Eintreffen angekündigter Transporte
Beim Eintreffen der angekündigten Transporte an der Rampe in Auschwitz verständigte der Adjutant oder ein anderes Mitglied des Kommandanturstabes telefonisch die verschiedenen Abteilungen des Lagers sowie den Wachsturmbann (SS-Totenkopfsturmbann) von der Ankunft des betreffenden Transportes und befahl, daß die für den Rampendienst eingeteilten Führer, Unterführer und Männer sich auf die Rampe zu begeben hätten. Die "Abwicklung" eines für die Vernichtung bestimmten Transportes war bis ins einzelne organisiert. Bei den verschiedenen Abteilungen des Lagers und beim Wachsturmbann war hierfür ständig ein sogenannter Rampendienst eingeteilt. Die Schutzhaftlagerführung stellte den Diensthabenden Führen, dessen Aufgabe es war, die Empfangnahme, Einstellung und Vernichtung der in einem Transport angekommenen Menschen zu leiten und zu beaufsichtigen. Vom Wachsturmbann wurde eine bewaffnete Kompanie zum Rampendienst geführt Der Wachsturmbann war unterteilt in Wachkompanien.
Die Bereitschaft der Truppe hat um den Zug und die Rampe Aufstellung genommen. Der Führer der Bereitschaft meldet dem für die Abwicklung des ganzen Transports verantwortlichen SS-Führer, daß die Posten aufgezogen sind. Die Wagen können jetzt entladen werden. Der Führer des Begleitkommandos, das den Zug während der Fahrt zu bewachen hatte, fast immer ein Polizeioffizier, übergibt dem SS-Mann der Aufnahmeabteilung die Transportliste. Auf dieser Liste steht, woher der Transport kommt, die Zugnummer und die Namen, Vornamen und Geburtsdaten aller Juden, die mit ihm nach Auschwitz gebracht wurden. Die SS-Männer der Schutzhaftlagerführung sorgen unterdessen dafür, daß die Gefangenen aussteigen. Jeder SS Mann bekommt dann noch einen Bon für Sonderverpflegung und Schnaps. Ein Fünftelliter für jeden Transport.
Übersicht
Transportliste der Deportierten 1933
Transportliste der Deportierten 1934
Transportliste der Deportierten 1935
Transportliste der Deportierten 1936
Transportliste der Deportierten 1937
Transportliste der Deportierten 1938
Transportliste der Deportierten 1939
Transportliste der Deportierten 1940
Transportliste der Deportierten 1941
Transportliste der Deportierten 1942
Transportliste der Deportierten 1943
Transportliste der Deportierten 1944
Transportliste der Deportierten 1945
SCHON WIEDER DIE WAGGONS, DA SIND SIE
Ich will nicht. Furcht und Schrecken. Das entsetzen macht mich wild
Schon wieder die Waggons. Grad gestern Abend weg, heut wieder hier
So stehn sie auf dem Umschlagplatz, siehst Du ihr offenes Maul? Ein Bild
Wie lauter aufgerissene Rachen. Dieser Zug ist wie ein Tier
Gefräßig sind all die Waggons und furchtbar nimmersatt. Gelabt
Hab’n sie sich an dem Judenfraß, sie knurren: Her damit, her! Her!
Heißhunger gaben die Waggons, als hätten sie noch nix gehabt
Sie wollen Juden fressen. Mehr! Und mehr und immer mehr
Sie kriegen ihren Hals nicht voll am reich gedeckten Tisch
Her mit den Jüdlein, rülpsen sie, wir haben Hunger! Los, schieb rein!
