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Die Beweisaufnahme hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß außer bei der Auflösung des Lagers Lagischa Häftlinge aus diesem Lager nach Jaworzno verlegt worden sind.
Insgesamt ist die Kammer deshalb der Auffassung, daß die Zeugen, die aus dem Lager Lagischa in das Lager Jaworzno gekommen sind, in der 2. Septemberhälfte 1944 nach Jaworzno ver1egt wurden.
Die von Dr. Novy in' einzelnen geschilderten Transporte ergeben in ihrer Gesamtheit eine Zahl von 6.650 Häftlingen. Ob diese Aufzählung vollständig ist, konnte nicht geklärt werden, da kein anderer Zeuge darüber genauere Angaben machen konnte.
Der Zeuge Dr. Heller, der wie bereits erwähnt, leitender Häftlingsarzt in Jaworzno gewesen ist, konnte bei seiner Vernehmung vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Chicago, deren Niederschrift in der Hauptverhandlung verlesen wurde, auf Vorhalt einer Häftlingszah1 vom 13.574, die er im Jahre 1945 nach seiner Befreiung bei einem Bericht gegenüber der Jewish Agency in Prag genannt hatte (11. 158) keine Angaben mehr darüber machen, woher er diese Zahl damals erfahren hatte. Er meinte allerdings, nach seiner Erinnerung könnte diese Zahl zutreffen. Sichere Feststellungen können auf diese Aussage jedoch nach Meinung der Kammer nicht gestützt werden. Diese Frage ist für die Entscheidung letztlich auch nicht von entscheidender Bedeutung.
Die Kammer ist jedoch der Auffassung, daß sich nach der Fertigstellung der 14 oder 15 Unterkunftsbaracken durchschnittlich zwischen 3.000 und 4.000 Häftlingen in Jaworzno aufgehalten haben.
Diese Zahl ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen, die aufgrund ihrer Stellung im Lager in der Lage waren, die Lagerstärke zu erfahren und die nicht, wie die meisten Häftlinge auf bloße Schätzungen angewiesen waren.
Der Zeuge Dr. Heller, der als verantwortlicher Lagerarzt über die Häftlingsstärke mit Sicherheit informiert war, hat ausgesagt, die durchschnittliche Belegung habe zwischen 3.000 und 3.500 Häftlingen gelegen.
Der Zeuge Antoni Sicinski, zuerst Rapportschreiber, dann Gehilfe des Rapportschreibers und Verwalter der Häftlingskantine hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung erklärt, durchschnittlich seien zwischen 3.000 und 4.000 Häftlinge in Jaworzno gewesen.
Der Zeuge Wlodzislaw Smigielski, verantwortlich für die Häftlingsbekleidungskammer hat bekundet, der höchste Stand der Häftlingszahl sei 3.200 gewesen. Dies wisse er deshalb, weil für soviele Häftlinge Wäsche ausgeteilt worden sei.
Der Zeuge Mieczyslaw Zewski, der die meiste Zeit seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno für die Häftlingsküche verantwortlich war, hat ausgesagt, die Zahl der Häftlinge habe zwischen 2.500 und 3.500 gelegen. Für so viele Häftlinge sei in der Küche gekocht worden.
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Der Zeuge Raimund Zejer schließlich, ab Juli 1943 Rapportschreiber des Lagers, nennt eine Zahl von ca. 4.000 Häftlinge als durchschnittliche Stärke.
Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht die Kammer die Einlassung des Angeklagten Pansegrau, in Jaworzno seien nur etwa 6oo Häftlinge gewesen, als widerlegt an. Allerdings ist die Kammer auch hier der Meinung, daß der Angeklagte Pansegrau insoweit nicht bewußt die Unwahrheit gesagt hat, sondern daß seine Angaben seiner heutigen Erinnerung entsprechen.
Die Frage, ob und wieviele Häftlinge in Jaworzno verstorben oder im Rahmen von Selektionen aus dem Lager abtransportiert wurden, wird in anderem Zusammenhang gewürdigt werden.
3. Der Arbeitseinsatz der Häftlinge im Lager Jaworzno (zu B III 3)
Beide Angeklagten und alle Zeugen, die als Häftlinge oder Angehörige der SS. in Jaworzno waren, haben übereinstimmend bekundet, daß mit Ausnahme der kranken Häftlinge alle anderen zur Arbeit im Lager oder außerhalb des Lagers an verschiedenen Arbeitsstellen eingesetzt wurden.
Der Zeuge Dr. Novy hat in seinem bereits mehrfach erwähnten Buch „Rückkehr unerwünscht“ berichtet, im Lager selbst seien etwa 500 Häftlinge ständig im Einsatz gewesen. Der Zeuge Zewski hat in seiner Aussage in der Hauptverhandlung diese Zahl auf 200 bis 300 Häftlinge beziffert. Neben den Funktionshäftlingen, auf die unter Ziffer 5 gesondert eingegangen wird, waren zum Beispiel der Zeuge Glaser als Lagermaler, der Zeuge Kalischmann als Dachdecker, der Zeuge Dr. Braun als Elektriker und die Zeugen Nitenberg und Burdowski als Friseure tätig.
Daß beim Bau des Kraftwerkes Wilhelm teilweise 1.700 bis 1.800 Häftlinge eingesetzt waren, ergibt sich wiederum aus dem Buch von Dr. Novy, der darin von 1.700 an dieser Baustelle eingesetzten Häftlingen spricht, und der Aussage des Zeugen Franz Kafka. Letzterer war nach seinen glaubhaften Bekundungen in der Hauptverhandlung als Schreiber dieses Kommandos tätig, er spricht von 1.800 bin 2.000 Häftlingen bei diesem Außenkommando.
Hinsichtlich den Arbeitseinsatzes von Häftlingen in der sogenannten Dachsgrube beruhen die Feststellungen der Kammer wiederum auf den Ausführungen von Dr. Novy sowie auf den Aussagen der Zeugen, die während ihres gesamten Aufenthaltes in Jaworzno oder zumindest zeitweise in dieser Grube gearbeitet haben
Dr. Novy schreibt hierzu, die ersten Häftlinge seien am 17.7. 1943 in dieser Grube eingesetzt worden, und zwar in 3 Schichten mit einer täglichen Arbeitszeit von 6.00 bin 14.00 Uhr, 14.00 bis 22.00 Uhr und von 22.00 bis 6.00 Uhr. Alle 14 Tage habe zwischen den Angehörigen der einzelnen Schichten ein Wechsel stattgefunden.
Diese Arbeitszeiten und der regelmäßige Schichtwechsel in der Dachsgrube sind von den meisten Häftlingen, die nach ihrer Aussage dort gearbeitet haben, bestätigt worden.
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In dieser Grube waren nach ihren Bekundungen in der Hauptverhandlung die Zeugen Lipa Dinur, Mosche Jachimowicz, Krawicki, Ben David, Paluch, Schwarzbart und Pachlin beschäftigt.
Der regelmäßige Schichtwechsel in dieser Grube ist von den Zeugen Dinur, Mosche Jachimowicz, Krawicki, Schwarzbart und Pachlin bestätigt worden. Aufgrund der Aussagen dieser Zeugen steht auch fest, daß es für die Häftlinge in dieser Grube keinen Förderkorb gegeben hat, sondern daß sie ihren Arbeitsplatz durch einen schräg nach unten verlaufenden Stollen erreicht haben.
Eine weitere Grube, in der Häftlinge eingesetzt wurden, war die sogenannte Rudolfsgrube. Auch hinsichtlich dieser Grube steht aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung fest, daß die Häftlinge in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten mußten. Weiter steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest, daß ein in dieser Grube im Gegensatz zur Dachsgrube keinen regelmäßigen Schichtwechsel gab. Neben Dr. Novy in seinem Buch haben dies fast alle Zeugen, die in der Rudolfsgrube eingesetzt waren, in ihren Aussagen bestätigt.
Auf den Inhalt der einzelnen Zeugenaussagen wird bei der Beweiswürdigung zu dem Anklagepunkt I 1 (Erschießung eines Häftlings der Rudolfsgrube Nachtschicht durch den Angeklagten Olejak) näher eingegangen werden.
Daß Häftling außer in der Rudolfsgrube und Dachsgrube auch in den Gruben Leopold, Richard und Friedrich-August eingesetzt waren, ergibt sich aus den Aussagen der in diesen Gruben eingesetzten Häftlinge.
Der Zeuge Lopaczewski hat glaubhaft bekundet, er habe etwa einen Monat in der Leopoldgrube gearbeitet.
Der Zeuge Zimmermann hat ausgesagt, er sei in der Richardgrube eingesetzt worden, wo ein neuer Schacht gebaut worden sei. Auch der Zeuge Mieczyslaw Baran hat bekundet, er habe etwa 3 Monate lang in dieser Grube gearbeitet.
Schließlich haben die Zeugen Salz, Glück, Ganz, Kestenbaum und Zurkowski ausgesagt, sie hätten während ihres Aufenthaltes in Jaworzno in der Friedrich-August-Grube gearbeitet.
Das Bestehen eines Ziegeleikommandos wurde von dem Zeugen Abraham Korn bestätigt, der nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung bei diesem Kommando gearbeitet hat.
Die zeugen Preisler und Lopaczewski haben schließlich ausgesagt, sie seien bei einem Kommando gewesen, das in der Nähe der Lager Geleise verlegt habe.
4. Die Verwaltung des Lagers Jaworzno durch die Angehörigen der Lagerkommandantur (zu B III 4):
Die Feststellungen der Kammer in diesem Punkt beruhen in erster Linie auf den Einlassungen der beiden Angeklagten Olejak und Pansegrau, die auch von den meisten Zeugen, die sich an Namen von den im Lager tätigen SS. Leuten erinnern konnten, bestätigt wurden.
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Übereinstimmend haben die beiden Angeklagten und diese Zeugen bekundet, daß während der gesamten Zeit des Bestehens des Lagers Jaworzno der SS.Mann Bruno Pfütze Lagerführer in Jaworzno war. Pfütze hatte zunächst den Rang eines SS-Untersturmführers inne, mit Wirkung vom 9.11.1944 wurde er zum SS-Obersturmführer befördert. Dies ergibt sich aus Ziffer 1 des Kommandanturbefehls Nr. 11/44 der Kommandantur des K.L.Auschwitz III.
der in der Hauptverhandlung verlesen wurde. Daß Pfütze im Zivilberuf Maler und Lackierer war, haben die Zeugen Glazer, der selbst als Maler im Lager Jaworzno eingesetzt war, und Kafka glaubhaft bekundet. Mehrere Zeugen haben auch ausgesagt, daß Pfütze in Jaworzno Pferde gehabt habe. Hier sei insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Pernat, Lerer, Grol, Lopaczewski und Dr. Heller verwiesen.
