SS-Unterscharführer
* 14.12.1902 in Mährisch-Lotschnau
† 18.08.1984 in Plochingen
Sudetendeutscher
Sohn eines Tabakfabrikarbeiters
fünf (vier) Geschwister
Bäckerlehre in Zwittau
Beruf: Bäcker/Arbeiter/Landarbeiter
Mitglied der Sudetendeutschen Partei (SdP)
ab 1924 arbeitete er bei tschechischen Bauern.
1925 kehrte er nach Zwittau zurück, um dort als Weber zu arbeiten.
ab 00.01.1938
Mitglied der NSDAP
ab 26.01.1940
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS
26.01.1940
Beförderung zum SS-Schützen
ab 01.08.1940 Angehöriger des Wachbataillon im KL Auschwitz
(zeitweise Kommandoführer)
01.07.1941
Beförderung zum SS-Sturmmann
Er erkrankte 1942 schwer und kehrte erst gegen Ende des Jahres zum Dienst zurück. Er wurde nach seiner Rückkehr zunächst der Abteilung des SS-Standortarztes zugeteilt und übte nach einiger Zeit die Tätigkeit eines Sanitätsdienstgrads im Krankenbau aus. Seine Tätigkeit als Sanitätddienstgrad umfasste auch die Selektion entkräfteter Häftlinge und das Töten der Häftlinge mittels Phenolinjektionen.
01.02.1942
Beförderung zum SS-Rottenführer
Auschwitz, 5. Februar 1942
Kommandanturbefehl Nr. 3/42
Mit Wirkung vom 1. Februar 1942
wurde der SS-Sturmmann d.Res. Hand Emil zum SS-Rottenführer d.R ernannt.
ab 1943 SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) im Häftlingskrankenbau des Stammlagers Auschwitz
01.09.1943
Beförderung zum SS-Unterscharführer
ab April 1944 auf sechs Monate im KL Monowitz eingesetzt
ab Ende 1944 Angehöriger der Lagermannschaft im NL Neu-Dachs (Jaworzno)
(Als das Lager aufgelöst wurde und gleichzeitig der militärische Rückzug eingeleitet wurde, gelang es Hantl, sich von der Auschwitzer SS abzusetzen und bei einer Einheit der Organisation Todt zu melden. Er wurde daraufhin als Angehöriger der Organisation Todt und nicht als Waffen-SS-Mitglied von amerikanischen Soldaten gefangengenommen, und kam deshalb nach wenigen Wochen wieder frei. Sein Ausweis, der ihn als Mitglied der Organisation Todt auswies, schützte ihn vor einer schwereren Strafe.)
Angehöriger der Lagermannschaft im KL Mauthausen
Er zog Anfang der 1950er Jahre ins fränkische Marktredwitz, wo er wieder als Weber arbeitete.
Im Auschwitz-Prozeß meist als anständig beschrieben, der Häftlinge nicht geschlagen habe. Er selbst stellte sich als Wohltäter dar, der 1945 in Mauthausen angeblich 3000 Häftlinge vor dem Tod in der Gaskammer rettete.
am 20.08.1965 vom LG Frankfurt wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens 40 Fällen zu 31 Jahren Haft verurteilt, durch U-Haft verbüßt und entlassen. Laut Urteil soll er nicht eigenhändig gespritzt, sondern die Tötungen durch Häftlinge beaufsichtigt haben. Der zum Abspritzen bestimmte Häftling wurde auf einen Stuhl gesetzt, und sein Oberkörper war frei. Ein anderer Häftling hielt ihm beide Arme zurück, wieder ein anderer Häftling spritzte ihn mit einer 5- oder 10- ccm-Spritze.
Laut Häftlingsarzt Fejkiel beteiligt am »Abspritzen« von Häftlingen, u. a. 1943 jüdische Kinder aus Zamosc, nachdem SDG Scherpe nach Tötung eines Teils der Kinder zusammengebrochen war. (Die Jugendlichen aus dem Gebiet von Zamosc in Polen wurden am Nachmittag des 23. Februar 1943 mit Phenolinjektionen ins Herz getötet, nachdem sie am Vormittag noch auf dem Hof des Krankenhauses von Auschwitz Ball spielen durften.)
Auschwitz-Prozess - Urteil
LG Frankfurt/Main vom 19./20.8.1965, 4 Ks 2/63
Der Angeklagte Hantl ist am 14.12.1902 in Mährisch-Lotschnau als Sohn eines Tabakfabrikarbeiters geboren. Er hatte noch 4 Geschwister. Davon leben noch zwei Schwestern. Der Angeklagte besuchte in Mährisch-Lotschnau 8 Jahre die Volksschule. Von 1917 bis 1920 lernte er das Bäckerhandwerk. Nach Abschluss der Lehre arbeitete er als Hilfsarbeiter in der Textilfabrik Ettel in Zwittau. 1924 wurde er arbeitslos. Er ging nun nach Böhmen, wo er bei einem tschechischen Bauern für ein Jahr Arbeit in der Landwirtschaft fand. Danach kehrte er wieder nach Zwittau zurück, wo er in der Firma Heinrich Klinger, einer jüdischen Firma, die im Jahre 1940 von einem Deutschen übernommen wurde, als Weber arbeiten konnte.