Vom alten Volk das junge Judenfleisch, schön zart und frisch
Vom alten Rebstock Trauben trinken: starken Judenwein
Es ist ein Menschenfreß-Bankett, ein Schlürfen und Geschmatz
Sie kriegen alles reingestopft und kriegen nie nie nie genug
Waggons, Waggons: Raubtiere auf dem Umschlagplatz
Dumm, blutfraßgierig steht er da, der elend lange Güterzug
Grad noch warn alle vollgestopft mit Menschen, schief und krumm
So standen Juden Tag und Nacht erstickt und eingeklemmt
Entleibt in Leiber eingepfercht. Die Leichen fielen gar nicht um
Nicht auszumachen war, ob da schon einer tot ist oder pennt
Und auf die Toten troff der Angstschweiß von den Lebenden herab
Und mancher wackelt mit dem Kopf, grad so, als wär er nicht
Längst kalt. Ein Kind fleht seine tote Mutter an: Gib mir was ab
Ein Schlückchen Wasser nur! Und patscht Mama ins Gesicht
Ein schwaches Kleines schläft bewusstlos an des Vater Brust
Noch lebt es, dämmert vor sich hin und hält noch immer aus
Sein starker Vater ist schon hin. Und trotzdem fordert es: Du musst
Jetzt losgehn! Tate, bitte bitte bring mich raus!
In einer andern Ecke im Waggon, was ist da los, Mensch, was?
Das kann nicht sein! Das ist ja Selbstmord! So ein Luftikus!
Dem Jungen ists gelungen, da! Der sprang ins Bahndammgras
Und die ihn springen sahn, sie lächeln müd. Schon fällt ein Schuss
Da hüpft so’n Kleiner raus, das ist der sichre Tod. Was macht
Das heilige Judenvolk? Es lächelt! Lacht stumm in sich rein
Was freut ihr Euch so kindlich. Der Ukrainer schießt vom Dach
Ja, ja, der Junge hats geschafft, tot oder nicht, sich selber zu befrein
Und wenn schon, eine Kugel wolln hier alle im Waggon. E steht
Nicht schlecht um den da, lieber sterben, frei auf freiem Feld, als...tja
Als was? Wo geht die Reise hin? In was fürn Tod? Lass das gebet
Für jeden, dem jetzt heiß ist, gibt es eine kühle Grube da
Ihr vollgefressenen Viehwaggons, so voll wart ihr und seid nun leer
Zehntausende, penibel abgezählt und ordentlich im Zug Verplombt
Wohin habt ihr das Judenvolk verfrachtet? Gibt’s ne’ Wiederkehr?
Los, sagt mir, ihr verdammten Kisten, sagt woher ihr kommt!
Vom Jenseits kommt ihr her. Ich merk: Es ist nicht mal so weit
Beladen rast ihr durch die Nacht, ein kleiner Aufenthalt
Und leer zurück. Was hetzt euch so? Was lässt euch keine zeit?
Ihr geht, wie ich, noch früh genug zu Bruch, grau klapprig, alt
Wie haltet ihr das aus! Ihr seht das Elend, hört die Todesschrei-bloß
Warum schreit ihr nicht: Hilfe? Etwa weil ihr Eisen seid und Holz?
Ach Eisen, du schliefst auch mal schuldlos in der Mutter Erde Schoß
Und Holz, du warst mal ein guter Baum, so harmlos hoch und stolz
Doch jetzt, ihr Güterwagen, schaut ihr zu, wie unser höchstes Gut
Dermaßen elend abkratzt. Zeugen seid ihr für die Schmerzen, all die Not
Sagt, warum seid ihr so verschlossen, los! Verratet mir die Route
Sagt mir die Wahrheit: Geht die Reise mit euch in den Tod?
Ach Unsinn, ihr habt keine Schuld, ich weiß, man schickt euch los
Was geht’s euch an?
Nichts nichts, ihr pendelt halt mal voll, mal wieder leer
Von dieser Welt in jene Welt. Ihr guten Räder, sagt mir bloß
Die Wahrheit ganz. Ich halt sie aus. Dann wein ich auch nicht mehr
Nach 1945
Das "gehütete Geheimnis" der Reichsbahn und die Beteiligung am Völkermord
Auch heute noch ist die Beteiligung der Reichsbahn am Vernichtungsprozess ein Geheimnis, das gewissenhafter als zu Zeiten der Sonderzüge gehütet wird. Und wenn das heutige Deutschland insgesamt gesehen ruhig an diesem Begräbnis der Vergangenheit teilnimmt , dann hat es gute Gründe für sein Stillschweigen.
