Sonderkommando

Die Nazis schickten absichtlich Juden zur Arbeit bei den Sonderkommandos. Die typisch sadistische Ader der Deutschen fand Vergnügen an einem System, in dem das Opfer die größte Erniedrigung erlitt bevor es in einer Wolke von übelriechendem Rauch aufging.

Viele Sonderkommando-Häftlinge haben ihre Geheimnisse niemals verraten, sowohl aus Scham als auch aus dem Gefühl heraus, dass ihnen niemand Glauben schenken würde.

Moll Otto

SS-Hauptscharführer Moll Otto wollte sich ein Vergnügen bereiten, holte jemanden aus den Reihen, steckte ihm eine brennende Zigarette in den Mund und versuchte, die Zigarette mit einem Pistolenschuß auszulöschen - einmal mit der Pistole in der Rechten, einmal in der Linken. Mit der linken Hand verfehlte er das Ziel und erschoß den Mann. Gleich danach holte er noch jemanden aus den Reihen, um sein Spiel fortzusetzen. Die Männer dazu wurden ganz willkürlich ausgewählt. Niemand wagte, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, denn wir wußten ja auch, daß wir letztendlich nicht am Leben bleiben würden. Der Name Moll alleine ließ alle erzittern. Er hatte noch eine weitere Aufgabe: er mußte alle Alten und Kranken auf Lastwagen hinter das Krematorium IV bringen. Dort brannte in einer Grube ein Feuer. Er ließ die lebenden Menschen hineinwerfen und bei lebendigem Leibe verbrennen. Er war einfach ein Sadist

Fischl-Kommando

Das Fischl-Kommando hatte im Jahr 1942 in Auschwitz sieben Mitglieder und war (1942) im Block 11 untergebracht. Durch ihre Arbeit im Krematorium waren sie zu Geheimnisträgern geworden, deshalb wurde jeglicher Kontakt mit anderen Häftlingen unterbunden. Aus diesem Grund entfiel für das Fischl-Kommando auch der morgendliche gemeinsame Zählappell mit den übrigen Gefangenen des Blocks 11. Das Kommando wurde Juni 1942 mit dem Morawa-Kornmando vereinigt.

Chef des Fischl Kommandos war der 1919 in Polen geborene Häftling Fischl Goliath.
der ehemalige Häftling Filip Müller zur Person Fischl Goliath:
Alle Öfen brannten, als Hans Stark den Befehl gab, die nackten Leichen über den nassen Betonboden zu den Öfen zu schleifen. Dort ging Fischl von einem Toten zum andern und stemmte jedem mit einer Eisenstange den Mund auf. Wenn er einen Goldzahn entdeckte, riß er ihn mit einer Zange heraus und warf ihn in eine Blechbüchse.« Er war ein gottesfürchtiger Jude, dessen Motto lautete: »Der Mensch unterscheidet sich dadurch vom Tier, daß er an Gott glaubt.«
Fischl Goliath starb im Spätsommer 1942 an Typhus.

07.12.1942

In den frühen Morgenstunden des 7. Dezember 1942 flohen die Häftlinge Ladislaus Knopp und Samuel Culea aus dem Sonderkommando und blieben zunächst - trotz verstärkter Fahndung - unauffindbar. Vermutlich als Reaktion auf diese Flucht beschloss die Lagerleitung die totale Liquidierung des Sonderkommandos.

11.04.1944

Am 11. April 1944 bestand das Sonderkommando nur noch aus etwa 200 Häftlingen, denn am 24. Februar 1944 waren 200 Sonderkommando- Häftlinge in das Konzentrationslager Majdanek überstellt worden. Deshalb wählte die SS aus der Gruppe der griechischen Juden, die gerade aus der Quarantäne entlassen worden waren, 150 bis 200 Männer aus und brachte sie in den isolierten Block 13, die Unterkunft des Sonderkommandos. Einige der Männer wurden in dem ebenfalls isolierten Block 11 untergebracht. Zu diesen griechischen Juden gehörten unter anderem Shlomo Venezia, Jaakov Gavbai, Leon Cohen, Shaul Chasan und Josef Sackar. Gemeinsam mit sechs weiteren Männern bildeten sie die kleine Gruppe der griechischen Sonderkommando-Häftlinge, die das Kriegsende erlebten.

23.09.1944

Am 23.09.1944 werden 200 jüdische Häftlinge des Sonderkommandos, die beim Verbrennen der Leichen in offenen Gruben eingesetzt waren, von Birkenau ins Stammlager verbracht und in einem Gebäude das bislang ausschließlich zur Desinfektion von Kleidung verwendet worden war eingeschlossen und durch Zyklon B getötet.

