Rampendienst

Die zum Rampendienst eingeteilten Führer, Unterführer und SS-Männer hatten festgelegte Aufgaben: Sie beaufsichtigten das Gesamtgeschehen, öffneten die Türen der Waggons, forderten die eingepferchten Menschen zum Aussteigen auf, nahmen von Transportführern die Transportpapiere entgegen, teilten die Ankömmlinge in Männer, Frauen und »Arbeitsunfähige« (Alte, Kranke, Kinder) ein, formierten die Deportierten in Fünferreihen und selektierten sie, zählten sie ab, bestätigten dem Transportführer die Übernahme des Todeszuges unter Angabe der »Transportstärke«, befehligten das Aufräumungskommando auf die Rampe (die sogenannte »Alte Rampe« oder »Judenrampe«, seit Mai 1944 die »Neue« Rampe zwischen den Lagerteilen BI und BII in Birkenau) zur Übernahme der Habseligkeiten der angekommenen Juden, sperrten die Rampe ab und standen Posten, transportierten die zum Tode Verurteilten mit Lastwagen zu den Gaskammern oder führten die Opfer in Kolonnen dorthin, gaben Anweisungen, sich zum »Duschen« zu entkleiden, täuschten die Opfer mit lügnerischen Reden, schoben die Nackten in die Vergasungsräume, verriegelten die Türen, brachten mit einem Sanitätsdienstwagen (»Sanka«) Zyklon B zu den Todesfabriken, warfen das Gas ein, beobachteten den Vergasungsvorgang und den Todeskampf der Opfer durch ein Guckloch, befahlen das Öffnen der Gaskammern, stellten den Tod der Menschen fest, ordneten die Verbrennung der Leichen in den Krematorien an, kontrollierten das Ausreißen von Goldzähnen, das Abscheren von Frauenhaaren, überwachten den Raub von Wertgegenständen, vermeldeten per Fernschreiben an die im RSHA sitzenden Buchhalter des Massenmordes die Gesamtzahl der Deportierten, aufgeteilt nach Männern und Frauen, führten die Anzahl der ins Lager eingewiesenen Häftlinge an sowie die Zahl der mit Gas Ermordeten, wiesen die »arbeitsfähigen« Männer und Frauen ins Lager ein, befahlen ihnen, sich zu duschen, ließen sie scheren und einkleiden, karteimäßig erfassen und tätowieren, verbrachten sie in Blocks, teilten sie Arbeitskommandos zu. In etwa 30 Monaten bzw. 900 Tagen kamen über 600 RSHATransporte mit etwa einer Million Juden in Auschwitz an. Tag für Tag, Tag und Nacht, rund um die Uhr, waren die zum »Rampendienst« eingeteilten SS-Leute an den Massenvernichtungen beteiligt.

Barthelmäs Adolf

Aussage des Vorstehers der Güterabfertigung am Bahnhof Auschwitz
Reichsbahnoberinspektors
Barthelinäs im Auschwitz Prozeß (8 AR-Z 80/ 61 ZStL))
Die Häftlinge werden anfangs auf einem Nebengleis des Bahnhofs entladen. 1942, mit Beginn der Massenvernichtung, dient die Judenrampe, auf offenem Feld zwischen Auschwitz und Birkenau, als Entladungsort. Die Rampe in Birkenau nimmt ab dem 16.05.1944 die Vernichtungstransporte auf. Ich schätze, daß etwa 3000 bis 3500 Personen mit einem Transportzug ankamen. Die Entladung der Züge fand etwa 4km weiter im Judenlager auf einem Anschlußgleis statt. Als das Anschlußgleis noch nicht fertig war, wurden auch an der äußersten Westseite des Bahnhofes, an einer provisorischen Rampe, die Juden ausgeladen. An einem Tag meldete mir mein Oberlademeister Röhrich, der die Leerwagen im Bestand aufzunehmen hatte, daß in der Nähe meines Bürofensters ein Wagen stehe, den er als leer angesehen hatte, weil er keine Bezettelung trug. Er habe den Wagen geöffnet und es seien ihm Leichen daraus entgegengefallen.
Barthelmäs weiter:
Ich habe mir einmal einen Leerzug, der aus dem Lager gezogen wurde, angesehen, weil gemeldet wurde, daß das polnische Rangierpersonal die Leerwagen nach Geld und ähnlichen Sachen durchsuchte. Dabei mußte ich feststellen, daß der Wagenboden etwa 10cm hoch mit Menschenkot und Unrat bedeckt war.