Der Zeuge Hirschkorn hat glaubhaft bekundet, er selbst habe das 2. Pferd, das sich der Lagerführer angeschafft habe, zugeritten. Die Feststel1ungen der Kammer schließlich, daß Pfütze in der Stadt Jaworzno eine Wohnung hatte, ergeben sich aus der Aussage des Zeugen Pasikowski. Dieser hat glaubhaft bekundet, er sei dem Lagerführer Pfütze zeitweise zu persönlichen Dienstleistungen zugeteilt gewesen und er habe auch in der Wohnung und im Garten des Lagerführers gearbeitet.
Auch der Zeuge Dr. Novy hat sich in dem bereits mehrfach erwähnten Buch „Rückkehr unerwünscht“ ausführlich mit der Person des Lagerführers Bruno Pfütze befaßt. Er beschreibt ihn als ehemaligen Lackierer, der zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Lagerführer in Jaworzno wie cm Fürst gelebt habe. Er sei Offizier im Range eines Obersturmführers gewesen, habe in Jaworzno eine schöne Villa mit Garten gehabt, wo Häftlinge unentgeltlich für ihn gearbeitet hätten. Er habe ein Motorrad sowie Pferde zur Verfügung gehabt.
Diese Beschreibung des Lagerführers durch den Zeugen Dr. Novy ist, wie ein Vergleich mit dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme beweist, in allen Punkten richtig.
Der derzeitige Aufenthalt des ehemaligen Lagerführers Pfütze konnte nicht ermittelt werden. Nach der Aussage des Zeugen Pasikowski soll Pfütze 1945 in Oslo ums Leben gekommen sein.
Die Feststellung über die Person und Tätigkeit des Rapportführers im Lager Jaworzno beruhen im Wesentlichen auf den Einlassungen der Angeklagten Olejak und Pansegrau. Auf die Frage, wer nach dem Angeklagten Olejak Rapportführer in Jaworzno war, wird in einem gesonderten Punkt der Beweiswürdigung eingegangen werden.
Neben dem Lagerführer und dem Rapportführer gehörten noch die sogenannten Blockführer der Lagerkommandantur an. Diese wurden daneben auch als sogenannte Kommandoführer eingesetzt. Auch insoweit beruhen die Feststellungen der Kammer über Aufgaben und Tätigkeiten der Blockführer im Wesentlichen auf den Einlassungen der beiden Angeklagten.
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Beide Angeklagten sowie die Mehrzahl der Zeugen, die sich Überhaupt an die Namen von Kommandanturangehörigen erinnern konnten, haben bekundet, daß einer der Blockführer in Jaworzno der SS. Mann Paul Kraus war, wobei allerdings nur wenige Häftlinge den Vornamen wußten, Diese Zeugen erinnerten sich in der Mehrzahl auch daran, daß diesem SS. Mann an einer Hand mehrere Finger fehlten. Hierzu ist zu bemerken, daß sich aus. einem in der Hauptverhandlung teilweise verlesenen ärztlichen Untersuchungsbogen aus dem Jahre 1935 ergibt, daß Kraus schon zu diesem Zeitpunkt durch einen Unfall mit einer Exzenterpresse den 2., 3. und 4. Finger der linken Hand sowie das Endglied des 5. Fingers an dieser Hand verloren hatte.
Die Mehrzahl der Zeugen, die sich an diesen SS. Mann erinnert haben, hat ausgesagt, er habe wegen dieser Verletzung bei den Häftlingen die Spitznamen Lapka, Raunschka oder Bradznizka, was Pfote bzw. Pratze bedeutet habe, gehabt. Schließlich haben fast alle Zeugen, die sich an die Person dieses SS. Mannes mit den fehlenden Fingern erinnert haben, bekundet, daß er einen oder zwei Schäferhunde gehabt habe, die er auch mit in das Lager genommen habe.
Daß Kraus Blockführer in Jaworzno war, wegen einer Verletzung an einer Hand die genannten Spitznamen sowie einen oder mehrere Hunde hatte, haben unter anderem die Zeugen Mosche Jachiwowicz, Glapinski, Pasikowski, Sicinski, Kafka, Smigielski, Salz, Hirschkorn und Swift bestätigt.
Auf die Frage, wie lange Kraus in Jaworzno war, wird in anderem Zusammenhang noch näher eingegangen werden.
Der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge Ernst König hat selbst glaubhaft bekundet, daß er bis zu einem Selbstmordversuch im Frühjahr 1944 Blockführer und Kommandoführer in Jaworzno war. An ihn als Blockführer haben sich nur die Zeugen Zimmermann und Smigielski erinnert.
Sowohl der Angeklagte Pansegrau als auch die Mehrzahl der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die sich noch an Namen von SS. Leuten erinnern konnten, haben bekundet, daß ein SS. Mann namens Lausmann und einer namens Markewicz die Funktion eines Blockführers und Kommandoführers inne gehabt haben. Hinsichtlich dieser beiden SS. Leute, deren genaue Namen, insbesondere Vornamen nicht ermittelt werden konnten, konnte aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung nur festgestellt werden, daß sie in Jaworzno waren.
Zur Person des SS. Mannes Lausmann haben mehrere Zeugen, nämlich Grol, Herstik, Dr. Braun und Herschkowicz bekundet, er habe Goldzähne gehabt. Dies hat auch der Angeklagte Pansegrau im Rahmen seiner Einlassung erwähnt. Mehrere Zeugen, darunter der Zeuge Glück, haben ausgesagt, Lausmann habe aus Rumänien gestammt und jiddisch gesprochen. Ob dies tatsächlich zutraf, konnte nicht sicher festgestellt werden.
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Ebenso wenig konnte sicher geklärt werden, ob das in der Hauptverhandlung vom 13.11.1979 ans den Ermittlungsakten 1 Ja 75/73 der Staatsanwaltschaft Würzburg zu den Akten genommene Lichtbild, das einen SS.Mann namens Franz Lausmann darstellt, den im Lager Jaworzno eingesetzten SS.Mann Lausmann zeigt. Keiner der beiden Angeklagten und die nach diesem Zeitpunkt vernommenen Zeugen konnten zu diesem Bild sichere Angaben machen.
Auch hinsichtlich des SS. Mannes Markewicz haben mehrere Zeugen, darunter die Zeugen Pasikowski und Smigielski ausgesagt, er habe aus Rumänien gestammt. Ob dies richtig ist, konnte nicht geklärt werden.
Eine längere Zeit war auch der SS. Mann Otto Hablesreiter, der zwischenzeitlich verstorben ist, als Blockführer und Kommandoführer in Jaworzno eingesetzt.
Dieser wurde von den meisten Zeugen, die sich an ihn erinnert haben, als großer, schwerer und schon älterer Mann beschrieben, wobei jedoch den wenigsten dieser Zeugen der Name bekannt oder noch in Erinnerung war. Insoweit wird insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Zejer und Pasikowski hingewiesen.
Von einem weiteren SS. Mann, der als Blockführer in Jaworzno eingesetzt war, konnte nur festgestellt werden, daß er bis etwa Frühjahr 1944 dort war und daß er ein Dienstmädchen des Lagerführers Pfütze erschossen hat. Daß ein Angehöriger der Lagerkommandantur ein Dienstmädchen des Lagerführers erschossen hat, haben die Zeugen Pasikowski und Weis, der als Angehöriger der Wachmannschaft frühestens im April 1944 nach Jaworzno gekommen ist, sowie der Angeklagte Pansegrau glaubhaft berichtet. Auf die Aussage und die Person des Zeugen Weis wird später noch näher eingegangen werden.
Der Name dieses SS. Mannes konnte nicht sicher festgestellt werden. Während der Angeklagte Pansegrau meinte, er habe Bischof geheißen, hat der Zeuge Pasikowski ausgesagt, sein Name sei Miller gewesen. Welche der beiden Aussagen hinsichtlich des Namens richtig ist, konnte nicht geklärt werden. Der Zeuge Weis konnte zur Person des Täters nur angeben, dieser habe seiner Erinnerung nach ans Kroatien gestammt.
Schließlich war auch der Angeklagte Pansegrau während der meisten Zeit des Bestehens des Lagers Jaworzno in diesem als Blockführer und zeitweilig auch als Kommandoführer eingesetzt.
Dies steht schon aufgrund der Einlassung des Angeklagten Pansegrau fest. Aufgrund der Einlassung des Angeklagten Pansegrau in Verbindung mit den Aussagen seiner Ehefrau Irmgard Pansegrau und der Aussage des Zeugen Zitzmann, sieht es die Kammer als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau am Tag nach Ostern 1944 verhaftet und aus dem Lager Jaworzno weggebracht wurde. Grund für diese Verhaftung war nach den insoweit glaubhaften Einlassungen des Angeklagten Pansegrau, daß er an den Osterfeiertagen des Jahres 1944 mit dem Zeugen Zitzmann eine Auseinandersetzung gehabt hatte, in deren Verlauf Zitzmann von einer Kugel aus der Pistole des Angeklagten Pansegrau in das linke Bein getroffen wurde. Frau Pansegrau und der Zeuge Zitzmann, der damals Spieß der Wachkompanie in Jaworzno war, haben in ihren Aussagen im Wesentlichen den Grund und den Ablauf der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten Pansegrau und Zitzmann so geschildert, wie es der Angeklagte im Rahmen seiner Einlassung getan hat.
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Frau Pansegrau hat weiter ausgesagt, ihr. Ehemann sei aufgrund dieses Vorfalles alsbald verhaftet und aus Jaworzno weggebracht worden. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, daß die Aussage der Zeugin Pansegrau in diesem Punkt richtig ist, obwohl sich praktisch kein anderer Zeuge an eine längere Abwesenheit des Angeklagten Pansegrau vom Lager Jaworzno erinnert hat.
Auf die Frage, wie lange der Angeklagte Pansegrau nicht in Jaworzno war, wird bei der Prüfung der dem Angeklagten zur Last liegenden Einzelfälle näher eingegangen werden.