03.04.1945

Am 03. April 1945 wurden sechs Häftlinge des Sonderkommandos (Geheimnisträger) des am 05. Januar 1945 aus dem Männerlager (Sektor BIId) des KL Auschwitz übestellten Sondertransportes im Krematorium des KL Mauthausen erschossen.
Es handelte sich um:
Lipka Waclaw * 20.11.1908
(Häftlingsnummer in Auschwitz 2520)

Morawa Mieczyslaw * 19.03.1920
(Häftlingsnummer in Auschwitz 5730)

Ilczuk Józef * 23.04.1910
(Häftlingsnummer in Auschwitz 14916)

Biskup Wladyslaw * 25.06.1909
(Häftlingsnummer in Auschwitz 74501)

Agrestowski Jan * 24.06.1912
(Häftlingsnummer in Auschwitz 74545)

Slezak Stanislav * 15.07.1920
(Häftlingsnummer in Auschwitz 39340)

Aufzeichnungen Rudolf Höß

Im Auskleideraum wurde ihnen durch die dort beschäftigten Häftlinge des Sonderkommandos in ihrer Sprache gesagt, daß sie hier nun zum Baden und zur Entlausung kämen, daß sie ihre Kleider ordentlich zusammenlegen sollten und vor allem den Platz zu merken hätten, damit sie nach der Entlausung ihre Sachen schnell wiederfinden könnten. Zuerst kamen die Frauen mit den Kindern hinein, hernach die Männer, die ja immer (als arbeitsfähig ins Lager selektiert) nur die wenigeren waren. Dies ging fast immer ganz ruhig, da die Ängstlichen und das Verhängnis vielleicht Ahnenden von den Häftlingen des Sonderkommandos beruhigt wurden. Auch blieben diese Häftlinge und ein SS-Mann bis zum letzten Moment in der Kammer.

Ajzenszmidt Lejzer

Aussage des ehemaligen Auschwitz Häftlings Ajzenszmidt Lejzer (Häftlingsnummer 80764)
* 27.01.1921 in Lunna
Eines Tages kam ein Lastwagen mit Menschen aus dem Lager zu den Krematorien. Das waren kranke Muselmaninnen, die eigentlich nicht mehr am Leben waren. Ein Mädchen, das noch auf eigenen Füßen stehen und sprechen konnte, wandte sich an einen Kameraden aus dem Sonderkommando namens Jankel, einen großen kräftigen Burschen, ergriff seine Hand und sagte: Ich bin 18 Jahre alt und habe noch nie mit einem Mann geschlafen. Tu mir einen Gefallen, ich möchte das einmal vor meinem Tod erleben.
Ajzenszmidt: »Seit meinem 23. Lebensjahr habe ich weiße Haare.«

Balbin Abraham André

Aussage des ehemaligen Auschwitz Häftlings Balbin Abraham André (Häftlingsnummer 41796) Angehöriger des Jüdischen Sonderkommandos:
Eines Morgens kamen wir zu der Grube, die wir am Tag vorher gemacht hatten. Die war voll mit Toten. Die Leichen waren nur mit einer ganz dünnen Schicht Erde bedeckt. Ich glaube, es war auch Kalk über die Leichen gestreut.
Und der Mann, ein Häftling, hat sich über den Graben gebeugt und auf einmal schreit er: "Das ist meine Tochter! Meine Tochter, meine Tochter!" Und da ist der SS-Mann gekommen, um zu sehen, was dort los ist. Als er gehört hat, daß der Mann glaubt, seine Tochter zu sehen, da hat er seine Pistole gezogen und hat den Mann erschossen. Dabei hat er gesagt: "So, dann kannst du jetzt bei deiner Tochter liegen".

Derensky Yitzhack

aus Bialystok
Jüdisches Sonderkommando
Erkannte im Sommer 1943 die Frau eines Freundes in einem Bialystok-Transport und warnte sie im Auskleideraum, alle würden vergast. Da die Frau dies anderen Deportierten weitersagt, kommt es zu einem mühsam unterdrückten Aufstand der Opfer.
Filip Müller:
Während die Frau erschossen wurde, wurde Derensky von SS-Leuten gefesselt, zu einem der Öfen gezerrt und dann lebendigen Leibes verbrannt. Zur Abschreckung mußten wir alle seinem schrecklichen Ende beiwohnen.

