30./31. August 1942

Während der ersten Nacht, die ich im Block 28 verbrachte, fand ein erster Luftangriff statt: Ein paar Flugzeuge beleuchteten das Lager, und man warf zwei Bomben auf Brzezinka ab. Vielleicht wollten sie das Krematorium treffen, aber die Aktion war nicht ernsthaft. Aber auf uns hatte sie eine ausgezeichnete Wirkung. Wir sahen Chaos unter den SS-Männern. Zwei Posten, die auf den nächstgelegenen Wachtürmen standen, verließen diese in Panik und rannten den Stacheldraht entlang, als ob sie den Kopf verloren hätten. Von den Kasernen liefen SS-Männer in einem unordentlichen Haufen zu unserem Lager und suchten sich gegenseitig. Leider war das ein schwacher Angriff und der einzige auf Oświęcim, wenigstens zu meiner Zeit.

Im Krankenhaus

Mein zweitägiger Aufenthalt im Block 28 nannte sich „Beobachtungszeit“. Freund 100 [nicht bekannt] begegnete mir mit einer besonderen Herzlichkeit, widmete sich meiner sorgfältigen Pflege und opferte alle seine freien Momente, um bei mir zu sein oder auch eine Zitrone oder Zucker zu bringen. Über ihn hatte ich auch Kontakt mit den Kameraden von der Arbeit und Einfluss auf die weiteren Fortschritte unserer Organisation. Der Ausschlag war aber so offensichtlich, dass sie mich in den Block 20 bringen mussten – in jenen mit der düsteren Geschichte von vor ein paar Wochen. Noch im Block 28 hatte mir Dr. 2 irgendeine Spritze verpasst, nach welcher meine Körpertemperatur im Verlauf von einigen Stunden von 40 Grad auf 37 Grad Komma etwas fiel. Als er dann am nächsten Tag erneut bei mir mit einer Spritze auftauchte, scherzte ich, wenn sie jetzt von 37 auf 34 falle, dann werde ich wohl sterben und daher könne ich nicht mit dieser Injektion einverstanden sein. Mein Organismus reagierte sehr stark auf alle Eingriffe und Medikamente.

Der Block 20 war nach dem kürzlichen Abtransport aller Kranken ins Gas wieder voll. Jeden Tag wurden die Körper der an Fleckfieber Gestorbenen wie Holzscheite auf die hergefahrenen Wagen geworfen. Ich weiß nicht, ob ich das schon erwähnt habe, dass alle Körper, die sie ins Krematorium fuhren, nackt waren, ohne Unterschied auf welche Art diese Menschen gestorben waren: an Fleckfieber, einer anderen Krankheit, Klehrs Nadel oder durch den Schuss von Palitzsch.

Hier im Fleckfieber-Block lagen, nachdem man jeden Morgen die Leichen herausgebracht hatte, schon am Vormittag und vor allem am Abend erneut graue, nackte Körper auf dem Korridor, einer auf dem anderen gestapelt, und sie machten den Eindruck eines Schlachthauses mit dürrem Fleisch.

Nach einem anfänglich recht zänkischen Aufeinandertreffen mit einem Kameraden, der hier Arzt war, spürte ich schon ein paar Stunden später Wohlwollen für ihn. Er war voller Hingabe, dachte ständig, den ganzen Tag nur an die Kranken, kümmerte sich um alle, rannte, wusch, fütterte, gab Spritzen: Er war damals Doktor 145 [nicht bekannt]. Der zweite tapfere Arzt hier war der gutmütige und gleichzeitig energische Hauptmann Dr. 146 [Henryk Suchnicki]. Außerdem war ich immer noch in Obhut von Kamerad 100 [nicht bekannt], über seinen Freund 101 [Witold Kosztowny], der hier Zugang als Krankenpfleger zum Spritzen hatte oder Blut zur Analyse abnahm.

In der Verwaltung dieses Blocks war der Posten des Magazin-Chefs von einem Mann unserer Organisation besetzt, meinem jungen Freund Edek, Nummer 57 [Edward Ciesielski]. Von ihm hatte ich, als ich auf dem Weg der Besserung war, zusätzliches Mittagessen, Speck und Zucker. Ein Kissen und eine Decke aus „Kanada“ steckte mir Nummer 39 Kazio [Kazimierz Radwański] zu, nach Verständigung mit 76 [Bernard Świerczyna].

