SS-Obersturmführer

* 19.06.1909 in Mühlau (Innsbruck)
† 1978

letzter bekannter Wohnort:
Reutte (Tirol)

Eltern:
Dejaco Karl (Postbeamter) u. Dejaco Maria, geb. Kornik

Österreicher

5 Klassen Volksschule

5 Klassen Höhere Schule (Abitur)

Besuch der Gewerbeschule in Innsbruck (Abteilung für Hochbau)

Beruf: Ingenieur/Architekt/Baumeister

1930
Diplom auf einer Innsbrucker Bauschule

ab Sommer 1930
bei einer Baufirma beschäftigt, wurde er nach neun Monaten „abgebaut“ und fand anschließend eine Beschäftigung bei einem Architekten in Innsbruck. Im
Herbst 1932 entlassen.

Dejaco war ein guter Sportler und in den folgenden Jahren verdiente er seinen Lebensunterhalt im Winter als Skilehrer und im Sommer als Reiseführer.

ab 00.07.1933
Mitglied der Allgemeinen SS (295 135)
(in Österreich illegal)
(Dienst im 2. Sturm der 87. SS-Standarte) (Tirol-Vorarlberg)
Ein spezieller Kragen mit einem Edelweiß wurde von dieser Standarte verwendet. Offiziere des SS-Standartenführerranges trugen die Abzeichen auf einem Ärmeldiamanten am unteren linken Ärmel.

1934
wegen Geheimbündelei (illegale nationalsozialistische Betätigung für die NSDAP in Österreich) angeklagt, und zu einer fünfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

00.12.1935 - 00.04.1936
in Italien (Ski- und Sportlehrer)

00.12.1936 - 00.07.1937
in Frankreich (Ski- und Sportlehrer)

00.07.1937 - 00.03.1938
Deutsche Reich (nicht als politischer Flüchtling, sondern als Wirtschaftsemigrant)
(Zeichner für einen Architekten in Garmisch-Partenkirchen)

Herbst 1938
Rückkehr nach Innsbruck (als Architekt tätig)

ab 01.10.1938
Mitglied der NSDAP (Mitglieds Nu. 6 236 697)

00.05.1939
Hochzeit mit Elsler Herta (geb. 1912)
(Die Heiratsgenehmigung für jeden SS-Angehörigen erfolgte durch das Sippenamt im Rasse- und Siedlungshauptamt (RuS) und war mit einem überaus aufwendigen bürokratischen Procedere verknüpft, wobei neben anderen Faktoren vor allem auch „erbbiologische“ und „rassische“ Merkmale und Auffälligkeiten aus der Verwandtschaft unter die Lupe genommen wurden und eine Ahnentafel
(nebst Angabe der Todesursache) erstellt werden musste, die bis zum 1. Januar 1800 zurückreichte, bei SS-Führern sogar bis zum 1. Jänner 1750. Paula K., eine Tante Dejacos, litt seit 1929 an einer Nervenkrankheit und befand sich bis 1930 in der Heil- und Pflegeanstalt in Hall in Tirol, anschließend war sie – auch noch 1939 – im St. Josefs-Institut („Pflegeanstalt für Schwachsinnige“), Mils bei Hall. Üblicherweise hätte dieser Umstand zwar nicht zwangsläufig ein Heiratsverbot für einen der SS angehörigen Neffen nach sich gezogen, aber doch eine Eintragung in das so genannte „Sippenbuch“ verwehrt und, wie es bei „problematischen“ Fällen aus unterschiedlichsten Gründen stets hieß, lediglich eine Heirat „auf eigene Verantwortung“ zugelassen – ein erheblicher Makel im verqueren Wertesystem der SS. Im Falle Dejacos wurde jedoch bereits zwei Tage nach der erwähnten Mitteilung, am 14.03.1939, die Verlobung und Heirat von SS-Oberführer Hofmann (Chef des Sippenamtes im RuS) „freigegeben“.
Die Gründe für diese Entscheidung sind nicht bekannt.
Als ebenfalls ungewöhnlich ist der Umstand anzusehen, dass sowohl Dejaco als auch seine Frau 1939 noch der römisch-katholischen Konfession angehörten und kirchlich heirateten. Dies war in den Reihen der SS äußerst verpönt, und erst 1941 findet sich in diversen Dokumenten unter der Rubrik Konfession der in SS-Kreisen übliche Terminus „gottgläubig“.)