Dragon Abraham

Dragon Abraham
* 18.06.1919 in Zeromin

Seine Tätigkeit im Sonderkommando
zunächst Leichenverbrenner an den Verbrennungsgruben
ab Mitte 1944 Einsatz in den Krematorien.
Stubendienst
beim Herausziehen der Toten aus der Gaskammer eingesetzt
Einschieben der Leichen in die Verbrennungsöfen

Dragon Shlomo

Dragon Shlomo
* 19.03.1922 in Zuromin
+ 00.10.2001 in Ramat Gan

Seine Tätigkeit im Sonderkommando
zunächst Leichenverbrenner an den Verbrennungsgruben
beim Stubendienst der Baracken des Sonderkommandos
Mitte 1944 Leichenträger bei den Krematorien und Gaskammern

Ejzenzer, Maurice

Jüdisches Sonderkommando im Alter von 14 Jahren
Ejzenzer Maurice
* 12.01.1929 in Paris
Ankunft Auschwitz am 04.03.1943 aus Drancy

Errera Alberto

Errera Alberto

der ehemalige Griechische Marineoffizier Errera Alberto aus Larissa (* 1913 in Thessaloniki) trifft nach neuntägiger Fahrt im abgeriegelten Güterwaggon am 11.04.1944 aus Athen im KL Auschwitz ein. Er wird dem jüdischen Sonderkommando als Heizer im Krematorium zugeteilt. Von Errera stammen die weltberühmten Fotoaufnahmen von den Leichenverbrennungen, heimlich aufgenommen und aus dem Lager geschmuggelt. Im September 1944 floh er, als er mit Hugo Venezia Asche in den Fluß Sola kippen sollte, wurde aber beim Durchschwimmen angeschossen und verblutete.

Fater Simon

Fater Simon * 1907
Häftlingsnummer 80 390
Ankunft Auschwitz am
06.12.1942 aus dem Ghetto Mlawa

Feldmann Frantisek

* 10.12.1910 Trencianske Teplice
† 26.11.1944
Beruf: Zahntechniker
Ankunft KL Auschwitz am 22.05.1942 aus dem KL Mauthausen
In der Goldschmelzerei im Krematorium II zur Verarbeitung der herausgebrochenen Goldzähne

Feinsilber Alter

(Namensänderung in Stanislaw Jankowski) Häftlingsnummer 27 675
* 23.10.1911 in Stoczek
† September 1987 in Paris
Kellner. Kommunist, Spanienkämpfer
am 30.03.1942 mit dem ersten RSHA-Transport nach fünftägiger Fahrt im Güterwaggon Ankunft im KL Auschwitz
ab November 1942 im Alten Krematorium
(Es kam vor, daß sich beim Erschießen an den Gruben etliche Häftlinge wehrten oder Kinder weinten, und dann warf Oberscharführer
Moll
diese Menschen lebendig ins Feuer der Gruben.)
ab Juli 1943 im Krematorium IV

Foeldisch Bela

Foeldisch Bela * 10.05.1909 in Budapest, Auschwitz Häftlingsnummer 106 299
Ankunft Auschwitz am
04.03.1943 aus Drancy
Er wird dem jüdischen Sonderkommando zugeteilt, und wird an den Verbrennungsgruben in Birkenau eingesetzt. Am 09.03.1943 gelingt ihm zusammen mit einem Mithäftling zunächst die Flucht aus dem Lager. Bei der Verfolgung werden sie in einem Waldstück in der Nähe der Weichsel gefangen genommen. Während einer sofort erschossen wird, wird Foeldisch schwer verletzt ins Lager zurückgebracht und in den Bunker des Blocks 11 gesperrt. Hier verstirbt er am 16. März an der Schusswunde und der wärend der Verhöre ausgesetzten Folter.

Fridman Lejb

* 08.09.1910 in Nasielsk
Häftlingsnummer 81 459
Ankunft Auschwitz am
10.12.1942 aus dem Durchgangslager Malkinia. Nach der "Selektion" werden 524 Männer als Häftlinge registriert; die anderen 1 976 Menschen werden der Sonderbehandlung zugeführt.

Furman Kalmin

* 1919 (Häftlingsnummer 80 810)
Ankunft Auschwitz am 8.12.1942 aus dem Ghetto in Grodno. Von 1000 Deportierten werden 769 gesondert untergebracht.

Er sollte seine Eltern im Krematorium verbrennen, erhängte sich, wurde aber abgeschnitten.

