Heerdt Walter

Heerdt Walter gilt als als Erfinder des sogenannten Zyklon B, einem Blausäuregemisch, das am 27. Dezember 1926 beim Reichspatentamt unter der Nummer DE 43 88 18 zum Patent ernannt wurde.

Von der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (Degesch) ursprünglich als Desinfektions- und Entwesungsmittel hergestellt und von Lieferfirmen vertrieben, wurde das Gas direkt bei der Firma Tesch & Stabenow in Hamburg bestellt und bezahlt. Teilhaber der Degesch waren die I.G. Farbenindustrie AG, die Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt (Degussa) und die Firma Th. Goldschmidt.

Die Degesch liefert über Heerdt-Lingler (West) und Testa (Ost)
Während des Krieges beliefert die Produzentin von Zyklon B (die Firma Degesch aus Frankfurt am Main), die Kunden westlich der Elbe über ihren Zwischenhändler Heerdt-Lingler GmbH (Heli), die Kunden östlich der Elbe über die Firma Testa

Dieses Produkt, ein Schädlingsbekämpfungsmittel, war in Metalldosen verschiedener Grössen erhältlich (200g, 500g, 1kg und 1,5kg). In ihnen befand sich eine inerte [träge, reaktionsträge], poröse Trägersubstanz, die flüssigen Cyanwasserstoff (Blausäure) absorbiert hatte und dem ein Produkt beigemengt worden war, das einen Tränen- und Niesreiz auslöste. Damit sollte jeder ungeschützte Benutzer vor dem an sich geruchlosen Cyanwasserstoff gewarnt werden; öffnet man die Dose, verdampft Cyanwasserstoff bei einer Temperatur von 27°C.

Zyklon B ist also erst ab 27°C wirksam.

toxikologische Wirkung von Blausäure auf Menschen

“Geringe Konzentrationen (etwa 0,05 mg/l entspr. 45 T.:1 Million ) erzeugen nur Kopfschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Herzklopfen; diese Symptome schwinden nach einige Zeit wieder. Höhere Konzentrationen, etwa von 0,1 mg/l entspr. 90 T.:1 Million an, sind schon lebensgefährlich bzw. rasch tödlich. Bei mittelhohen Konzentrationen erscheinen die ersten Symptome erst nach einigen Minuten. Der Tod erfolgt meist binnen einer Stunde. Ist nach dieser Zeit die Atmung noch erhalten, so ist Rettung noch möglich. Bisweilen aber tritt Spättod noch nach 24 Stunden ein. Hohe Dosen – etwa um 0,3 mg/l entspr. etwa 270 T.: 1 Million führen schnell zum Tode: unter heftigem Beengungsgefühl, oft mit Aufschreien, sog. ‘hydrocephalischem Schrei’ (Lewin), verbunden, erfolgt plötzliches Zusammenbrechen; es schließen sich Krämpfe an, nach wenigen
Minuten setzt die Atmung aus, und nach 6-8 Minuten tritt der Tod ein.”

Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung, Frankfurt a. M.
Die Einsatzfähigkeit der Blausäure bei tiefen Temperaturen

Während beim Einsatz der Blausäuredurchgasung in Polen im Winter 1939/40 und später in Frankreich während des Winters 1940/41 Raumtemperaturen bis zu -8° C zu bewältigen waren, stellte der Winter 1941/42 mit seinen ungewöhnlichen Anforderungen im Osten uns vor die Frage, ob die Anwendung der Blausäure bei den dort gelegentlich gegebenen tiefen Raumtemperaturen überhaupt noch technisch zu verantworten ist.

Bekanntlich gefriert die flüssige Blausäure bei einer Temperatur von -14° C. Bei oberflächlicher Überlegung möchte es scheinen, daß bei Raumtemperaturen under -14° C die Verdunstung der im "Zyklon" aufgesaugten Blausäure so erheblich erschwert, d.h. verlangsamt wird, daß innerhalb der gegebenen Einwirkungszeiten die wirksamen Gasstärken kaum erreicht werden können. Audererseits verhält sich eine in feinporigem Material aufgesaugte Flüssigkeit aus den verschiedensten Gründen sowohl bezüglich ihres Gefrierpunktes als auch ihrer Verdunstungsgeschwindigkeit anders als in nicht aufgesaugter Form. Es war also immerhin anzunehmen, daß auch noch unterhalb der genannten Temperaturgrenze eine ausreichende Verdampfung der aufgesaugten Blausäure gewährleistet ist, was jedoch durch entsprechende Versuche erst bewiesen werden mußte.

Versuchsanordnung.
Geeignete Kühlräume, in denen Temperaturen bis zu -18° C hätten erreicht werden können, waren zwar vorhanded, wegen anderweitiger Inanspruchnahme für Versuche mit Blausäure aber nicht freizumachen. Daher mußten die Beobachtungen in einer eigens dafür hergestellten und für Kälteversuche besonders isolierten Kiste von 0,6 cbm Inhalt durchgeführt werden, in der die in Trägermaterial aufgesaugte Blausäure (Zyklon) in üblicher Weise auf Papierunterlagen ausgestreut wurde. Die mit Blech ausgeschlagene Kiste, die in einem großen Eiskochsalzbad gekühlt wurde, zeigte im Innern ausreichend konstante Temperaturverhältnisse. Die im Januar dieses Jahres eintretende Kälteperiode erleichterte die Durchführung der Versuche in der beschriebenen Anordnung.