In der Zeit, als der Angeklagte Pansegrau nicht in Jaworzno war, kam für ihn der SS. Mann Bräutigam als Blockführer nach Jaworzno. Dies sieht die Kammer aufgrund der Einlassung des Angeklagten Pansegrau in Verbindung mit der Aussage des Zeugen Zejer als erwiesen an. Der Zeuge Zejer hat insoweit glaubhaft bekundet, in Jaworzno habe es einen Rottenführer Bräutigam als Blockführer gegeben.
Die Kammer geht auch davon aus, daß es in Jaworzno einen jungen, blonden SS. Mann gegeben hat, der vom Aussehen her eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Angeklagten Pansegrau hatte. Von einem solchen SS. Mann haben die Zeugen Weltfreid, Mosche Jachimowicz und Lerer in ihren Aussagen berichtet. Möglicherweise handelt es sich bei diesem um den SS. Mann Bräutigam, da ihn der Angeklagte Pansegrau als Jungen, blonden Mann beschrieben hat.
Die Feststellungen der Kammer über die SS. Leute Alfred Fischer und Hoffmann beruhen in erster Linie auf den Aussagen des Zeugen Zewski, der selbst die meiste Zeit über in der Häftlingsküche beschäftigt war und der diese Namen im Rahmen seiner Aussage angegeben hat. Auch der Angeklagte Pansegrau hat im Rahmen seiner Einlassung ausgesagt, für die Häftlingsküche sei der SS. Mann Alfred Fischer verantwortlich gewesen, mit dem er privat sehr gut bekannt gewesen sei. Der Zeuge Smigielski hat glaubhaft bekundet, für die Bekleidungskammer seien die SS. Leute Lechner und Kaufmann zuständig gewesen.
Daß der Leiter der politischen Abteilung des Lagers Jaworzno Felix Witowski geheißen hat, ergibt sowohl aus den Einlassungen der Angeklagten als auch aus mehreren Zeugenaussagen. Im Rahmen dieser Ausführungen sei hier nur auf die Aussage des Zeuge Sicinski verwiesen. Dieser hat ausgesagt, er habe gelegentlich für den Leiter der politischen Abteilung namens Witowski als Schreiber fungiert.
Soweit Dr. Novy in seinem Buch davon spricht, ein SS.Mann namens Willers sei ebenfalls zumindest zeitweise Angehöriger der politischen Abteilung des Lagers Jaworzno gewesen, sieht die Kammer diese Angabe als richtig an.
Denn aufgrund eines Schreibens der Kommandantur des Konzentrationslagers Auschwitz vom 15.11.1944, das der Kammer vorn Bundesarchiv in Koblenz zur Verfügung gestellt und das in der Hauptverhandlung teilweise verlesen wurde, steht fest, daß der SS. Unterscharführer Willers in Jaworzno für die Behandlung von Fluchtsachen zuständig war. Die Behandlung solcher Angelegenheiten war aber, wie der Angeklagte Olejak glaubhaft versichert hat, in erster Linie Sache der politischen Abteilung des Lagers.
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Die Feststellungen der Kammer zur Funktion des SDG und zu den Personen, die diese Stellung im Laufe des Bestehens des Lagers Jaworzno inne hatten, beruhen in erster Linie auf den Ausführungen des Zeugen Dr. Novy in seinem Buch „Rückkehr unerwünscht“ und auf der in der Hauptverhandlung verlesenen Aussage des Zeugen Dr. Paul Heller vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Chicago.
Dr. Novy hat in seinem Buch ausgeführt, der Jeweilige SDG. des Lagers Jaworzno habe nicht dem Lagerführer des Lagers Jaworzno, sondern direkt dem Standortarzt den Hauptlagers Auschwitz unterstanden. Dies ist von dem Zeugen Dr. Heller, der selbst der verantwortliche Häftlingsarzt in Jaworzno war, bestätigt worden. Auch der Angeklagte Olejak hat dies im Rahmen seiner Einlassung ausgesagt.
Als SDG des Lagers Jaworzno hat Dr. Novy in dieser zeitlichen Reihenfolge den SS. Rottenführer Kalfuß, den SS. Unterscharführer Arno Frank und den SS. Unterscharführer Emil Hantl genannt. Der Zeuge Emil Hantl hat, wie bereits erwähnt, selbst ausgesagt, er sei im Rang eines Unterscharführers der letzte SDG den Lagers Jaworzno gewesen.
Der Zeuge Dr. Heller hat sich bei seiner Vernehmung zunächst namentlich nur an den Zeugen Hantl als SDG des Lagers Jaworzno erinnert. Nach Vorhalt der Namen Kalfuß und Frank aus dem Buch des Zeugen Dr. Novy erklärte Dr. Heller dann, daß diese Namen richtig seien und er sich jetzt an die SS. Leute Kalfuß und Frank als SDG des Lagers Jaworzno erinnere. Der Zeuge Dr. Heller hat auch bestätigt, daß der SDG Kalfuß, wie Dr. Novy schreibt, oft betrunken gewesen sei.
5. Die Selbstverwaltung des Lagers Jaworzno durch die Häftlinge (zu B III 5):
Sowohl die beiden Angeklagten im Rahmen ihrer Einlassungen als auch praktisch alle Zeugen haben bestätigt, daß es im Lager Jaworzno eine Häftlingsselbstverwaltung gegeben hat, die den inneren Ablauf des Lagerlebens im Wesentlichen selbst bestimmt hat.
Hierzu konnten in erster Linie die Zeugen nähere Angaben machen, die im Rahmen dieser Häftlingsverwaltung selbst eine mehr oder weniger bedeutende Funktion innehatten. Dazu zählten die Zeugen Zejer, Smigielski, Zewski, Dr. Novy, Dr. Heller, Bulaty und Wiktor Pasikowski.
Die Zeugen Zejer, Smigielski, Pasikowski und Sicinski haben übereinstimmend bekundet, daß an der Spitze der Häftlingsverwaltung der jeweilige Lagerälteste gestanden habe und daß diese Funktion zunächst von dem Häftling Bruno Brodniewicz, der die Häftlingsnummer 1 gehabt habe, und dann von Kurt Pennowitz eingenommen worden sei.
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Auch die Zeugen Dr. Heller und Bulaty haben ausgesagt, daß es in Jaworzno 2 Lagerälteste nacheinander gegeben habe, wobei sich Dr. Heller noch an den Namen Bruno Brodniewicz als den des 1. Lagerältesten erinnert hat.
Auch Dr. Novy hat sich in seinem schon wiederholt erwähnten Buch ausführlich mit der Person und der Funktion des jeweiligen Lagerältesten im Lager Jaworzno befaßt. Als 1. Lagerältester habe der Berufsverbrecher Bruno Brodniewicz mit der Häftlingsnummer 1 fungiert, der aus Posen gestammt habe. Dieser habe dann ganze Lager terrorisiert und oft Häftlinge auf das schlimmste geschlagen.
Bruno Brodniewicz sei im April 1944 von dem aus Leipzig stammenden reichsdeutschen Häftling Kurt Pennowitz abgelöst worden. Dieser sei öfters von dem mit ihm befreundeten SS. Unterscharführer Paul Kraus aus dem Lager mitgenommen worden und habe nachts auch bei Frauen außerhalb des Lagere in der Stadt Jaworzno geschlafen. In der Nacht des 23. Dezember 1944 habe er bei einem Bummel durch Jaworzno seinen Begleiter Kraus verlassen und sei spurlos verschwunden. Für Kraus habe diese Flucht des Lagerältesten die Strafversetzung in ein anderes Lager zur Folge gehabt.
Daß der 2. Lagerälteste des Lagers Jaworzno geflohen ist, haben auch mehrere andere Zeugen bekundet.
Der Zeuge Wolf Swift, dessen Aussage vor dem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Sydney in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hat ausgesagt, neben seiner Arbeit in der Grube habe er auch für die beiden Lagerältesten des Lagers gearbeitet. Der 1. Lagerälteste habe die Nummer 1 gehabt und mit Vornamen Bruno geheißen. Der 2. habe mit Vornamen Kurt geheißen. Er sei mit einem SS. Mann namens Kraus besonders befreundet gewesen. Diesem hätten an einer Hand 2 Finger gefehlt, weshalb er von den Häftlingen den Spitznamen Ronschka oder Lapka erhalten habe. Durch seine eigene Tätigkeit bei dem Lagerältesten Kurt habe er diesen SS. Mann besonders kennengelernt.
Der SS. Mann Kraus habe den Lagerältesten Kurt öfters mit aus dem Lager genommen und bei Frauen in Jaworzno gelassen. Eines Tages sei der Lagerälteste Kurt nicht zur gewohnten Zeit zurückgekommen. Er selbst sei von dem Lagerführer gefragt worden, ob er wisse, wo der Lagerälteste Kurt sei. Dabei sei er auch geschlagen worden.
Der Zeuge Josef Weis hat ausgesagt, er sei im Jahre 1944 als Oberscharführer zur Wachmannschaft des Lagers Jaworzno gekommen, wo er nach dem Lager- und Kompanieführer Pfütze ranghöchste SS. Mann gewesen sei. Von den SS. Leuten habe er unter anderem den Unterscharführer Kraus gekannt, der Blockführer im Lager gewesen sei.
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Kurz vor Weihnachten 1944 sei von den SS. Leuten im Speiseraum der Unterkunft am gemütlicher Abend abgehalten worden. Während dieser Feier habe der Unterscharführer Kraus aus der Stadt Jaworzno angerufen und mit dem Kompaniechef gesprochen. Dabei habe sich ergeben, daß Kraus den Lagerältesten mit nach Jaworzno genommen habe. Diese Gelegenheit habe der Lagerälteste zur Flucht genutzt. Pfütze habe ihn selbst noch gefragt, ob er dem SS. Mann Kraus die Erlaubnis erteilt habe, den Lagerältesten aus dem Lager mitzunehmen. Kraus habe dies nicht ohne Erlaubnis eines Vorgesetzten tun dürfen.
Ein Vergleich der Aussagen dieser beiden Zeugen, die durch die Flucht des Lagerältesten Kurt Pennowitz unmittelbar betroffen wurden, ergibt, daß die Ausführungen von Dr. Novy über den Zeitpunkt und die Umstände der Flucht des 2. Lagerältesten in vollem Umfang als richtig anzusehen sind.
Die Verwaltung eines Blocks durch den Blockältesten, Stubenältesten und Blockschreiber haben praktisch alle Zeugen, die sich noch an das Lager erinnern konnten, sowie auch die beiden Angeklagten bestätigt. Von den im Rahmen der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen hatten nach ihren eigenen Angaben die Zeugen Zewski und Bulaty zeitweilig die Funktion eines Blockältesten inne.