»Erschoß die SS Gefangene in einem Sonderraum des Krematoriums, dann hatte Furman die Opfer am Arm zu halten. Verhielt sich jemand nicht ruhig, so wurde er am Ohr festgehalten; dann konnte der Genickschuß gut plaziert werden.«
Die Häftlinge des Sonderkommandos waren gezwungen, bei Erschießungen zu assistieren, da kleinere Gruppen nicht vergast, sondern im Krematorium erschossen wurden.
Mithäftling Sackar: »Wir hielten sie an den Ohren fest, und die SS schoß ihnen eine Kugel in den Nacken.«
Shlomo Venezia in seinen Erinnerungen: »Die Pistolenkugeln waren zu groß, und aus so kurzer Entfernung war der Einschlag so stark, daß der Schädel des Opfers zerplatzte. Der Deutsche wollte keine Blut-Spritzer abbekommen. Die Person, die das Opfer begleitete, mußte mit der Technik vertraut sein: Man mußte das Opfer auf Armeslänge am Ohr halten, der Deutsche schoß, und bevor der Erschossene zu Boden ging, mußten wir seinen Kopf geschickt nach unten drehen, denn sonst wäre das Blut wie eine Fontäne herausgespritzt.«

Gabai Dario

Gabai Dario * 10.09.1922 in Saloniki (Italienischer Staatsbürger). Häftlingsnummer 182 568. Bruder von Jaacov und Vetter der Venezia-Brüder. Ankunft Auschwitz nach neuntägiger Fahrt im abgeriegelte Güterwaggon am 11.04.1944 aus Athen. (der Transport hat Athen am 02.04.1944 verlassen) Von 2500 Deportierten werden 1872 der Sonderbehandlung zugeführt. Er selbst wird dem jüdischen Sonderkommando zugeteilt. Wie sein Bruder Leichenschlepper im Krematorium. Bruder Jaacov: »Als man die Leichen mit dem Aufzug nach oben auf die Ebene der Verbrennungsanlage brachte, nahm Dario die Leichen und brachte sie immer zu vieren vor die Türen der einzelnen Öfen.« Nach 1945 Direktor einer Gardinenfabrik in Los Angeles, wollte sich, so sein Bruder, an nicht erinnern.

Gabai Jaacov

Gabai Jaacov * 26.9.1912 in Athen (Italienischer Staatsbürger). Häftlingsnummer 182 569. Bruder von Dari Jaacov, und Vetter der Venezia-Brüder. Ankunft Auschwitz nach neuntägiger Fahrt im abgeriegelte Güterwaggon am 11.04. 1944 aus Athen. (der Transport hat Athen am 02.04.1944 verlassen) Von 2500 Deportierten werden 1872 der Sonderbehandlung zugeführt. Er selbst wird dem jüdischen Sonderkommando zugeteilt (Leicheneinschieber). 1949 mit Ehefrau Lona Übersiedlung nach Israel.
Während manche Sonderhäftlinge nach 1945 behaupten, sie hätten mit den SS-Männern kein Wort gesprochen, beschreibt Jaacov Gabai in einem Interview nach 1945 eine ganz andere Situation.
Gabai schildert, wie eines Nachts eine junge ungarische Mutter mit ihrem zwei Tage alten Baby zur Tötung ins Krematorium kommt. Die Häftlinge bieten ihr einen Stuhl an, ebenso Essen und Zigaretten. Sie fängt an, zu erzählen.
Gabai weiter:
Neben uns saß ein holländischer SS-Mann, ziemlich nett, ein guter Kerl. Am Ende der Geschichte stand er auf und sagte: Gut, wir können hier nicht die ganze Zeit herumsitzen, jetzt ist der Tod an der Reihe. Wir fragten sie, was sie lieber wolle - ob wir erst das Kind töten sollten oder zuerst sie.
Sie sagte: Zuerst mich. Ich will nicht mein totes Kind sehen. Da stand der Holländer auf, nahm sein Gewehr, schoß und warf sie in den Ofen. Danach nahm er den Säugling, Bum-Bum, das war's.
Gabai weiter:
Wir hatten alles im Überfluß, so daß die deutschen Wachen nicht bei sich essen gingen, sondern blieben und mit uns aßen. Wir hatten mit unseren Wächtern kontinuierlichen Kontakt. Die waren die ganze Zeit bei uns und wirklich in Ordnung. Nachts durften wir singen, wir hatten eine Mandoline und eine Gitarre. Wir sangen mit den Deutschen zusammen, tranken zusammen und aßen mit ihnen.

