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Die Feststellungen der Kammer über die Temperaturen und Wetterverhältnisse während des Evakuierungsmarsches, beruhen außer den Aussagen fast aller Zeugen, die an dem Evakuierungsmarsch teilgenommen haben, auf einem in der Hauptverhandlung mit Zustimmung aller Prozeßbeteiligten verlesenen Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes Zentralamt Offenbach vom 18.11.1977.
Dieses Gutachten, das für ein anderes Verfahren erstattet wurde, betrifft die Wetterverhältnisse in Schlesien und im Nordteil der Tschechoslowakei, insbesondere in den Orten Golleschau, Seibersdorf Oderberg und Loslau in der Zeit vom 18. bis 21.1.1945.
Diese Orte wurden zwar von dem Evakuierungsmarsch des Lagers Jaworzno nicht direkt berührt, sie liegen jedoch von der Evakuierungsstrecke nicht allzuweit entfernt. Im Übrigen enthält das Gutachten auch Angaben über die Witterungsverhältnisse im gesamten schlesischen Gebiet und zum Beispiel auch in der Stadt Gleiwitz, die, wie angeführt, von der Evakuierungskolonne aus Jaworzno berührt wurde.
Nach diesem Gutachten haben in der Zeit vom 17.1. bis 22.1. 1945 in dem gesamten Raum winterliche Verhältnisse mit Frost und Schnee bestanden ohne daß es zu nennenswerten neuen Niederschlägen gekommen ist. In Gleiwitz zum Beispiel, das von den Häftlingen am 19.1.1945 erreicht wurde, wurden an diesem Tage Temperaturen bis zu minus 8 Grad Celsius gemessen.
Diese Angaben im Gutachten stimmen auch, wie erwähnt, mit dem übrigen Ergebnis der Beweisaufnahme überein. So haben praktisch alle Zeugen, die am Evakuierungsmarsch teilgenommen haben, ausgesagt, es sei sehr kalt gewesen. Der Zeuge Dr. Heller spricht in seinen Bericht aus dem Jahre 1945 von einer Temperatur von minus 5 Grad Celsius während des Aufenthaltes im Lager Laurahütte und auch davon, daß die Häftlinge beim Marschieren durch den bereits liegenden Schnee stark behindert worden seien.
Die Feststellungen der Kammer über die Mondphasen während des Evakuierungsmarsches beruhen auf einer ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesenen Mitteilung des astronomischen Instituts der Johann – Wolfgang – Goethe - Universität in Frankfurt vom 20.3.1979. Danach lagen die Mondphasen in dem fraglichen Zeitraum des Januar 1945 so, daß am 17.1.1945 Neumond war, der Mond am 20.1.1945 das erster Viertel erreicht hatte und am 28.1.1945 Vollmond herrschte.
Die Feststellungen der Kammer, daß auf dem Weg zwischen Jaworzno und Blechhammer zahlreiche Häftlinge von den begleitenden SS. Mannschaften erschossen wurden, beruhen auf praktisch allen Aussagen der Häftlingszeugen, die diesen Evakuierungsmarsch mitgemacht haben. Allerdings sind in den Zeugenaussagen zu der Frage, wann mit den Häftlingserschießungen begonnen wurde, unter welchen Umständen auf Häftlinge geschossen wurde und wie viele insgesamt erschossen wurden, erhebliche Unterschiede festzustellen.
Dabei liegt es nahe und ist durch Zeugenaussagen auch bewiesen worden, daß besonders solche Häftlinge getötet wurden, die das Marschtempo nicht mehr mithalten konnten und deshalb ans Ende der Marschkolonne zurückgefallen sind.
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Unter diesen Umständen ist es auch verständlich, daß die noch kräftigen Häftlinge, die die ganze Zeit über an der Spitze der Kolonne marschiert sind, selbst keine oder nur wenige Erschießungen gesehen haben. So hat zum Beispiel der Zeuge Zewski ausgesagt, er sei immer an der Spitze der Häftlingskolonne marschiert und habe selbst keinen Fall einer Häftlingserschießung gesehen, er habe allerdings von solchen Erschießungen gehört. In gleicher Weise haben sich die Zeugen Bulaty und Sicinski in der Hauptverhandlung geäußert.
Die Mehrzahl der übrigen Zeugen hat jedoch in Übereinstimmung mit dem Bericht und den Aussagen der Zeugen Dr. Novy und Dr. Heller ausgesagt, besonders am Ende der Häftlingskolonne und hier wiederum besonders in der letzten Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer seien viele Häftlinge erschossen worden. Auf die einzelnen Aussagen wird im Rahmen der Beweiswürdigung zu den beiden Angeklagten zur Last liegenden Einzelfälle näher eingegangen werden.
Die genaue Zahl der auf dem Weg zwischen Jaworzno und Blechhammer getöteten Häftlinge konnte nicht festgestellt werden. Die Kammer geht Jedoch davon aus, daß es mindestens mehrere Hundert waren. Es liegt auf der Hand, daß es für keinen Zeugen möglich war, während den Evakuierungsmarsches hierzu selbst genaue Festste11ungen zu treffen. Denn jeder Häftling konnte nur den Teil der Kolonne in seiner unmittelbaren Nähe beobachten. Desweiteren wurden die Beobachtungen dadurch erschwert, daß große Strecken des Weges nachts zurückgelegt wurden.
Dr. Novy hat zu dieser Frage in seiner Aussage vor dem Stadtgericht in Prag bekundet, von den 4.000 bis 5.000 Häftlingen, die Jaworzno verlassen hätten, seien nur noch etwa 1.000 in Blechhammer angekommen.
In seinem Buch hat er davon gesprochen, daß allein in der letzten Nacht vor Erreichen den Lagers Blechhammer 2.000 Häftlinge ums Leben gekommen seien und insgesamt nur 1.000 Häftlinge das Lager Blechhammer erreicht hätten.
Der Zeuge Dr. Heller hat in seinem erwähnten Bericht aus dem Jahre 1945 ausgeführt, in Jaworzno seien 3.200 Häftlinge abmarschiert. Bei der Ankunft im Lager Blechhammer sei von den SS. Leuten eine Zählung der Häftlinge vorgenommen worden. Diese habe ergeben, daß zu diesem Zeitpunkt an die 1.000 Häftlinge gefehlt hätten.
Der Zeuge Grol hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, er habe in Blechhammer anläßlich einer Zählung gehört, es seien 1.700 Häftlinge nach Blechhammer gekommen.
Allein diese Differenzen in den Berichten der beiden im Übrigen gut informierten Zeugen Dr. Heller und Dr. Novy aus der unmittelbaren Nachkriegszeit beweisen die Schwierigkeit, Feststellungen darüber zu treffen, wieviele Häftlinge Blechhammer erreicht haben.
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Dazu kommt, daß, wie bereits ausgeführt wurde, in Beuthen eine Anzahl von Häftlinge abgesondert wurde, deren Zahl ebenfalls nicht genau festgestellt werden konnte, da die betreffenden Zeugen hierzu unterschiedliche Angaben gemacht haben.
Die Hauptverhandlung hat auch ergeben, daß .eine nicht mehr genau feststellbare Zahl von Häftlingen, darunter zum Beispiel der Zeuge Mieczyslaw Baran, auf dem Weg nach Blechhammer die Flucht gelungen ist.
Es kann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme auch nicht sicher davon ausgegangen werden, daß alle Häftlinge auf die bei dem Evakuierungsmarsch nach Blechhammer geschossen worden ist, verstorben sind. So hat der Zeuge Hofmann glaubhaft bekundet, auf ihn selbst habe, als er schon am Boden gelegen habe, ein SS. Mann aus nur wenigen Metern Entfernung geschossen. Er sei aber nur an der Hand getroffen worden und habe dadurch mehrere Finger verloren.
In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Zeugen Grol zu erwähnen. Dieser hat ausgesagt, er habe den ihm damals schon bekannten Zeugen Hofmann im Schnee liegen sehen und sei sicher gewesen, daß dieser tot gewesen sei. Er sei deshalb sehr überrascht gewesen, als er Hofmann eines Tages in Tel Aviv wieder getroffen habe.
Bei Abwägung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Kammer jedoch der Überzeugung, daß auf dem Evakuierungsmarsch mehrere Hundert Häftlinge von der Begleitmannschaft erschossen worden sind.
Hinsichtlich der etwa 4oo Häftlinge, die aus Krankheitsgründen im Krankenbau des Lagers Jaworzno zurückgeblieben sind, hat die Beweisaufnahme ergeben, daß von ihnen niemand mehr getötet worden ist. Dies haben die Zeugen Chaim Schuler, Abraham Kowalski, Moritz Salz und Ahron Schwarzbart glaubhaft bekundet, die selbst unter diesen Häftlingen waren.
Ob der Evakuierungsmarsch so durchgeführt wurde, wie er ursprünglich geplant war, und welche Befehle im einzelnen an den Lagerführer und von diesem an die SS. Leute zu der Behandlung insbesondere der Häftlinge, die das Marschtempo nicht mehr mithalten konnten, ausgegeben wurden, konnte nicht geklärt werden. Sichere Aussage dazu hätten nur Angehörige der SS. Lagermannschaft machen können.
Der Zeuge Weis, der, wie erwähnt, nach dem Lagerführer der ranghöchste SS. Mann in Jaworzno war, hat dazu ausgesagt, der Lagerführer Pfütze habe vor Beginn des Evakuierungsmarsches zu den angetretenen SS. Leuten gesagt, daß unterwegs kein Häftling erschossen werden dürfe. Die Kammer hat angesichts des tatsächlichen Verlaufes des Evakuierungsmarsches und des Verhaltens der SS. Begleitmannschaft allerdings erhebliche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieses Teils der Aussage den Zeugen Weis.
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D)
Beweiswürdigung zum Aufenthalt des Angeklagten Olejak im Konzentrationslager Blechhammer (zu B VI):
Die Kammer sieht aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung die Einlassung des Angeklagten Olejak über die Dauer seines Einsatzes im Konzentrationslager Blechhammer am erwiesen an.