Der Angeklagte gehörte in der Tschechoslowakei dem Deutschen Turnverband an. Nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen (1938) wurde dieser Verband - wie der Angeklagte angibt - in die SS übernommen. So wurde der Angeklagte Mitglied der allgemeinen SS. Ausserdem trat er in die NSDAP ein. Der Angeklagte wurde am 21.01.1940 zur Waffen-SS nach Breslau einberufen. Er wurde dann bei der SS-Totenkopfstandarte Lodz als Infanterist ausgebildet.
Am 01.08.1940 wurde er mit weiteren 35 SS-Männern zum Wachsturmbann des KZ Auschwitz versetzt. Damals waren etwa 1700 Häftlinge mit dem Aufbau des Lagers beschäftigt. Der Angeklagte tat Dienst als Wachmann bei den Arbeitskommandos. Später hatte er ein Häftlingskommando von 7 Mann zu überwachen, das mit Aufräumungsarbeiten in der Fourierstelle und bei der Essensausgabe in der Küche beschäftigt war. An Pfingsten 1942 wurde der Angeklagte krank. Wegen Magenbeschwerden kam er in das Lazarett nach Kattowitz. Nach dem Lazarettaufenthalt unterzog er sich noch einer Kur. Gegen Weihnachten 1942 kehrte er wieder nach Auschwitz zurück. Er kam auf Veranlassung des Standortarztes Dr. Wirths als SDG in den HKB. Alsbald musste er an einem Kursus im Hygienischen Institut in Berlin teilnehmen, wo er in der Durchführung von Wasseranalysen ausgebildet wurde. Nach seiner Rückkehr nach Auschwitz wurde er wieder als Sanitäter im HKB eingesetzt. Er war als Rottenführer etwa ein Jahr lang als alleiniger SDG im Lager tätig.
Im April oder Mai 1944 kam er nach Monowitz, wo er im HKB als SDG etwa 6 Monate tätig war. Dann kam er nach Jawoschno wo er die gleiche Tätigkeit ausübte. Nach der Räumung des Lagers setzte er sich zusammen mit noch anderen SS-Angehörigen ab. Aus Furcht, als Deserteur aufgegriffen zu werden, suchte und fand er jedoch wieder Anschluss an eine SS-Einheit, die einen Häftlingstransport aus dem Lager Mauthausen nach Nordhausen begleitete. Bei dieser Einheit blieb er jedoch nur drei Tage. Danach setzte er sich erneut - und zwar nach Rybnik - ab. Dort meldete er sich bei einer OT-Einheit.
Nach Überschreitung der Enz wurde er von amerikanischen Truppen gefangen genommen, die ihn jedoch nach drei Wochen wieder entliessen, weil er einen OT-Ausweis bei sich trug und verschwieg, dass er zur Waffen-SS gehört hatte und im KZ Auschwitz eingesetzt gewesen war.
Nach seiner Entlassung ging der Angeklagte nach Passau, dann nach Regensburg und kam schliesslich nach München-Reuth. Dort arbeitete er 4 1/2 Jahre lang in der Landwirtschaft. Schliesslich kam er nach Marktredwitz, wo er bis zu seiner Festnahme in dieser Sache bei der Firma Bencker als Weber arbeitete.
Der Angeklagte Hantl ist ledig. Er befand sich vom 26.05.1961 bis zum 19.08.1965 in dieser Sache in Untersuchungshaft.
II. Tatsächliche Feststellungen
1. Die Mitwirkung des Angeklagten Hantl bei der Tötung von kranken und schwachen Häftlingen durch Phenol
Der Angeklagte Hantl kam - wie bereits bei seinem Lebenslauf ausgeführt - etwa um die Weihnachtszeit 1942 als SDG in den HKB. Zu dieser Zeit war der Angeklagte Scherpe krank. Anfang 1943 trat noch ein weiterer SDG, der Unterscharführer Nierwicki, den Dienst im HKB an. Mit ihm zusammen nahm der Angeklagte Hantl wiederholt an den "Untersuchungen" von sog. Arztvorstellern im Block 28 durch den Lagerarzt Dr. Entress teil. Dabei lernte er das Verfahren kennen, durch das kranke und schwache Häftlinge zur Tötung mit Phenol ausgewählt wurden. Er selbst will bei diesen "Untersuchungen" nur untätig dabeigestanden und keine besondere Tätigkeit verrichtet haben.
Auf Befehl des Lagerarztes ging der Angeklagte Hantl wiederholt im Anschluss an diese "Untersuchungen", nachdem die Vorbereitungen für die Tötung der ausgewählten Häftlinge getroffen waren (Erstellung der Liste mit den Namen und Nummern der Opfer, Verbringung der Opfer in den Block 20), durch den Haupteingang in Block 20 hinein und begab sich dort auf das Zimmer Nr.1. Dort fanden sich ausserdem zwei Funktionshäftlinge ein, denen der Angeklagte Hantl das Phenol zur Tötung der Opfer aushändigte. Dann liess der Angeklagte Hantl die im Flur hinter dem Vorhang oder im grossen Waschraum des Blockes 20 wartenden nackten Häftlinge durch den Schreiber des Blockes 20 einzeln und nacheinander in das Zimmer Nr.1 hereinführen. Die Häftlinge wurden einzeln und nacheinander auf einem Schemel sitzend von dem einen der beiden Funktionshäftlinge durch Phenol auf die bereits mehrfach beschriebene Weise getötet. Der andere Funktionshäftling hielt jeweils die Opfer. Der Angeklagte Hantl führte bei diesen Tötungsaktionen jeweils die Aufsicht. Er blieb stets bis zur Beendigung der Aktion im Zimmer Nr.1. Die Leichen der Opfer wurden sofort nach der Einspritzung des Phenol in den dem Zimmer Nr.1 gegenüberliegenden Waschraum gebracht, wo sie bis zur Abholung durch Leichenträger liegen blieben.