Kesselman Morris

* 30.12.1926 in Lodz
Auschwitz Häftlingsnummer 111900
Ankunft Auschwitz am 31.03.1943. Mai 1944 wegen der Massentransporte aus Ungarn aus der Strafkompanie ins Sonderkommando überstellt. Nach 1945 Wohnsitz USA.
»Kesselman wurde Pliszkos >Pipeli. Mit diesem Begriff bezeichnete man in Auschwitz junge Häftlinge, die einem älteren und erfahrenen Häftling mit höherem Status als Leibbursche dienten. Häufig wurden diese jungen Männer auch Opfer homosexueller Übergriffe durch ihre Beschützer. Das war bei der Beziehung zwischen dem damals siebzehnjährigen Morris Kesselman und dem nur acht Jahre älteren Lemke Pliszko allerdings nicht der Fall.«

Venezia Shlomo

* 29. Dezember 1923 in Thessalonik, Shlomo Venezia starb am 1. Oktober 2012 im Alter von 88 Jahren in Rom. Er war ein italienischer Überlebender des Sonderkommandos des KZ Auschwitz-Birkenau. Von den etwa 110 jüdischen Deportierten, die die Arbeit in dem Sonderkommando überlebten, war Venezia der einzige Italiener.
Jedes Mal, wenn ein neuer Transport eintraf, kamen die Leute durch das große Portal des Krematoriums herein und wurden dann zu der unterirdischen Treppe geschickt, die zu dem Entkleidungsraum führte. Es waren so viele, daß sie eine lange Warteschlange bildeten. Wenn die ersten hineingingen, waren die letzten noch gut hundert Meter entfernt. Im Entkleidungsraum waren an den Wänden nummerierte Kleiderhaken, und darunter standen Bänke, auf die sich die Leute beim Ausziehen setzen konnten. Um sie noch mehr zu täuschen, sagten ihnen die Deutschen, sie sollten sich die Nummern gut merken, damit sie ihre Sachen nach dem Duschen besser wiederfinden könnten.


Zu den schlimmsten Aufgaben des Sonderkommandos gehörte die Entkleidung der Opfer.
Venezia über eine alte Frau, die er vor der Vergasung auszuziehen hat:
Jedes Mal, wenn ich versuchte, ihr die Strümpfe auszuziehen, zog sie sie wieder hoch ich war mit den Nerven am Ende und faßte sie hart an, um ihr die Strümpfe auszuziehen. Ich hätte die Strümpfe am liebsten zerrissen, wenn die Frau sie nur losgelassen hätte. Wir sagten ihnen, sie würden ihre Kleider nach der Desinfektion Wiederbekommen.


Bei manchen Opfern waren die Augen aus den Höhlen getreten, so sehr hatte sich ihr Organismus überanstrengt. Andere bluteten überall oder waren von ihren eigenen Exkrementen beschmutzt oder auch von denen der anderen. Einige Leichen waren ganz rot, andere ganz blaß, jeder Sterbende hatte anders reagiert. Aber alle hatten in ihrem Tod gelitten. Man denkt oft, das Gas wurde nur hineingeworfen, und die Leute starben -einfach. Aber wie starben sie! Man fand sie aneinandergeklammert, jeder hatte verzweifelt nach Luft gerungen.

Lettich Andre

Häftlingsnummer 51224
* 27.06.1908 in Pojaha
Jüdisches Sonderkommando
Ankunft Auschwitz am
23.07.1942 aus Angers St. Laud (827 Menschen). Zunächst »Pfleger« im Häftlingskrankenbau in Birkenau. Lettich: »Ich war in Block 12 bis etwa September 1942. Ich erkrankte nun an Flecktyphus und wurde in den Block 7 eingeliefert. In diesem Block fanden zweimal wöchentlich Selektionen statt. Nach etwa 4 Wochen meiner Krankheit wurde ich auch für den Abtransport in die Gaskammer bestimmt. Ich war zusammen mit den andern Ausgesuchten bereits auf einen Lastwagen verladen. Dort entdeckte mich ein polnischer Blockältester, den ich vorher im Block 12 gepflegt hatte. Weil er mich kannte und ein Häftling zuviel auf dem Wagen war, nahm er mich von dem Wagen wieder herunter. Diesem Zufall habe ich zu verdanken, daß ich heute noch am Leben bin.« Januar 1943 dem Jüdischen Sonderkommando zugeteilt, dank eines selbst unzufriedenen Unterscharführers nach drei Monaten dem Kommando entkommen. Lettich: »Sie waren zu dieser Zeit noch in einem besonderen Block des Lagers Birkenau untergebracht. Ich blieb tagsüber im Block zurück und pflegte dort leichter Erkrankte. Wenn es sich um eine schwere Krankheit handelte, wurden die Betreffenden in das Stammlager Auschwitz überstellt. Dort wurden sie mittels Phenolinjektionen getötet.« Ab Juni 1943 am Hygiene-Institut der Waffen-SS in Rajsko (Bezeichnung ab Mai 1944). Lettichs Frau Edith und sein fünfjähriger Sohn Jean Victor waren am 23.09.1942 nach der Ankunft vergast worden. nach 1945 Direktor des Bakteriologischen Instituts in Tours.