Eintreffen angekündigter Transporte

Die Transporte kamen an verschiedenen Stellen an. Manche kamen auf dem Bahnhof an und manche an der Rampe. Der Gleisanschluß, die sogenannte neue Rampe, wurde im Mai 1944 fertiggestellt.

Beim Eintreffen der angekündigten Transporte an der
Rampe in Auschwitz verständigte der Adjutant oder ein anderes Mitglied des Kommandanturstabes telefonisch die verschiedenen Abteilungen des Lagers sowie den Wachsturmbann (SS-Totenkopfsturmbann) von der Ankunft des betreffenden Transportes und befahl, daß die für den Rampendienst eingeteilten Führer, Unterführer und Männer sich auf die Rampe zu begeben hätten. Die "Abwicklung" eines für die Vernichtung bestimmten Transportes war bis ins einzelne organisiert. Bei den verschiedenen Abteilungen des Lagers und beim Wachsturmbann war hierfür ständig ein sogenannter Rampendienst eingeteilt. Die Schutzhaftlagerführung stellte den Diensthabenden Führen, dessen Aufgabe es war, die Empfangnahme, Einstellung und Vernichtung der in einem Transport angekommenen Menschen zu leiten und zu beaufsichtigen. Vom Wachsturmbann wurde eine bewaffnete Kompanie zum Rampendienst geführt Der Wachsturmbann war unterteilt in Wachkompanien.
Die Bereitschaft der Truppe hat um den Zug und die Rampe Aufstellung genommen. Der Führer der Bereitschaft meldet dem für die Abwicklung des ganzen Transports verantwortlichen SS-Führer, daß die Posten aufgezogen sind. Die Wagen können jetzt entladen werden. Der Führer des Begleitkommandos, das den Zug während der Fahrt zu bewachen hatte, fast immer ein Polizeioffizier, übergibt dem SS-Mann der Aufnahmeabteilung die Transportliste. Auf dieser Liste steht, woher der Transport kommt, die Zugnummer und die Namen, Vornamen und Geburtsdaten aller Juden, die mit ihm nach Auschwitz gebracht wurden. Die SS-Männer der Schutzhaftlagerführung sorgen unterdessen dafür, daß die Gefangenen aussteigen. Jeder SS Mann bekommt dann noch einen Bon für Sonderverpflegung und Schnaps. Ein Fünftelliter für jeden Transport.

Den Ankömmlingen wurde vorgespiegelt, es handele sich um ein Arbeitslager und Tötungen seien nicht beabsichtigt; allenfalls Fluchten und ähnliche Zuwiderhandlungen würden mit dem Tode bestraft. Diese Täuschung wurde durch verschiedene aktive Maßnahmen hervorgerufen und aufrechterhalten, etwa mittels Hinweisen, es gehe nur zum Duschen und entsprechender Weg- und Gebäudebeschilderung, weshalb die neu angekommenen Häftlinge arg- und auch wehrlos waren. Zyklon B war ein Schädlingsbekämpfungsmittel. Sein chemischer Wirkstoff Cyanwasserstoff ist im Volksmund als Blausäure bekannt. Zyklon B führt zu einer inneren Erstickung, bei der es gleichzeitig zu einer Lähmung des Atemzentrums, auftretenden Angstsymptomen, Schwindelgefühl und Erbrechen kommt. Bei einer entsprechenden Konzentration tritt der Tod rasch ein. In den Gaskammern wurde das Zyklon B meist in körniger Form durch verschiedene Einwurfeinrichtungen in die dicht gedrängte Menge der ahnungslosen Opfer eingebracht. Es fiel zu Boden und breitete sich über Minuten hinweg aus. Die Opfer starben daher nicht unverzüglich, sondern erkannten vielmehr spätestens jetzt die Tötungsabsicht. Schrecken und Panik breiteten sich aus. Die Opfer versuchten, in dem Raum möglichst nach oben zu gelangen und das Gift nicht einzuatmen. Der Todeskampf dauerte etliche Minuten. Die Schreie der Opfer waren weithin hörbar. Teilweise mussten nach Öffnen der Gaskammern die Opfer mit Axtschlägen getrennt werden, so sehr waren sie durch die Todeskämpfe ineinander verhakt.
Die Häftlinge waren - für alle Lagerbediensteten erkennbar - nicht nach formalen Rechtsverfahren ausgewählt oder gar gerichtlich verurteilt worden, sondern befanden sich aus rassistischen Gründen bzw. wegen ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, wegen ihrer sexuellen Orientierung oder wegen ihrer Parteinahme im Krieg im Lager. Die Täter handelten aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung.