Der Angeklagte Hantl hat mindestens achtmal solchen Tötungsaktionen beigewohnt und dabei die Aufsicht geführt, nachdem er den Funktionshäftlingen das für die Tötungen erforderliche Phenol ausgehändigt hatte. Bei jeder dieser Aktionen sind mindestens 5 Häftlinge getötet worden. Der Angeklagte Hantl wusste, dass die kranken und schwachen Häftlinge unschuldig nur deswegen getötet wurden, weil sie wegen ihrer Erkrankung und wegen des Ausfalls ihrer Arbeitskraft nicht mehr nützlich erschienen.
2. Die Beteiligung des Angeklagten Hantl an Selektionen durch den Lagerarzt Dr. Entress im HKB
Der Angeklagte Hantl hat den Lagerarzt Dr. Entress mindestens zweimal auf dessen Befehl hin auf "Selektionsgängen" durch den HKB begleitet, bei denen der Lagerarzt kranke und schwache Häftlinge für die Tötung durch Zyklon B aussuchte. In diesen beiden Fällen sah sich der Lagerarzt Dr. Entress die Fieberkurven der Kranken an. Häftlinge, die schon längere Zeit im HKB lagen und bei denen nach Meinung des Arztes nicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden konnte, bestimmte er zur Tötung, indem er die Fieberkurven dem Angeklagten Hantl aushändigte. Dieser behielt die Fieberkurven bis zur Beendigung der Selektion in der Hand. Er wusste, dass die Häftlinge, deren Fieberkurven er in der Hand hielt, später nach Birkenau gebracht und dort durch Zyklon B in einer der Gaskammern getötet werden sollten. Nach Beendigung der Selektion brachte der Angeklagte Hantl die Fieberkurven der Opfer zur Schreibstube des HKB im Block 21. Dort wurde auf seine Anweisungen hin von Häftlingsschreibern an Hand der Fieberkurven eine Liste mit den Namen und Nummern der betreffenden Häftlinge erstellt. Am nächsten oder übernächsten Tag kamen LKWs in den Lagerabschnitt des HKB gefahren. Die auf der genannten Liste aufgeführten Häftlinge wurden aufgerufen. Sie mussten die LKWs besteigen. Dann wurden sie nach Birkenau zu einer der Gaskammern gefahren. In ihr wurden sie durch Zyklon B getötet.
In den beiden Fällen, in denen der Angeklagte Hantl dem Lagerarzt Dr. Entress bei den Selektionen assistiert hatte, sind mindestens je 170 Häftlinge, insgesamt also 340 Häftlinge für den Tod ausgewählt und anschliessend in einer der Gaskammern in Birkenau getötet worden.
Der Angeklagte Hantl wusste, dass die Kranken nur deswegen unschuldig getötet wurden, weil sie wegen ihrer Erkrankung und wegen des Ausfalls ihrer Arbeitskraft nicht mehr nützlich erschienen.
III. Einlassung des Angeklagten Hantl, Beweismittel, Beweiswürdigung
1.
Die Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten Hantl beruhen auf seiner eigenen Einlassung.
2. Zu II.1.
Der Angeklagte Hantl hat eingeräumt, dass er mindestens achtmal die Aufsicht bei Tötungsaktionen im Zimmer Nr.1 des Blockes 20 geführt hat und dass in jedem dieser Fälle mindestens fünf Häftlinge durch einen Funktionshäftling getötet worden sind. Allerdings bestreitet er, dem Funktionshäftling das für die Tötung erforderliche Phenol ausgehändigt zu haben. Insoweit ist seine Einlassung jedoch unglaubhaft. Denn aus zwei Urkunden vom 1.4. bzw. 19.4.1943, die in der Hauptverhandlung verlesen worden sind, ergibt sich, dass er jeweils 1 kg Phenol aus der SS-Apotheke angefordert hat. Beide Urkunden trugen die Unterschrift des Angeklagten Hantl. Der Angeklagte hat anerkannt, dass die Unterschriften auf den Urkunden von ihm stammen. Daraus folgt, dass er etwas mit der Verwaltung und Verwahrung des Phenols zu tun gehabt haben muss. Ferner hat der Angeklagte Scherpe angegeben, dass er jeweils den Funktionshäftlingen das Phenol vor den Tötungsaktionen habe aushändigen müssen. Das Phenol musste nach Einlassung des Angeklagten Scherpe von den SDGs unter Verschluss gehalten werden. Aus Sicherheitsgründen hat man den Häftlingen keine Verfügungsmöglichkeit über das Phenol eingeräumt. Das Schwurgericht ist daher überzeugt, dass auch der Angeklagte Hantl den Funktionshäftlingen ebenfalls kurz vor den Tötungsaktionen das Phenol aushändigen musste und auch ausgehändigt hat.
Über die vom Angeklagten Hantl zugegebene Mitwirkung bei den Tötungsaktionen hinaus konnte jedoch im übrigen nicht festgestellt werden, dass er auch eigenhändig Häftlinge durch Phenolinjektionen getötet hat. Der Angeklagte Hantl hat dies von Anfang an entschieden in Abrede gestellt. Seine Einlassung ist von seiner ersten Vernehmung bis zu seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung stets gleich geblieben.