ab 15.11.1939
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS

00.11.1939 - 03.06.1940
Ausbildung beim 8. SS-Totenkopfregiment in Krakau
(Die Standarte sollte auf Befehl vom 11. November 1939 in Krakau aufgestellt werden. Anfang 1940 wurde die Standarte dann auch in Krakau mit Stab und 3 Bataillonen aufgestellt. Von dort wurde die Standarte im 22. Mai 1940 nach Radom verlegt. Im September 1940 lag die Standarte mit dem I. Bataillon in Lublin, mit dem II. Bataillon in Warschau und mit dem III. Bataillon in Radom. Am 12. September 1940 befahl das SS-Führungshauptamt, daß die SS-Totenkopf-Standarte 8 im Zuge der einheitlichen Ausrichtung sämtlicher Einheiten der Waffen SS zu einem Regiment nach den für ein Infanterie-Regiment (mot) geltenden Richtlinien umgegliedert werden sollte. Am 26. November 1940 verfügte das SS-Führungshauptamt die Verlegung des Regiments-Stabes zum 1. Dezember 1940 von Radom nach Warschau. Am 25. Februar 1941 wurde die Standarte zum SS-Infanterie-Regiment 8 (motorisiert) RFSS umbenannt. Die Soldaten waren jetzt mit den Sigrunen der SS statt des Totenkopf der Totenkopf-Verbände am Kragenspiegel ausgestattet.)

ab 06.06.1940
Angehöriger der Lagermannschaft im KL
Auschwitz
(SS-Neubauleitung Auschwitz)

20.04.1941
Beförderung zum SS-Rottenführer

ab 00.10.1941
Bauleiter für das zweite Krematorium in Auschwitz.

24.10.1941
Bauleiter Walter Dejaco legt einen ersten Plan für ein zweites Krematorium vor,
mit einem Belüftungskeller für den Keller, wo die Erschiessungen stattfinden
mit einem Leichenkeller für den Keller, wo die Leichen aufgebahrt werden sollen

01.11.1941
Beförderung zum SS-Unterscharführer

05.11.1941
In einer Dienstbeschreibung („Personal-Bericht“) vom 05.11.1941 bescheinigte ihm SS-Oberführer Kammler (Chef des Amtes II – Bauten) in der Gesamt-Beurteilung, er sei „ein sehr befähigter Baufachmann“.

00.11.1941
Im November steigt Dejaco zum Leiter der Planungsabteilung auf. Mit Ertl, der mittlerweile Abteilungsleiter für Hochbau ist, feiert er in der nahen Großstadt Kattowitz und verprügelt auf der Rückfahrt einen Schaffner, der aufs Schließen der Zugtür gedrängt hatte. Ein SS-Gericht verurteilt Dejaco zu drei Monaten Haft, doch der SS-Reichsführer Heinrich Himmler in Berlin verkürzt persönlich die Strafe, denn Dejaco wird gebraucht. Kurz nach seiner Tat wird er zum Sonderführer ernannt.

01.12.1941
am 01.12.1941 wird Dejaco zum SS-Untersturmführer-Fachführer befördert, und zum Leiter der Planungsabteilung der Zentralbauleitung ZBL in Auschwitz ernannt.

00.12.1941
Dejaco legt der Bauleitung Entwürfe für 19 Gas-Entlausungszellen vor. Sie sollen bei der Häftlingsaufnahme errichtet werden. Die 19 Gas-Entlausungszellen sollen in zwei Reihen angeordnet werden. Durch Begasung der Kleider sollen die Kleiderläuse, Überträger des Fleckfiebers, vernichtet werden

16.09.1942
Am
16.09.1942 fahren Höss, SS-Untersturmführer Franz Hössler und Bauleitungs-Ingenieur Dejaco nach Litzmannstadt (Lodz), um sich eine Konstruktion zur Verbrennung von Leichen im Freien anzusehen (unter SS-Standartenführer Paul Blobel). Blobel hob die Anordnung, abwechselnd eine Schicht Leichen und eine Schicht Holz, als äusserst bedeutsam hervor. Dejaco zeichnete eine Skizze des Kohlenmeilers. Blobel war der Meinung, dass seine Anlage nicht für eine schnelle Einäscherung geeignet war, da der Verbrennungsprozess nur langsam vonstatten ging. Doch das Prinzip (der abwechselnden Schichtung) war durchaus anwendbar.
Standartenführer Paul Blobel. Der Prädikats-Absolvent der Baugewerkschule Barmen-Elberfeld war im Vorjahr zuvor Chef jener Einsatzgruppe, die allein in Babi Jar bei Kiew 33.000 Juden an zwei Tagen erschossen hat. Jetzt ist er Spezialist für das Beseitigen ausgegrabener Leichen, genannt Enterdungsaktion.