Die Zeugen Zejer, Smigielski und Sicinski haben übereinstimmend bekundet, daß die Funktion des Arbeitsdienstschreibers der polnische Häftling Theo Piskon inne gehabt habe. seine Aufgabe sei es gewesen, die Häftlinge zu den einzelnen Arbeitskommandos zuzuteilen. Der Zeuge Zejer hat weiter ausgesagt, ein Häftling namens Gruenhut sei Gehilfe des Arbeitsdienstschreibers Piskon gewesen.
Soweit die Kammer in diesem Teil ihrer Feststellungen die Tätigkeiten des Zeugen Zejer als Rapportschreiber, des Zeugen Sicinski als Rapportschreiber, Gehilfe des Rapportschreibers und Verwalter der Häftlingskantine, des Zeugen Smigielski als Chef der Häftlingsbekleidungskammer und des Zeugen Zewski als des zeitweilig Verantwortlichen für die Häftlingsküche erwähnt hat, beruhen diese Feststellungen auf den Aussagen dieser Zeugen. Dies gilt auch für die Art der Tätigkeit des Zeugen Pasikowski.
Die Feststellungen der Kammer hinsichtlich der Häftlingsselbstverwaltung im HKB beruhen in erster Linie auf den Ausführungen des Zeugen Dr. Novy in seinem Buch sowie der Aussage des Zeugen Dr. Heller.
Dr. Novy hat hierzu ausgeführt, an der Spitze des Krankenbaus habe auf der Häftlingsseite der politische österreichische Häftling Sepp Luger gestanden. Nach der Versetzung von Luger sei der Häftlingsarzt Pawel neuer Lagerältester des HKB geworden.
Diese Ausführungen sind in vollem Umfang von Dr. Heller bestätigt worden. insbesondere hat Dr. Heller ausgesagt, er selbst sei nach der Versetzung von Luger Lagerältester des HKB geworden.
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Auch der Zeuge Schwarzbart, der nach seiner Aussage wegen eines Unfalls am 1.10.1944 in den HKB eingeliefert worden ist, hat ausgesagt, auf Seiten der Häftlinge sei zunächst der Häftling Sepp Luger der verantwortliche Mann gewesen. dieser sei im Dezember 1944 aus dem Lager Jaworzno versetzt worden.
6. Die Bewachung der Häftlinge (zu B III 6):
Insoweit beruhen die Feststellungen der Kammer in erster Linie auf den Einlassungen des Angeklagten Olejak und der Aussagen der Zeugen, die selbst zur Bewachungsmannschaft des Lagers gehört haben. Dies sind die Zeugen Albert Zitzmann, Josef Weis, Anton Oder und Philipp Desch.
Der Angeklagte Olejak hat sich dahingehend eingelassen, Führer der Wachkompanie sei zunächst der SS. Obersturmführer Brossmann gewesen, der mit ihm zusammen im Frühjahr 1944 nach Blechhammer versetzt worden sei. Daß Brossmann zunächst Chef der Wachkompanie war, wurde auch von den Zeugen Zitzmann, Oder und Desch bestätigt.
Der Zeuge Zitzmann hat weiter ausgesagt, er sei bis zu seiner Auseinandersetzung mit dem Angeklagten Pansegrau, die um Ostern 1944 gewesen sei, Spieß der Wachkompanie gewesen. Sein Nachfolger sei ein SS. Mann namens Fritz Lorenz geworden.
Letzteres ergibt sich auch aus dem teilweise in der Hauptverhandlung verlesenen Kommandantursonderbefehl des K.L. Auschwitz III vom 22.5.1944, in dem als Stabsscharführer in der für die Bewachung den Lagers Jaworzno zuständigen Kompanie der SS. Oberscharführer Lorenz erwähnt ist.
Möglicherweise übte dieser SS. Mann Lorenz daneben noch eine weitere Funktion im Rahmen der Verwaltung oder Bewachung des Lagers Jaworzno aus. Dafür sprechen die Aussagen der Zeugen Charlupski, Kafka, Kowalczyk und Glück, die ausgesagt haben, ein SS. Mann namens Lorenz sei zeitweilig als Kommandoführer oder Postenführer bei Außenkommandos tätig gewesen. Auch der Zeuge Herstik hat bekundet, ein SS. Mann namens Lorenz, der Kommandant der Wache gewesen sei, sei zeitweilig am Kraftwerk tätig gewesen.
Aus dem oben erwähnten Sonderbefehl ergibt sich weiter, daß Pfütze ab diesem Zeitpunkt neben seiner Funktion als Lagerführer auch die Führung der Wachkompanie übernommen hat. Der bereits erwähnte Zeuge Josef Weis hat hierzu ausgesagt, bei seiner Ankunft in Jaworzno sei Pfütze bereits Lager und Kompanieführer gewesen.
Hinsichtlich der Art der Bewachung des Lagers und der außerhalb des Lagers eingesetzten Häftlingskommandos folgt die Kammer in vollem Umfang der Einlassung des Angeklagten Olejak, die auch von dem Zeugen Zitzmann bestätigt wurde, soweit sie seinen eigenen Aufgabenbereich betraf.
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Der Angeklagte Olejak hat insoweit bekundet, zur Bewachung den Lagers habe es eine große und kleine Postenkette gegeben. Es sei Aufgabe des Rapportführers gewesen, die Blockführer als Kommandoführer einzuteilen und der Schreibstube der Wachkompanie mitzuteilen, wieviele Häftlingskommandos zu bewachen seien. die Einteilung der Wachmannschaften sei dann Aufgabe dieser Schreibstube gewesen. Letzteres hat der Zeuge Zitzmann auch bestätigt.
Die Zeugen Zitzmann und Weiss haben auch ausgesagt, daß es den Angehörigen der Wachmannschaft grundsätzlich nicht erlaubt gewesen sei, das Lager zu betreten.
Daß es den Angehörigen der Wachmannschaft und der Lagerkommandantur verboten war, Häftlinge außerhalb von Fluchtversuchen zu erschießen oder auch nur zu mißhandeln, ergibt sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen Zitzmann. dieser hat bekundet, es habe zu seinem Aufgabenbereich gehört, die Angehörigen der Wachkompanie entsprechend zu belehren.
Auch beide Angeklagten haben in ihrer Einlassung vorgebracht, daß das Mißhandeln oder gar Töten von Häftlingen für die Angehörigen der SS. verboten gewesen sei.
7. Die Behandlung der Häftlinge im Lager Jaworzno (zu B III 7):
Daß im Lager Jaworzno bei der Behandlung von Häftlingen zwischen den jüdischen Häftlingen, die den weitaus überwiegenden Teil stellten und den nichtjüdischen Häftlingen ein Unterschied gemacht wurde, ergibt sich schon daraus, daß, wie ausgeführt, die wichtigen Häftlingsfunktionen mit ganz wenigen Ausnahmen in den Händen von nichtjüdischen Häftlingen waren.
Mehrere Zeugen, die aufgrund ihrer Stellung im Lager die Behandlung der Häftlinge beobachten konnten, haben auch eine wesentlich schlechtere Behandlung der jüdischen Häftlinge bestätigt.
So hat der Zeuge Dr. Heller ausgesagt, die Juden seien die letzten Proletarier im Lager gewesen.
Der Zeuge Antoni Sicinski, selbst ein polnischer politischer Häftling, hat dazu erklärt, die jüdischen Häftlinge seien zum Beispiel bei einem Verstoß gegen die Lagerordnung wesentlich härter und schwerer bestraft worden als ein nichtjüdischer Häftling. Ein weiterer erheblicher Vorteil für diese Häftlinge sei es gewesen, daß es den nichtjüdischen Häftlingen erlaubt gewesen sei, Lebensmittelpakete von ihren Angehörigen zu empfangen.
Der Zeuge Kafka, selbst ein jüdischer Häftling und einer der wenigen Juden, der als Schreiber des Kraftwerkkommandos einen Posten hatte, bei dem er nicht körperlich arbeiten mußte, hat ausgesagt, die Juden seien strenger behandelt worden, als zum Beispiel die polnischen Häftlinge. Letztere seien von den SS. Leuten nicht geschlagen worden.
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Im gleichen Sinn hat sich auch der Zeuge Glapinski, ein polnischer nichtjüdischer Häftling, geäußert. Den Juden sei es am schlimmsten ergangen im Lager, die Polen seien wesentlich besser behandelt worden. Der Zeuge Glapinski hat auch bestätigt daß ihm seine Freunde im Lager einen Posten als Stubendienst verschaffen konnten, als er krank geworden sei.
Auch der Zeuge Zewski, selbst ein polnischer politischer Häftling, hat ausgesagt, den polnischen Häftlingen sei es im Lager wesentlich besser ergangen als den jüdischen Häftlingen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Zeugen Karel Bulaty, eines tschechischen politischen Häftlings, zu erwähnen. Dieser war nach seiner in der Hauptverhandlung gemachten Aussage Blockältester in dem Block, aus dem im Jahre 1943 ein Ausbruchsversuch unternommen wurde. Mit Hilfe seines Mithäftlings und Landsmannes Dr. Novy gelang es ihm, sich der Verhaftung zu entziehen und einen Posten als Schreiber in einem Block zu erhalten.
Daß das schlagen von jüdischen Häftlingen in Jaworzno durch Kapos, Vorarbeiter und andere Funktionshäftlinge und auch durch Angehörige der SS. Lagerkommandantur an der Tagesordnung war, haben praktisch alle im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen, die als Häftlinge in Jaworzno waren, ausgesagt. Da auf diese Frage im Rahmen der Beweiswürdigung zu den beiden Angeklagten zur Last liegenden Einzeltaten eingegangen wird, sei hier nur auf die Aussage des Zeuge Dr. Paul Heller und den Bericht des Zeugen Dr. Novy verwiesen.
Der Zeuge Dr. Heller, der als Arzt im HKB des Lagers Jaworzno tätig war, hat ausgesagt, in dem Krankenbau seien zahlreiche Häftlinge eingeliefert worden, die Spuren von Schlägen aufgewiesen hatten. diese Häftlinge hatten Blutergüsse, offene Wunden, Kiefernbrüche sowie geschwollene Ohren, Augen und Genitalien gehabt. Aus den Erzählungen dieser Häftlinge habe er erfahren, daß für diese Verletzungen sowohl Kapos als auch SS. Leute verantwortlich gewesen seien.