Fahrten in die Gaskammer

Ausstellung der Fahrbefehle für die Fahrten von der Rampe in die Gaskammer.
Auszustellen waren diese Befehle von der Kommandantur. Hier war in erster Linie für die Fahrbereitschaft der Adjutant des Kommandanten verantwortlich.

ab 1943 waren die Lastkraftwagen, die die Transporte zur Gaskammer durchgeführt haben, in der Praga-Halle.

Aussage Siebald Anton
Später wurden keine schriftlichen Fahrbefehle mehr ausgestellt.
Für die Fahrten innerhalb des Lagers, wozu auch der Transport der Häftlinge von der Ankunftsrampe zur Gaskammer gehörte, waren keine schriftlichen mehr Fahrbefehle notwendig. Diese Fahrbefehle wurden per Telefon durchgegeben

GEV

Vertreter der GEV (Standortverwaltung, Abteilung Gefangenen-Eigentumsverwaltung) waren bei Transportankünften immer auf der Rampe. Beim Ausladen auf der Rampe entledigten sich viele Juden ihrer mitgebrachten Wertsachen, indem sie diese einfach auf die Rampe warfen oder im Waggon liegen ließen. Diese Gegenstände wurden dann von SS-Leuten aufgesammelt und bei einem Angehörigen der Wertsachenabteilung der Kommandantur abgegeben.

Hilse Wilhelm (Willy)

Reichsbahninspektor
Hilse Wilhelm (Willy)
* 18.03.1906 in Guttenstädt (Dobromil)
letzter bekannter Wohnort: Frankfurt am Main (Kuhwaldsiedlung)
vor 1945 Vertreter des Dienstvorstehers bei der Güterabfertigung im Bahnhof Auschwitz
nach 1945 beim Bundesbahnamt in Frankfurt am Main

Golik Ignacy

Aussage des ehemaligen Häftlings Golik Ignacy im Frankfurter Auschwitz Prozeß
Ein- oder zweimal habe ich beobachtet, daß der Zahnarzt Doktor Frank, offenbar weil für die Massentransporte nicht mehr genügend Ärzte vorhanden waren, an Selektionen teilgenommen hat. Zur gleichen Zeit konnte ich auch feststellen, daß der Apotheker Doktor Capesius drei- oder viermal an Selektionen teilnahm. Während die obenerwähnten Ärzte fast alle ein eigenes Motorrad besaßen und damit nach Birkenau fuhren, fuhren Doktor Frank und Doktor Capesius jeweils in einem Krankenwagen, da sie keine eigenen Fahrzeuge hatten. In diesem Krankenwagen befanden sich außerdem immer zwei bis drei Desinfektoren.

Szewczyk Tadeusz

Aussage des ehemaligen Häftlings Szewczyk Tadeusz Häftlingsnummer 115 479 vom Kommando SS-Apotheke
im Frühjahr 1944 wurde unserem Kommando ein Wehrmachtsangehöriger, Unteroffizier Bołesław Frymark, zugeteilt. Normalerweise hat er in den ersten Monaten keinen Dienst auf der Rampe zu verrichten gehabt. Es war soweit leicht, mit ihm sich zu verständigen, weil er fließend Polnisch sprach und sich mit uns polnisch unterhielt. An einem Morgen im Sommer 1944 sagte uns Frymark, daß er eine Anweisung bekommen hat, den Dienst auf der Rampe zu verrichten, weil irgend jemand krank geworden ist. Er ging morgens normal angezogen, in seiner Dienstuniform, mit einem Helm und mit der Pistole auf die Rampe. In der Mittagszeit kam er zurück. Er bekam einen Nervenzusammenbruch, er warf in eine Ecke seinen Helm und in die andere Ecke seine Pistole, und er schrie in polnischer Sprache: Sie können mit mir machen, was sie wollen, sie können mich an die Front schicken, ich werde diesen Dienst an der Rampe nicht tun! Wir haben ihn beschwichtigt, wir haben ihm einige Beruhigungsmittel gegeben. Wir legten neben ihn seine Pistole und seinen Helm. Da kam Doktor Capesius in den Raum. Wir haben geantwortet, daß Frymark sich schlecht fühlt. Frymark hat sich bei ihm gemeldet. Sie gingen zusammen in einen anderen Raum und Sprachen dort miteinander. Nach einer längeren Zeit kam er zurück und sagte: Ich habe das erledigt. Ich brauche nicht mehr zum Dienst auf die Rampe zu gehen. Doktor Capesius hat mir gesagt, er wird mich nie mehr zu dem Dienst schicken.