Lewenthal Salmen

* 05.01.1918 in Ciechanow
Student
Ankunft Auschwitz am
10.12.1942 aus dem Durchgangslager Malkinia. Von 2500 Deportierten werden 1976 in der Gaskammer erstickt. Einer der Köpfe der Widerstandsgruppe unter den Krematoriumshäftlingen. Lewenthal verfaßte einen Bericht, den er vergräbt und der 1962 beschädigt auf dem Krematoriumsgelände gefunden wird. Er schildert ausführlich den Ablauf des geplanten und gescheiterten Aufstands. Außerdem beschäftigt ihn die Frage, was einmal über Auschwitz bekannt werden wird: »Die Geschichte von Auschwitz-Birkenau als Arbeitslager im allgemeinen, und im besonderen als Vernichtungslager von Millionen von Menschen, wird — wie ich glaube — der Welt nicht gut genug überliefert werden. Einen Teil übermitteln Zivilisten. Und den Rest werden — vielleicht — diejenigen Polen erzählen, die dank eines Zufalls am Leben blieben oder die Vertreter der Lagerelite, welche die besten Plätze besetzen.« Lewenthal weiter: »Klar, daß sie nichts über die Taten, die sie im Lager begangen haben, erwähnen werden, als jeder kleinste Vorarbeiter einen Menschen für eine Portion Brot erschlug. Es gab in diesem Lager eine Zeit, während der Jahre 1941-1942, als jeder Mensch, wirklich jeder, der mehr als zwei Wochen im Lager lebte, schon auf Kosten anderer Opfer lebte, auf Kosten des Lebens anderer, oder dessen, was er ihnen weggenommen hatte.«

Das in Jiddisch verfasste und im Hof des Krematoriums vergrabene Manuskript von Salmen Lewenthal wurde im Oktober 1962 entdeckt. Er schrieb es kurz vor Ausbruch des Aufstandes des Sonderkommandos, um ein Zeugnis und eine Spur von der Vernichtung der Juden in den Gaskammern zu hinterlassen. Lewenthal soll im November 1944, nur wenige Wochen vor der Befreiung, umgekommen sein.

Litschi Menachem

Gurthersteller)
Ankunft Auschwitz nach neuntägiger Fahrt im abgeriegelten Güterwaggon am 11.04.1944 aus Athen. Von 2500 griechischen Juden werden 1872 sofort in der Gaskammer ermordet. Jaacov Gabai über seinen Freund Litschi (Greif): »Eines Tages sagte er zu mir: >Jaacov, diese Arbeit ist unerträglich, wir können die Menschen doch nicht ins Feuer werfen, ich will nicht mehr leben.< Ich sagte ihm, er solle zwei, drei Tage geduldig ausharren. Zwei Tage wartete er, und am dritten Tag — als er merkte, daß niemand hinschaute — als wir die Leichen zum >Bunker< brachten, sprang Menachem mit der Leiche, die er herbeischleppte, ins Feuer und verbrannte sich selbst. Ein deutscher Feldwebel [ SS-Untersturmfiihrer] namens Grünberg erschoß ihn, damit er keine Schmerzen leiden mußte. Das war am 18. Mai 1944.

Morawa, Mieczyslaw (Mietek)

nichtjüdischer Kapo Häftlingsnummer 51730.* 19.03.1920 Krakau. Fliesenleger. Juni 1941 Kapo eines Kommandos im Alten Krematorium zur Verbrennung »verstorbener« Häftlinge, ab Herbst 1941 Vergasungsstätte. Laut Feinsilber brach er den Toten das Zahngold heraus. Nach dem Tod Fischls — Spätsommer 1942 — Häftlingschef des Gaskammerkomandos. Ab 04.03.1943 im Krematorium III, ab 23.03.1943 im neu in Betrieb genommenen Krematorium IV. Häftling Filip Müller: »Jedenfalls hatten ein übertriebener Nationalismus und unerklärbarer Judenhaß den Kapo des Krematorium-Kommandos zu einem gefürchteten Mörder seiner Mithäftlinge werden lassen. Treu und ergeben diente er den Henkern. Immer hatte er eine saubere, maßgeschneiderte Montur an, auch sein täglich frisches Hemd trug einiges zu seinem dandyhaften Aussehen bei.« 1944 Kapo im Krematorium I. Am 05.01.1945 Überstellung nach Mauthausen. t ß3. 04.1945 ebenda als Geheimnisträger erschossen