Bevor die Krise in diesem großen, faktischen Leichenhaus vorbeiging – wo nebenan ständig jemand im Todeskampf röchelte, starb, vom Bett kroch und auf den Boden fiel, seine Decken von sich warf oder im Fieber mit seiner geliebten Mutter sprach, schrie, nach jemandem rief, nicht essen wollte oder Wasser verlangte, im Fieber versuchte, aus dem Fenster zu springen, mit dem Arzt stritt oder ihn um etwas bat – lag ich und dachte, dass ich noch Kraft habe, das alles zu begreifen und in Ruhe zu ertragen. Allein von diesen Eindrücken konnte man schon krank und vom irdischen Dasein des Menschen mit Abscheu erfüllt werden, dazu auch eine gewisse Form von Bedauern mit den Unzulänglichkeiten des menschlichen Organismus haben oder sich auch vom Zustand des Krankseins abgestoßen fühlen. Deshalb wuchs in mir ein unglaubliches Verlangen, diesen Ort zu verlassen, und so schnell wie möglich wieder zu Kräften zu kommen.

Als die Krise vorbei war und es mir schien, dass ich schon kräftig genug sei, die Treppe herunterzugehen, zur Toilette (vorher benutzte man eine primitive, eingerichtet für die Kranken im Saal), da zeigte sich, dass ich so schwach war, dass ich mich an der Wand festhalten musste. Seltsam, dass ich weder die Kraft hatte, die Treppe hoch- noch herunterzulaufen, was genauso schwer war. Mir schien, dass ich nur sehr langsam wieder zu Kräften kam. Während meiner Schwäche waren die Kameraden ein paar Mal vorbereitet, mich – bei einem eventuellen Abtransport ins Gas – notfalls irgendwo aufs Dach zu bringen und zu verstecken.

Mehrere Male ging Klehr durch den Saal und suchte sich mit Argusaugen Kandidaten für die Nadel aus.

Hier lernte ich 118 [nicht bekannt], 146 [Henryk Suchnicki], 147, 148, 149 [alle nicht bekannt] kennen und zog sie in unsere Arbeit mit hinein.

Doktor 145 brachte sich voll auf diesem so für ihn geeigneten Posten ein, man musste keine neuen Verbindungen schaffen oder etwas ändern. Ich wusste, dass man sich auf ihn verlassen konnte.

Von Zeit zu Zeit tauchte Dr. 2 [Władysław Dering] auf und brachte mir Zitronen und Tomaten mit, wie immer schwarz besorgt.

Ich kam vergleichsweise schnell auf die Beine. Auch während der Quarantäne ging ich auf den Hof herunter und sprach mit den Freunden durch die Gitterstäbe, die den „Aussatz“-Block von den anderen trennte. Freund 76 [Bernard Świerczyna] kam mit einer neuen Information über einen von ihm frisch geketteten Zweig der Organisation. 61 [Konstanty Piekarski] kam mit dem von 4 [Alfred Stössel] angestoßenen Projekt mittels eines Tunnels unter dem Block 28 in die Freiheit zu gelangen – es wurde mit der Hilfe von 129 [Leon Kukiełka] und 130 [nicht bekannt] in Angriff genommen. Freund 59 [Henryk Bartosiewicz] schlug vor, unsere neuen Kräfte zu vereinigen und sie neu einzuteilen und den einzelnen Gruppen ebenfalls ständige Anführer zu bestimmen, was Oberst 121 [Juliusz Gilewicz] ebenfalls wollte (weil es nach der letzten Entlausung Änderungen gab).

Militärische Organisation

Also arbeitete ich folgenden Plan aus, um unsere Kräfte zusammenzufassen und neu einzuteilen:

Da die Lagerleitung nach der großen Entlausungsaktion des Lagers die Häftlinge nach ihren Kommandos in den Blocks unterbrachte, war es nicht mehr nötig, einen doppelten Aktionsplan für die Übernahme des Lagers zu haben (das heißt einen Plan, der für die Arbeitszeit und einen, der für die Zeit im Lager in den Blöcken galt). Also nahm ich die Blöcke als Ausgangspunkt.