Der Angeklagte hat sich, wie bereits ausgeführt, von Anfang an dahingehend eingelassen, er sei etwa im Frühjahr 1944 bis zum Zeitraum zwischen dem 10. und 15.11 1944 als Rapportführer im Lager Blechhammer gewesen. Er sei zusammen mit dem damaligen Chef der Wachkompanie des Lagers Jaworzno, dem Obersturmführer Brossmann nach Blechhammer versetzt worden und habe dort, wie im Lager Jaworzno1 die Funktion eines Rapportführers ausgeübt. Brossmann sei Lagerführer in Blechhammer geworden. Brossmann sei am gleichen Tag wie er wieder aus Blechhammer weggekommen, und zwar in das Hauptlager nach Monowitz wo er die Führung des Wachbataillons übernommen habe. Er selbst sei in Blechhammer von einem Oberscharführer und Brossmann von einem Obersturmführer abgelöst worden, an deren Namen er sich nicht mehr erinnere.
I
Daß der Angeklagte Olejak im Frühjahr 1944 von Jaworzno nach Blechhammer versetzt worden ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen, da auch die Staatsanwaltschaft die Einlassung des Angeklagten Olejak in diesem Punkt für glaubhaft hält.
Im Übrigen sprechen die Aussagen der Zeugen Karl Maselli und Peter Quirrin für die Richtigkeit dieses Teils der Einlassung des Angeklagten Olejak.
Der Zeuge Karl Maselli hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei als Kommandoführer im Februar 1944 in das Lager Blechhammer versetzt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte Olejak schon in Blechhammer gewesen und das Lager Blechhammer, das zuvor von der Polizei verwaltet worden sei, sei schon von der SS. übernommen gewesen. Lagerführer sei bei seiner Ankunft ein SS. Mann namens Brossmann gewesen. Bezüglich des Datums seiner eigenen Ankunft in Blechhammer mit Februar 1944 irre er sich nicht, es sei noch sehr kalt gewesen.
Der Zeuge Peter Quirin wurde durch beauftragte Richter der Kammer vernommen, da er unter Vorlage eines ärztlichen Attestes der Ladung zur Hauptverhandlung keine Folge geleistet hatte. Die Niederschrift über diese Vernehmung wurde in der Hauptverhandlung verlesen.
Der Zeuge Quirin hat zunächst ausgesagt, er sei als Sanitätsdienstgrad im Oktober/November 1943 in das Lager Blechhammer versetzt worden. Lagerführer sei bei seiner Ankunft ein Hauptsturmführer Großmann oder so ähnlich gewesen. Der Angeklagte Olejak sei ebenfalls schon im Lager gewesen.
100
Nach einer längeren Pause in der Vernehmung und nach Vorhalt seiner früheren Vernehmung als Zeuge erklärte der Zeuge Quirin dann, er erinnere sich jetzt, daß er erst im April 1944 nach Blechhammer gekommen sei und dort bis November 1944 geblieben sei. Er bleibe aber dabei, daß Olejak bei seiner Ankunft in Blechhammer schon dort gewesen sei.
Der Inhalt dieser Aussagen der beiden Zeugen, auf die in anderem Zusammenhang noch näher einzugeben sein wird, sprechen für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten Olejak.
II.
Für die Monate Mai bis August 1944 sind zahlreiche in der Hauptverhandlung verlesene Dokumente vorhanden, aus denen sich ergibt, daß in diesem Zeitraum das Arbeitslager Blechhammer der Dienstort des Angeklagten Olejak war. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Unterlagen, wobei sich die Angaben der Seiten jeweils auf den Sonderband Dokumente I beziehen:
1. Auf Seite 140 befindet sich ein Maschinengeschriebener Text, der die Vorführung eines Häftlings aus dem Lager Blechhammer vor dem Feldgericht Breslau am 31.5.1944 betrifft. Unter dem maschinengeschriebenen Text befindet sich der handschriftliche. Vermerk:
Durchgegeben
27.5.1944 11.45 Uhr
Empfangen: SS. Uscha. Olejak
2. Auf Seite 64 befindet sich eine Fotokopie eines an den Reichsführer-SS. Rasse- und Siedlungshauptamt gerichteten Antrages um Übersendung der Vordrucke zu einem Verlobungs- und Heiratsgesuch des Angeklagten Olejak vom 27.6.1944. Als Wohnort ist "Arbeitslager Blechhammer (Bahnhoflager)" angegeben.
3. Auf Seite 127 befindet sich eine Fotokopie des gleichen Antragsformulares für den SS. Mann Felix Witowski, das vom 28. Juli 1944 datiert ist.
Unter der Rubrik "Name und genaue Postanschrift für zwei Bürgen für die zukünftige Ehefrau" ist folgender Eintrag enthalten:
"SS. UScha. Hans Olejak, SS-Kdo. Blechhammer b.
Heydebreck 0/S."
4. Auf Seite 88 befindet sich Fotokopie eins Verlobungs- und Heiratsgesuchs vom 2.8.1944, das unter der Überschrift „Absender“ folgende Eintragung enthält:
Hans Olejak Blechhammer, den 2. August 1944
(Vor- und Zuname) (Wohnort) (Datum)
Arbeitslager/Bahnhofslager
(Straße und Hausnummer)
101
5. Auf Seite 93 befindet sich eine Fotokopie eines von dem Angeklagten Hans Olejak unterschriebenen Schreibens mit der Unterschrift "Vermögens- und Schuldenstand", in dem neben der Unterschrift sich der Vermerk befindet:
"Blechhammer, den 2. August 1944".
6. Auf Seiten 100 - 103 befindet sich ein ärztlicher Untersuchungsbogen für den Angeklagten Olejak vom 2.8.1944. Bei den Personalien des Angeklagten Olejak ist als Wohnort Blechhammer, als Straße und Hausnummer Arbeitslager angegeben.
7. Auf Seiten 109 - 112 befindet sich Fotokopie eines ärztlichen Untersuchungsbogens für die spätere Ehefrau des Angeklagten Else Kaesmarker, Unter der Überschrift "1. Aussagegenehmigung“; befindet sich eine Unterschrift der Frau Kaesmarker, über der als Datum der 5.8.1944 angegeben ist.
Im Rahmen der Angaben der Personalien der Frau Else Kaesmarker befindet sich neben dem Vermerk „Dienstgrad und SS. Nr. des zukünftigen Ehemanns" die handschriftliche Eintragung:
„Hans Olejak, z.Zt., Arbeitslager Blechhammer“
8. Auf Seiten 131 'und 132 befindet sich ein Fragebogen, der die zukünftige Ehefrau des SS.Mannes Felix Witowski, Martha Lewko betrifft. Dieser Fragebogen ist von dem Angeklagten Hans Olejak unterschrieben, wobei sich über der Unterschrift folgende Eintragung befindet:
"Blechhammer 12. August 1944"
(Wohnort) (Datum)
9. Auf Seite 57 befindet sich ein von dem Angeklagten Olejak unterschriebener handschriftlicher Lebenslauf, der mit dem Satz endet:
Jetzt bin ich Kommandanturangehöriger vom K.L. Auschwitz III und versehe meinen Dienst im Arbeitslager Blechhammer".
Dieser Lebenslauf enthält keine Datumsangabe. Es ist jedoch davon auszugehen, daß dieser Lebenslauf zu einem „R.u.S.-Fragebogen" für den Angeklagten Olejak gehört, von dem sich eine Fotokopie auf Seite 56 befindet.
Dieser Fragebogen enthält bei der Angabe der Personalien des Angeklagten unter anderen folgenden Eintragungen:
Jetziger Wohnsitz: Blechhammer
Wohnung: Arbeitslager/Bahnhofslager“
Der Fragebogen enthält ebenfalls keine Angaben, wann er ausgefüllt worden ist. Auf ihm befindet sich jedoch ein Eingangsstempel des Rasse- und Siedlungs-Hauptamtes SS. vom 16.8.1944.
102
III
Die Richtigkeit der Angabe des Angeklagten Olejak, der Obersturmführer Brossmann sei nach seiner Versetzung aus Jaworzno Lagerführer im Lager Blechhammer geworden, ergibt sich auch aus den Aussagen der Zeugen Maselli und Quirin auch aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen und bereits zitierten Kommandantursonderbefehl der Kommandantur K.L. Auschwitz III in Monowitz vom 22.5.1944. Darin heißt es unter anderem:
Kommandantursonderbefehl
Gemäß Verfügung des Wirtschaftsverwaltunghauptamtes Amtsgruppe D werden die der Kommandantur K.L. Auschwitz III unterstellten Wachmannschaften mit Wirkung vom 1.5.1944 im
SS. Totenkopfsturmbann K.L. Auschwitz III zusammengefaßt und in folgenden Kompanien aufgeteilt:
5.)7. Kompanie: Blechhammer
Als Kompanieführer und Stabsscharführer werden eingesetzt:
7. Kompanie: SS. Hauptsturmführer Brossmann - Kompanieführer
SS. Oscha Klingberg - Stabsscharführer
Die Einsetzung des SS. Hauptsturmführers Brossmann und des SS. Hauptsturmführers Pfütze als Lagerführer bleibt bestehen.
IV.
Ihre Feststellungen über die Dauer der Tätigkeit des Angeklagten Olejak in Blechhammer stützt die Kammer in erster Linie auf den Inhalt des bereits erwähnten und in der Hauptverhandlung verlesenen Kommandanturbefehls Nr. 11/44 vom 11.11.1944 der Kommandantur des K.L.Auschwitz III und die Aussagen der Zeugen Czapla, Maselli und Quirin.
Eine Fotokopie der ersten beiden seiten des erwähnten Befehls befinden sich in Band 5 Seite 1101, 1102 der Ermittlungsakten über das Lager Blechhammer, die von der Kammer nach Beginn der Hauptverhandlung von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltung in Ludwigsburg und später auch von der Staatsanwaltschaft Würzburg angefordert wurden.
103
Ziffer 2) und 3) dieses Befehles haben folgenden Wortlaut:
Ziffer 2)
"Führung des SS-T-Wachbataillon K.L.Auschwitz III.
Lt. Verfg. des SS-WVH, Amtsgruppe D, wurde der bisherige
Führer den SS-T-Wachbataillons K.L. Auschwitz ITT,
SS. Obersturmführer d.R. Josef Kollmer
zum SS.-FHA versetzt.
Mit Wirkung vom 10.11.1944 habe ich den
SS-Hauptsturmführer Otto Brossmann
mit der Führung des Wachbataillons beauftragt.
Ziffer 3)
Führung des A.L. Blechhammer und der 7. Komp. K.L. Auschwitz III.
Mit Wirkung vom 9.11.44 hat
SS-Untersturmführer d.R. Kurt Klipp
die Führung des Arbeitslagers Blechhammer und der 7. Komp.
K.L. Au III übernommen.