01.12.1942
Beförderung zum SS-Rottenführer (Allgemeine SS)

19.12.1942
Am 19.12.1942 zeichnet Dejaco den Plan mit der Nummer 2003, der die Mordfabrik optimiert und den Tiefstpunkt der Architekturgeschichte markiert. Der Plan enthält nur wenige, scheinbar banale Änderungen für ein neues Birkenauer Krematorium: Bisher war eine Leichenrutsche in den Keller geplant, wo die Toten vor der Einäscherung in einer Halle liegen sollten. Jetzt wird die Rutsche durch eine Treppe ersetzt, die noch lebende Opfer hinuntergehen müssen. Im Keller müssen sie sich ausziehen und dann in den Raum gehen, der bisher als Leichenhalle dienen sollte. In die 210 Quadratmeter große Gaskammer treiben SS-Leute bis zu 1.600 Menschen und schlagen die Türen zu. Durch Deckenlöcher fällt das Zyklon B. Wenn nach einigen Minuten alle tot sind, schaltet jemand die Belüftungsanlage an. Häftlinge müssen durch Türen, die Dejaco eigens umplant, die Leichen herausholen, ihnen Goldzähne ziehen und sie zu den Verbrennungsöfen bringen.

Standortbefehl Nr. 45/43
Besuch der Ehefrau vom 12.10.-20.11.1943

28.10.1943
Am
28.10.1943 findet in der Bauleitung des KL Auschwitz eine Besprechung wegen Kurzwellenentlausung statt.
Teilnehmer sind: Ing. Franke, SS-Männer Pambor, Dejaco und Jährling.
Themen sind:
Kurzwellenfelder werden die Luft auf 60° C erhitzen
die heisse Luft soll in einem Kamin abgeführt werden.
Übergabe von 6 Siemens-Montageplänen
Ankündigung der Ankunft des Siemens-Materials zum 20.11.1943
Ankündigung der Fertigstellung der Installation der Dampfheizung für das Bad auf Anfang Januar 1944.

15.05.1944
Am 15.05.1944 wurde Dejaco zum 42. Kriegslehrgang (Sonderlehrgang Bauwesen) an der SS-Führerschule des Wirtschafts-Verwaltungsdienstes Arolsen kommandiert, gemeinsam mit 15 weiteren SS-Offizieren, unter denen sich auch der SS-Obersturmführer
Josef Janisch befand, ein gleichfalls in Auschwitz tätiger Österreicher. Drei Monate später wurde Dejaco nach Auschwitz zurückbeordert.

Wird nach Frankreich geschickt, um beim Bau der V1-Rampen in Somme zu helfen. Rückkehr nach Auschwitz im Oktober 1944.

04.08.1944
Beförderung zum SS-Obersturmführer

31.10.1944
Eine vom Leiter der Bauinspektion der Waffen-SS und Polizei „Schlesien“ (Sitz Kattowitz) verfasste umfangreiche Beurteilung (31.10.1944) bescheinigte ihm:
„Selbstständige, charakterfeste Persönlichkeit, ehrlich, aufrichtig und treu, pflicht- und verantwortungsbewusst, sicheres und gewandtes Auftreten, einsatzfreudig“, ferner: „Geistig gute Durchschnittsveranlagung, rasche Auffassungsgabe, körperlich und gesundheitlich in guter Verfassung, kräftige und sportgestählte Statur. Gute Kenntnisse des SS-Hochbauwesens mit erbrachtem
Nachweis bester Leistungen als Bauleiter zweier Bauleitungen.“
Eine Empfehlung für eine „nächsthöhere oder anderweitige Verwendung“ lautete: „Eignet sich gut als selbstständiger Abschnittsleiter einer Bauinspektion.“

Leiter des Konstruktionsbüros in
Groß-Rosen, dann von Breslau.