Jeder Block war ein Zug, das heißt, alle, die zur Organisation gehörten und in diesem Block wohnten, ohne Rücksicht auf die ursprünglichen Bindungen zur Organisation, bildeten von diesem Zeitpunkt an das Skelett des Zuges, der im Moment des „Ausbruchs“ um so viel grösser würde, wie er es schaffte, Leute mit sich zu reißen, und sofort die prodeutschen Elemente liquidieren würde.

Block X, die Häftlinge im Erdgeschoss, und jene im Block Xa im ersten Stock bildeten zusammen eine Kompanie, die in einem Gebäude wohnte, und den Kompanieführer vor Ort hatte. Mehrere Blöcke bildeten ein Bataillon.

Ich teilte alle von uns in vier Bataillone auf. Für die Gesamtleitung, also den militärischen Ernstfall, schlug ich wie bisher den Major 85 [Zygmunt Bohdanowski] vor.

Als Anführer des ersten Bataillons: Major 150 [Edward Gött-Getyński] (Blöcke 15, 17, 18)

Als Anführer des zweiten Bataillons: Hauptmann 60 [Stanisław Kazuba] (Blöcke 16, 22, 23, 24)

Als Anführer des dritten Bataillons: Hauptmann 114 [Tadeusz Paolone] (Blöcke 19, 25, die Küche sowie das Krankenhauspersonal aus den Blöcken 20, 21, 28)

Als Anführer des vierten Bataillons: Hauptmann 116 [Zygmunt Pawłowicz] (Blöcke 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10).

Ich sah aus technischen Gründen davon ab, die restlichen Blöcke organisatorisch zu beteiligen, da es erst neu besetzte (wie 1, 2) oder als Materiallager (3, 26 und 27) verwendete Blöcke waren oder ihr Bau gerade beendet wurde (wie von 12, 13, 14) oder es sich um den Sonderblock 11 handelte.

Der Plan passte Oberst 121 [Juliusz Gilewicz], und er war damit einverstanden.

Ein paar Tage später ging ich aus dem Krankenhaus ins Lager. Meine Quarantäne wurde durch mir bekannte Ärzte verkürzt, die in der Kanzlei meine (fiktive) Aufnahme ins Krankenhaus mit einem früheren Datum versahen.

Oktober 1942: In der Lederfabrik

Es war Anfang Oktober 1942. Ich ging mit den fünf Hundertschaften zur Arbeit, und wie immer in die Gerberei, aber nicht in die Tischlerei, wo ich vor der Krankheit gearbeitet hatte – sondern in das Gerbereikommando (in der eigentlichen Gerberei). Das verdankte ich Freund 59 [Henryk Bartosiewicz], der mich dem neuen Kapo der Gerberei „Mateczka“ [Mütterchen] als Gerber vorstellte, der krank gewesen war und der nun zur Arbeit zurückkehrte. In der Gerberei arbeitete ich zuerst in unmittelbarer Nähe von Oberst 121 [Juliusz Gilewicz] mit weißem Gerbstoff, danach wechselte ich dank der freundschaftlichen Beziehungen zu 59 und61 [Konstanty Piekarski] in die Trockenanlage, wo es warm war, da dort ein großer Eisenofen stand, und simulierte vier Monate lang einen Gerber, übte mich in diesem neuen Fach.

Das Aussehen des riesigen Gerbereihofs hatte sich wenig geändert. Jeden Tag fuhren mehrere Lastwagen die von den Vergasten übriggebliebenen Sachen her, um sie im Ofen der Gerberei zu verbrennen. Schuhe wurden nicht verbrannt. Riesige Mengen unterschiedlichster Schuhe, gelbe und schwarze, Männer-, Frauen- und Kinderschuhe verschiedenster Größen wurden jeden Tag von Autos auf große Pyramiden geworfen. Ein Kommando wurde aufgestellt, dass sich damit beschäftigte, aus diesen Schuhen Paare zu bilden. Jemand anderes war damit beschäftigt, die auf einem zweiten Haufen aufgeschichteten Koffer, Brief- und Handtaschen, Kinderwagen und verschiedenes Spielzeug zu verbrennen. Farbwolle, die die Frauen für Handarbeiten mit sich genommen hatten, legte man beiseite. Sie wurde nicht verbrannt, und wer immer konnte, der hortete sie, um später Pullover zu stricken.