Nach dem Inhalt dieses Befehls ist davon auszugehen, daß Brossmann am 9.11.1944 als Lagerführer den Lagers Blechhammer abgelöst wurde.
Aufgrund der Aussagen der genannten Zeugen Czapla, Maselli und Quirin geht die Kammer auch unter Berücksichtigung des gesamten anderen Ergebnisses der Beweisaufnahme davon aus, daß sich auch der Angeklagte Olejak entsprechend seiner eigenen Einlassung, er sei zusammen mit Brossmann aus Blechhammer versetzt worden, bis zu diesem Tag im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
1. Der Zeuge Kurt Czapla ist laut Sterbeurkunde des Standesamtes Wolfenbüttel vom 25.9.1978, die in der Hauptverhandlung verlesen wurde, am 23.12.1976 in Wolfenbüttel verstorben. Die von dem Zeugen Czapla vorliegenden Aussagen wurden deshalb in der Hauptverhandlung verlesen. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Vernehmungen:
104
a) Beschuldigtenvernehmung vom 7.10.1976 durch die Staatsanwaltschaft Würzburg. Die Niederschrift über diese Vernehmung wurde von den Sitzungsvertretern der Staatsanwaltschaft Würzburg in der Hauptverhandlung vorn 17.7.1978 übergeben und später in der Hauptverhandlung verlesen (43, 2378, 2387 - 2396).
Am gleichen Tag wurde von der Staatsanwaltschaft Würzburg auch eine Fotokopie einer Übersetzung einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Oberen Gericht zu Rastatt vom 24. 2. 1948 (43, 2397, 2398), eine Entscheidung des Tribunal General de Rastatt in französischer Sprache von 25.6.1948 gegen Karl Czapla (43, 2399) und ein Entlassungsausweis für Czapla von 8.8.1948 der Bastion XII Rastatt (43, 2400) übergeben.
Diese Unterlagen hatte die Staatsanwaltschaft Würzburg von Czapla im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung vom 7.10.1976 erhalten (43, 2388). In dieser Vernehmung gab Czapla auch an, daß gegen ihn unter dem Aktenzeichen 1 Ja 449/65 (10 AR 12/74) bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und er mit Beschluß v. 14.8.1974 außer Verfolgung gesetzt worden sei.
b) Vernehmung vom 27.10.1960 durch Beamte einer Sonderkommission der Staatsanwaltschaft Frankfurt (45, 2950 - 2961). Eine Kopie der Niederschrift über diese Vernehmung wurde von der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vom 2.10. 1978 übergeben.
c) Vernehmungen des Karl Czapla vom
26.3.1947 (50, 43 hinter 4047);
8.1.1947 (50, 57 hinter 4047);
28.5.1948 (50, 67 hinter 4047);
20.2.1948 (50, 69 - 71 hinter 4047).
Zu diesen vier letztgenannten Vernehmungsniederschriften ist noch folgendes auszuführen:
Da sich die Kammer wie erwähnt, von Anfang an der schwierigen Beweisführung bewusst war, wurden aufgrund der Angaben des Zeugen Czapla in seiner Vernehmung vom 7.10.1976 von Amtswegen die Ermittlungsakten 1 Ja 449/65 der Staatsanwaltschaft Braunschweig angefordert, die auch mit Schreiben vom 30.3.1979 übersandt wurden. In diesen Akten befanden sich Auszüge mit Übersetzungen der Akten des Verfahrens, das im Jahre 1947 und 1948 gegen Karl Czapla beim Oberen Gericht zu Rastatt durchgeführt worden ist.
Zu den im Rahmen des vorliegenden Verfahrens wichtigen Punkten, näm1ich wann er selbst als Rapportführer in das Lager Blechhammer versetzt worden ist, hat der Zeuge Czapla in den einzelnen Vernehmungen folgendes ausgesagt:
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Vernehmung vom 7.10.1976:
Am 1.4.1944 sei er zum Oberscharführer befördert und im August 1944 vom Arbeitslager Debica in das K.L. Auschwitz versetzt worden. Von dort aus sei er für etwa 14 Tage zur Wachmannschaft des Lagers Blechhammer abkommandiert und dann als Rapportführer in das Lager Birkenau gekommen. Mitte Oktober 1944 sei er dann als Rapportführer nach Blechhammer zurückgekehrt, wo er bis zu Evakuierung dieses Lagers verblieben sei. Er habe auch an der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Blechhammer im Januar 1945 teilgenommen.
Als er im August 1944 für zwei Wochen in der Wachmannschaft des Lagers Blechhammer Dienst getan habe, sei Brossmann Chef der Wachkompanie und gleichzeitig Lagerführer gewesen. Als er im Oktober 1944 als Rapportführer nach Blechhammer gekommen sei, sei Klipp Lagerleiter gewesen (43, 2392). Denjenigen SS. Mann, der vor ihm als Rapportführer in Blechhammer gewesen sei, habe er bei seiner Ankunft im Oktober 1944 noch in Blechhammer angetroffen. Den Namen seines Vorgängers könne er nicht nennen. Nach Vorhalt verschiedener Namen, darunter auch der des Angeklagten Olejak, erklärte Czapla dann, nach längerem Nachdenken falle ihm ein, daß sein Vorgänger als Rapportführer in Blechhammer der Rapportführer Olejak gewesen sei. An dessen Name erinnere er sich jetzt ganz sicher.
Vernehmung vom 27.10.1960:
Auch bei dieser Vernehmung hat Czapla ausgesagt, er selbst sei etwa Mitte Oktober 1944 als Rapportführer nach Blechhammer gekommen und Klipp habe im Oktober 1944 Brossmann als Lagerführer des Lagers Blechhammer abgelöst.
Vernehmungen in den Jahren 1947 und 1948:
In der Vernehmung vom 26.3.1947 hat Karl Czapla ausgesagt, er sei im September 1944 als Zugführer in das Lager Blechhammer versetzt worden, von wo aus er nach etwa eineinhalb Monaten als Rapportführer in das Lager Birkenau versetzt worden sei. Im November 1944 sei er als Rapportführer in das Lager Blechhammer zurückgekehrt.
In der Vernehmung vom 8.1.1947 hat Czapla ausgesagt, nach einem kurzen Aufenthalt in Blechhammer als Chef der Wachposten und seiner Zurückverlegung nach Birkenau sei er im November 1944 als Rapportführer in das Lager Blechhammer zurückgekehrt. Sein ehemaliger Chef aus dem Heidelager habe ihn angefordert.
2. Der bereits erwähnte Zeuge Karl Maselli, der als Blockführer im Lager Blechhammer eingesetzt war, hat ausgesagt, im August/September 1944 seien Brossmann und Olejak abgelöst worden. Neuer Lagerführer sei ein Untersturmführer mit einer Verletzung am rechten Arm, neuer Rapportführer sei Czapla geworden, der Olejak als Rapportführer abgelöst habe. Brossmann und Olejak seien gegangen und die anderen beiden seien gekommen. Mit Olejak sei er selbst in Blechhammer 4 bis 6 Monate zusammen gewesen. Zum Zeitpunkt der Ablösung von Brossmann und Olejak sei schönes Wetter gewesen.
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3. Der ebenfalls bereits erwähnte Zeuge Peter Quirin, der als Sanitätsdienstgrad zeitweilig im Lager Blechhammer eingesetzt war, hat dazu zunächst ausgesagt, er selbst sei bis Mai 1944 in Blechhammer gewesen. Bei seiner eigenen Ablösung habe Olejak dort noch Dienst gemacht.
Nach Vorhalt einer früheren Vernehmung sagte der Zeuge Quirin dann aus, er meine jetzt, er selbst sei bis November 1944 in Blechhammer gewesen. Bei seiner eigenen Versetzung aus Blechhammer hat Olejak dort noch Dienst getan.
Der Lagerführer Großmann oder so ähnlich, der von Beruf Lehrer gewesen sei, sei etwa drei Wochen vor seiner eigenen Ablösung von einem jüngeren Obersturmführer abgelöst worden. Olejak sei auch noch nach dieser Ablösung in Blechhammer gewesen. In diesem Punkt sei er sich jedoch nicht ganz sicher. Wenn Olejak entgegen seiner eigenen Erinnerung schon vor ihm selbst aus Blechhammer versetzt worden sei, so halte er es für ausgeschlossen, daß dies, schon im September/Oktober 1944 gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei Olejak noch in Blechhammer gewesen.
Die Würdigung der zeitlich sehr weit auseinanderliegenden Aussagen des Zeugen Czapla (1947 bzw 1948, 1960 und 1976) und der Aussagen der Zeugen Maselli und Quirin, die jeweils in Verbindung mit dem Inhalt des Kommandanturbefehls Nr.11/44 vom 11.11.1944 gesehen werden müssen, ergibt nach Meinung der Kammer, daß sich der Angeklagte Olejak entsprechend seiner eigenen Einlassung genauso lange wie der Obersturmführer Brossmann, nämlich bin zum 9.11.1944 im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
Der Zeuge Czapla hat bei seinen Vernehmungen in den Jahren 1960 und 1976 einerseits und bei den Vernehmungen in den Jahren 1947 und 1948 andererseits zu dem Zeitpunkt, zu dem er selbst als Rapportführer in das Lager Blechhammer gekommen ist, unterschiedliche Angaben gemacht. Wahrend er 1947 noch den Monat November 1944 nannte, sprach er sowohl 1960 als auch 1976 von Oktober 1944. Immer, wenn der Zeuge davon sprach, nämlich bei der Vernehmung in den Jahren 1960 und 1976, hat er jedoch den Beginn seiner eigenen Tätigkeit als Rapportführer in Blechhammer mit dem Wechsel in der Person des Lagerführers in Blechhammer in einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang gebracht. Bei seiner Vernehmung vom 7.10.1976 hat Czapla dazu ausdrücklich. gesagt, Klipp sei bei seiner eigenen Ankunft als Rapportführer in Blechhammer schon Lagerführer und sein Vorgänger als Rapportführer, näm1ioh Olejak, sei noch in Blechhammer gewesen. Dies bedeutet in Verbindung mit dem Inhalt des Kommandanturbefehls Nr. 11/44 vom 11.11.1944, daß Czapla Olejak nicht vor dem 9.11.1944 als Rapportführer in Blechhammer abgelöst haben kann, da Klipp erst an diesem Tag die Führung des Lagers Blechhammer übernommen hat und daß Olejak bis zu diesem Zeitpunkt in Blechhammer gewesen ist.