Um Fehlerquellen, die sich durch Undichtigkeit der Kiste oder Adsorption der Blausäure am Wandmaterial ergeben konnten, möglichst auszuschalten, wurde die Verdampfung der Blausäure nicht durch Analyse der Raumluft, sondern durch Wägung der Rückstände ermittelt.

Gasrestnachweisgerät

Dieses Gerät war kein Werkzeug, sondern eine Box mit verschiedenen chemischen Produkten.
Eine offizielle Veröffentlichung der SS enthält detaillierte Erläuterungen zu diesem Thema:

Gasrestnachweis:
Die Prüfung erfolgt durch den Durchgasungsleiter oder seinen Beauftragten mittels vorgeschriebenen Gasrestnachweisausrüstung.

Inhalt der Box:
1 helles Fläschchen mit Lösung I (2,86 g Kupferazetat in 1 Liter Wasser)
1 braunes Fläschchen mit Lösung II (475 ccm bei Zimmertemperatur gesättigte Benzidinazetatlösung auf mit Wasser aufgefüllt 1 Liter)
1 Röhrchen mit Calciumcyanid Korkstopfen (Prüfröhrchen)
3 Röhrchen Korkstopfen mit zur Aufbewahrung angefeuchteten Papierstreifen
1 helles Röhrchen mit Pulver für ½ Liter Lösung I
1 braunes Röhrchen mit Pulver für ½ Liter Lösung II
1 amtlich abgestempeltes Farbtäfelchen, Fliesspapierstreifen Nr. 597 von Schleicher-Schüll, Düren.

Vergasungsoperation

Eine Vergasungsoperation mit 20 g Blausäure erfordert per Kubikmeter 45 Minuten, wenn eine Temperatur von 25 bis 35 °C herrscht, bei Temperaturen von 0 bis 5 °C jedoch drei Stunden. Bei einer mit Opfern vollgestopften Hinrichtungsgaskammer würde hingegen die von den Körpern ausgehende Wärme den Raum recht rasch genügend aufheizen, so daß eine Vorwärmungsanlage unnötig wäre.

Der Körper eines stehenden Erwachsenen erzeugt 1,72 Kcal pro Minute. 1.800 Körper erzeugen dementsprechend 3.096 Kcal minütlich. Die Verdunstungswärme von Blausäure beträgt -6,67 Kcal/mol.; da sein molekülares Gewicht 27,03 ist, entspricht die Verdunstungswärme von 6 kg Blausäure (6.000 X 6,67/27,03 =) 1.480 Kcal. Dies ist weniger als die Hälfte der Wärme, die 1.800 Körper in einer Minute erzeugen.

Aufbewahrung Zyklon B in Auschwitz

Die Kisten mit Zyklon B waren im kleinen Raum rechts, wenn man in das Alte Krematorium hineinging. Jedesmal, wenn ein Häftling da hineingehen mußte, um etwas hineinzubringen oder herauszuholen, ging ein SS-Mann mit. Einige Zeit lang befanden sich dort auch Leichen von Wehrmachtsangehörige, die bei einer Zugkatastrophe umgekommen sind.
Nachdem das Alte Krematorium (das Alte Krematorium befand sich 40 bis 50 Meter entfernt vom SS-Revier) geschlossen wurde, hat man ein Lager für das Zyklon B eingerichtet.
Es ist wenig bekannt, daß dieses Gas sich ebenfalls in dem sogenannten Theatergebäude befand.

Die Lagerung des Gases gehörte zu den Aufgaben der Mitarbeiter der SS-Apotheke.

Vergasung

Wenn in Auschwitz eine Vergasung bevorstand, wurde die erforderliche Menge Giftgas jeweils von dem Desinfektor, oder von den Desinfektoren, unmittelbar von der SS-Apotheke angefordert. Während sonst bei Anforderungen normaler Arzneimittel die entsprechenden Medikamente von einem Häftlingsapotheker ausgegeben wurden, war die Herausgabe von Giftstoffen, insbesondere von Zyklon B, dem SS-Apotheker Doktor Capesius vorbehalten.

Nach 1945

Kein Degussa-Vorstandsmitglied ist wegen Beteiligung an der Tochterfirma Degesch je zur Verantwortung gezogen worden. In einem Firmenbericht "125 Jahre Degussa AG" wird nur beiläufig ein "Mißbrauch von Zyklon B" erwähnt. Das hochwirksame Produkt ist noch heute im Handel.

Schon 1947 hatte sich eine Schädlingsbekämpfungsfirma namens Technische Entwesungsstation ins Handelsregister eintragen lassen, Kürzel: wiederum Testa. Die Degesch bedankte sich bei dem von der britischen Militärregierung beauftragten Abwickler, daß der Neuaufbau der Tesch & Stabenow-Nachfolgefirma "unter Wahrung so vieler materieller und ideeller Werte gelungen" sei.

Die Firma trägt jetzt den Namen Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (DGS) und ist von der Degussa in den Besitz der Detia-Freyberg Firmengruppe in Laudenbach übergegangen. Stolz wirbt sie mit 75jähriger Firmentradition und verweist auf die in "Jahrzehnten gemachten Erfahrungen und Kenntnisse im Bereich der Schädlingsbekämpfung". Auch das Blausäuregas wird noch immer verkauft, wenn auch unter neuem Namen: Ungeziefer stirbt nicht mehr an Zyklon B, sondern an Cyanosil.

1979 fusionierte die Testa mit der Heerdt-Lingler GmbH (HeLi) unter finanzieller Beteiligung der Degesch