Einer der viele Häftlinge geschlagen habe, sei der SS.Mann Kraus gewesen. Das habe er selbst öfters gesehen.
Besonders geschlagen worden seien solche Häftlinge, die schon körperlich schwach gewesen und deshalb aufgefallen seien. Viele dieser Häftlinge seien an den durch die Schläge erlittenen Verletzungen gestorben.
Auch Dr. Novy schildert, oft unter Namensangabe der Täter, meistens Kapos, daß zahlreiche Häftlinge in Jaworzno so geprügelt und geschlagen worden seien, daß sie an diesen Verletzungen gestorben seien.
Die Feststellungen der Kammer zur Behandlung der Häftlinge im HKB des Lagers Jaworzno beruhen ebenfalls in erster Linie auf der Aussage des Zeugen Dr. Heller und dem Bericht des Zeugen Dr. Novy.
Dr. Novy hat den Krankenbau des Lagers Jaworzno in seinem Buch ausführlich beschrieben und dargelegt, daß dieser, besonders nach seiner endgültigen Fertigstellung und nachdem der SDG. Hantl im Amt gewesen sei, für viele kranke und verletzen Häftlinge eine Zufluchstätte gewesen sei. Diese Ausführungen von Dr. Novy sind von dem Zeugen Dr. Heller voll inhaltlich bestätigt worden, nachdem sie ihm im Rahmen seiner eigenen Vernehmung vorgehalten wurden.
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Die Hauptverhandlung hat auch den Beweis dafür erbracht, daß es im Lager Jaworzno zu Selektionen von Häftlingen gekommen ist.
Hierzu hat der Zeuge Dr. Heller ausgesagt, diese seien von SS. Leuten, die zu diesem Zwecks eigens aus dem Lager Auschwitz angereist seien, durchgeführt worden. Er schätze, daß im Rahmen dieser Maßnahmen etwa 2.000 bis 3.000 Häftlinge aus dem Lager Jaworzno weggebracht worden seien.
Daß sich die im HKB verantwortlichen SS. Leute und Häftlingsärzte teilweise bemüht haben, kranke Häftlinge vor solchen Selektionen zu retten, haben die Zeugen Chensky und Puszyk ausgesagt. Beide haben übereinstimmend erklärt, ein Teil der kranken Häftlinge sei, bevor die SS. Kommission aus dem Hauptlager gekommen sei, aus dem HKB entlassen worden und anschließend wieder dorthin zurückgekehrt.
8. Was die Feststellungen der Kammer zu dem geplanten Fluchtversuch von etwa 50 Häftlingen und zu der einige Wochen später erfolgten Hängung eines Teils dieser Häftlinge im Lager Jaworzno betrifft, so hat das übrige Ergebnis der Hauptverhandlung den Beweis dafür erbracht, daß der Bericht der Zeugen Dr. Novy, der sich in dem bereits mehrfach erwähnten Buch aus dem Jahre 1949 ausführlich mit diesen Vorgängen befaßt hat, in vollem Umfang richtig ist.
Dr. Novy hat hierzu, kurz zusammengefaßt, folgendes ausgeführt:
In wochenlanger mühsamer Arbeit sei vom Block Nr. 2 aus von Häftlingen ein Schacht gegraben worden, der bis hinter den Stacheldraht an der Außenseite des Lagers geführt habe. Dieser Schacht habe etwas mehr als einen halben Meter im Durchmesser gehabt. Die Durchführung der Flucht sei für die Nacht zum 19. Oktober 1943 geplant worden.
Am Nachmittag des 18. Oktober 1943 sei die Arbeit an sämtlichen Baustellen unterbrochen, alle Häftlinge in das Lager zurückgebracht und dort ein Appell durchgeführt worden, nach längeren Verhören, die von SS. Leuten aus dem Lager Jaworzno mit dem Leiter der politischen Abteilung Witowski an der Spitze und von SS. Leuten aus dem Hauptlager Auschwitz durchgeführt und bei denen die Häftlinge schlimm geschlagen worden seien, seien insgesamt 50 polnische und tschechische Häftlinge festgenommen, mit Draht gefesselt und mit Lastwagen nach Auschwitz gebracht worden.
Am 6.12.1943 sei von dem Lagerkommando der Zimmerer und Schreiner aus Pfählen und Balken ein Galgen gebaut worden. Am Nachmittag dieses Tages hätten sich alle Lagerinsassen um diesen Galgen versammeln müssen. Mit LKW's seien 26 Häftlinge, die Hände mit Draht am Rücken gefesselt, in das Lager gebracht worden.
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In Anwesenheit des Auschwitzer SS.Hauptsturmführers Schwarz und aller SS. Leute aus dem Lager Jaworzno habe der Lagerführer Pfütze an die Häftlinge eine Rede gehalten. Während dieser Rede seien von einem Teil der zum Tode verurteilten Häftlinge Parolen gerufen worden, worauf der Lagerführer Pfütze den Befehl zum Erhängen gegeben habe.
Die Hinrichtung der Häftlinge sei von Kapos und Blockältesten vollzogen worden. Einer der dazu bestimmten, der deutsche Häftling Karl Mattner habe es abgelehnt, sich an der Hinrichtung zu beteiligen. Da es sich um einen deutschen Häftling gehandelt habe, habe diese Weigerung für ihn außer Ohrfeigen durch SS. Leute keine weiteren Folgen gehabt. Jeder der Häftlinge, die die Hängung durchgeführt hätten, habe zur Belohnung einen Laib Brot, einen halben Kilowürfel Margarine und ein großes Stück Salami erhalten.
Nach Durchführung der Exekution hätten die Häftlinge des Blockes Nr. 8 zwei Stunden in der Hocke bleiben müssen zur Strafe dafür, daß aus der Reihe der zuschauenden Häftlinge Parolen gerufen worden seien.
Dieser Bericht des Zeugen Dr. Novy ist praktisch in allen Einzelheiten durch das übrige Ergebnis der Hauptverhandlung bestätigt worden.
Der Zeuge Karel Bulaty hat ausgesagt, er sei im Herbst 1943 Blockältester in dem Häftlingsblock Nr. 2 gewesen. Ein polnischer Häftling, der im Lager selbst zur Arbeit eingesetzt gewesen sei, habe ihm vorgeschlagen, von diesem Block aus einen Tunnel unter dem Lagerzaun hindurch zu graben und so aus dem Lager zu fliehen. Er selbst habe es abgelehnt, sich an dem Fluchtversuch zu beteiligen. Er habe aber keinen Versuch gemacht, den Bau des Fluchttunnels zu verhindern. Von den an der Vorbereitung des Fluchtversuchs beteiligten Häftlingen sei in der Folgenzeit in mühseliger Arbeit ein Tunnel mit einem Durchmesser von ca. 0,75 m vom Block 2 aus unter der Erde bis unter den Lagerzaun hindurch gegraben worden. Am 18.10.1943 sei der Tunnel soweit fertig gewesen, daß die Flucht in der folgenden Nacht hätte durchgeführt werden sollen.
An diesem Tag sei das ganze Unternehmen von einem Mithäftling an die SS. verraten worden. Sämtliche Häftlinge aus Block 2, auch er selber, seien daraufhin von der SS. verhaftet und im Block 9 vernommen worden. Während dieser Vernehmung sei er so schwer geschlagen worden, daß er bewußtlos geworden sei. Wer ihn selbst geschlagen habe, wisse. er heute nicht mehr.
Hierzu hat der Angeklagte Olejak eingeräumt, ihm sei als Rapportführer von dem Lagerältesten Bruno Brodniewicz das Fluchtvorhaben gemeldet worden und er habe seinerseits befehlsgemäß Meldung an den Lagerführer Pfütze und an die politische Abteilung des Lagers Jaworzno erstattet. Er habe dann selbst den Fluchttunnel untersucht und sich auch an den Vernehmungen beteiligt. Zu diesen Vernehmungen seien auch Leute von der politischen Abteilung des Hauptlagers nach Jaworzno gekommen, die anschließend die festgenommenen Häftlinge mitgenommen hätten.
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Nachdem er zunächst bestritten hatte, sich am Schlagen der verhafteten Häftlinge beteiligt zu haben, hat er dies nach der Aussage des Zeugen Antoni Sicinski eingeräumt. Dieser Zeuge hat ausgesagt, er habe selbst gesehen, daß neben dem Leiter der politischen Abteilung in Jaworzno Witowski auch der Angeklagte Olejak sich am Schlagen der Häftlinge beteiligt habe.
Der Zeuge Sicinski hat weiter bekundet, daß die verhafteten Häftlinge zunächst in das Hauptlager in Auschwitz gebracht worden seien.
Zu der von allen Häftlingen so genannten „Hänge-Aktion" hat die Beweisaufnahme ergeben, das etwa 26 der ursprünglich verhafteten Häftlinge am 6.12.1943 mit LKW nach Jaworzno zurückgebracht wurden.
Die Zeugen Pasikowski und Glapinski haben in der Hauptverhandlung ausgesagt, sie selbst seien an diesem Tag beim Aufbau eines Galgens vor Block 8 eingesetzt worden. Es seien mehrere Pfosten in die Erde gegraben und darüber eine längere Schiene befestigt worden. An dieser Schiene seien dann die Schlingen aufgehängt und unter die Schlingen seien Tische gestellt worden. Der Aufbau dieses Galgens sei von dem Lagerältesten Bruno Bordnewics geleitet worden.
Praktisch alle Häftlinge, die nach ihrer Aussage die Durchführung der Erhängung gesehen haben, haben diese so geschildert, daß sich die in das Lager zurückgebrachten Häftlinge auf die Tische unter den Schlingen stellen mußten und daß ihnen dann die Schlingen um den Hals gelegt wurden. Hinter die Tische, auf denen die Häftlinge standen, mußten sich Funktionshäftlinge aus dem Lager Jaworzno stellen, die dazu ausgesucht worden waren. Nach der Verlesung eines Urteils und einer Rede stießen die an den Tischen stehenden Funktionshäftlinge auf einen Befehl hin die Tische um und führten so das eigentliche Erhängen durch.
Während, wie erwähnt, dieser äußere Geschehensablauf praktisch von allen Zeugen in etwa der gleichen Weise geschildert wurde, haben die Zeugen zu den Einzelfragen, nämlich wer den Häftlingen die Schlingen umgelegt, wer eine Rede gehalten oder das Urteil verlesen hat, wer die Tische umgestoßen hat und was die beiden Angeklagten während der Hänge-Aktion gemacht haben, sehr unterschiedliche Angaben gemacht.