"Die Juden wurden als Menschen verbucht und als Vieh verladen."Die Deutsche Reichsbahn kassierte für jeden deportierten Juden 4,0 Reichspfennig pro Schienenkilometer. Der Tarif in den Tod entsprach der dritten Klasse. Für Kinder unter vier Jahren wurde nur der halbe Preis einbehalten. Die Deutsche Reichsbahn hat am Völkermord gut verdient. In der Regel mussten die Opfer ihren Transport in die Vernichtungslager selbst zahlen und wenn dies nicht möglich war, hatte das Reichssicherheitshauptamt die Kosten zu tragen.
Mit dem geraubten jüdischen Vermögen wurde die deutsche Reichsbahn bezahlt.
Es waren jedesmal 75 bis 120 Deportierte in einem Waggon. Bei jedem Transport starben Menschen. Es war bereits Tradition geworden, daß mindestens fünfundzwanzig Prozent der Menschen auf dem durchschnittlich sechzig Stunden dauernden Transport von Compiegne nach Buchenwald umkamen. Diese Zeugenaussage stimmt völlig überein mit der von Blaha, von Frau Vaillant-Couturier und der des Professors Dupont.
Besonders berüchtigt sind die Transporte nach Dachau im August und September 1944; zahlreiche Transporte aus Frankreich, meistens aus Lagern in der Bretagne, trafen in diesem Lager mit 400 bis 500 Toten auf ungefähr 2000 Personen pro Zug ein.
Auf der ersten Seite des Dokuments F-140, im vierten Absatz, der sich auf Auschwitz bezieht, heißt es, daß ungefähr 7 Millionen Personen in diesem Lager verstorben sind.
In diesem Dokument heißt es, daß sich auf dem Transport von Compiegne vom 2. Juli 1944 Szenen des Irrsinns und Tumults unter den Häftlingen abspielten, und daß mehr als 600 zwischen Compiegne und Dachau gestorben sind. Von diesem Transport ist die Rede im Dokument F-83, das wir als RF-337 vorlegen. In dem Protokoll von Dr. Bouvier, gefertigt in Reims am 10. Februar 1945, wird ausgeführt, daß die Gefangenen von Reims ab halbtot vor Durst waren. Sterbende, unter ihnen der Priester, wurden noch aus dem Waggon herausgeholt.
Dieser Transport sollte bis nach Dachau gehen. Einige Kilometer hinter Compiegne gab es bereits zahlreiche Tote in jedem Waggon.
Das Dokument F-321, RF-331, Seite 21, bringt zahlreiche Beispiele für die furchtbaren Umstände, unter denen unsere Landsleute von Frankreich nach Deutschland transportiert worden sind.
Seite 21, ganz oben:
Auf dem Bahnhof in Bremen wurde uns vom Deutschen Roten Kreuz Wasser verweigert.
Wir waren halbtot vor Durst. In Breslau haben die Gefangenen die deutschen Rot-Kreuz-Schwe stern wiederum um etwas Wasser gebeten; sie zeigten jedoch kein Verständnis für unsere Bitte.
Um Fluchtversuche zu verhindern, zwang man bei vielen Transporten die Deportierten ohne jegliche Rücksicht auf Schamgefühl, das natürlichste und elementarste aller Gefühle, alle Kleidungsstücke abzulegen. So reisten sie stundenlang, völlig nackt, von Frankreich nach Deutschland. Eine Zeugenaussage hierüber bietet das offizielle Dokument, das bereits als RF-301 vorgelegt worden ist.
Seite 17 des französischen Textes, zweiter Absatz:
Zur Verhinderung einer Flucht oder als Vergeltungsmaßnahme für eine Flucht, mußten die Gefangenen sich völlig nackt ausziehen.
Der Verfasser des Berichts fügt hinzu:
Diese Maßnahmen bezweckten auch eine moralische Degradierung des Individuums.
Selbst nach gemäßigten Aussagen war der Anblick dieser zusammengepferchten nackten Männer, die kaum Raum zum Atmen hatten, scheußlich.
Wenn trotz dieser Vorkehrung Fluchtversuche unternommen wurden, so nahm man Geiseln aus den Waggons und erschoß sie.