Wolken Otto

* 24.04.1903 in Wien + 01.02.1975
österreichischer Sozialist und Häftlingsarzt im KL Auschwitz-Birkenau (Häftlingsnummer 128.828)
Aussage (1964)
zu Selektionionen von Frauen und Kindern auf der Rampe:
Der Prozentsatz der vernichteten Frauen war von Anfang an ein ungleich größerer als der der Männer, da man sich das Jammern der Frauen um ihre Kinder ersparen wollte und deshalb vollkommen gesunde junge Frauen, wenn sie mit Kindern belastet waren, rücksichtslos zur Vernichtung schickte. Es spielten sich dabei oft wahre Kämpfe ab zwischen den dabei zwangsweise als Helfer fungierenden, aus jüdischen Häftlingen zusammengesetzten Häftlingskommandos, die oft versuchten, Müttern ihre Kinder zu entreißen, um sie kinderlos vor dem SS-Arzt erscheinen zu lassen und sie so zu retten, denn eine Verständigung war natürlich nicht möglich.

Aufräumungskommando

Aussage des Auschwitz "Häftlings" Vrba, Rudolf Auschwitz Häftlingsnummer 44070. (am 27. März 2006 in Kanada 82-jährig gestorben)
Er lebte in Auschwitz unter Namen Walter Rosenberg.
Er war vom 30.06.1942 bis zu seiner Flucht am 07.04.1944 "Häftling" im KL Auschwitz
Im Grunde genommen bestand unsere Arbeit darin: In der Nacht, wenn der Transport angemeldet wurde nach Auschwitz, kam ein Blockführer, ein SS-Mann, in den Block und hat uns geweckt. Darauf sind wir sofort aufgestanden und wurden zur sogenannten Rampe abtransportiert.
Die Rampe, das war ein Holzgebäude, ein Holzgerüst von ungefähr 500 Meter Länge – könnte aber auch länger gewesen sein –, das sich zwischen Auschwitz und Birkenau befand.
Wir sind mit einer Gruppe von SS-Männern immer herausmarschiert. Und da waren gewöhnlich schon auf der Stelle ungefähr 100 SS-Männer ohne Rang. Die haben um die Rampe eine Postenkette gezogen. Als die Postenkette gezogen wurde, sind wir in die Postenkette hereinmarschiert, denn diese Rampe war ja außerhalb des Lagergebietes, außerhalb von Auschwitz und außerhalb von Birkenau.