Der Zeuge Gl. will allerdings gesehen haben, wie der Angeklagte Hantl Häftlinge eigenhändig umgebracht habe. Gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen bestehen jedoch Bedenken, wie bereits bei der Erörterung der Straftaten des Angeklagten Dylewski und des Angeklagten Scherpe ausgeführt worden ist. Weitere Bedenken ergeben sich aus folgendem: Der Zeuge Gl. hat behauptet, dass dem Angeklagten Hantl, wenn er Häftlinge eigenhändig getötet habe, ein jüdischer Häftling namens Wei. assistiert habe. Der Zeuge Wei. hat jedoch in der Hauptverhandlung bekundet, dass er nie gesehen habe, dass der Angeklagte Hantl, den sie in Auschwitz Schewczyk genannt hätten, selbst Phenolinjektionen gegeben habe. Wenn die polnischen Funktionshäftlinge Stössel oder Panczyk die Häftlinge getötet hätten, hätte der Angeklagte Hantl - so hat der Zeuge ausgesagt - am Fenster gestanden und hätte nicht zusehen wollen. Er sei gegenüber dem Angeklagten Klehr, den die Häftlinge im HKB den Teufel genannt hätten, wie ein Engel gewesen. Mit dem Zeugen Gl. habe er - der Zeuge Wei. - nie zusammen Dienst gemacht.
Die Aussage des Zeugen Gl. kann daher nicht der Wahrheit entsprechen.
Die Aussage des Zeugen Glo. ist bereits bei der Erörterung der Straftaten des Angeklagten Scherpe gewürdigt worden. Glo., der zunächst behauptet hatte, dass Hantl nach Abbruch der Tötungsaktion der Kinder die überlebenden Kinder umgebracht habe, hat dann diese Behauptung nicht aufrecht erhalten. Er hat eingeräumt, dass er sich an Hantl nicht erinnern könne. Auch bei seiner früheren Vernehmung im Ermittlungsverfahren hat der Zeuge Glo., was ihm in der Hauptverhandlung vorgehalten und von ihm auch bestätigt worden ist, nichts davon erwähnt, dass der Angeklagte Hantl eigenhändig Phenolinjektionen gegeben oder die Kinder getötet habe. Der Zeuge Dr. Kl. hat bekundet, dass der Angeklagte Hantl, nachdem der Angeklagte Scherpe die Tötungsaktion der Kinder abgebrochen habe, die noch überlebenden Kinder getötet habe. Der Zeuge hat dies jedoch nicht mit eigenen Augen gesehen. Er war nach seiner Aussage nicht selbst bei der Tötungsaktion dabei. Er befand sich nur im Block 20 und erfuhr von der Aktion. Er hat auch nicht den Angeklagten Hantl gesehen. Seine Behauptung, Hantl habe die Aktion gegen die Kinder fortgesetzt, beruht nur auf Erzählungen anderer, wobei jedoch nicht feststeht, dass dem Zeugen Kl. richtig berichtet worden ist.
Der Zeuge Dr. F. will von den Funktionshäftlingen Schwarz und Gebhardt erfahren haben, dass der Angeklagte Hantl die Tötung der Kinder fortgesetzt habe. Im Ermittlungsverfahren hat der Zeuge noch erklärt, dass er selbst gesehen habe, wie der Angeklagte Hantl eigenhändig die Kinder getötet habe. Diese Aussage hat er in der Hauptverhandlung nicht mehr aufrecht erhalten. Wenn der Zeuge auch im übrigen zuverlässig erschien und einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat, besteht doch die Möglichkeit, dass er auf Grund der vielen Gespräche und Diskussionen, die unter den Häftlingen im Lager oder nach der Lagerzeit gerade über die Tötungsaktionen der Kinder geführt worden sind, guten Glaubens jetzt irrig annimmt, dass ihm die Funktionshäftlinge Schwarz und Gebhardt über die Fortsetzung der Aktion durch den Angeklagten Hantl berichtet haben, ohne dass dies zutrifft.
Bedenken, dass der Angeklagte Hantl die Kinder nach Abbruch der Aktion des Scherpe getötet hat, bestehen deswegen, weil der Angeklagte Scherpe damals als Vertreter des Angeklagten Hantl in den HKB als SDG gekommen ist. Wahrscheinlich war der Angeklagte Hantl zu dieser Zeit gar nicht im HKB anwesend. Denn andernfalls hätte es einer Vertretung durch den Angeklagten Scherpe nicht bedurft. Der Angeklagte Hantl hat von Anfang an entschieden in Abrede gestellt, irgend etwas mit der Tötung der Kinder zu tun gehabt zu haben, während er von Anfang an zugegeben hat, bei der Tötung von anderen Häftlingen durch Phenol die Aufsicht geführt zu haben.
Das Schwurgericht konnte daher nicht die sichere Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte Hantl tatsächlich die noch überlebenden Kinder selbst getötet oder bei ihrer Tötung die Aufsicht geführt hat.
Ferner will noch der Zeuge Wö. den Angeklagten Hantl mindestens einmal dabei gesehen haben, wie er einen Häftling eigenhändig "abgespritzt" habe. Diese Behauptung des Zeugen Wö. erscheint jedoch nicht zuverlässig genug, um sichere Feststellungen darauf stützen zu können. Denn der Zeuge hat im Verlaufe des Verfahrens voneinander abweichende Angaben bezüglich des Angeklagten Hantl gemacht.