Mit dieser Wertung der Aussage des Zeugen Czapla stimmen auch seine eigenen Angaben über den Beginn seiner Tätigkeit als Rapportführer in Blechhammer aus dem Jahre 1947 überein. Sowohl bei seiner Vernehmung am 8.1.1947 als auch bei der am 26.3.1947 durchgeführten Vernehmung hat Czapla ausgesagt, er sei im November 1944 als Rapportführer nach Blechhammer zurückgekehrt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß Czapla im Januar 1947, also nur etwas mehr als 2 Jahre nach den entsprechenden Vorgängen, von der Erinnerung her noch besser in der Lage war, zu bestimmten Zeitpunkten Angaben zu machen als es in den Jahren 1960 oder gar 1976 der Fall war.
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Auch die Aussage des Zeugen Maselli spricht dafür, daß sich der Angeklagte Olejak bis 9.11.1944 als Rapportführer im Lager Blechhammer aufgehalten hat. Auch dieser Zeuge bringt die Ablösung von Olejak aus Blechhammer in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ablösung von Brossmann als Lagerführer. Hierzu hat Maselli ausgesagt, Brossmann und Olejak seien gegangen und die neuen seien gekommen.
Soweit er allerdings als Zeitpunkt für diese Ablösung die Monate August/September 1944 nennt, ergibt sich aus dem Inhalt des bereits erwähnten Kommandanturbefehls vom 1l.ll.l944, daß sich der Zeuge Maselli insoweit täuscht.
Schließlich spricht auch die Aussage den Zeugen Quirin dafür, daß sich der Angeklagte Olejak im Monat November 1944 noch im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
Bei Würdigung dieser Aussage des Zeugen Quirin ist zu berücksichtigen, daß er bei der Vernehmung vom 16.2.1978 Schwierigkeiten hatte, den Beginn und das Ende seines eigenen Aufenthaltes im Lager Blechhammer richtig zeitlich einzuordnen. Denn zu Beginn seiner Vernehmung gab er hierzu Oktober/November 1943 und Mai 1944 und im weiteren Verlauf dann April 1944 und November 1944 an.
Zum Ende der Tätigkeit des Zeugen Quirin in Blechhammer ist zu bemerken, daß er mindestens bis zum 9.11.1944 in Blechhammer gewesen sein muß, da er sich noch an die Ablösung des Lagerführers Brossmann, den er fälschlicherweise als Großmann, aber richtig mit dem Zivilberuf Lehrer beschreibt, erinnert. Da der Zeuge Quirin, ohne allerdings sicher zu sei, meint, Olejak sei bei seiner eigenen Ablösung noch in Blechhammer gewesen, spricht die Aussage dieses Zeugen für die Richtigkeit der Einlassung den Angeklagten Olejak, er sei eben solange wie Brossmann in Blechhammer gewesen.
Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht auch die Tatsache, daß der Angeklagte Olejak bei einer Vernehmung als Zeuge am 18.6.1971 in dem wegen Vorgängen im Lager Blechhammer durchgeführten Ermittlungsverfahren, deren Niederschrift ihm vorgehalten wurde, ausgesagt hat, er sei in diesem Lager von März oder April 1944 bis November 1944 gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt war dem Angeklagten nicht bekannt, daß gegen ihn wegen seiner Tätigkeit im Lager Jaworzno ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Es ist deshalb kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum der Angeklagte Olejak unter diesen Umständen als Zeuge eine falsche Aussage machen sollte.
V.
Gegenfiber diesem Beweisergebnis erscheinen die Aussagen eines Teils der im Lager Jaworzno als Häftlinge inhaftierten Zeugen, die den Angeklagten Olejak während des gesamten Jahres 1944, im Sommer 1944 oder im September 1944 im Lager Jaworzno gesehen haben wollen, nicht glaubhaft.
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Auf diese Aussagen wird im Einzelnen bei der Frage, ob der Angeklagte. Olejak nach seinem Einsatz im Lager Blechhammer nach Jaworzno zurückgekehrt ist und wer Ende 1944 Rapportführer im Lager Jaworzno war, eingegangen werden.
Die Kammer ist deshalb bei Würdigung des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung der Überzeugung, daß sich der Angeklagte Olejak von Frühjahr 1944 bis zum 9.11.1944 als Rapportführer im Konzentrationslager Blechhammer aufgehalten hat.
VI.
Zu dieser von der Kammer getroffenen Feststellung steht die Aussage des Zeugen Otto Kaesmarker nicht im Widerspruch.
1. Der Angeklagte Olejak hatte sich von Beginn des Ermittlungsverfahrens an bis zur Hauptverhandlung vom 30.7.1979 dahingehend eingelassen, nach seiner am 23.9.1944 in Schakowa, dem Wohnort seiner Ehefrau, erfolgten Hochzeit und dem damit verbundenen zehntägigen Urlaub in Schakowa sei er in nur noch einmal in diesem Ort gewesen. Dies sei anläßlich der Hochzeit des SS. Mannes Felix Witowski erfolgt, der zusammen mit ihm in Jaworzno gewesen und dessen Ehefrau eine Freundin seiner eigenen Frau gewesen sei.
Zu dieser Hochzeit sei er aus Blechhammer angereist. Dies sei ihm deswegen möglich gewesen, weil ihm der Lagerführer Brossmann eine Dienstreise nach Auschwitz genehmigt habe. Er könne sich noch erinnern, daß er von Krenau aus zusammen mit einem Bruder des Bräutigams Witowski im Zug nach Schakowa gefahren sei. Dieser Bruder habe in Krenau eine Drogerie betrieben. Die Reise von Blechhammer aus nach Schakowa sei kurz vor seiner eigenen Versetzung aus Blechhammer erfolgt.
Nachdem in der Hauptverhandlung vom 30.7.1979 mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten eine Fotokopie eines Schreibens des Standesamtes Schakowa von 16.12.1944 an den Reichsführer SS.Rasse- und Siedlungsamt Berlin (6, 106) verlesen wurde, aus dem sich ergibt, daß die Hochzeit des SS. Mannes Witowski am 16.12.1944 stattgefunden hat, erklärte der Angeklagte Olejak in der nächsten Hauptverhandlung am 2.8.1979 folgendes:
Nach Kenntnisnahme von dem vorerwähnten Schreiben des Standesamtes Schakowa habe er weiter nachgedacht und in der letzten Nacht sei ihm eingefallen, daß er sich insoweit getäuscht habe. Die ihm von Brossmann genehmigte Reise aus Blechhammer nach Schakowa sei nicht anläßlich der Hochzeit Witowski erfolgt, sondern habe einem Treffen mit seinem Schwager Otto Kaesmarker gedient. Dieser habe sich zu einem kurzen Heimaturlaub von dem Fronteinsatz in Schakowa aufgehalten. Er bleibe jedoch dabei, daß die Reise kurz vor seiner Versetzung aus Blechhammer erfolgt sei Er sei nur über das Wochenende in Schakowa gewesen und dann nach Blechhammer zurückgefahren. Bei dem Treffen mit seinem Schwager Otto Kaesmarker seien seine inzwischen verstorbene Frau, seine Schwiegereltern und seine Schwägerin, die Zeugin Hassel dabei gewesen. Seinen Schwager Otto Kaesmarker habe er erstmals bei diesem Treffen, das Ende Oktober/Anfang November 1944 stattgefunden habe, kennengelernt.
109
Anläßlich der Hochzeit Witowski sei er ein zweites Mal nach seiner eigenen Hochzeit in Schakowa gewesen, da sei er jedoch von Czechowitz aus über Krenau angereist. Bei dieser Hochzeit sei nach seiner Erinnerung die Eltern des Witowski, 2 Brüder von ihm und die Zeugin Wasserthal, eine Schwester der Frau des Witowski anwesend gewesen. Diese Hochzeit habe an einem Samstag stattgefunden. Am Nachmittag sei er von Czechowitz aus über Krenau nach Schakowa gefahren und am Sonntag um 6.00 Uhr mit dem ersten Zug nach Czechowitz zurückgekehrt. Richtig sei jedoch, daß er auf der Hinfahrt nach Schakowa einen Bruder des Bräutigams Witowski im Zug kennengelernt habe.
2. Aufgrund dieser geänderten Einlassung des Angeklagten Olejak wurde in der Hauptverhandlung von 6.8.1979 der Zeuge Otto Kaesmarker, ein Bruder der verstorbenen Ehefrau des Angeklagten Olejak vernommen. Dieser hat folgendes ausgesagt:
Anfang November 1944 habe er seinen ersten Urlaub während seines Fronteinsatzes bekommen und sei von Westfalen aus nach Schakowa gefahren. Dort habe er sich seiner Erinnerung nach vom 5. bin 7.11.1944 aufgehalten. Er könne sich noch daran erinnern, daß er nur an Werktagen, nicht am Wochenende zu Hause gewesen sei. Seine Angehörigen habe er von diesem Urlaub vorher nicht unterrichtet.
Seine Schwester, die Frau den Angeklagten Olejak, habe ihm am Abend des ersten Tages seines Aufenthaltes in Schakowa gesagt, sie werde ihm am nächsten Tag ihrem Ehemann vorstellen, der nicht weit von Schakowa entfernt stationiert sei.
Am nächsten Tag sei seine Schwester morgens zur Arbeit weggegangen und am Abend zwischen 16.00 und 17.00 Uhr mit dem Angeklagten Olejak nach Hause gekommen. Noch vor Mitternacht des gleichen Abends sei der Angeklagte wieder weggefahren. Wie und wann seine Schwester den Angeklagten Olejak verständigt habe, könne er nicht sagen.
In welchem Lager der Angeklagte damals Dienst gemacht habe, habe er bei diesem Treffen nicht erfahren. Er habe nur gehört, Olejak sei in einem in der Nähe von Schakowa gelegenen Lager stationiert. Weiter habe er gehört, daß seine Schwester öfter dorthin gefahren und dabei auch den Angeklagten kennengelernt habe. Daß der Angeklagte Olejak einmal versetzt worden sei, habe er erst nach dem Krieg erfahren. Unter „nicht weit von Schakowa entfernt“ verstehe er nicht über Kattowitz hinaus Seine Schwester Else und der Angeklagte Olejak hätten in ihrem Elternhaus ein gemeinsames Zimmer gehabt und er habe auch gehört, daß Olejak öfter nach Schakowa gekommen sei und seine Schwester ihn auch öfter an seinem Dienstort besucht habe.