1945
von den Sowjets gefangen genommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern
Deutsches Reichssportabzeichen in Bronze
Deutsches Reichssportabzeichen in Silber
Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938 (Ostmark-Medaille oder Anschluss-Medaille)
Medaille für deutsche Volkspflege

1950
Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft

Nach 1945
Baumeister in Reutte in Tirol, Inhaber eines Betriebs mit 15-20 Mitarbeitern. Der ehemalige Häftling Vrba behauptet in seinen Erinnerungen, der Innsbrucker Bischof habe 1963 Dejaco herzliche Anerkennung zuteil werden lassen wegen des schönen neuen Pfarrhauses, das er für den Pfarrer von Reutte gebaut hatte

1961
der Auschwitz-Überlebende Hermann Langbein erstattet Anzeige gegen die Waffen-SS-Männer Walter Dejaco und Fritz Karl Ertl.

04.03.1962
Verhör Walter Dejaco am Österreichischen Bezirksgericht Reutte (HS 58/62)

00.04.1962
Die erste Beschuldigten-Einvernahme fand im Falle Dejacos im April 1962 statt.

18.01.1972
Zum Prozess kommt es erst ab Januar 1972. Das Dokumentenmaterial belastet vor allem Dejaco schwer, die Baupläne der Krematorien tragen seine Unterschrift. Er streitet jedoch ab, dass die Anlagen zum Umbringen von Menschen dienten. Der Zeugenbeweis platzt, weil viele Zeugen schon sehr alt sind oder sich nicht mehr an Details erinnern können.
Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Wien begann am 18. Januar 1972 der Prozess gegen Dejaco und Ertl als erster Auschwitzprozess in Österreich. Verfahrensgegenstand war deren Beteiligung am Holocaust durch Planung, Bau und Instandhaltung der Gaskammern und Krematorien des KZ Auschwitz- Birkenau. Dejaco war zusätzlich beschuldigt, zwischen 1940 und 1942 zwölf KZ- Häftlinge erschossen oder erschlagen zu haben.
Auszug aus der Anklageschrift vom 18. Juni 1971 gegen Walter Dejaco und Fritz Ertl vor dem Landgericht Wien:
(Vorsitzenden Richter Dr. Reisenleitner)
Ihre Bautätigkeit war von vornherein auf ein kurzfristiges Vegetieren der Häftlinge ausgerichtet, und stellte eine Verhöhnung der elementaren Grundsätze der Bautechnik dar. Dass sich die Beschuldigten sehr wohl bewusst waren, dass die von ihnen ohne Fenster und ausreichende Belüftung gebauten, eng nebeneinander liegenden Baracken, keinen ausreichenden Lebensraum für Menschen boten, ersieht man aus ihrem Bemühen, die für die Wachhunde und Kühe bestimmten Baracken durch entsprechende Belüftung zu verbessern, um eine gesunde Haltung der Tiere zu gewährleisten.
In ihren Schriftsätzen forderten die Anwälte der Verdächtigen die Freilassung beider Verdächtiger.
UNZUREICHEND
Der Anwalt von Dejaco sagte, das Gericht habe keine ausreichenden Beweise dafür vorlegen können, dass die Verdächtigen wussten, dass sie am Bau von Vernichtungslagern arbeiteten. Der Anwalt behauptete, die Baupläne für die Gaskammern in Berlin seien nicht von Beamten in Auschwitz erstellt worden.
"Dejaco ist eine anständige Person mit einem leeren Strafregister", fügte er hinzu, dass sein Mandant nicht einmal an den Massenmorden beteiligt war.

Zentralbauleitung
Die Zentralbauleitung in der Nähe der Kommandantur wurde aufgelöst und das Gebäude im Laufe des Jahres 1944 versiegelt. Bei der Vernichtung der Unterlagen des Konzentrationslagers im Januar 1945 durch die SS wurde das stillgelegte Gebäude der Zentralbauleitung als Dienststellen-Archiv vergessen und die Unterlagen später größtenteils in Staatsarchive nach Moskau geschafft. Bei der Aufteilung der Akten in der direkten Nachkriegszeit verblieb ein kleinerer Teil seiner Akten in Polen. In den Bauunterlagen finden sich auch Bestellungen für Gasprüfgeräte und Spezialtüren, deren Zweckbestimmung eindeutig ist.