Der Angeklagte Olejak hat sich dazu eingelassen, seine Aufgabe bei der Erhängung sei es lediglich gewesen, das Lager antreten zu lassen. Die eigentliche Hängung sei von Blockältesten, die dazu von dem Lagerführer Pfütze bestimmt worden seien, durchgeführt worden. wieviele Häftlinge damals erhängt worden seien, wisse er nicht mehr.
Der Angeklagte Pansegrau hat sich im Rahmen seiner Einlassung dahin geäußert, es seien nur 5 - 6 Häftlinge erhängt worden. Er selbst habe mit der eigentlichen Hängung nichts zu tun gehabt, er habe lediglich mit den anderen SS. Leuten daran teilnehmen müssen.
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Während zum Beispiel die Zeugen Sicinski, Usielski, Dr. Braun, Kafka, Herstik, Smigielski, Pachlin und Gutmacher ausgesagt haben, das gesamte Erhängen sei von Häftlingen auf Befehl der SS. durchgeführt worden, haben die Zeugen Dinur, Ben David, Ojzerowicz und Pasikowski ausgesagt, der Angeklagte Olejak habe einigen der Häftlinge selbst die Schlinge um den Hals gelegt. Die Zeugen Lerer und Ojzerowicz haben sogar gemeint, der Angeklagte habe selbst Tische, auf denen die Häftlinge mit der Schlinge um den Hals gestanden haben, umgestoßen.
Zur Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Mieczyslaw Baran ausgesagt, dieser sei bei der Hängung sehr aktiv gewesen, er sei zwischen den Leuten herumgelaufen und auch an den Tischen mit den Opfern gewesen. Demgegenüber hat der Zeuge Usielski bekundet, er könne sich noch erinnern, daß er den Angeklagten Pansegrau neben einem Maschinengewehr auf dem Dach einer Baracke gesehen habe.
Diese unterschiedlichen Aussagen über ein Ereignis, das sicherlich auf alle Beteiligten und Zuschauer einen tiefen Eindruck gemacht hat, beweisen, wie schwierig es für einen Menschen ist, sich nach so langer Zeit an die bei bestimmten Vorgängen beteiligten Personen zu erinnern. Was das Datum der Erhängung betrifft, hat der weitaus größte Teil der Zeugen, so zum Beispiel die Zeugen Dr. Heller, Bulaty, Sicinski, Herstik, Smigielski, Glapinski, Mieczyslaw Baran und Korn ausgesagt, diese sei Ende 1943 gewesen. Die Zeugen Bulaty, Sicinski, Glapinski, Smigielski und Pasikowski konnten sich noch an den 6.12.1943 als den genauen Tag erinnern. Auch die beiden Angeklagten haben als Datum dieser Aktion Ende 1943 angegeben.
Demgegenüber haben die Zeugen Usielski, Zewski, Zejer und Kalischmann gemeint, die Erhängung sei Ende 1944 erfolgt. Insbesondere der Zeuge Zejer blieb trotz verschiedener Vorhalte dabei, daß die Hängeaktion am 6.12.1944 stattgefunden habe.
Hierauf wird in anderem Zusammenhang noch näher einzugehen sein.
Daß die Erhängung der Häftlinge tatsächlich Ende 1943 und nicht Ende 1944 war, ergibt sich im Übrigen auch daraus, daß fast alle Zeugen, die im Sommer oder Herbst 1944 nach Jaworzno gekommen sind, von dieser Angelegenheit nur vom Hörensagen und nicht aus eigener Anschauung berichtet haben.
Die von Dr. Novy im Rahmen der Schilderung über die Erhängung der Häftlinge angegebenen Einzelheiten sind ebenfalls durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt worden.
So hat der Zeuge Pasikowski ausgesagt, die zum Tode verurteilten Häftlinge hätten kurz vor ihrer Hinrichtung Freiheitsparolen gerufen. Der Zeuge Pasikowski hat ebenso wie der Zeuge Smigielski auch bestätigt, daß aus dem Hauptlager der Lagerführer Schwarz an der Hinrichtung teilgenommen hat.
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Der Zeuge Sicinski hat im Rahmen seiner Aussago in der Hauptverhandlung erwähnt, daß die polnischen Häftlinge nach der Hinrichtung etwa 3 Stunden in Hocke bleiben mußten und daß die Funktionshäftlinge, die die Hinrichtung vollzogen haben, dafür Brot und Wurst als Belohnung erhalten haben.
Der Zeugs Bulaty schließlich hat bestätigt, daß sich der deutsche Häftlinge Karl Matzner geweigert habe, an der Hinrichtung mitzuwirken.
Soweit Dr. Novy in seinem Bericht schreibt, der Lagerführer Pfütze habe eine Rede an die Häftlinge gehalten, so liegt es nach Meinung der Kammer nahe, daß es bei einem solchen Ereignis tatsächlich Sache und Aufgabe des Lagerführers war, zu den um den Galgen versammelten Häftlingen zu sprechen. Die Kammer ist deshalb überzeugt, daß die Schilderung, die Dr. Novy in seinem Buch unmittelbar nach dem Krieg gegeben hat und die im Übrigen auch mit seiner Aussage aus dem Jahr 1975 vor dem Stadtgericht in Prag übereinstimmt, in vollem Umfang richtig ist.
V.
Die Evakuierung den Lagers Jaworzno (zu B IV):
Über Zeitpunkt, Dauer und Verlauf der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno haben die im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen sehr unterschiedliche Angaben gemacht.
Die Kammer ist der Meinung, daß diese unterschiedlichen Angaben in erster Linie auf den langen Zeitraum zurückzuführen sind der zwischen der Evakuierung und den einzelnen Zeugenaussagen liegt. Die Kammer stützt deshalb ihre allgemeinen Feststellungen über Dauer und Verlauf des Evakuierungsmarsches in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen Dr. Milos Novy und Dr. Paul Heller.
Wie bereits ausgeführt, hat der Zeuge Dr. Milos Novy bereits im Jahre 1949 über seinen Aufenthalt im Lager Jaworzno und die Evakuierung dieses Lagers ein Buch veröffentlicht.
Der Zeuge Dr. Paul Heller, der als Häftlingsarzt und zum Schluß der Lagerzeit als Blockältester im HKB des Lagers Jaworzno war, wurde vom Generalkonsul des Generalkonsulates den Bundesrepublik Deutschland in Chicago am 6. und 7.7.1978 vernommen, da er es aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt hatte, zur Hauptverhandlung zu kommen. Dabei erklärte der Zeuge, er habe aufgrund von Notizzetteln schon im Jahre 1945 einen Bericht über die Evakuierung des Lagers Jaworzno angefertigt, dessen Inhalt seiner damaligen Erinnerung, also der des Jahre 1945, entsprochen habe. Der Zeuge machte diesen Bericht, soweit er den Evakuierungsmarsch vom Lager Jaworzno bis zum Lager Blechhammer betrifft und der ihm insoweit im Rahmen seiner Vernehmung vorgelesen wurde, zum Gegenstand seiner Vernehmung vor dem Generalkonsul.
Sowohl die Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen Dr. Keller als auch der von dem Zeugen im Jahre 1945 angefertigte Bericht wurde mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligter in der Hauptverhandlung verlesen.
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Aus der Aussage des Zeugen Dr. Heller ergibt sich, daß beide Zeugen ihre Erinnerungen unabhängig voneinander zu Papier gebracht haben. Denn Dr. Heller hat ausgesagt, er habe sein für eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift bestimmtes Manuskript allein und ohne die Hilfe von anderen Häftlingen niedergeschrieben und er habe es auch keiner anderen Person zur Verfügung gestellt.
Der Zeuge Dr. Novy hat die Zeit unmittelbar vor der Evakuierung des Lagers Jaworzno und mit Ablauf des Evakuierungsmarsches von Jaworzno nach Blechhammer, der allein Gegenstand des Verfahrens ist, wie folgt beschrieben:
Am Abend des 16. 1. 1945 sei das in der Mitte des Lagers stehende gemauerte Wirtschaftsgebäude von einer Bombe getroffen und schwer beschädigt worden. Von den 20 Häftlingen, die in dem Gebäude geschlafen hätten, seien 9 getötet, 8 schwer und 3 leicht ver1etzt worden. Auch an den Unterkunftsbaracken der Häftlinge seien Schäden entstanden, insbesondere seien viele Fensterscheiben zertrümmert worden.
Trotz der Zerstörungen im Lager, deren Ausmaß man erst am nächsten Morgen gesehen habe, seien die Kommandos der Frühschicht in die Kohlengruben und das Arbeitskommando "Kraftwerk Wilhelm" zur Arbeit aus dem Lager geführt worden. Nach dem Mittagessen seien auch die Kommandos der Mittagsschicht für die Kohlengruben ans dem Lager ausgerückt. Diese seien jedoch schon bald mit den Häftlingen aus der Frühschicht in das Lager zurückgebracht worden. Die Häftlinge der Mittagsschicht seien zwar in die Grube eingefahren, hätten aber nicht mehr mit der Arbeit begonnen Um 16.30 Uhr sei das Kraftwerkkommando in das Lager zurückgebracht worden und dann sei der. übliche Abendappell durchgeführt worden.
Gegen 21.00 Uhr sei ein neuer Appell durchgeführt worden, bei dem die Häftlinge sich vor ihren jeweiligen Blocks hätten aufstellen müssen. Während des Appells sei der Rapportführer des Lagers von Block zu Block gegangen und habe gesagt, daß die Häftlinge auf Anordnung des Lagerkommandanten binnen einer Stunde das Lager verlassen müßten. Weiter sei dabei gesagt worden, daß der Fußmarsch nur bis zum Ort Myslowitz führen würde, von wo die Evakuierung mit dem Zug fortgesetzt werde.
In der folgenden Stunde seien die im Lager vorhandenen Lebensmittel auf die Häftlinge verteilt worden, wobei sehr viel wegen der dabei herrschenden Unordnung. zerstört worden sei.
Gegen 22.30 Uhr sei dann der Abmarsch der Häftlinge aus dem Lager erfolgt, nur etwa gut 400 kranke Häftlinge seien im Krankenbau zurückgeblieben. Die Häftlinge seien in Fünferreihen marschiert, links und rechts von den etwa 250 SS. Leuten bewacht, die in einem Abstand von 5 Meter gelaufen seien.