Wir sind in die Postenkette hereinmarschiert und warteten auf den Zug. Der Zug wurde hereingeschoben in diese Kette, ungefähr nachdem die Postenkette kontrolliert wurde und alles klappte. Danach kam eine Kommission von SS-Offizieren und eine Gruppe von SS-Unteroffizieren, das waren meistens Rottenführer, Scharführer und Unterscharführer und solche. Und eine Gruppe von Offizieren, also die haben da Gold auf den Achseln gehabt. Wir standen auf dem unteren Ende der Rampe, und die sogenannten Offiziere standen am oberen Ende der Rampe.
Die SS-Unterscharführer, die haben sich dann zum Zug begeben und haben die Waggone geöffnet und haben den Insassen der Waggone, die meistens aus Frauen, Kindern, Männern und allen möglichen, also aus Familien bestanden, angeordnet, die Waggone zu verlassen. Die Zahl der Leute wechselte. Die kleineren Transporte hatten vielleicht 700 bis 800 Leute, die größeren Transporte konnten bis zu 3.000 Leute enthalten. Die Leute wurden aus den Waggonen herausgetrieben, manchmal mit guten, manchmal mit schlechten Worten, von der SS. Und wir standen in einer Ecke der Postenkette. Und unter Todesstrafe wurde uns verboten, sich mit jemandem von den Zugängen zu unterhalten.
Die Zugänge wurden dann aufgereiht vor der Rampe, und ein strenges Sprechverbot wurde ihnen auferlegt. Niemand durfte sprechen. Wer gesprochen hatte – dazu waren dort die Unterscharführer, die Spazierstöcke trugen und rücksichtslos hineinschlugen bei jedem Versuch, einen Kontakt zwischen den Leuten einzuführen. Die ganze Reihe der Leute – gewöhnlich war das, wie ich sage, eine größere Masse von Leuten, bis zu 3.000 Leute –, wurde dann vor die Kommission geführt, die auf dem anderen Ende der Rampe stand, die aus den SS-Offizieren bestand. Und die haben gewöhnlich, nicht immer, ungefähr 100 bis 150 – manchmal 200, sagen wir, 15 bis 20 Prozent, zehn Prozent, das hat sehr variiert – Leute herausgesucht, die ins Lager abmarschieren mußten. Der Rest der Leute wurde dann auf vorbereitete Lastwagen geladen und nach der anderen Seite, das heißt nach Birkenau, direkt in die Gaskammern verschickt.
Das bedeutet, wenn der Transport angekommen ist – das war eine Routine –, ist sofort ein Rotkreuzwagen angekommen, wenn die Leute herausgestiegen sind. Was der Rotkreuzwagen enthielt, das wußte ich. Denn bei Tag wurde er mit Zyklongas beladen, und er ist vorbeigefahren an den Leuten. Das hatte auf die Leute eine beruhigende Wirkung gehabt. Denn sie hatten gesagt: Das Rote Kreuz ist da, also kann nichts passieren, sogar Schlimmes. Und der Rotkreuzwagen ist ist vorbeigefahren und direkt in die Gaskammer, die war einen Kilometer weiter.
Nun, die Leute wurden aussortiert, auf die Autos verlegt, und dann kam die zweite Seite der Operation. Da war in den Waggonen immer eine Anzahl von Leuten, die man nicht bewegen konnte, aus den Waggonen herauszusteigen. Also erst haben es dort die Unterscharführer versucht auf eine härtere Weise. Und die, welche mit Stockschlägen nicht herauszukriegen waren, das bedeutet: die Toten, die Todkranken, die auf Stockschläge nicht mehr reagierten, und Krüppel, verkrüppelte Leute, die sich nicht bewegen konnten, dann wurden wir von der SS in die Waggons hereingetrieben und mußten diese Leute aus den Waggons herausziehen. Das passierte gewöhnlich, wenn der Transport in die Gaskammern verschickt wurde oder der kleine Rest in das Lager.
Und dann, wenn die Rampe sozusagen frei war, hatten wir uns zu befassen mit dem, was in dem Waggon an den Leuten übrigblieb. Die Leute mußten geschleppt werden, das bedeutete, die Arbeit war für die SS auch ziemlich unangenehm. Da waren manchmal bis zu zehn Prozent Tote in manchen Waggonen, die mehrere Tage schon dort waren, oder Schwerkranke. Die hygienischen Verhältnisse in den Waggonen waren manchmal sehr schwierig, was den SS-Leuten nicht sehr gut paßte unter der Nase. Und die Arbeit wurde mit Stockschlägen sehr schnell befördert. Das bedeutet, einen Kranken konnte ein Häftling nur schleppen. Wir mußten die Kranken oft auf eine Distanz bis zu 500 Meter schleppen, bei den Händen oder auf Decken oder wie es eben gegangen ist, bis zu den Lastautos. Und dann, angetrieben mit Stockhieben, hatten wir die Kranken auf das Lastauto befördert, und mit den Toten zusammen ist das letzte Lastauto dann weggefahren.
Nachdem die Leute weg waren, hatte das Arbeitskommando die zweite Aufgabe gehabt, nämlich: Wir haben herausgeschleppt aus den Waggonen im Laufschritt alle Effekten der Anwesenden, die in dem Waggon da gewesen waren. Als die Effekten herausgeladen wurden, sind die Lastautos, welche die Opfer zu den Gaskammern gebracht haben, sind zurückgekommen, leer. Und auf diese leeren Lastautos haben wir dann geladen das Gepäck.