3. Zu dieser Aussage des Zeugen Otto Kaesmarker, der gemäß § 61 Ziffer 2 StPO unvereidigt geblieben ist, ist folgendes zu bemerken:
Der Zeuge konnte zu der Frage, in weichem Lager der Angeklagte Olejak zum Zeitpunkt des Zusammentreffens, den der Zeuge als einen Wochentag zwischen dem 5. und 7.11.1944 in Erinnerung hat, stationiert war, keine genauen Angaben machen, Insbesondere konnte er den Namen des Lagers nicht nennen.
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Zu der Äußerung der Ehefrau des Angeklagten „morgen stelle ich dir den Hans vor, der ist nicht weit von hier“ und der von dem Zeugen hierzu gegebenen Erklärung, unter nicht weit verstehe er nicht über Kattowitz hinaus, ist zu bemerken, daß der Zeuge hierbei nicht zum Ausdruck gebracht hat, was seine Schwester unter „nicht weit“ verstand, sondern was er selbst unter diesem Begriff versteht. Aus der von dem Zeugen wiedergegebenen Äußerung der Ehefrau des Angeklagten Olejak, der Hans ist nicht weit weg von hier, kann daher nicht geschlossen werden, daß sich der Angeklagte damals nicht im Lager Blechhammer aufgehalten hat.
Auch zu der Frage, wohin bzw. in welche Richtung der Angeklagte am Abend dieses Zusammentreffens Schakowa verlassen hat, konnte der Zeuge keine genauen Angaben machen. So hat er lediglich erklärt, er nehme an, der Angeklagte Olejak sei mit der Bahn in Richtung Jaworzno gefahren. Mehr konnte der Zeuge hierzu nicht sagen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Schakowa und das Lager Jaworzno nur etwa 3,6 km Luftlinie voneinander entfernt waren (vergleiche die mehrmals zum Gegenstand der Verhandlung gemachte Karte von Oberschlesien im Maßstab 1 : 300 000, auf der die Entfernung zwischen Jaworzno und Schakowa 1,2 cm = 3,6 km beträgt). Schakowa und Blechhammer lagen nach dieser Karte 24 cm voneinander entfernt, was einer Entfernung von 72 km Luftlinie entspricht.
Bei der geringen Entfernung zwischen Schakowa und Jaworzno wäre es nach Meinung der Kammer für den damals jungverheirateten Angeklagten, wenn er tatsächlich in Jaworzno stationiert gewesen wäre, ohne weitere möglich gewesen, bis zum frühen Morgen kurz vor Dienstantritt bei seiner Ehefrau zu bleiben und erst dann den Weg von Schakowa nach Jaworzno zu Fuß oder mit einem Fahrrad zurückzulegen. Daß der Angeklagte nach der Aussage des Zeugen Kaesmarker noch vor Mitternacht Schakowa verlassen hat, spricht deshalb dafür, daß er zum damaligen Zeitpunkt nicht in Jaworzno, sondern weiter entfernt von Schakowa stationiert war.
Auch soweit der Zeuge Kaesmarker ausgesagt hat, er habe damals gehört, daß sich der Angeklagte Olejak und seine Ehefrau öfter träfen, kann nicht geschlossen werden, der Angeklagte Olejak habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Lager Blechhammer aufgehalten. Zum einen hat der Angeklagte selbst unwiderlegt gesagt, seine Ehefrau habe ihn nach seiner Versetzung aus Jaworzno nach Blechhammer öfter besucht, und zwar sowohl vor als auch nach seiner Eheschließung. Zum anderen hat der Zeuge bei diesem Treffen aber nach seiner Aussage auch davon erfahren, daß sich der Angeklagte Olejak und seine spätere Ehefrau kennengelernt hätten, weil der Angeklagte in der Nähe von Schakowa in einem Lager Dienst getan habe. Dies war aber vor der Versetzung des Angeklagten von Jaworzno nach Blechhammer.
Eine eindeutige zeitliche Trennung über die Zeit vor der Hochzeit im September 1944 und nach diesem Termin hat der Zeuge Kaesmarker nicht vorgenommen und konnte dies auch nicht tun.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem 9.11.1944, dem Tag also, den die Kammer als Versetzungstermin für den Angeklagten Olejak aus Blechhammer annimmt, um einen Donnerstag gehandelt hat (vergleiche immerwährender Kalender, 50, 4036).
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Die Angaben des Zeugen Kaesmarker, das Treffen mit dem Angeklagten Olejak haben an einem Werktag zwischen dem 5. und 7.11.1944 stattgefunden und die Einlassung den Angeklagten Olejak, seine Reise zu diesem Treffen mit dem Zeugen sei nur kurz vor seiner Versetzung aus Blechhammer gewesen, stehen deshalb zueinander nicht in Widerspruch.
Das Treffen zwischen dem Angeklagten Olejak und dem Zeugen Kaesmarker wurde im Übrigen auch von der Zeugin Rudolfine Hassel, einer Schwester der verstorbenen Ehefrau des Angeklagten Olejak, bei ihrer nochmaligen Vernehmung in der Hauptverhandlung am 5.11.1979 bestätigt. Sie hat dazu ausgesagt, ihrer Erinnerung nach habe dieses Treffen Anfang November 1944 stattgefunden.
Was die Einlassung den Angeklagten Olejak zu seiner Teilnahme an der Hochzelt des SS. Mannes Witowski betrifft, so ist zu bemerken, daß der 16.12.1944 tatsächlich, wie der Angeklagte meinte, ein Samstag war (vergleiche immerwährenden Kalender). Weiterhin sieht es die Kammer durch die Ansage der Zeugin Hassel als erwiesen an, daß der Angeklagte Olejak tatsächlich an der Hochzeit des SS. Mannes Witowski teilgenommen hat.
Die Kammer hat deshalb einen Beweisantrag der Verteidigung des Angeklagten Olejak auf Vernehmung eines Bruders und der damaligen Ehefrau des SS. Mannes Witowski, durch den die Teilnahme Olejaks an der Hochzeit bewiesen werden solle, abgelehnt.
E)
(Beweiswürdigung zur Person des letzten Rapportführers im Lager Jaworzno)
I.
Allgemeine Ausführungen:
Im Verfahren gegen den Angeklagten Olejak kam insbesondere der Frage entscheidende Bedeutung zu, wohin er am 9.11.1944 aus Blechhammer versetzt worden Ist, da, wie schon erwähnt, von den 32 angeklagten Verbrechen des Mordes 31 In diesen Zeitraum fallen. Der Angeklagte Olejak hat sich hierzu eingelassen, er sei von Blechhammer aus als Lagerführer in das Konzentrationslager Czechowitz versetzt worden und nicht mehr nach Jaworzno zurückgekehrt. Er habe auch an der Evakuierung des Lagers Jaworzno nicht teilgenommen. Schon deshalb könne er als Täter für diese 31 angeklagten Verbrechen nicht in Betracht kommen. Obwohl sich die Kammer im Laufe des Verfahrens intensiv bemüht hat, zu dieser Frage irgendwelche Unterlagen wie Kommandanturbefehle, Stellenpläne oder Versetzungsbefehle aus der damaligen Zeit zu finden, ist dies nicht gelungen.
Die Kammer war deshalb bei ihrer Entscheidung praktisch nur auf die Einlassung der beiden Angeklagten und die Aussagen von Zeugen angewiesen, die in den Lagern Jaworzno und Czechowitz als SS. Leute tätig oder als Häftlinge inhaftiert waren oder die den Angeklagten Olejak damals gekannt haben.
112
Dabei erwies sich die Klärung der Frage der Anwesenheit des Angeklagten ab November 1944 im Lager Jaworzno oder im Lager Czechowitz schon deswegen als besonders schwierig, weil hier die Anwesenheit eines SS. Mannes in einer bestimmten Funktion für einen relativ kurzen Zeitraum von nur etwa mehr als zwei Monaten in einem Lager zu überprüfen war. Darüber hinaus kommt noch hinzu, daß dieser Zeitraum nicht in die Aufbauphase der beiden Lager fiel. In dieser Zeit war der Kontakt zwischen den im Lager tätigen SS. Leuten und den beim Lagerbau eingesetzten Häftlinge zwangsläufig intensiver und persönlicher als in der Zeit, in der die Mehrzahl der Häftlinge außerhalb des eigentlichen Lagerbereiche zur Arbeit eingesetzt war. Zu persönlichen Begegnungen mit den Angehörigen der Lagerkommandantur, jedenfalls was die Person des Rapportführers oder Lagerführers betrifft, konnte es für die außerhalb des Lagers eingesetzten Häftlinge regelmäßig nur bei den Morgen- oder Abendappellen im Lager oder bei Kontrollen am Lagertor kommen. Diese fanden aber in den Monaten November, Dezember und Januar meistens zu solchen Zeiten statt, in denen die Beobachtungsmöglichkeiten wegen der Lichtverhältnisse, nämlich noch oder schon herrschende Dämmerung oder Dunkelheit, ohnehin eingeschränkt waren.
Bei der Bewertung der Aussagen von Zeugen, die als Häftlinge im Lager Jaworzno inhaftiert waren, sind aufgrund der Tatsache, daß es die Kammer als erwiesen ansieht, daß der Angeklagte von Frühjahr 1944 bis zum 9.11.1944 als Rapportführer im Lager Blechhammer eingesetzt war, 3 Gruppen von Zeugen zu unterscheiden. Die Zugehörigkeit eines Zeugen zu einer dieser Gruppen wird dadurch bestimmt, zu welchem Zeitpunkt der Zeuge in das Lager Jaworzno gekommen ist.
Bei der ersten Gruppe handelt es sich um die Häftlinge, die sich von Anfang an, also ab etwa Sommer 1943 im Lager Jaworzno aufgehalten haben oder zumindest noch vor April 1944 in das Lager Jaworzno verlegt wurden. Diese Zeugen können den Angeklagten Olejak sowohl von der Person als auch vom Namen her noch von seiner Tätigkeit als Rapportführer in Jaworzno in der Zeit von Juni 1943 bis einschließlich März/April 1944 kennen.
Auch wenn der Angeklagte Olejak im November 1944 als Rapportführer in das Lager Jaworzno zurückgekehrt sein sollte, müßten sich diese Zeugen normalerweise an die Anwesenheit des Angeklagten Olejak, die in diesem Fall immerhin etwa 7 Monate gedauert hätte, erinnern. Weiter müßten sich diese Zeugen, soweit sie zu der Person des Rapportführers überhaupt Angaben machen können, normalerweise auch daran erinnern können, daß außer dem Angeklagten Olejak im Lager Jaworzno noch ein oder mehrere andere SS. Angehörige diese Funktion ausgeübt haben.
Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um solche Häftlinge, die im Rahmen der Ungarn Transporte im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen sind.
Die dritte Gruppe schließlich umfaßt die Zeugen, die bei Auflösung des Lagers Lagischa nach Jaworzno gekommen sind. Die Ankunft dieser Häftlinge im Lager Jaworzno erfolgte, wie bereits dargelegt wurde, in der 2. Septemberhälfte 1944.
113
Die Zeugen, die den beiden letzten Gruppen angehörten, können den Angeklagten Olejak in' Lager Jaworzno als Rapportführer oder Angehörigen der Lagerkommandantur nur dann kennengelernt haben, wenn der Angeklagte Olejak entgegen seiner eigenen Einlassung nach seinem Aufenthalt im Lager Blechhammer nach Jaworzno zurückversetzt worden ist. Da die Kammer, was noch dar gelegt werden wird, davon ausgeht, daß der Angeklagte Olejak nicht gleichzeitig als Rapportführer in Jaworzno und Blechhammer eingesetzt war, können diese Zeugen den Angeklagten frühestens ab 9. bzw. 10.11.1944 im Lager Jaworzno gesehen und kennengelernt haben. Dies bedeutet für diese beiden Gruppen von Zeugen, daß der Angeklagte Olejak bei ihrer eigenen Ankunft im Lager Jaworzno nicht dort war. Es bedeutet weiter, daß während des weitaus größten Teils des Aufenthaltes der Ungarn-Häftlinge im Lager Jaworzno, nämlich von Anfang Juni bis fast Mitte November 1944, also etwa 5 Monate lang, ein anderer SS. Mann die Funktion des Rapportführers ausgeübt hat.
Für die Häftlinge aus dem Lager Lagischa bedeutet es, daß sie während der ersten eineinhalb Monate ihres Aufenthaltes im Lager Jaworzno einen anderen SS. Mann als den Angeklagten Olejak als Rapportführer erlebt haben müssen.
Beide Gruppen von Zeugen müßten sich unter diesen Umständen, soweit sie sich überhaupt an den Rapportführer den Lagers Jaworzno erinnern, normalerweise daran erinnern, daß mehrere SS. Leute in Jaworzno nacheinander als Rapportführer tätig waren. ganz besonders gilt dies für die Ungarn-Häftlinge, da für diese der Angeklagte Olejak allenfalls nur für etwas mehr am 2 Monate als Rapportführer tätig gewesen sein kann, während über einen Zeitraum von etwa 5 Monaten andere SS. Leute die Funktion des Rapportführers ausgeübt haben.
Schließlich kommt es bei der Frage, welches Gewicht der Aussage eines Zeugen in dieser Frage beigemessen werden kann oder muß, auch darauf an, in welcher Funktion dieser Zeuge während seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno eingesetzt war. Hierauf wurde im Rahmen der Beweiswürdigung bereits mehrfach hingewiesen.
Soweit Zeugen in der Hauptverhandlung vernommen wurden, geschah dies in der Weise, daß die beiden Angeklagten zu Beginn der Vernehmung der Zeugen nicht auf der Anklagebank, sondern im Zuhörerraum Platz genommen hatten. Um die Erinnerungfähigkeit der Zeuge zu überprüfen, bemühte sich die Kammer, daß neben den beiden Angeklagten jeweils möglichst viele Vergleichspersonen, meistens männliche Justizangehörige im gleichen Alter wie die Angeklagten, im Zuhörerraum saßen. Nach seiner Vernehmung zur Person wurde der jeweilige Zeuge dann aufgefordert, sich im Zuhörerraum umzusehen und zu erklären, ob er an den der Lagerzeit bekannten Personen erkennen könne. Lediglich bei einigen Zeugen, die vor ihrer Vernehmung schon als Zuhörer an der Hauptverhandlung teilgenommen und die Angeklagten daher gesehen hatten, wurde von dieser Personenerkennung Abstand genommen. Des Weiteren wurden den Zeugen, die in der Hauptverhandlung oder aufgrund von Beschlüssen der Kammer außerhalb der Hauptverhandlung vernommen wurden, bei ihren Vernehmungen verschiedene Lichtbilder der beiden Angeklagten und von anderen SS. Leuten vorgelegt, die jeweils nur mit einer Nummer und nicht mit einem Namen versehen waren.
114
Dabei kamen 3 verschiedene Ausfertigungen von Lichtbildern zur Anwendung, die zur Unterscheidung in den jeweiligen Niederschriften als Bildband, Bildtafel oder lose Bilder bezeichnet wurden.
Der Bildband umfaßt insgesamt 49 Lichtbilder, die mit den Nummern 1 - 46 und 79 - 81 bezeichnet sind.
Dabei stellen die Bilder 17, 18 und 19 den Angeklagten Olejak und die Bilder. 27 und 28 den Angeklagten Pansegrau dar. Bild 17 und Bild 18 sind Brustbilder des Angeklagten Olejak, wobei Bild 17 von der Seite und Bild 18 von vorne aufgenommen wurde. Bei Bild 19 handelt es sich um eine von vorne aufgenommene Ganzaufnahme. Auf allen drei Bildern trägt der Angeklagte Olejak eine Uniform, aber keine Mütze. Diese Bilder wurden, wie der Angeklagte Olejak glaubhaft versichert hat, im Jahre 1944 anläßlich des Genehmigungsverfahrens für seine Hochzeit aufgenommen.
Bei den Bildern 27 und 28 handelt es sich um Brustaufnahmen des Angeklagten Pansegrau wobei Bild 27 von vorne und Bild 28 von der Seite aufgenommen wurden. Auch der Angeklagte Pansegrau ist auf diesen Bildern in Uniform, aber ohne Mütze zu sehen. Wie bei dem Angeklagten Olejak sind diese Lichtbilder im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur Hochzeit des Angeklagten Pansegrau, allerdings im Jahr 1943, aufgenommen worden.
Die Lichtbilder 11 und 12 stellen den Lagerführer Bruno Pfütze, das Lichtbild Nr. 20 den SS. Mann Felix Witowski, den Leiter der politischen Abteilung in Jaworzno, und das Lichtbild Nr. 29 den SS. Mann Paul Kraus dar. Während Pfütze und Witowski in Uniform, aber ohne Mütze abgebildet sind, trägt Kraus auf dem Lichtbild Nr. 29 einen Zivilanzug, an dem ein Parteiabzeichen zu erkennen ist.
Bei Bild Nr. 33 handelt es sich um einen Streifen mit 3 Aufnahmen des SS. Mannes Emil Hantl, die von der Kriminalpolizei in Frankfurt einige Jahre nach Ende des Krieges, aufgenommen wurden.
Bei den Bildern Nr. 79 und 80 handelt es sich um 2 Aufnahmen des SS. Mannes Otto Hablesreiter, die ihn in vorgerücktem Alter und in Zivil zeigen.
Der Bildband wurde auch bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Vernehmung von Zeugen verwendet.
Bei den Bildtafeln sind die Lichtbilder auf einem roten Blatt aus Pappe aufgeklebt, wobei sich die Nummer des Bildes auf der Rückseite. des Blattes befindet. Die einzelnen Blätter mit den Lichtbildern sind nicht zusammengeheftet.
Die Bildtafeln umfaßten bei Beginn der Hauptverhandlung zunächst 20 Lichtbilder, die sich größtenteils auch bereits im Bildband befanden, allerdings mit anderen Nummern.
115
Hinsichtlich des Angeklagten Olejak entspricht Bild 16 dem Bild Nr. 17 des Bildbandes, Bild 14 dem Bild Nr. 18 des Bildbandes und Bild 15 dem Bild Nr. 19 des Bildbandes. Zusätzlich zum Bildband ist bei den Bildtafeln unter der Nr. 17 ein weiteres Lichtbild des Angeklagten Olejak vorhanden, das ihn von vorne und in Uniform mit einer Schirmmütze zeigt. Dieses Bild ist Teil eines Fotos, das anläßlich der Hochzeit des Angeklagten Olejak im September 1944 aufgenommen wurde und den Angeklagten Olejak zusammen mit seiner Frau zeigt. Das vollständige Bild befindet sich in einem Umschlag am Ende des Bildbandes und wurde ebenfalls wiederholt in Augenschein genommen.
Was den Angeklagten Pansegrau betrifft, so ist Bild 6 der Bildtafeln mit Bild 27 des Bildbandes und Bild 7 mit Bild 28 des Bildbandes identisch. Zusätzlich zum Bildband stellt auch Bild 5 der Bildtafeln den Angeklagten Pansegrau dar, und zwar in einer etwas von vorne aufgenommenen Ganzaufnahme. Auch dieses Bild, das den Angeklagten Pansegrau in Uniform, aber ohne Mütze zeigt, wurde im Jahre 1945 anläßlich des Genehmigungsverfahrens für die Hochzeit aufgenommen. Das Lichtbild Nr. 3 zeigt den SS. Mann Witowski und ist mit Bild 20 des Bildbandes identisch.
Die Bilder Nr. 8 und 9 stellen den Lagerführer Bruno Pfütze dar und sind mit den Bildern Nr. 11 und 12 des Bildbandes identisch.
Bei Bild 15 handelt es sich um eine Vergrößerung eines der 3 Lichtbilder des Zeugen Emil Hantl aus dem Bildstreifen unter Nr. 53 des Bildbandes.
Das Bild Nr. 12 stellt den SS. Mann Paul Kraus dar und ist mit Bild Nr. 29 ans dem Bildband identisch.
Die Bilder 18 und 19 schließlich, die Otto Hablesreiter darstellen, entsprechen den Bildern Nr. 79 und 80 des Bildbandes.
Die Lichtbilder Nr. 10 und 11 der Bildtafeln zeigen den SS. Oberscharführer Ferdinand Knoblich, der der erste Lagerführer des Lagers Czechowitz war.
Die Lichtbilder Nr. 21,22 und 23 stellen den SS. Unterscharführer Erich Grauel dar, den verstorbenen Ehemann der Zeugin Maria Wilk, und zwar in Uniform ohne Mütze. Diese Lichtbilder wurden erstmals bei der Kommissarischen Vernehmung. von Zeugen im März 1978 vor dem Amtsgericht in Tel Aviv verwendet, da sie erst zu diesem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft zu den Akten gegeben wurden.