Bei seiner ersten Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft hat er angegeben, dass der Angeklagte Hantl, wie er selbst gesehen habe, Häftlinge "abgespritzt", d.h. durch Phenol getötet habe. Nach dieser ersten Aussage müsste er also mehrfach gesehen haben, wie Hantl eigenhändig Häftlinge getötet hat. Bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter hat der Zeuge Wö. diese Aussage nicht mehr in dieser Form aufrecht erhalten. Er hat nur bekundet, dass sich der Angeklagte Hantl in dem Zimmer Nr.1, in dem die "Abspritzungen" vorgenommen worden seien, befunden habe und dass er - der Zeuge - gesehen habe, wie dann laufend nackte Häftlinge in dieses Zimmer hineingeführt worden seien. Dass er die Tötungshandlung selbst gesehen habe, hat er bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter nicht behauptet. Er hat bei dieser Vernehmung nur eine Schlussfolgerung gezogen, indem er erklärt hat, in dem Zimmer Nr.1 sei sonst kein anderer SDG gewesen, daher müsse der Angeklagte Hantl die Abspritzungen vorgenommen haben. Er hat jedoch auf Befragen hinzugefügt, dass es möglich sei, dass Hantl einem Funktionshäftling den Befehl gegeben habe, an seiner Stelle die Opfer zu töten. Nach dieser Aussage vor dem Untersuchungsrichter kann der Zeuge Wö. somit nicht Augenzeuge der Tötungshandlungen gewesen sein.
In der Hauptverhandlung hat dann der Zeuge Wö. wieder - wie bei seiner ersten Vernehmung - behauptet, dass Hantl Häftlinge durch Phenolinjektionen getötet habe. Als ihm seine frühere Aussage vor dem Untersuchungsrichter vorgehalten wurde, hat er erklärt, er habe aus dem Block 19 heraus beobachtet, wie der Angeklagte Hantl im Zimmer Nr.1 des Blockes 20 eigenhändig Phenolinjektionen gegeben habe. Auf weitere Vorhalte des Verteidigers des Angeklagten Hantl hat sich der Zeuge schliesslich auf die Erklärung zurückgezogen, "er wolle ihm - dem Verteidiger - entgegenkommen" er habe bestimmt in einem Fall den Angeklagten Hantl aus Block 19 gesehen, wie er eigenhändig eine Phenolinjektion gegeben habe, in allen anderen Fällen könne das auch ein Funktionshäftling gemacht haben. Schon die Formulierung des Zeugen, "er wolle dem Verteidiger entgegenkommen" lässt Bedenken aufkommen, ob der Zeuge tatsächlich über eigene Wahrnehmungen und Beobachtungen berichtet hat. Im übrigen muss wegen der Unterschiede zwischen der ersten Aussage des Zeugen Wö. vor der Staatsanwaltschaft, wonach er mehrfach gesehen haben müsste, wie der Angeklagte Hantl eigenhändig Phenolinjektionen gegeben hat, und der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung, wonach er dies nur ein einziges Mal beobachtet haben will, und der Aussage vor dem Untersuchungsrichter, wonach der Zeuge dies selbst überhaupt nicht gesehen haben kann, vermutet werden, dass der Zeuge aus den Umständen - wie er sie bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter geschildert hat - nur den Schluss gezogen hat und zur Überzeugung gekommen ist, der Angeklagte Hantl müsse auch eigenhändig Häftlinge getötet haben und dass er, um das Gericht für seine Überzeugung zu gewinnen, die er selbst für richtig halten mag, schliesslich die angebliche Beobachtung aus dem Block 19 erfunden hat. Bei seinen abweichenden Angaben im Verlaufe des Verfahrens konnte das Gericht jedenfalls nicht die sichere Überzeugung gewinnen, dass er tatsächlich den Angeklagten Hantl einmal dabei beobachtet hat, wie dieser Häftlinge eigenhändig getötet hat. Die Schlussfolgerung des Zeugen, dass der Angeklagte Hantl, wenn er im Zimmer Nr.1 während der Tötungsaktion gewesen sei, auch eigenhändig die Häftlinge getötet haben müsse, ist nicht zwingend. Phenolinjektionen konnten auch durch Funktionshäftlinge gegeben werden. Das hat der Zeuge auch einräumen müssen. Auf Vorhalt hat er erklärt, dass er es offen lassen müsse, dass der Funktionshäftling Panczyk im Beisein des Angeklagten Hantl getötet hat.
Schliesslich hat noch der Zeuge Sau. behauptet, der Angeklagte Hantl habe auch eigenhändig Häftlinge getötet. Der Zeuge, der in Österreich lebt, konnte nicht in der Hauptverhandlung vernommen werden. Das Protokoll über seine richterliche Vernehmung vor dem Landesgericht in Wien vom 25.1.1965 wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Das Gericht konnte sich daher kein Bild über die Glaubwürdigkeit des Zeugen machen. Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung die sog. "Abspritzungen" so beschrieben, als wenn er selbst Augenzeuge gewesen sei. Dabei hat er behauptet, dass der Angeklagte Hantl selbst die tödlichen Injektionen gegeben hat. Dann hat er aber erklärt, dass er selbst nie Augenzeuge gewesen sei, sondern dass er es nur aus den Erzählungen der jüdischen Häftlingsgehilfen wisse. Seine Aussage beruht daher im wesentlichen nur auf den Erzählungen anderer. Ob ihm damals zutreffend berichtet worden ist, erscheint zumindest zweifelhaft. Der Zeuge will auch gesehen haben, dass der Angeklagte Hantl jeweils mit einem Köfferchen zu den Tötungsaktionen in den Block 20 gegangen sei. Das hat aber kein anderer Zeuge bestätigt. Der Angeklagte Hantl bestreitet es mit Entschiedenheit. Andererseits will der Zeuge zwar den Angeklagten Klehr im HKB gesehen haben, weiss aber nichts davon, dass der Angeklagte Klehr Phenolinjektionen gegeben hat, obwohl der Zeuge bereits im Spätherbst 1942 in den HKB gekommen ist. Nach den Aussagen vieler Zeugen, die bereits bei der Erörterung der Straftaten des Angeklagten Klehr genannt worden sind, war der Angeklagte Klehr aber mindestens noch bis Frühjahr 1943 im HKB als erster SDG tätig. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Zeuge Sau. den Angeklagten Hantl mit dem Angeklagten Klehr verwechselt.