Der Beweis dafür wird durch das gleiche Dokument, oben auf Seite 18, erbracht:
5 Deportierte wurden umgebracht.
So wurden bei Montmorency 5 Deportierte aus dem Zug vom 15. August 1944 beerdigt, und 5 weitere von deutschen Gendarmen und Offizieren der Wehrmacht in Domprémy (Marne) durch Revolverschüsse getötet.
Im Zusammenhang mit dieser Erklärung muß ein anderes offizielles, bereits als F-321, RF-331 vorgelegtes Dokument erwähnt werden.
Auf Seite 30 lesen Sie, Seite 11 des deutschen Textes des Dokuments RF-321:
Einige junge Leute wurden in aller Hast ausgewählt. Als sie in dem Graben anlangten, ergriff jeder Polizist einen Gefangenen, stellte ihn an die Grabenwand und tötete ihn durch Genickschüsse.
In gleicher Weise wurde bei den Deportationen aus Dänemark verfahren. Die dänischen Juden waren besonders betroffen. Einer gewissen Anzahl von ihnen, die rechtzeitig gewarnt worden waren, gelang es, nach Schweden zu entkommen. Leider wurden aber 8000 bis 9000 Leute von den Deutschen festgenommen und deportiert. Man nimmt an, daß 475 auf Schiffen oder Lastwagen unter unmenschlichen Bedingungen nach Theresienstadt, Böhmen-Mähren, gebracht worden sind.
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An Hand der Zählungen, die wir in Frankreich vorgenommen haben, können wir heute sagen, daß über 250000 Franzosen deportiert wurden, von denen nur 35000 zurückgekommen sind. Aus Dokument F-497, das als RF-339 eingereicht wurde – es ist das dritte Dokument des ersten Dokumentenbuches – geht hervor, daß von den 600000 Verhaftungen, die die Deutschen in Frankreich vorgenommen haben, 350000 zum Zwecke der Internierung in Frankreich oder Deutschland durchgeführt wurden.
Erste Seite des Dokuments, vierter Absatz:
Gesamtzahl der Deportierten: 250000; Zahl der Zurückgekehrten: 35000.
einige Namen von deportierten Franzosen:
Präfekten:
Bussieres und Bonnefoy verschwunden
Generale:
De Lestraing in Dachau ermordet
Job in Auschwitz ermordet
Frere in Struthof verstorben
Bardi de Fourtou in Neuengamme verstorben
Oberst Reger Masse in Auschwitz verstorben
Hohe Beamte:
Marquis de Moustier in Neuengamme verstorben
Boulloche, Generalinspektor für Brücken- und Wegebau in Buchenwald verstorben.
seine Frau in Ravensbrück verstorben
einer seiner Söhne während der Deportation gestorben; nur ein zweiter Sohn von Flossenburg zurückgekehrt.
Jean Deveze, Ingenieur für Brücken- und Wegebau, in Nordhausen verschwunden
Pierre Block, Ingenieur für Brücken- und Wegebau, in Auschwitz verstorben Frau Getting, Gründerin des Sozialdienstes in Frankreich, in Auschwitz verschwunden.
Aus französischen Universitätskreisen die bekannten Persönlichkeiten
Henri Maspero, Professor des College de France, in Buchenwald gestorben Georges Bruhat, Direktor der École Normale Supérieure, in Oranienburg gestorben
Professor Vieille in Buchenwald gestorben
Es ist nicht möglich, alle französischen Intellektuellen zu nennen, die durch die deutsche Wut ausgerottet wurden.
Von den Ärzten sind der Direktor des Rothschild-Krankenhauses und Professor Florence zu nennen, die in Auschwitz beziehungsweise in Neuengamme ermordet wurden.
Holland:
sind 110000 holländische Staatsbürger jüdischen Glaubens verhaftet worden, nur 5000 sind zurückgekehrt. 16000 Patrioten sind verhaftet worden, und nur 6000 sind zurückgekommen, von insgesamt 126000 Deportierten sind 11000 nach der Befreiung in die Heimat zurückgekehrt.
Belgien:
197150 Deportierte ohne die Kriegsgefangenen; wenn man die Kriegsgefangenen einbezieht: 250000.
Luxemburg:
7000 Deportierte, über 700 Juden. Von 4000 Luxemburgern sind 500 tot.
Es handelt sich um die Dokumente RF-343, RF-341 und RF-342.