Das Lichtbild Nr. 24 der Bildtafeln zeigt den ehemaligen SS. Mann Kurt Czapla, der, wie ausgeführt, Nachfolger des Angeklagten Olejak als Rapportführer im Lager Blechhammer geworden ist.
Bei den Lichtbildern Nr. 25 und 26 handelt es sich schließlich um Aufnahmen des Zeugen Friedrich Repke. Die Lichtbilder Nr. 24, 25 und 26 wurden nicht allen Zeugen vorgelegt, da sie erst gegen Ende der Hauptverhandlung von der Staatsanwaltschaft zu den Akten gegeben wurden.
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Bei den in den Niederschriften als lose Bilder bezeichneten Lichtbildern handelt es sich um die gleichen 23 Bilder, die bei den Bildtafeln mit den Nummern 1 - 23 versehen sind, allerdings in einer anderen Nummerierung. Diese Bilder wurden erst gegen Ende der Hauptverhandlung und bei kommissarischen Vernehmungen von Zeugen verwendet. Auf die Nummerierung dieser Bilder wird, soweit erforderlich, bei der Beweiswürdigung zu einzelnen Zeugenaussagen eingegangen werden.
II.
Die Kammer stützt ihre Feststellungen, daß ab November 1944 der SS. Unterscharführer Erich Grauel und nicht der Angeklagte Olejak Rapportführer im Lager Jaworzno war, in erster Linie auf den Inhalt des bereits mehrfach erwähnten Buches von Dr. Milos Novy aus dem Jahre 1949 in Verbindung mit der Aussage der Zeugin Maria Wilk sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Person des 2. Lagerführers im Konzentrationslager Czechowitz. Letzteres wird in einem gesonderten Punkt erörtert werden.
1. Die Zeugin Maria Wilk wurde am 6.11.1978 in der Hauptverhandlung und am 12.2.1979 durch das Amtsgericht Wolfsburg im Wege der Rechtshilfe vernommen. Die Niederschrift über diese Vernehmung wurde in der Hauptverhandlung verlesen.
Die Zeugin Wilk hat hierbei ausgesagt, sie habe am 28.11.1942 ihren 1. Ehemann Erich Grauel geheiratet. Dieser sei damals in Auschwitz stationiert gewesen. Er habe ihr erzählt, er mache Dienst in der Abteilung Landwirtschaft dieses Lagers. Im Sommer 1943 oder 1944 sei er vom Rottenführer zum Unterscharführer befördert worden. Was er genau gemacht habe, wisse sie nicht, da er sehr schweigsam gewesen sei und ihr wenig von seinem Dienst und dem Lager erzählt habe. Es könne sein, daß er nach seinem Einsatz in der Landwirtschaft Arbeitsdienstführer gewesen sei, da er erzählt habe, er teile Häftlinge zur Arbeit ein.
Anfang November 1944 sei ihr Mann dann nach Jaworzno versetzt worden. Er habe am 14.11. Geburtstag gehabt und um diese Zeit herum sei die Versetzung erfolgt. Was er im Lager Jaworzno gemacht habe, wisse sie nicht.
Vom Samstag, den 12.1.1945 bis Montag, den 14.1.1945 habe sie ihren Mann in Jaworzno besucht. Sie sei mit ihm auch bei dem Lager, wo er Dienst gemacht habe, gewesen. Damals sei sie hochschwanger gewesen. Sie wisse noch genau, daß sie über ein Wochenende bei ihm gewesen und am Montagmorgen wieder aus Jaworzno weggefahren sei. Dies sei das letzte Mal gewesen, wo sie ihren Mann gesehen habe.
Sie selbst sei am folgenden Freitag, den 18.1.1945 geflüchtet. 2 Tage vorher, also am Mittwoch, den 16.1.1945, gegen 16.00 Uhr habe sie ihren Mann aus Jaworzno angerufen. Dabei habe er mitgeteilt, daß er an die Front müsse. Sie selbst solle mit ihren Eltern zu seinen Eltern nach Sandersleben fahren. Bei ihrem Besuch einige Tage vorher in Jaworzno habe er von einer bevorstehenden Versetzung noch nichts erwähnt. Mit einem Schreiben vom 19.3.1945 sei ihr dann mitgeteilt worden, daß Erich Grauel am 18.2.1945 bei Goldschmieden nordwestlich von Breslau gefallen sei.
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Die Kammer hat an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin Wilk, die am Ausgang dieses Verfahrens kein erkennbares Interesse hat, keinen Zweifel. Allerdings täuscht sich die Zeugin insoweit, daß sie meint, der Montag sei der 14., der Mittwoch der 16. und der Freitag der 18.1.1945 gewesen. Tatsächlich war, wie sich aus dem schon erwähnten immerwährenden Kalender ergibt, der fragliche Montag bereits der 15.1.1945, sodaß sich auch das Datum für die folgenden Tage jeweils um eine Zahl nach oben verschiebt. Die Zeugin war sich jedoch sicher, daß sie bis Montagmorgen bei ihrem Mann in Jaworzno war, daß das Telefongespräch am Mittwochnachmittag und ihre eigene Flucht am Freitag war.
Die Kammer geht deshalb aufgrund der Aussage der Zeugin Wilk davon aus, daß der Unterscharführer Erich Grauel von etwa Mitte November 1944 bis zum Mittwoch, den 17.1.1945. im Konzentrationslager Jaworzno stationiert war. In welcher Eigenschaft dies erfolgte, konnte die Zeugin nicht mitteilen.
2. Die Kammer hat im Rahmen der bisherigen Beweiswürdigung wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie das von dem Zeugen Dr. Milos Novy im Jahr 1949 veröffentlichte Buch als ein für das vorliegende Verfahren äußerst wichtiges Beweismittel ansieht (vgl. Bl. 92 - 95).
Zur Person des Autors Dr. Novy und dem Inhalt dieses Buches ist, soweit er das Lager Jaworzno und die Evakuierung dieses Lagers betrifft, noch folgendes auszuführen.
Der Zeuge war während seines gesamten Aufenthaltes im Lager Jaworzno, der vom 21.6.1943 bis zum 17.1.1945 dauerte, in der Häftlingsschreibstube des Lagers Jaworzno beschäftigt. Dieser Schreibstube oblag, wie bereits ausgeführt, die gesamte innere Verwaltung des Lagers, soweit sie den Häftlingen übertragen war. Durch diese Stellung im Lager war der Zeuge Dr. Novy in der Lage, den gesamten Ablauf des Lagerlebens im Lager Jaworzno kennenzulernen. In dieser Funktion kam er auch mit den im Lager selbst tätigen SS. Leuten, also den Angehörigen der Lagerkommandantur persönlich in Kontakt. Dies ergibt sich aus den Einlassungen der beiden Angeklagten, die bestätigt haben, daß sie mit den in der Häftlingsschreibstube eingesetzten Funktionshäftlingen zusammenarbeiteten. Auch der Zeuge Zejer hat ausgesagt, in seiner Funktion als Rapportschreiber sei er praktisch täglich mit den im Lager tätigen SS. Leuten zusammengekommen.
Daß sich Dr. Novy während seines Aufenthaltes im Lager Jaworzno für alles, was im Lager selbst oder im Zusammenhang mit dem Lager geschah, interessierte, beweist der Inhalt seines Berichtes über das Lager aus dem Jahre 1949. Das haben im Übrigen auch die Zeugen Bulaty, Herstik und Dr. Braun bestätigt, die Dr. Novy damals schon gut gekannt haben und öfters mit ihm zusammen gewesen sind. Diese haben weiter bestätigt, daß Dr. Novy über ein außerordentlich gutes Gedächtnis verfügt habe.
Dr. Novy beschreibt in seinem Buch die Verhältnisse im Lager Jaworzno von der Gründung des Lagers am 15.6.1943 bis zu seiner Evakuierung am Abend des 17.1.1945 und die Evakuierung selbst. Insbesondere schildert er sehr ausführlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge.
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Im Rahmen dieser Schilderungen erwähnt er zahlreiche einzelne Begebenheiten, die sich im Laufe des Bestehens im Lager Jaworzno ereignet haben. Dabei nennt er sowohl auf Häftlingsseite als auch auf Seiten der SS.Leute zahlreiche Namen. Die Angaben dieser Namen erfolgt dabei in keinem Fall abstrakt etwa in Form eines Stellen- oder Organisationsplanes, sondern immer nur im Zusammenhang mit bestimmten, genau geschilderten Ereignissen des Lagerlebens.
Die Kammer hat sich, wie bereits erwähnt, im Laufe der Hauptverhandlung bemüht, diese Angaben von Dr. Novy soweit als möglich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dabei konnten praktisch keine Fehler festgestellt werden, wobei die Frage, wer am Ende der Lagerzeit Rapportführer war, zunächst einmal außer Betracht bleiben sollte. Lediglich hinsichtlich des Ankunftsdatums der Häftlinge aus dem Lager Lagischa geht die Kammer davon aus, daß diese Häftlinge in der 2. Septemberhälfte 1944 nach Jaworzno gekommen sind, während Dr. Novy meint, die Ankunft sei im Oktober 1944 erfolgt.
Bei der Schilderung des Schicksals der Häftlinge zu Beginn der Lagerzeit schreibt Dr. Novy. für das Schlagen der Häftlinge sei neben den SS. Leuten, Vorarbeitern und Kapos hauptsächlich der damalige Lagerälteste Bruno Brodnewicz mit der Häftlingsnummer 1 verantwortlich gewesen. Daß Brodnewicz 1. Lagerältester war, die Nummer 1 hatte und zahlreiche Häftlinge schwer mißhandelt hat, wurde von zahlreichen Zeugen bestätigt.
Als einen weiteren für das Terrorisieren der Häftlinge verantwortlichen Mithäftling nennt Dr. Novy den Oberkapo des Kraftwerkkommandos namens Sigmund Kittel. Daß der Oberkapo Sigmund hieß, hat zum Beispiel der Zeuge Sicinski bestätigt.
Sehr ausführlich schildert Dr. Novy die Flucht des 2. Lagerältesten Kurt Pennowitz aus dem Lager Jaworzno, als deren Datum er den 23. Dezember 1944 angibt.