Noch in der unmittelbaren Nähe des Lagers habe ein junger polnischer Häftling einen Fluchtversuch unternommen, wobei von den in der Nähe laufenden SS. Leuten auf ihn geschossen worden sei.
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Um die 7. Morgenstunde des nächsten Tages seien die Häftlinge nach Myslowitz gekommen, wo allerdings keine Verladung der Häftlinge auf Züge erfolgt sei.
Am 18.1.1945 gegen 15.00 Uhr seien dann die Häftlinge nach Laurahütte gekommen, wo sie in einen großen, von Draht und hohen Mauern umgebenen Fabrikhof getrieben worden seien. Nach einer Rast von kaum einer Stunde sei kurz vor 16.00 Uhr der Weitermarsch erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt hätten bereits mindestens 200 Häftlinge gefehlt, die unterwegs erschossen worden seien, da sie dem scharfen Marschtempo nicht hätten folgen können.
Von Laurahütte aus hätten die Häftlinge bis gegen 3.00 Uhr morgens des nächsten Tages durchmarschieren müssen.
In den Vormittagsstunden des 19.1.1943, eines Freitags, seien die Häftlinge durch Gleiwitz und am Nachmittag gegen 16.00 Uhr durch den Ort Peiskretscham marschiert. Auf einem Berg hinter diesem Ort habe eine riesige Scheune gestanden, in die die Häftlinge gejagt worden seien. In dieser Scheune,
die für die große Zahl der Häftlinge viel zu klein gewesen sei, hätten die Häftlinge bis zum späten Vormittag des nächsten Tages bleiben müssen. In dieser Scheune sei es besonders schlimm gewesen und es sei zwischen Häftlingen auch zu Tötungen gekommen. Insbesondere seien einige Kapos von Mithäftlingen umgebracht worden.
Auf einer großen Wiese in der Nähe des Güterbahnhofes in Peiskretscham seien die Häftlinge am nächsten Tag neu formiert worden. Dabei sei es im Luftraum über den Häftlingen zu einem Luftkampf gekommen. Obwohl sich die Häftlinge sofort mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen hätten, seien viele Häftlinge von herabfallenden Geschoßsplittern getötet oder verletzt worden. Beim Abmarsch seien die verwundeten Häftlinge, die sich nicht mehr hätten bewegen können, von den SS. Leuten erschossen worden. Während der Nacht in der Scheune und an diesem Tag hätten mindestens 100 Häftlinge den Tod gefunden. Für die Leichen dieser Toten seien von Mithäftlingen ein großes Grab geschaufelt worden in das die Leichen geworfen worden seien.
Am Nachmittag dieses Tages sei der Weitermarsch angetreten worden. Die Häftlinge seien zunächst nach Peiskretscham zurückgekehrt und dann auf der Hauptstraße, die in Richtung Breslau geführt habe, weitermarschiert.
Zwischen Peiskretscham und Groß-Strelitz sei gegen 22.00 Uhr die Spitze der Häftlingskolonne auf russische Wachposten gestoßen. Was sich dann abgespielt habe, sei nur schwer zu beschreiben. Die SS. Leute hätten die Häftlinge von der Hauptstraße auf die Felder getrieben und seien mit ihnen in einem großen Bogen nach Peiskretscham zurückgekehrt. Von dort sei die Flucht weitergegangen, und zwar über Feldwege und zum Teil durch einen halben Meter hohen Schnee. Wer von den Häftlingen sich nur etwas verspätet oder einen Augenblick angehalten habe, um sich auszuruhen, sei von den SS. Leuten erschossen worden. Allein in dieser Nacht seien auf diese Weise 2.000 Häftlinge ums Leben gekommen.
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Am nächsten Morgen, am Sonntag, den 21.1.1945 gegen 8.00 Uhr seien nur noch nicht ganz 1.000 Häftlinge lebend in dem Konzentrationslager Blechhammer angekommen. Zu dieser Zeit seien gerade die in diesem Lager inhaftierten Häftlinge abtransportiert worden, ebenfalls zu Fuß.
Sofort nach der Ankunft habe der Lagerführer Pfütze den Häftlingen mitgeteilt, daß er ihnen nur eine Rast von 1 Stunde bewillige.
Der Lagerführer und die übrigen SS. Leute aus Jaworzno seien dann auch tatsächlich kurz nach 9.00 Uhr mit einem Teil der Häftlinge aus Blechhammer aufgebrochen. Mehr als die Hälfte der Häftlinge sei jedoch im Lager Blechhammer zurückgeblieben, darunter auch er selbst.
Die Mehrzahl dieser in Blechhammer zurückgebliebenen Häftlinge sei einige Tag später von Wehrmachtsangehörigen, die in das Konzentrationslager Blechhammer gekommen seien, übernommen und zu Fuß in das Konzentrationslager Groß-Rosen gebracht worden.
Der Zeuge Dr. Paul Heller hat in dem 1945 geschriebenen Bericht den Ablauf der letzten Tage in Jaworzno und den Evakuierungsmarsch wie folgt beschrieben:
In der Nacht zum 17.1.1945 gegen 22.00 Uhr sei die Lagerküche von einer Bombe getroffen worden. Dabei seien 7 polnische Häftlinge getötet und mehrere andere schwer verletzt worden. Er habe die ganze Nacht dann nicht mehr geschlafen, da er die verletzten Häftlinge habe versorgen müssen.
Am Nachmittag dieses Tages seien alle Häftlinge, die in den Kohlengruben gearbeitet hätten, in das Lager zurückgebracht worden.
Gegen Abend habe der Lagerführer Pfütze den Befehl gegeben, das ganze Lager mit Ausnahme der 400 kranken Häftlinge habe mit Decken und den zuvor an die Häftlinge ausgeteilten. Proviant anzutreten. Er selbst habe zunächst geplant, bei den kranken Häftlingen im Krankenbau zurückzubleiben. Auf ausdrücklichen Befehl des Lagerführers Pfütze sei er jedoch dann doch mit aus dem Lager gegangen.
Abends gegen 23.00 Uhr hätten ca. 3.200 Häftlinge, bewacht von 300 SS.Leuten, deren Gepäcks von Häftlingen habe geschleppt werden müssen, das Lager Jaworzno in Richtung Kattowitz verlassen.
Gegen 2.00 Uhr in dieser Nacht seien die ersten Schüsse gefallen. Am nächsten Morgen sei die Häftlingskolonne, um 80 Häftlinge dezimiert, in Laurahütte angekommen. Dort seien die Häftlinge in den Fabrikhof des Eisenwerkes und Konzentrationslagers Laurahütte bei einer Temperatur von minus 15 Grad Celsius gepfercht worden. Nach 8 Stunden, in der 70 Häftlinge ums Leben gekommen seien, sei der Befehl zum Weitermarschieren gekommen.
Einzelne Gruppen von Häftlingen seien zum Ziehen der Wagen, zum Tragen der Rucksäcke und zum Schieben von Fahrrädern kommandiert worden.
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In der folgenden Nacht sei in Beuthen im Freien eine Pause von nur einer Stunde eingelegt worden.
Am späten Vormittag dieses Tages habe er nicht mehr weiterlaufen können und sei von Kameraden auf einen Wagen geladen und so weiter transportiert worden.
Die folgende Nacht hätten die Häftlinge in einem Lagerhaus für landwirtschaftliche Maschinen in der Nähe von Peiskretscham verbracht, wo er selbst 12 Stunden geschlafen habe.
Während dieser Nacht seien viele Häftlinge von anderen Mithäftlingen umgebracht worden. Am Morgen seien 120 Tote und über 100 zum Teil schwerverletzte Häftlinge gezählt worden. Letztere, darunter 2 Ärzte aus dem Krankenbau des Lagers Jaworzno, seien von den SS. Leuten erschossen worden.
Vor der Scheune sei eine Wassersuppe gekocht und an die Häftlinge ausgeteilt worden. Mitten in der Essensausgabe habe es Fliegeralarm gegeben und die Häftlinge seien Zeugen eines Luftkampfes geworden, wobei 5 Häftlinge durch die Bordwaffen der Flugzeuge zu Tode gekommen seien. Alle toten Häftlinge seien von Mithäftlingen begraben worden.
Am Nachmittag dieses Tages sei der Weitermarsch auf der Hauptstraße erfolgt. Nach einiger Zeit habe die Kolonne angehalten und sie hätten erfahren, daß ein Weitermarsch wegen russischer Panzertruppen nicht mehr erfolgen könne. Nach einer Stunde Wartezeit habe der Transportführer erfahren, daß die Gegend südlich des vorgesehenen Weges noch frei von russischen Verbänden sei. Deshalb sei der Marsch dann über Felder und durch hohen Schnee in Richtung Süden fortgesetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Kolonne noch etwa aus 2.500 Häftlingen und 300 SS.Leuten bestanden. In dieser Nacht seien die Häftlinge von den SS. Leuten im Laufschritt weitergetrieben worden. Wer gefallen sei, sei erschossen worden.
Am 21.1.1945 sei das Lager Blechhammer erreicht worden. Dort sei eine Zählung der Häftlinge vorgenommen worden. Diese habe ergeben, daß etwa 1.000 Häftlinge aus dem Lager Jaworzno das Lager Blechhammer nicht erreicht hätten. Bei Ankunft der Häftlinge aus Jaworzno seien gerade die im Lager Blechhammer inhaftierten Häftlinge evakuiert worden. Nach einer kurzen Pause seien die SS. Leute mit wenigen der aus dem Lager Jaworzno gekommenen Häftlinge weitermarschiert. Er selbst sei in Blechhammer zurückgeblieben und später von anderen SS. Leuten in Richtung Westen geführt worden.
Ergänzend dazu hat Dr. Heller im Rahmen seiner Vernehmung noch ausgesagt, er sei sich sicher, daß er den Lagerführer Pfütze während des Evakuierungsmarsches hoch zu Pferd gesehen habe. Die bei der Evakuierung mitgeführten Wagen seien von Häftlingen gezogen und geschoben worden. Ihm sei damals schon besonders aufgefallen, daß dafür keine Zugpferde vorhanden gewesen seien.
Er habe mit eigenen Augen gesehen, daß seitlich der Kolonne Häftlinge erschossen worden seien. Er habe aber auch gesehen, daß von SS.Leuten in die Luft geschossen worden sei.
Nicht gesehen habe er, daß in die marschierende Häftlingskolonne hineingeschossen worden sei.