Das Gepäck.
Als das Gepäck verladen war, ist es weggefahren worden in einen Gebäudekomplex in Auschwitz I. Und damit haben wir uns dann in der Früh befaßt. Nachdem dies passierte, haben wir die Waggons gereinigt. Die Waggons mußten absolut klar gereinigt werden, in einer kurzen Zeit. Und das Stroh oder was immer dort war, Papier oder welche Spur von Menschen in den Waggons auch immer, mußte absolut entfernt werden. Und wenn alles fertig war, dann wurde das, was im Waggon übriggeblieben ist, also das Stroh, am Platz verbrannt.
Danach kam die SS-Inspektion. Und wenn ein Waggon gefunden wurde von den SS-Unterführern dort, welcher nicht blitzblank rein war, wo noch Spuren von Leuten dringeblieben sind, wurden schwere Strafen verhängt über die Häftlinge, die wir dort arbeiteten. Und danach erst wurde das Kommando gegeben, den Zug wegzuschleppen. Da ist eine Lokomotive gekommen wieder und hat den Zug weggebracht. Nun, entweder sind wir dort geblieben und warteten auf einen Transport, einen anderen Transport. Und diese Prozedur hat sich wiederholt, manchmal in einer Nacht fünf- bis sechsmal, manchmal bloß einmal. Es waren Nächte, wo wir an die 10.000, vielleicht 7.000, vielleicht 5.000 Leute ankommen gesehen haben, manchmal nur 700 oder 800 Leute. Falls der Befehl gekommen ist, daß wir nicht auf einen nächsten Transport warten, wurden wir wieder in unseren Block, ins Lager zurückgeführt. Unsere Arbeit hat dann begonnen am nächsten Morgen. Da war ein starkes Kommando, das ist herausmarschiert in die Effekten...
In diese Effektenkammern. Die Pakete wurden aufgerissen und sofort sortiert. Dokumente, persönliche Fotografien, Familienalben wurden auf dem Platz verbrannt. Dann Hemden, Jacken und so weiter, das wurde alles sehr sorgfältig aussortiert nach der Qualität. Da waren Herrenhemden erster, zweiter und dritter Klasse und Damenhemden erster, zweiter und dritter Klasse und so weiter, Pelze und alle die Effekten, die die Opfer mitgebracht haben. Das war unsere Tagesarbeit. Das wurde sortiert in diesen großen Effektenkammern und -komplexen. Wenn das alles aussortiert war, dann kamen die Züge. Und auf die Züge wurden die Güter verladen. Ich habe oft gesehen die Züge mit einer Anschrift »Winterhilfswerk«. Ein anderes Mal waren es Züge mit einer Anschrift »Papierfabrik Memmel «.

Lumpenpakete.
Das wurde in eine Papierfabrik verschickt. Und verschiedene andere Sachen waren dort. Es war dort eine große Menge an Geld zu finden. Zwischen den Paketen waren dort Valuten, Gold, Golduhren und so weiter. Die wurden unter einer besonderen Aufsicht von einem gewissen Individuum, das Scharführer Wiegleb geheißen hat, gesammelt und in sein Amt hineingebracht. Am Abend wurden sie dann irgendwohin abgeliefert, das mir unbekannt war. Es waren jeden Abend bei der Arbeit... Die Wertsachen wurden in einem großen Koffer verschleppt. Also das war ein Koffer, der war voll mit Dollars, englischen Pfund, Mark, Zlotys, Golduhren und solchen Sachen. Also jedenfalls große Werte. Nachdem die Arbeit beendet war, sind wir wieder abmarschiert nach dem Lager. Wir wurden streng untersucht beim Abmarsch vom Kommando. Bei wem gefunden wurde, daß er etwas mitgenommen hatte, der wurde sehr streng, manchmal mit dem Tode bestraft. Denn stehlen durfte man dort nicht, hatte man uns gesagt. Und dann sind wir ins Lager hereinmarschiert, wo uns wieder eine Schar von SS-Leuten erwartete, um uns manchmal zu durchsuchen nach dem, was bei der ersten Untersuchung unterschlupfen konnte. Und wir wurden in den Block hineingeführt und haben dort geschlafen, bis wieder der Alarm gekommen ist, daß der Transport angekommen ist.