2. Frankfurter Auschwitz-Prozess
Strafsache gegen Burger u.a.
4 Ks 3/63
Vernehmungsprotokoll 12571–12575

2008
2008 in Deutschland entdeckte Original-Baupläne der Bauleitung der Waffen-SS und Polizei Auschwitz wurden 2009 der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel übereignet.

LG Wien 27c Vr 5193/60

1972
Wiener Auschwitz-Prozeß (Auszug)
Auf der Anklagebank in Wien saßen der 63jährige Baumeister Walter Dejaco aus Reutte in Tirol und der 64jährige Baumeister Fritz Ertl aus Linz.
Den Vorsitz in jenem Prozeß hatte OLGR Dr. Reisenleitner. Die Staatsanwaltschaft, vertreten von Staatsanwalt Dr, Kresnik, beschuldigte Dejaco des Meuchelmordes und Ertl der Mitschuld am Meuchelmord. Die beiden Angeklagten wären “Hauptverantwortliche in der Massenvernichtungsanlage von Auschwitz” und hätten in der zentralen Bauleitung des Konzentrationslagers “die vier großen Gaskammern und Krematorien geplant, errichtet und instandgehalten”. Staatsanwalt Kresnik verwies auf “drei Millionen, vorwiegend Polen, Juden und Russen, die dort mit Zyklon B vergast worden” seien.

Die Zahl “drei Millionen” beruhe auf “Schätzungen”, obgleich im Krakau-Prozeß 1948 von allenfalls 300.000 die Rede war (im Frankfurter Auschwitz-Prozeß blieb die Gesamtzahl offen.

Walter Dejaco wurde zusätzlich beschuldigt, im Oktober und November 1940 persönlich zwei Häftlinge mit einem Schaufelstiel geschlagen und anschließend erschossen zu haben. In drei weiteren Fällen, in denen Häftlinge getötet wurden, soll Dejaco mitbeteiligt gewesen sein. Beide Angeklagte waren Offiziere der Waffen-SS. In der damaligen Wiener Zeitung vom 19. Jänner 1972 (S. 5) heißt es: “Von Dejaco existiert ein von ihm unterschriebener Bauplan der beiden großen Gaskammern.”

Nach der zweistündigen Verlesung der Anklageschrift bekannten sich beide Angeklagten für nicht schuldig.

Obgleich eine Mordziffer von drei Millionen einen von der Presse angekündigten “Monsterprozeß” signalisiert und der Staatsanwalt von “besonders grausamen Tötungsvorgängen” gesprochen hatte, war “das Publikumsinteresse für diesen Monsterprozeß gering: die Bänke des Großen Schwurgerichtssaales des Grauen Hauses sind leer geblieben.”
Die übrigen Presseinformationen waren, wie üblich, einseitig, tendenziös und so formuliert, daß man ihren weiteren Berichten keinen Glauben mehr schenken konnte. Leider ist es ja, wie auch in allen ähnlich gelagerten Fällen, so, daß selbst die Historiker die Gerichtsprotokolle nicht zum Studium zu Gesicht bekommen. So gelangt meist nur das nach außen, was der Ankläger von sich gibt. Immerhin ließ sich der Fortgang jenes Prozesses in der Presse verfolgen:

Der Hauptangeklagte bestritt in seiner Antwort obgleich die Presse einen Tag vorher bereits das genaue Gegenteil publiziert hatte!, jemals am Bau von Krematorien und Gaskammern beteiligt gewesen zu sein. Im übrigen hätte sich seine Dienststelle ganz woanders, bei der äußeren Postenkette, befunden. Er habe ganz andere Bauten zu planen und Konzepte für die Gartengestaltung zu entwickeln gehabt.

Der Angeklagte Ertl war in der Bauverwaltung “technisch tätig” und damit befaßt, Kontingente von
Baumaterial und technische Anlagen zu errechnen und für Genehmigungen sowie Zulieferungen zu sorgen. Von geheimgehaltenen Krematorien oder angeblichen “Bunkern 1 und 2” habe er nichts gewußt. Über solche Bauvorhaben sei nicht gesprochen worden. In der Presse heißt es jedoch weiter, Ertl hätte dennoch gerüchtweise von der Vernichtung der Juden gehört, ja sogar um
Vergasungsanlagen gewußt und die Aufstellung von Krematoriumsöfen verzögert. Inwiefern dieser Teil des Presseberichtes stimmt oder solche Aussagen zum Verteidigungskonzept des Angeklagten gehörten, läßt sich ohne Zugang zu den Gerichtsakten nicht entscheiden.