Müller Filip

Auschwitz Häftlingsnummer 29236
* 03.01.1922 in Sered
Ankunft im KL Auschwitz am 13.04.1942 aus Sered (ab Mai 1942 im Alten Krematorium)

Müller über seinen Anfang, als die Opfer noch bekleidet in die Gaskammer gepreßt wurden:
»Vor uns lagen zwischen Koffern und Rucksäcken Haufen aufeinander- und durcheinanderliegender toter Männer und Frauen. Ich war starr vor Entsetzen. Ich wußte nicht, wo ich mich befand und was hier vor sich ging. Ein heftiger Schlag, begleitet von [Hans] Starks Gebrüll: >Los, los! Leichen ausziehen!< veranlaßte mich, das zu tun, was auch ein paar andere Häftlinge taten, die ich jetzt erst bemerkte. Vor mir lag die Leiche einer Frau. Zuerst zog ich ihre Schuhe aus. Meine Hände zitterten dabei. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich mit einer Leiche in Berührung. Sie war noch nicht richtig erkaltet.« Unter den Toten am ersten Tag sind seine ehemalige Mitschülerin Jolana Weis und seine Nachbarin Rika Grünblatt. Später in den Krematorien als »Leichenherauszieher« und »Heizer«.

Müller über die Tötung Kleinwüchsiger im Krematorium
»Ich selbst war Augenzeuge von Sektionen von Zwillingen, die — worauf besonders Wert gelegt wurde — zur gleichen Zeit im Krematorium getötet werden mußten und zwar durch Genickschuß. Es wurden dann alle erdenklichen Messungen durchgeführt, wobei mir noch Nyiszli in guter Erinnerung ist, wie er diese Messungen durchführte. Es wurden auch innere Organe entnommen. Außer Zwillingen wurden auch Liliputaner sektiert. Ich selbst habe dabei nur gesehen, wie diese Liliputaner erschossen wurden. Ich erinnere mich an einen Fall, bei dem ein Häftling mit einem Buckel erschossen wurde. Ich habe dann im Sektionsraum von N. gesehen, wie diese Leiche in einen großen Behälter mit einer Säure gelegt wurde und dort so lange verblieb, bis das Skelett vollkommen freigelegt war.«

Müllers Korrektur einer Legende über das Sonderkommando
Mir ist ein einziger Fall bekannt, wo ein Birkenauer Sonderkommando vollständig vernichtet worden ist, und zwar war dies im Dezember 1942 oder Anfang 1943. Diese Vernichtung fand statt im Krematorium des Stammlagers. Es war jedenfalls nicht so, daß regelmäßig alle 3 Monate das gesamte Sonderkommando, von einzelnen zufallsbedingten Ausnahmen abgesehen, vollkommen vernichtet wurde. Letzteres wird zwar in verschiedenen Büchern behauptet, ist aber tatsächlich nicht in dieser Weise der Fall gewesen.«

Nadjary Marcel

Nadjary Marcel
* 01.01.1917 in Saloniki (Thessaloniki)
† 31.07.1971 in New York

Beruf: Elektriker

dep. 02.04.1944 Athen – Konzentrationslager Auschwitz

Jüdisches Sonderkommando in Auschwitz (Häftlings Nu. 182669)

Aussage Nadjary
Wir sind am 02.04.1944 nach elf qualvollen Monaten im Konzentrationslager in Chaidari im abgeriegelten Güterwaggon aus Athen abgefahren. Ankunft in Auschwitz am 11.04.1944, von 2500 griechischen Juden werden 1872 sofort in der Gaskammer ermordet.

Er erhält die Häftlings Nu. 182669 und wird dem Jüdischen Sonderkommando zugeteilt, wahrscheinlich im November 1944 verfaßt er einen zwölfseitigen Bericht, Nadjary geht von seinem Tod aus, schreibt aber: Ich wollte und ich will überleben, damit ich den Tod meines Papas, meiner Mama und meiner geliebten Schwester Nelli rächen kann. Er steckt den Bericht in eine Flasche und vergräbt diese in der Nähe des Krematoriums III.

Nadjary gelingt es, sich einem Evakuierungsmarsch nach Mauthausen anzuschließen, wo er am 25. 01. 1945 eintrifft.