Dänemark:
Dokument F-666, RF-338 liegt bereits vor, Seite 3:
6104 Dänen wurden interniert, 583 starben.
Es gab innerhalb und außerhalb Deutschlands Lager. Die meisten Lager außerhalb Deutschlands dienten lediglich zur Aussonderung der Gefangenen, und ich habe Ihnen bereits darüber berichtet. Einige waren jedoch von der gleichen Art wie die in Deutschland. Unter ihnen muß Westerbork in Holland genannt werden, von dem bereits in Dokument F-224, vorgelegt als RF-324, die Rede ist. Es ist ein offizieller Bericht der Holländischen Regierung. Das Lager Amersfoort, ebenfalls in Holland, ist Gegenstand des Dokuments F-677, das als RF-344 vorgelegt wird.
In Holland gab es außerdem das Lager Vught, dann in Norwegen die Lager Grini, Falstad, Ulven, Espeland und Sydspissen, die in einem Bericht der Norwegischen Regierung genannt sind, der in Dokument F-240, RF-294, enthalten ist.
Die Lager in Deutschland, ebenso auch die Lager außerhalb Deutschlands, welche nicht Durchgangslager waren, kann man gemäß deutschen Anweisungen, die in unsere Hände gelangt sind, in drei Klassen einteilen. Sie finden diese Anweisungen im zweiten Dokumentenbuch, Seite 11, das fortlaufend numeriert ist, um das Suchen zu erleichtern. Es ist Dokument 1063(a)-PS, das wir dem Gerichtshof als RF-345 vorgelegt haben, Seite 11 des zweiten Dokumentenbuches.
Ich lese:
Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei hat seine Zustimmung zu der Einteilung der Konzentrationslager in verschiedene Stufen, die der Persönlichkeit des Häftlings und dem Grad der Gefährdung für den Staat Rechnung tragen, erteilt. Danach werden die Konzentrationslager in folgende Stufen eingeteilt:
Stufe 1: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge, außerdem für Sonderfälle und Einzelhaft.
Stufe 1a: Für alle alten und bedingt arbeitsfähigen Schutzhäftlinge.
Stufe 2: Für schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge.
Stufe 3: Für schwer belastete, insbesondere auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, d.h. kaum erziehbare Häftlinge.
Am 2. Januar 1941, dem Datum dieses Dokuments, gab die deutsche Verwaltung mit der Aufteilung der Lager in diese drei Stufen eine Aufzählung der größten, zu jeder Stufe gehörigen deutschen Lager. Es scheint mir unwichtig, auf die geographische Lage dieser Lager innerhalb Deutschlands zurückzukommen, da meine amerikanischen Kollegen an Hand einer Landkarte erschöpfende Ausführungen über diese Frage gemacht haben.
Die Organisation und der Betrieb dieser Lager diente zwei Zielen. Einmal verfolgte man das Ziel, wie aus Dokument RF-346, Seite 14 des zweiten Dokumentenbuches hervorgeht, Arbeitskräfte zu ersetzen und mit den geringsten Kosten größte Arbeitsleistung zu erreichen.
Am 17. Dezember 1942 – dieses Datum fällt mit den militärischen Schwierigkeiten zusammen, mit denen Deutschland im Verlaufe des russischen Feldzuges zu kämpfen hatte.
Aus kriegswichtigen, hier nicht näher zu erörternden Gründen hat der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei am 14. Dezember 1942 befohlen, daß bis Ende Januar 1943 mindestens 35000 arbeitsfähige Häftlinge in die Konzentrationslager einzuweisen sind.
Absatz 2:
Um diese Zahl zu erreichen, ist folgendes erforderlich:
1. Ab sofort (zunächst bis zum 1. November 1943) werden Ostarbeiter oder solche fremdvölkischen Arbeiter, welche flüchtig gegangen oder vertragsbrüchig geworden sind und nicht den verbündeten, befreundeten oder den neutralen Staaten angehören, auf schnellstem Wege den nächstgelegenen Konzentrationslagern eingeliefert.