Dabei schreibt Novy unter anderem, Pennowitz sei nach Abgang des Lagerältesten Brodnewicz im April des Jahres 1944 der 2. Lagerälteste des Lagers Jaworzno geworden. Wörtlich heißt es dann weiter:
„...Der neue Lagerälteste lebte im Wohlstand. Tag für Tag ging er in Bekleidung seines befreundeten Unterscharführers Paul Krause zum Bau des Elektrizitätswerkes und nachts schlief er, öfters als in seiner Lagerunterkunft, bei Weibern in Jaworzno.......
Gerade deshalb überraschte seine Flucht in der Nacht des 23. Dezember 1944, als er irgendwo beim Bummel durch Jaworzno seinen korrupten und offensichtlich betrunkenen Begleiter Krause verließ und spurlos verschwand,...
Die Flucht von Pennowitz hatte für Krause die Strafversetzung in ein anderes Lager zur Folge. Der Lagerkommandant Pfütze tobte, es ging schließlich um einen Häftling, der sämtliche Massenhinrichtungen mitgemacht hatte, beginnend mit....“
Im Anschluß daran beschreibt Dr. Novy den Lagerführer Bruno Pfütze, wobei er auch seine Herkunft, Ausbildung, Rang sowie seine persönlichen Verhältnisse schildert. Daß diese Angaben zur Person des Lagerführers Pfütze richtig sind, wurde bereits dargelegt.
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Bei der Beschreibung des Lagerführers Pfütze erwähnt Dr. Novy, daß dieser einen persönlichen Diener, Kalfaktor genannt, gehabt habe. Bei diesem habe es sich um einen kleinen, etwa dreißigjährigen Polen namens Wiktor Pasikowski mit der Häftlingsnummer 745 gehandelt. Dieser sei dem Lagerführer nicht treu gewesen und am 29.11.1944 aus dem Lager geflohen.
Hierzu ist zu bemerken, daß diese Angaben von Dr. Novy über die Person und die Flucht des Kalfaktors des Lagerführers in vollem Umfang durch die Aussagen der Zeugen Wiktor Pasikowski und Wlodzislaw Smigielski bestätigt worden sind. Der Zeuge Pasikowski hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung glaubhaft bestätigt, daß er dem Lagerführer Pfütze zur persönlichen Dienstleistung zugeteilt gewesen sei, daß man ihn Kalfaktor gerufen und daß er die Häftlingsnummer. 745 gehabt habe. Weiter hat der Zeuge Pasikowski ausgesagt, er sei am 29.11.1944 aus dem Lager Jaworzno geflohen. Allerdings vermochte der Zeuge dieses für ihn so wichtige Datum aus der eigenen Erinnerung nicht mehr richtig anzugeben. Er meinte zunächst, seine Flucht sei am 19. oder 29.10.1944 gewesen. Erst nach einem entsprechenden Vorhalt erklärte der Zeuge dann, seine Flucht sei am 19. oder 29.11.1944 erfolgt. Daß die Angaben des Fluchtdatums durch Dr. Novy richtig ist, ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen Smigielski. Dieser hat glaubhaft bekundet, er sei zusammen mit Pasikowski am 29.11.1944 aus dem Lager geflohen. Hinsichtlich dieses Datums sei er sich ganz sicher, da er diesen Tag als 2. Geburtstag begehe.
Schließlich sind auch die Angaben von Dr. Novy richtig, Pasikowski sei klein und etwa 30 Jahre alt gewesen. Bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 5.12.1977 hat der Zeuge Pasikowski dazu ausgesagt, er sei 1,54 m groß und 64 Jahre alt. Bei seiner Flucht aus dem Lager Jaworzno war er damals deshalb gerade 31 Jahre alt.
Daß Dr. Novy den gesamten Vorgang der Vorbereitung einer Massenflucht mit der Verhaftung von etwa 50 Häftlingen am 18.10.1943 und der Erhängung von 26 Häftlingen am 6.12.1943 richtig beschrieben hat, wurde bereits ausgeführt.
Bei der Schilderung des Verhaltens von Blockältesten und Kapos gegenüber Häftlingen nennt Dr. Novy die Namen Alfred Vogel und Gustav Klotzer, genannt Gustek. An diese beiden Häftlingsfunktionäre haben sich zahlreiche Zeugen in der Hauptverhandlung noch erinnert. Soweit Dr. Novy dabei schreibt, es sei im Lager auch Fußball gespielt worden, hat dies der Zeuge Seidmann bestätigt. Er hat ausgesagt, er habe dabei selbst mitgespielt. Neben dem Lagerführer Bruno Pfütze hat Dr. Novy jeweils im Rahmen der Schilderung von besonderen Ereignissen noch die SS. Leute Willers, Witowski und Paul Kraus erwähnt. Soweit Dr. Novy dabei schreibt, Witowski sei der Chef der politischen Abteilung in Jaworzno und Willers sei ebenfalls bei dieser Abteilung gewesen, wurde bereits ausgeführt, daß diese Angaben richtig sind.
Den Namen Paul Kraus nennt Dr. Novy bei der Schilderung der Flucht des 2. Lagerältesten Kurt Pennowitz. Soweit Dr. Novy hierbei erwähnt, die Flucht des Pennowitz habe für Kraus die Strafversetzung in am anderes Lagen zur Folge gehabt, sieht die Kammer diese Angaben aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung nicht als falsch an.
Zwar wollen mehrere Zeugen den SS.Mann Paul Kraus, der wie erwähnt von den Häftlingen wegen einer Verletzung an seiner Hand, den Spitznamen Lapka hatte, auf dem Evakuierungsmarsch im Januar 1945 gesehen haben, darunter die Zeugen Shimoni, Grol, Weltfreid Mosche Jachimowicz, Krawicki, Zewski, Gerschon Sieradzki, Orenbach und Ojzerowicz. Ojzerowicz will sogar von Kraus einen Rucksack zum Tragen bekommen haben.
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Demgegenüber hat die Beweisaufnahme erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der SS-Unterscharführer Kraus nach der Flucht des Lagerältesten Pennowitz aus Jaworzno abgelöst worden ist.
Hierzu hat der bereits mehrfach erwähnte Zeuge Josef Weis ausgesagt, von den im Lager Jaworzno eingesetzten SS. Leuten erinnere er sich an den Unterscharführer Kraus. Dieser sei Blockführer im Lager gewesen. Kurz vor Weihnachten 1944 habe dieser eine Sache mit dem Lagerältesten gehabt. Von den SS. Leuten sei im Speiseraum der Unterkunft anläßlich des bevorstehenden Weihnachtsfestes ein gemütlicher Abend abgehalten worden. In dieser Nacht habe Kraus von Jaworzno aus den Kompaniechef angerufen. Dabei habe sich ergeben, daß Kraus den Lagerältesten mit nach Jaworzno zu Frauen genommen habe. Diese Gelegenheit habe der Lagerälteste zur Flucht genutzt. Der Lagerführer Pfütze sei darüber sehr ungehalten gewesen und habe ihn, den Zeugen gefragt, ob er Krans hierzu die Erlaubnis gegeben habe. Dies habe er verneint. Kraus habe ohne Erlaubnis nicht das Recht gehabt, den Lagerältesten mit aus dem Lager zu nehmen. Durch diesen Vorfall sei der gemütliche Abend unterbrochen worden. Am folgenden Tag sei der Hauptsturmführer Schwarz, dem alle Nebenlager unterstanden hätten, gekommen und habe Kraus mitgenommen. Er sei sich sicher, daß Kraus danach nicht mehr in Jaworzno aufgetaucht sei.
Der Zeuge Wolf Swift hat bei seiner Vernehmung vor dem Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Sydney am 15. Juli 1980 ausgesagt, er selbst sei neben seiner eigentlichen Arbeit auch für den 2 Lagerältesten Kurt tätig gewesen. Kurt sei mit einem SS. Mann namens Kraus befreundet gewesen. Dieser SS. Mann habe den Spitznamen Rounschka oder Lapka gehabt, weil ihm an einer Hand 2 Finger gefehlt hätten.
Kraus habe den Lagerältesten Kurt mit aus dem Lager genommen, wenn er die Nachtschicht zur Kohlengrube gebracht habe. Er habe den Lagerältesten Kurt bei einer Frau gelassen und ihn dann auf dem Rückweg mit den Häftlingen der Mittagsschicht wieder mit in das Lager genommen. Normalerweise sei der Lagerälteste Kurt dann zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr wieder in das Lager zurückgekommen. Er habe auf die Rückkehr jeweils gewartet, weil er seine Stiefel habe putzen müssen. Eines Tages sei der Lagerälteste Kurt auch bis 23.30 Uhr nicht zurückgekommen. Ebenso sei Kraus nicht ins Lager gekommen. Stattdessen sei der Lagerführer mit 3 oder 4 anderen SS. Leuten zu ihm, dem Zeugen gekommen und habe gefragt, wo der Kurt sei. Als er dem Lagerführer erklärt habe, Kraus habe den Kurt mitgenommen, habe dieser Einzelheiten wissen wollen. Darauf sei er auch selbst von dem Lagerführer geschlagen worden. Kraus sei nach diesem Vorfall arrestiert worden und aus dem Lager verschwunden. Er sei nie wieder nach Jaworzno zurückgekehrt und habe auch am Evakuierungsmarsch nicht teilgenommen.
Der Zeuge Dr. Paul Heller hat erklärt, seiner Erinnerung nach sei Kraus nicht bis zum Schluß im Lager Jaworzno gewesen. Im gleichen Sinn hat sich auch der Zeuge Wigdor geäußert.
Aus den Aussagen der Zeugen Weis und Swift ergibt sich im Übrigen, daß Dr. Novy auch die Umstände der Flucht und den Zeltpunkt, nämlich kurz vor Weihnachten, richtig wiedergegeben hat.
Besondere Bedeutung kommt nach Meinung der Kammer in diesem Zusammenhang den Aussagen der Zeugen Weis und Swift zu. Denn diese beiden wurden als einzige der vernommenen Zeugen durch die Flucht des Lagerältesten Kurt Pennowitz persönlich betroffen, so daß davon ausgegangen werden kann, daß ihre Erinnerung an diesen Vorfall auch besonders gut und sicher ist. Im Übrigen hält es die Kammer für sehr unwahrscheinlich, daß die Flucht eines so wichtigen Häftlings wie es der Lagerälteste war für den SS. Mann, der diese Flucht durch befehlswidriges Verhalten ermöglicht hat, ohne ernsthaften Folgen geblieben ist.
Aschaffenburg (Auschwitz Prozess) Teil 6