16. 02. 1945 Überstellung nach Gusen

1947 Heirat

1951 Übersiedlung nach New York

† 31.07.1971 in New York

am 24.10. 1980 entdeckt Lesław Dyrcz, ein Student der Forstlichen Berufsschule Brynek bei Arbeiten in der Nähe des gesprengten Krematoriums III in Auschwitz- Birkenau eine Flasche die etwa einen Fuß tief in den Boden vergraben war. Als er sie öffnete, sah er, daß sie viele Papierblätter mit Handschriften in einer Sprache enthielt, die ihm unbekannt war. Das Dokument entpuppte sich als ein 12-seitiger Brief, den der Gefangene des Sonderkommandos Marcel Nadjary, ein Jude aus Thessaloniki, der am 11. April 1944 nach Auschwitz deportiert worden war, geschrieben hatte. Nadjary war einer der 100 Gefangenen, die an das Sonderkommando geschickt wurden, das die vier Krematorien in Birkenau betrieb. Sein Schreiben mit enthielt Informationen über die Verbrechen der Deutschen.

Von 1945 bis 1980 wurden insgesamt 19 Handschriften von jüdischen Sonderkommando-Mitgliedern in der Nähe der Krematoriumsruinen gefunden. Die Autoren waren Załmen Gradowski, Chaim Herman, Lejb (Langfus), Załmen Lewental, Marcel Nadjary und eine unbekannte Autorin. Nur Marcel Nadjary überlebte den Krieg.

Neumann Simon

* 15.01.1916 Lodz
Jüdisches Sonderkommando (Gaskammerkommando)

Aussage Dov Paisikovic
Bei den Vergasungsaktionen spielten sich unmenschliche Szenen ab. So habe ich beobachtet, daß kleine Kinder in den überfüllten Vergasungsraum einfach noch in der Weise hineingetan wurden, daß man sie
von der Tür aus über die Köpfe der Erwachsenen hinwegwarf, so daß sie in dem Menschengewühl irgendwo liegenblieben.

Pach Jacques

* 15.06.1908 in Bukarest
Jüdisches Sonderkommando (Häftlingsarzt)
Jüdischer Arzt polnischer Herkunft aus Paris. Ankunft Auschwitz 1942.
Aussage Filip Müller:
Er trug, was in dieser Umgebung wie Hohn wirkte, einen weißen Kittel. Als ich ihn kennenlernte, gedachte er gerade seines Hochzeitstages. Im flackernden Schein einer herunterbrennenden Kerze hatte er die Fotografie seiner Frau vor sich hingestellt. Daß es ihm gelungen war, dieses Bild unbemerkt ins Lager zu schmuggeln, war für ihn eine Genugtuung, aber auch ein großer Trost.
Sommer 1944 Leiter einer kleinen Station für Häftlinge des Sonderkommandos im Häftlingskrankenbau im Lagerabschnitt BIIf. Am 26.11.1944 mit weiteren 99 Häftlingen des Sonderkommandos erschossen.

Paisikovic Dov

* 01.04.1924 in Velky Rakovec
Auschwitz Häftlingsnummer A-3076
Jüdisches Sonderkommando
Ankunft Auschwitz am 21.05.1944 aus Ungarn: »Ich kam zusammen mit meinem Vater in die Gruppe der Arbeitsfähigen, auch ein Bruder von mir konnte in das Lager einrücken. Die übrigen Familienmitglieder habe ich auf der Rampe zum letzten Mal gesehen.« Mit 250 Häftlingen zum Kommando in den Vergasungsanlagen gezwungen. Leichenschlepper im Bunker V (Mai 1944 als Vergasungsanlage für die Ungarntransporte reaktiviertes weißes Bauernhaus, früher Bunker II genannt). Paisikovic: »Wir erhielten Spazierstöcke. Die Krümmung des Spazierstockes mußte den Leichen um den Hals gelegt werden. Dann hatten wir die Leiche von dem Bunker zur Grube zu zerren. Die Arbeit während des Tages war derartig grausam, daß einige Häftlinge aus unserer Gruppe den Freitod suchten, indem sie sich in die Grube stürzten und dort verbrennen ließen.« Danach in den Krematorien sowie an den Verbrennungsgruben.
nach 1945 Fleischer in Israel.
Gestorben 1988

Paisikovic Isaak

* Etwa 1893 in Ungarn
Auschwitz Häftlingsnummer A-3075
Jüdisches Sonderkommando
Vater von Dov. Im selben Krematorium wie sein Sohn, Torwächter. Sohn Dov über das Ende, nach dem Evakuierungsmarsch: In Mauthausen war ich von meinem Vater getrennt worden. Mein Vater war schließlich noch nach Ebensee gekommen. Im Zeitpunkt meines Eintreffens in Ebensee erfuhr ich von Mithäftlingen, daß mein Vater einige Tage vorher im HKB verstorben war.