Nach der Aussage des Zeugen Sau. soll der Angeklagte Hantl ferner im Mai oder Juni 1944 deutsche kriminelle Häftlinge durch Phenolinjektionen eigenhändig getötet haben. Zu dieser Zeit war der Angeklagte Hantl aber bereits im Nebenlager Monowitz. Der Zeuge legt die Tötung dieser Häftlinge dem Angeklagten Hantl daher offensichtlich zu Unrecht zur Last. Schliesslich hat der Zeuge Sau. noch behauptet, der Angeklagte Hantl habe allein Häftlinge im HKB selektiert und anschliessend getötet. Auch das ist von keinem anderen Zeugen beobachtet und bestätigt worden. Es passt auch nicht in das Persönlichkeitsbild des Angeklagten, wie es von anderen Zeugen geschildert worden ist. Die Zeugen Dr. P., Rei., Glo., Ko., Fab. und Kark. haben dem Angeklagten Hantl übereinstimmend ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der Zeuge Dr. P. hat den Angeklagten als einen ruhigen und höflichen SDG geschildert, der stets gut zu den Häftlingen gewesen sei, ihnen sogar Zigaretten gegeben habe und nie einen Häftling geschlagen habe. Er - der Zeuge Dr. P. - habe zwar im Jahre 1944 im Lager davon erfahren, dass der Angeklagte Hantl sich auch bei der Tötung von Häftlingen durch Phenolinjektionen betätigt haben solle. Er habe das damals aber schon nicht glauben wollen. Es gäbe jetzt noch ehemalige Häftlinge in Polen, die wegen des allgemeinen Verhaltens des Angeklagten im KL Auschwitz heute noch nicht glauben wollten, dass sich der Angeklagte Hantl an Tötungsaktionen beteiligt habe.
Der Zeuge Rei. hat ausgesagt, dass sie - die Häftlinge im HKB - den Angeklagten Hantl für einen anständigen Menschen gehalten hätten, Hantl habe sich bei ihm einmal über die Verhältnisse im KL Auschwitz beklagt. Er habe die schrecklichen Geschehnisse im KZ bedauert und habe ihm - dem Zeugen - erklärt, dass er es kaum noch ertragen könne. Auch der Zeuge Glo. hat den Angeklagten Hantl als einen höflichen und zuvorkommenden SDG bezeichnet, der nie Häftlinge geschlagen habe. Hantl habe die Häftlinge morgens, wenn er in den HKB hereingekommen sei und abends bevor er den HKB verlassen habe, sogar gegrüsst.
Die Zeugen Ko., Fab. und Kark. haben den Angeklagten Hantl als taktvoll, menschlich und als den anständigsten SS-Angehörigen im HKB beurteilt. Der Zeuge Wö. hat zugegeben, dass der Angeklagte Hantl wegen der "Abspritzungen" immer wieder "geseufzt" und gewünscht habe, dass endlich das "Abspritzen" aufhöre. Schliesslich sei noch einmal auf die Beurteilung des Zeugen Wei. hingewiesen, der den Angeklagten als einen "Engel" im Vergleich zum Angeklagten Klehr bezeichnet und bekundet hat, dass der Angeklagte Hantl den Tötungen nicht habe zusehen wollen.
All dies spricht gegen die Behauptung des Zeugen Sau., dass der Angeklagte Hantl selbst Selektionen durchgeführt und danach die von ihm ausgewählten Häftlinge eigenhändig getötet habe. Wahrscheinlich beruht die Aussage des Zeugen Sau. im wesentlichen auf Gerüchten und auf Erzählungen anderer Häftlinge, ohne dass nachgeprüft werden kann, ob diese Gerüchte und Erzählungen den Tatsachen entsprechen.
Das Schwurgericht konnte daher mit Sicherheit nur feststellen, dass der Angeklagte Hantl mindestens achtmal Tötungsaktionen beaufsichtigt hat, nachdem er den Funktionshäftlingen das hierfür erforderliche Phenol ausgehändigt hatte, und dass bei diesen Aktionen jeweils mindestens 5 Häftlinge, insgesamt also 40 Häftlinge, getötet worden sind.
Die Feststellung, dass der Angeklagte Hantl den Grund für die Tötung der kranken und schwachen Häftlingen gekannt hat, ergibt sich aus der gesamten damaligen Situation. Ihm kann nicht verborgen geblieben, sein, dass der Lagerarzt Dr. Entress die schwachen und kranken Häftlinge nur deswegen zur Tötung bestimmte, weil sie wegen ihrer Erkrankung und des Ausfalls ihrer Arbeitskraft nicht mehr nützlich erschienen. Denn ein sonstiger Grund wurde ihm nicht genannt. Auch lag nichts gegen die Häftlinge vor. Sie hatten sich nichts zu schulden kommen lassen. Der Angeklagte Hantl behauptet auch nicht, dass er über den Grund der Tötungsaktion nicht im Bilde gewesen sei.