Der große Gerbereiofen mit seinem Fabrikkamin verschlang das alles – das Heizmaterial war umsonst und wurde fast direkt vor die Feuerstelle gefahren. Jene, die die Sachen verbrannten, hatten die Möglichkeit, die Koffer etwas zu durchwühlen. Manchmal stürzte sich jemand aus der Gerberei auf den Kofferhaufen, der vor dem Ofen lag, da es recht schwer war, vom Platz etwas mitzunehmen, weil die Möglichkeit bestand, ins Blickfeld von Erich oder Walter zu kommen. Und erneut sah ich, wie das Verlangen nach Besitz von Gold oder eines Edelsteins dazu führte, dass man Koffer, Hand- und Aktentaschen aufschlitzte, Schuhe, Creme und Zahnpasta durchsuchte. Von den Geldscheinen wurden nur Dollars genommen. Über den ganzen Hof flogen, vom Wind wie Herbstblätter getrieben, Geldscheine, vor allem französische Francs. Die legte niemand zurück, umso mehr angesichts der gefährlichen Durchsuchung am Tor. Sie erschienen uns völlig unnütz. Verwendet wurden sie nur in der Toilette.

Die Gerber-Kameraden, die „Aristokratie“ aller Kommandos, nahmen einige Zeit lang für einen Gang auf die Toilette nicht weniger als 50.000 Tausend Franken mit. Wir scherzten dabei, dass weniger gar nicht in Frage komme, da sie sonst Geizkragen seien.

Gold



Am schwierigsten ist es, über sich selbst zu schreiben. Zu einem Grad, der vorher sogar für mich ungewöhnlich gewesen wäre, ging ich an dem Gold und an den Edelsteinen gleichgültig vorbei. Heute, da ich noch einmal darüber schreibe, hier auf der Erde, versuche ich genau zu ergründen, warum. Das war eher schon niemandes Besitz mehr, so rechtfertigten sich die Häftlinge. Ich war damals sogar mit dieser Erklärung einverstanden. Aber vor allem konnte ich nicht meine Abscheu für Dinge überwinden, die meiner Auffassung nach mit Blut beschmutzt waren, und überdies, selbst wenn ich mich überwunden hätte, sah ich keinen Sinn darin, warum ich das hätte tun sollen. Seltsamerweise hatten diese Gegenstände für mich ihren Wert verloren. Und mehr noch, ich war da in so einer Phase (lag es an der Notwendigkeit, zu überleben oder an den Erfordernissen meines Glaubens, da ich immer noch gläubiger Katholik bin und war?, in der Selbstachtung wirklich wichtiger für mich war als irgendein Stein… Kurz, wenn ich mich damals genötigt hätte, das Gold oder die Brillanten an mich zu nehmen, dann wäre ich vom Gipfel gefallen, den ich auf so schwerem Weg erklommen hatte. Das wichtigste und grundlegendste Hindernis Gold zu suchen war also das fast greifbare Gefühl, mir selber einen großen Schaden zuzufügen. So fühlte ich damals, aber wer weiß, ob ich jetzt, wenn ich mich wieder in einer ähnlichen Situation befinden würde, nicht anders handeln würde?

Verschiedene Kameraden hatten abweichende Einstellungen dazu. Vorläufig brauchte ich kein Geld. Aber als ich erheblich später aus dem Lager fliehen wollte und mir Geld auf dem Weg nützlich sein konnte, da wendete ich mich an einen der Häftlinge und sagte ihm, dass wir zusammen fliehen könnten und fragte ihn, ob er für alle Fälle Geld habe. Er antwortete mir, dass er es zählen und mir am nächsten Tag Bescheid gebe. Am nächsten Tag sagte er, dass er über ein Kilogramm Gold habe. Aber es ergab sich, dass meine Flucht mit ihm nicht zustande kam. Ich floh mit solchen, die keinen einzigen Pfennig hatten. Aber das ist eine viel spätere Geschichte – vorläufig hatte ich nicht vor zu fliehen und wartete auf den interessantesten Moment im Lager, auf den unsere ganze Arbeit ausgerichtet war.

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