Willkürliche Verhaftungen wurden durchgeführt, um mit geringstmöglichen Kosten die größte Arbeitsleistung von Arbeitern zu erreichen, die bereits nach Deutschland deportiert waren, die aber auf Grund der Arbeitskontrakte bezahlt werden mußten.
Die Einrichtung dieser Lager sollte ferner alle unproduktiven Kräfte, das heißt alle diejenigen, die von der deutschen Industrie nicht mehr ausgenutzt werden konnten und ganz allgemein der Nazi-Expansion im Wege stehen könnten, vernichten.
Ein unwiderlegbarer Beweis wird durch das Dokument R-91 erbracht, Seite 20 und 21 im zweiten Dokumentenbuch, das als RF-347 vorgelegt wurde. Es ist ein Telegramm des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, aufgenommen am 16. Dezember 1942, 21,00 Uhr, in Berlin.
Im Zuge der bis 30. Januar 1943 befohlenen verstärkten Zuführung von Arbeitskräften in die KZ kann auf dem Gebiet des Judensektors wie folgt verfahren werden:
1. Gesamtzahl: 45000 Juden
2. Transportbeginn: 11. 01. 1943
Transportende: 31. 01. 1943
3. das ist der wichtigste Teil des Dokuments:
Aufgliederung:
Die 45000 Juden verteilen sich auf 30000 Juden aus dem Bezirk Bialystok
10000 Juden aus dem Ghetto Theresienstadt. Davon 5000 arbeitsfähige Juden, die bisher für im Ghetto erforderliche kleinere Arbeiten eingesetzt waren, und 5000 im allgemeinen arbeitsunfähige, auch über 60 Jahre alte Juden, um bei dieser Gelegenheit den im Interesse des Aufbaues des Ghettos zu hohen Lagerstand von 48000 etwas herunterzudrücken.
Hierfür bitte ich Sondergenehmigung zu erteilen.
Am Ende dieses Absatzes:
In der Zahl von 45000 ist der arbeitsunfähige (unterstrichen) Anhang (alte Juden und Kinder) mit inbegriffen. Bei Anlegung eines zweckmäßigen Maßstabs fallen bei der Ausmusterung der ankommenden Juden in Auschwitz mindestens 10000 bis 15000 Arbeitskräfte an.
Nun folgt ein offizielles Dokument, welches neben zahlreichen anderen Aussagen über die gleiche Frage, die Zeugenaussage von Frau Vaillant-Couturier bestätigt. Es beweist, daß die systematische Auswahl, die bei jedem in Auschwitz eintreffenden Transport vorgenommen wurde, nicht nur von dem Willen des Lagerkommandanten abhing, sondern auf höheren Befehl, der von der Reichsregierung ausging, zurückzuführen war.
Quelle: Nürnberger Prozeß, Vernehmung, Dienstag, 29. Januar 1946
31.03.2006
In einem Schreiben an sämtliche Abgeordnete des Deutschen Bundestags bittet der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland um politische Interventionen gegen die Deutsche Bahn AG. Der Vorstand des Unternehmens weigert sich seit mehr als einem Jahr, auf den deutschen Publikumsbahnhöfen eine Ausstellung über elftausend ermordete jüdische Kinder zu zeigen. Die Kinder waren auf dem Schiennennetz des Bahn-Vorgängers ("Deutsche Reichsbahn") in die Vernichtungslager deportiert worden. Als "nicht nachvollziehbar" und "(e)benso wenig akzeptabel" bezeichnet es der Zentralrat, dass die in Frankreich bereitstehende Ausstellung "angeblich aus finanziellen und sicherheitstechnischen Gründen" auf deutschen Bahnhöfen nicht zum Einsatz kommen darf. In einem weiteren Schreiben, das in diesen Tagen an den Bahn-Vorstandschef Mehdorn ging, äußert der Bundesverkehrsminister die Erwartung, die Mehdorn-Gruppe möge ihren Widerstand aufgeben. Zuvor hatte die Initiative "Elftausend Kinder" das Ministerium informiert und an dessen politische Verantwortung erinnert. Daraufhin ist es auch im Bundestag zu heftiger Kritik am Bahn-Vorstand gekommen. Der parlamentarische Druck sorgt für Spannungen in der Berliner Bahn-Zentrale.