3. Zu II.2.
Die Feststellungen unter II.2. beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten Hantl. Der Angeklagte hat zugegeben, dass er an den beiden Selektionen in der geschilderten Weise mitgewirkt hat.
Im übrigen konnte nicht festgestellt werden, dass er darüber hinaus noch an weiteren Selektionen teilgenommen hat oder sogar - wie der Zeuge Sau. behauptet - eigenmächtig Häftlinge für die Tötung ausgewählt hätte. Dass dem Zeugen Sau. insoweit nicht gefolgt werden kann, ist bereits ausgeführt worden. In diesen beiden Fällen ergibt sich die Feststellung, dass der Angeklagte Hantl den Grund für die "Liquidierung" der Kranken gewusst hat, ebenfalls aus den unter III.2. genannten Gründen. Die Situation war hier die gleiche, nur dass die ausgesonderten Häftlinge nicht durch Phenol, sondern durch Zyklon B getötet worden sind, weil offensichtlich die Tötung durch Phenol wegen der Anzahl der Opfer unzweckmässig erschien.
IV. Rechtliche Würdigung
1. Zu II.1.
Wie bereits unter O.IV.1. ausgeführt, war die Tötung der kranken und schwachen Häftlinge durch Phenolinjektionen Mord. Der Angeklagte Hantl hat zu diesen Mordtaten in den festgestellten Fällen dadurch kausale Tatbeiträge geleistet, dass er den Funktionshäftlingen das für die Tötung der Opfer erforderliche Phenol ausgehändigt und während der Tötungsaktionen die Aufsicht geführt hat.
Ihm war auch bewusst, dass er durch diese Tätigkeit die Mordtaten förderte. Das kann nach der gesamten Sachlage nicht zweifelhaft sein. Denn es liegt für jedermann klar auf der Hand.
Der Angeklagte Hantl hat seine Tatbeiträge auf Befehl des Lagerarztes Dr. Entress geleistet. Da er Angehöriger der Waffen-SS gewesen ist, muss seine Mitwirkung im Rahmen des §47 MStGB beurteilt werden. Der Angeklagte Hantl hat klar erkannt, dass die Tötung der kranken und schwachen unschuldigen Häftlinge ein allgemeines Verbrechen war. Das stellt er nicht in Abrede. Es ergibt sich auch daraus, dass er sich bei den Zeugen Wö. und Rei. darüber beklagt hat.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte bei den Tötungsaktionen mit Täterwillen gehandelt hat. Dagegen spricht zunächst, dass er die Phenolinjektionen nicht eigenhändig gegeben, sondern die Tötung der Häftlinge den Funktionshäftlingen überlassen hat. Ferner spricht sein allgemeines sonstiges Verhalten im HKB, wie es sich aus den Aussagen der unter III.2. aufgeführten Zeugen Dr. P., Rei., Glo., Ko., Fab. und Kark. ergibt, dagegen, dass der Angeklagte Hantl die Tötung der unschuldigen Häftlinge innerlich bejaht und zu seiner eigenen Sache gemacht hätte. Aus der Tatsache, dass er sich bei den Zeugen Rei. und Wö. über die Verhältnisse im KL Auschwitz und insbesondere über die sog. "Abspritzungen" beklagt hat, ist vielmehr zu ersehen, dass er nur widerstrebend bei den Tötungsaktionen mitgemacht und diese innerlich nicht bejaht hat. Er hat nur aus einer falsch verstandenen Gehorsamspflicht heraus das getan, was ihm der Lagerarzt Dr. Entress befohlen hatte.
Andererseits hat der Angeklagte Hantl als Gehilfe die Mordtaten bewusst unterstützt. An dem Gehilfenwillen fehlt es nicht schon deswegen - wie bereits bei der Erörterung der Straftaten des Angeklagten Dr. L. und des Angeklagten Scherpe ausgeführt worden ist - weil er nur widerstrebend die Mordtaten gefördert hat. Entscheidend ist vielmehr, dass er in dem Bewusstsein, die Mordtaten zu fördern, durch Handlungen, die von seinem freien Willen abhängig waren, kausale Tatbeiträge geleistet hat.
Da er nach den getroffenen Feststellungen auch die Tatumstände gekannt hat, die den Beweggrund für die Tötungen der Häftlinge als niedrig kennzeichnen, hat er vorsätzlich Beihilfe zu den Mordtaten im Zusammenwirken mit anderen geleistet. Der Angeklagte Hantl hat sich nicht in einem Befehlsnotstand befunden. Er beruft sich selbst nicht darauf, dass ihn der Lagerarzt Dr. Entress oder ein anderer hierzu durch eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gezwungen habe. Er hat die Befehle, ohne nach einem Ausweg zu suchen, aus einer falsch verstandenen Gehorsamspflicht heraus, vielleicht auch um irgendwelchen Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen, aus freien Stücken, wenn auch widerwillig, befolgt.
Irgendwelche Rechtfertigungs- oder sonstige Schuldausschliessungsgründe für seine Handlungsweise sind nicht ersichtlich.