Das Gericht wechselte wieder zum Angeklagten Dejaco über. Dessen Verteidiger legte einen Brief vom publizistischen Auschwitzbewältiger Hermann Langbein vor, den dieser an ehemalige KZ-Häftlinge von Auschwitz geschrieben hat. Die Wiener Zeitung vom 26. Jänner 1972 berichtet:
“Darin heißt es:
Meiner Meinung nach ist es belanglos, wenn ein Häftling etwas Gutes über Dejaco sagen kann. Wenn er jedoch sagen kann, daß er beim Bau des Krematoriums mitgeholfen hat, dann kann dies als Mitwirkung am Mord gewertet werden, damit kann man seine Bestrafung gegebenenfalls erreichen. Der Anwalt erklärte, daß einige ehemalige Häftlinge empört waren, da sie nur Gutes über Dejaco zu berichten hätten und einige mit ihm sogar in brieflicher Verbindung stünden.”

Als Sachverständiger war Dr. Hans Buchheim vom Institut für Zeitgeschichte in München geladen. Zu den Anklagegegenständen sagte er gar nichts, dafür begann er “bei den Anfängen der SS” und befaßte sich mit der Frage des Befehlsnotstandes. Die Presse widmete ihm 30 kurze Zeilen, die Zeitung wie übrigens stets bei diesem “Monsterprozeß” nur die Lokalseite 5 und hier von dieser nicht einmal %6 ihrer Seitenspalten. Am nächsten Tag trat als Zeugin eine ehemalige Schreibkraft
auf. Sie habe bereits zwei Tage nach ihrer Einlieferung in Auschwitz “von Vergasungen erfahren”, und sie konnte sich nicht vorstellen, “daß ein Mensch in Auschwitz nicht gewußt hat, was los war”. Die Zeugin “wußte” aber auch von einer “Anordnung, derzufolge die Schreib- und Hilfskräfte, die Geheimnisträger waren, jedes halbe Jahr ausgewechselt bzw. vergast werden sollten. Diese Anordnung sei jedoch fast nie durchgeführt worden, da die Hilfskräfte dringend benötigt wurden, weil die SS-Leute selbst zu unfähig und zu faul waren, die Arbeit durchzuführen.”
Gegen Dejaco, für den sie gearbeitet hatte, wußte sie nichts Belastendes auszusagen, ebensowenig wie ein nachfolgender Zeuge, der ebenfalls langatmig Schlimmes über Auschwitz vor dem Gericht ausgebreitet hat. Doch solches ist ja für die Zeugen völlig ungefährlich, auch wenn nichts von dem stimmt, was sie erzählen. Und die Presse kann ausführlich berichten und sich auf “den
Zeugen” berufen. Moderne Bewußtseins-Manipulations-Strategen wissen um die Bedeutung des Einsatzes solcher “Justizmittel”.

An einem der Folgetage kam Walter Petzold als Zeuge aus Berlin: Seiner Auffassung nach seien sämtliche Krematorien und die dazugehörigen Nebenbauten “schwarz” gebaut worden. Die Bauleitung, der die Angeklagten angehörten, habe damit nichts zu tun gehabt. Er gehörte früher zur Standortverwaltung von Auschwitz. Eine Begründung für sein Wissen war nicht zu ermitteln.

Dann kam ein Zeuge, Henryk Porebski, der behauptete, in Birkenau Elektriker gewesen zu sein und die Vergasungs- und Verbrennungsanlagen repariert zu haben. “Er konnte an Hand von Plänen, die im Gerichtsakt liegen, den Geschworenen die Anlage genau erklären.” Die Angeklagten hat er nicht belastet. Diesem wichtigen Mann, den die ganze Welt doch nun seit 30
Jahren suchte, weil er nicht nur Augenzeuge, sondern sogar Handwerker in den “Vergasungs- und Verbrennungsanlagen von Birkenau” war, widmete die Wiener Zeitung in ihrer Ausgabe vom 19. Febr. 1972 in ihrer Lokalseite 5 ganze 15 Kurzzeilen.



































LG Wien 27c Vr 5193/60