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Da beide Zeugen ihre Berichte unmittelbar nach dem Kriege und, wie erwähnt, unabhängig voneinander niedergeschrieben haben, und sie in ihrem wesentlichen Inhalt übereinstimmen, ist die Kammer davon überzeugt, daß der Evakuierungsmarsch so abgelaufen ist, wie ihn Dr. Novy und Dr. Heller unabhängig voneinander geschildert haben. Im Übrigen hat eine Vielzahl von anderen Zeugen den Ablauf des Evakuierungsmarsches in gleicher oder ähnlicher Weise geschildert. Was den Zeitpunkt der Ankunft in Laurahütte und die Dauer dar Pausen betrifft, so hat die Hauptverhandlung keine endgültige Klärung darüber gebracht, ob die Version von Dr. Heller oder die von Dr. Novy richtig ist.
Die Mehrzahl der vernommenen Zeugen hat, im Gegensatz zu der Einlassung des Angeklagten Pansegrau, bestätigt, daß der Abmarsch der Häftlinge aus dem Lager Jaworzno während der Nacht zum 18.1.1945 erfolgte und nicht am Morgen dieses oder des nächsten Tages. In dieser Weise haben unter anderem die Zeugen Mosche Jachimowicz, Krawicki, Schwarz, Charlupski, Ojzerowicz, Ben David, Grol, Sicinski, Pruszanowski und Orenbach ausgesagt.
Allerdings haben auch mehrere Zeugen bekundet, ihrer Erinnerung nach sei der Abmarsch am Morgen oder während des Tages erfolgt, wie dies von dem Angeklagten Pansegrau behauptet worden ist.
So hat der Zeuge Josef Weis, nach dem Lagerführer Pfütze der ranghöchste SS. Mann in Jaworzno, ausgesagt, der Abmarsch sei am Tag erfolgt. Der Zeuge Desch, Mitglied der Wachmannschaft des Lagers Jaworzno, hat gemeint, es sei am Nachmittag und hell gewesen.
Die Zeugen Tokarski, Zewski, Hirschkorn und Chensky schließlich haben ausgesagt, der Abmarsch sei am Morgen erfolgt. In diesem Sinne hat sich auch die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau bei ihrer Aussage als Zeugin in der Hauptverhandlung geäußert.
Insbesondere aufgrund der Berichte der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ist die Kammer jedoch der Überzeugung, daß die Häftlingskolonne das Lager Jaworzno am 17.1.1945 zwischen 22.30 Uhr und 23.00 Uhr verlassen hat.
Wann die Häftlingskolonne das Lager Laurahütte erreicht hat und wie lange die Pause in diesem Lager gedauert hat, konnte, wie erwähnt, nicht eindeutig geklärt werden.
Zwar haben die Zeugen Sicinski und Schwarz ausgesagt, daß bereits am ersten Marschtag eine größere Pause eingelegt worden sei.
Der Zeuge Sicinski hat bekundet, den Häftlingen sei an diesen Tag im Lager Laurahütte eine Pause von ca. 8 Stunden bewilligt worden. Der Abmarsch aus diesem Lager sei am Abend erfolgt.
Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, am Morgen des ersten Tages sei in Myslowitz eine längere Rast eingelegt worden und der Weitermarsch sei gegen 13.00 Uhr oder 14.00 Uhr erfolgt.
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Die Mehrzahl der übrigen Zeugen hat sich, mit Ausnahme der Rastpause in der Scheune, an einen längeren Aufenthalt an einem Ort nicht erinnert. Aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller geht die Kammer jedoch davon aus, daß der Weitermarsch am Nachmittag dieses Tages gegen 16.00 Uhr erfolgt ist.
Dieser Zeitpunkt, der von Dr. Novy direkt genannt worden ist, ergibt sich in etwa auch aus dem Bericht von Dr. Heller, der von der Ankunft am Morgen und einem Aufenthalt von 8 Stunden spricht.
Daß es während der zweiten Nacht in den Straßen von Beuthen eine Pause gegeben hat, haben die Zeugen Schwarz, Orenbach, Zejer und Weis bestätigt.
Der Zeuge Schwarz hat hierzu ausgesagt, es sei bereits dunkel gewesen, als die Häftlingskolonne in Beuthen angekommen sei. Es sei in den Straßen dieser Stadt eine Pause gemacht worden. SS. Leute, darunter Lausmann und wahrscheinlich auch der mit dem Spitznamen Lapka hätten gesagt, wer von den Häftlingen nicht mehr laufen könne, solle heraus gehen. Zusammen mit etwa 50 anderen Häftlingen habe er dies getan. Sie seien dann von der Häftlingskolonne abgesondert und in ein Zivillager gebracht worden. Dort habe Lausmann einen Teil der Häftlinge erschossen. Mit den Häftlingen aus Jaworzno sei er und die anderen Häftlingen nicht mehr zusammengekommen.
Der Zeuge Orenbach, dessen Aussage vor dem israelischen Richter in Tel Aviv in der Hauptverhandlung verlesen wurde, hat ausgesagt, bei einer Rast in Beuthen sei gesagt worden, daß die Häftlinge, die zu schwach zum Weitergehen seien, sich etwas abseits aufstellen sollten. Sie würden dann mit der Bahn weitertransportiert werden. Auf diesen Aufruf hin hätten sich ca. 500 Häftlinge gemeldet. Diese seien beim Weitermarsch dann zurückgeblieben. Weitere 10 Häftlinge, darunter auch er selbst, seien ebenfalls nicht weitermarschiert. Sie seien dazu bestimmt worden, die Leichen von 5 Häftlingen, die bei der Rast erschossen worden seien, wegzubringen.
Der Zeuge Raimund Zejer, auf dessen Aussage schon mehrmals hingewiesen worden ist, hat ausgesagt, bei einer Pause in Beuthen seien 210 kranke Häftlinge aus dar Kolonne ausgesondert worden. Dabei sei auch der SS. Mann Lausmann beteiligt gewesen.
Der Zeuge Weis, selbst ein SS.Mann in Jaworzno, schließlich hat bekundet, er sei mit der Häftlingskolonne bis Beuthen mitgegangen, das nachts erreicht worden sei. Dort seien ihm und einigen anderen SS. Leuten 20 erschöpfte Häftlinge übergeben worden mit dem Befehl, diese bei einer Polizeiwache abzuliefern. Dies habe er auch getan, zu der Häftlingskolonne aus Jaworzno sei er nicht mehr zurückgekehrt.
An die Übernachtung in einer Scheune bei Peiskretscham haben sich praktisch alle Zeugen, die bei dem Evakuierungsmarsch zu diesem Zeitpunkt noch dabei waren, erinnert. Ebenso daran, daß die Scheune total mit Häftlingen überfüllt war und es schon deswegen für alle Häftlinge eine schlimme Nacht gewesen ist. Daß es zu Auseinandersetzungen zwischen Häftlingen gekommen ist, haben ebenfalls zahlreiche Zeugen glaubhaft bekundet. So hat zum Beispiel der Zeuge Lerer ausgesagt, er habe selbst in dieser Nacht einen Messerstich abbekommen.
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Auch die von Dr. Novy und Dr. Heller übereinstimmend geschilderten Vorgänge am nächsten Morgen mit einem Luftkampf über der Häftlingskolonne, mit der Ausgabe von Suppe an die Häftlinge und dem Begraben von Häftlingen in einer Grube haben zahlreiche andere Zeugen glaubhaft bestätigt.
So hat der bereits mehrfach erwähnte Zeuge Antoni Sicinski ausgesagt, nach der Übernachtung in der Scheune bei Peiskretscham habe es über den Häftlingen einen Luftkampf zwischen feindlichen Flugzeugen gegeben und an die Häftlinge sei eine Suppe ausgegeben worden. Der Abmarsch aus Peiskretscham sei gegen 16.00 Uhr erfolgt. Die Ausgabe einer Suppe haben unter anderem auch die Zeugen Bulaty, Grol, Kafka, Friedmann, Charlupski, Fried und Lopaczewski bestätigt.
Schließlich haben zahlreiche Zeugen auch die übereinstimmenden Angaben von Dr. Heller und Dr. Novy über das Abweichen vom ursprünglichen, Marschweg in der letzten Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer und die von beiden geschilderte Tatsache bestätigt, daß diese Nacht für die Häftlinge besonders schlimm gewesen sei. Hierzu sei in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen Dr. Braun und Herstik verwiesen.
Der Zeuge Maselli, der selbst als SS.Mann im Lager Blechhammer stationiert war, hat ausgesagt, die Häftlinge des Lagers Blechhammer seien an dem Morgen evakuiert worden, an dem die Häftlingskolonne aus Jaworzno das Lager Blechhammer erreicht habe. Er könne sich noch daran erinnern, daß er den Lagerführer des Lagers Jaworzno hoch zu Roß gesehen habe.
Soweit Dr. Heller und Dr. Novy übereinstimmend berichten, daß die SS.Leute mit einem kleinen Teil der Häftlinge des Lagers Jaworzno nach nur einer kurzen Pause weitermarschiert seien, ist dies ebenfalls durch die übrige Beweisaufnahme bestätigt worden. Ebenso die Tatsache, daß ein Teil der im Lager Blechhammer zurückgebliebenen Häftlinge einige Tage später von Wehrmachtsangehörigen zu Fuß aus dem Lager Blechhammer weggebracht wurde.
So haben die Zeugen Neuhaus, Zewski, Hirschkorn und Pachlin ausgesagt, sie hätten mit den SS. Leuten aus Jaworzno nach einer nur kurzen Pause das Lager Blechhammer wieder verlassen und seien in Richtung Westen weitermarschiert.
Die Zeugen Rosenkranz, Diamond, Glazer, Gage, Korn, Poller, Kalischmann, Gutmacher, Natal und Swift haben ausgesagt, sie seien zunächst einige Tage im Lager Blechhammer geblieben und dann von Angehörigen der Wehrmacht übernommen worden.
Im Übrigen hat die Hauptverhandlung ergeben, daß es einem Teil der Häftlinge aus Jaworzno gelungen ist, sich auch diesem 2. Transport aus dem Lager Blechhammer zu entziehen. So haben die Zeugen Weltfreid, Dinur, Krawicki, Ben David, Gerschon und Meir Sommer bekundet, sie seien aus dem Lager Blechhammer geflohen. Die Zeugen Charlupski und Kestenbaum haben ausgesagt, sie seien in Blechhammer geblieben und dort von russischen Truppen befreit worden.
Aschaffenburg (Auschwitz Prozess) Teil 5