Er war daher wegen seiner Mitwirkung an den mindestens acht Tötungsaktionen wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zu gemeinschaftlichem Mord in mindestens 40 Fällen (§§47, 49, 211, 74 StGB) zu verurteilen.
2. Zu II.2.
Die Tötung der mindestens zweimal 170 unschuldigen Kranken in einer der Gaskammern in Birkenau war ebenfalls Mord. Denn die Tötung dieser Menschen erfolgte ebenfalls aus niedrigen Beweggründen. Es gilt hier das gleiche, was bereits bezüglich der Tötungen von kranken und schwachen Häftlingen durch Phenol oder durch Zyklon B unter O.IV.1. - 6. ausgeführt worden ist. Der Angeklagte Hantl hat diese Mordtaten ebenfalls gefördert, indem er den Lagerarzt Dr. Entress bei seinen Selektionsgängen durch den HKB begleitet, die Fieberkurven der für den Tod ausgewählten Häftlinge eingesammelt und anschliessend zur Häftlingsschreibstube gebracht hat, wo anhand der Fieberkurven die Liste der Opfer aufgestellt wurde. Diese Liste war eine wichtige Voraussetzung für den Tod der Opfer. Denn nur anhand der Liste konnte überprüft werden, dass auch alle vom Lagerarzt Dr. Entress für den Tod ausgesuchten Häftlinge getötet wurden.
Auch in diesem Fall hat der Angeklagte Hantl auf Befehl des Lagerarztes Dr. Entress mitgewirkt, so dass §47 MStGB zur Anwendung kommt. In beiden Fällen wusste der Angeklagte Hantl, dass die Tötung der kranken Häftlinge durch Zyklon B ein allgemeines Verbrechen war. Er bestreitet das nicht.
Die Art seiner Teilnahme ist genau so zu beurteilen, wie seine Teilnahme an den Tötungsaktionen durch Phenolinjektionen. Es kann daher auf IV.1. Bezug genommen werden. In diesen beiden Fällen kann daher - aus den gleichen Gründen wie dort ausgeführt - nur festgestellt werden, dass der Angeklagte Hantl die Mordtaten als Gehilfe gefördert hat. Er hat das Bewusstsein gehabt - was nach der gesamten Sachlage nicht zweifelhaft sein kann und was er auch nicht bestreitet - durch die geschilderte Mitwirkung zu dem Tod der 340 Opfer einen gewissen Beitrag zu leisten.
Da er nach den getroffenen Feststellungen auch gewusst hat, dass die Opfer nur wegen ihrer Erkrankung als unnütze Esser liquidiert werden sollten, hat er auch die Umstände gekannt, die den Beweggrund für die Tötung der Häftlinge als niedrig kennzeichnen. Er hat somit vorsätzliche Beihilfe zu zwei Mordtaten, jeweils begangen an je 170 Menschen, geleistet.
Die Tötung der beiden Gruppen von Menschen ist jeweils als eine selbständige Handlung im Sinne einer gleichartigen Tateinheit anzusehen. Denn die je 170 Menschen sind jeweils durch eine einzige Handlung, nämlich das Einschütten des Zyklon B getötet worden.
Auch in diesen beiden Fällen sind die Voraussetzungen eines Befehlsnotstandes nicht gegeben. Der Angeklagte Hantl behauptet selbst nicht, dass er durch den Lagerarzt Dr. Entress zu der Mitwirkung gezwungen worden sei.
Der Angeklagte Hantl war daher wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zu gemeinschaftlichem Mord in mindestens zwei Fällen (§§47, 49, 211, 74 StGB) begangen jeweils in gleichartiger Tateinheit (§73 StGB) an je 170 Menschen zu verurteilen.
V. Strafzumessung
Der Angeklagte Hantl musste wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 42 Fällen bestraft werden. Folgende Umstände wurden der Bemessung der Strafen zugrunde gelegt:
Der Angeklagte ist nach seinen geringen geistigen Anlagen zu einer diffizilen Wertung besonderer Situationen nicht fähig. Er ist zufällig Mitglied der SS geworden und, ohne gefragt zu werden, zum Wachsturmbann nach Auschwitz versetzt worden und hat sich vor und nach seiner Tätigkeit in Auschwitz immer anständig geführt.
Der Angeklagte hat die ihm anbefohlenen Aufgaben nur widerwillig erfüllt, hat sich mit diesen Mordtaten nie identifiziert, seinen Abscheu dagegen vielmehr immer gezeigt. Er hat die Häftlinge ansonsten korrekt und höflich behandelt und ihnen geholfen, wo er konnte. Der Angeklagte hat es mehrfach ermöglicht, dass Funktionshäftlinge Karteikarten von durch den Arzt ausselektierten Häftlingen zurücklegten, was deren Rettung vor dem Tod bedeutete und hat weiterhin, was ihm in besonderem Masse zugute gehalten worden ist, von Anfang an ein Geständnis abgelegt. Er hat mit dem Eingestehen seiner Taten sein Gewissen erleichtert und im Gegensatz zu den meisten seiner Mitangeklagten bei aller Einfachheit seiner Denkweise zu erkennen gegeben, dass er bereit ist, für das von ihm begangene Unrecht zu sühnen.
Das Gericht hielt daher in jedem Falle eine Zuchthausstrafe von 3 Jahren - die Mindeststrafe - für die gerechte Strafe. Gemäss §74 StGB ist bei Berücksichtigung der angeführten Zumessungsgründe die Gesamtstrafe mit 3 Jahren 6 Monaten Zuchthaus gebildet worden.