Auschwitz

Am 31.07.1942 um 6:15 Uhr verläßt der Transport 13 (Zug 901-8) mit 1049 Personen die Bahnstation Pithiviers. Die Menschen waren zuvor im Durchgangslager für internierte jüdische Franzosen und ausländische Flüchtlinge Pithiviers inhaftiert. Ziel dieses Transportes war das Konzentrationslager Auschwitz. Bei ihrer Ankunft in Auschwitz am 02.08.1942 erhalten 693 männliche Personen die Häftlingsnummer 55083 - 55775, 359 weibliche Personen erhalten die Häftlingsnummer 14156 - 14514. Laut dem Historiker Serge Klarsfeld gab es 1945 16 Überlebende dieses Transports, darunter nur eine Frau.

Bericht

Die am 31. Juli 1942 deportierten Juden gehörten zu denen mit Familien, die am 16. Juli verhaftet worden waren. Während die unverheirateten Häftlinge direkt ins Lager Drancy überführt wurden, wurden die mit Familien zuerst ins Pariser Stadion Velodrôme d’Hiver gebracht, bevor man sie in die Lager im Département Loiret transferierte. Mehr als 8000 Juden wurden ins Velodrôme d’Hiver gebracht, die Hälfte davon Kinder.

Am 17. Juli fand ein Treffen zwischen deutschen und französischen Amtsträgern zur Frage der Kinder statt. Unter den Anwesenden waren Heinz Röthke, der in Danneckers Abwesenheit die Leitung des Judenreferats in der Pariser Sipo-SD-Dienstelle übernommen hatte (und ihn Ende Juli ablösen sollte), Herbert Hagen, der Assistent des SS- und Polizeiführers in Frankreich, Karl Oberg, Jean Leguay, der zweithöchste Befehlshaber der französischen Police nationale in der besetzten Zone, Jean François, der Polizeidirektor der Präfektur Paris, Darquier de Pellepoix, der Generalkommissar für Judenfragen, sowie dessen Sekretär Pierre Gallien. Bei diesem Treffen wurde bestätigt, dass die Kinder entgegen dem Plan des Generalkommissariats für Judenfragen (CGQJ), sie in verschiedenen Häusern im Großraum Paris unterzubringen, vorerst nicht von ihren Eltern getrennt und mit ihnen in die Lager von Beaune-la-Rolande und Pithiviers gebracht werden sollten, mit Zügen der SNCF. Hennequin präzisierte dies dahingehend, dass man, wenngleich die französischen Behörden bei zahlreichen Gelegenheiten den Wunsch geäußert hätten, die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern deportiert zu sehen, eine endgültige Entscheidung des RSHA abwarten würde.

Der Transfer der Juden vom Velodrôme d’Hiver in die Lager Pithiviers und Beaune-la-Rolande begann am 19. Juli. Sie wurden in Zügen der staatlichen französischen Eisenbahngesellschaft SNCF transportiert. Am 18. Juli übermittelte der Generaldirektor der Pariser Police municipale, Emile Hennequin, der Gendarmerie Direktiven bezüglich dieser Transporte, die am 19., 20. 21. und 22. Juli stattfinden sollten. Das Besteigen der Züge sollte am Gare d’Austerlitz vonstattengehen. Jeder Zug sollte von einem Offizier und 24 Wachleuten der französischen Gendarmerie begleitet werden und aus abgedeckten Waggons sowie zusätzlich drei Waggons für die Eskorte bestehen. Zwischen dem 19. und dem 22. Juli wurden sieben Transporte von Paris in die Lager Beaune-la-Rolande und Pithiviers geleitet, wo die Juden vor ihrer Deportation in den Osten interniert wurden.

Am 27. Juli schickte Röthke Direktiven bezüglich des anstehenden Transports an das SD-Hauptquartier in Orléans, in dessen Zuständigkeitsbereich das Lager Pithiviers lag. Er verlangte die Vorbereitung von 1000 (weiblichen und männlichen) Juden aus dem Lager zur Deportation am 31. Juli um 6:15 Uhr an der Bahnstation Pithiviers. Zuletzt bekräftigte Röthke, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kinder deportiert werden sollten.

Der Beschluss führte Augenzeugen zufolge zu fürchterlichen Szenen, als vor der Deportation im Lager Pithiviers Kinder von ihren Eltern getrennt wurden. In einem Brief an seinen Vater vom 1. August beschreibt Johannes Weitheim ausführlich diese Ereignisse des Vortags: „Dies war der schlimmste Transport, den ich bislang erlebt habe. Sie nahmen Männer und Frauen ohne deren Kinder. Jungen zwischen 14 und 15 schlossen sich ihren Vätern an, Mütter wurden von ihren Kindern fortgerissen und in den Zug gesteckt. … Zwei oder drei weitere (Deportationen) wie dieser werden erwartet, und die Kinder zwischen 2 und 13 werden allein hier zurückbleiben. Es gibt hier 1800 bis 2000 von ihnen. Keine Familie ist unversehrt geblieben.“

Zusätzlich zu den Deportierten, die während der Massenverhaftungen in Paris vom 16. Juli festgenommen worden waren, wurden 54 Juden aus dem Lager Lamotte-Beuvron im Département Loir et Cher in den Transport eingeschlossen. Sie waren mehrheitlich bereits im Lager interniert und wurden durch weitere 15 Juden ergänzt, die am 13. Juli im Département verhaftet worden waren. Am 27. Juli wurden 98 Juden, darunter zehn Kinder, mit dem Zug nach Pithiviers überführt. Ein Beleg der SNCF bestätigt die Abfahrt des Zugs Nr. 1084 von Lamotte-Beuvron mit 119 als „internierte Juden in Begleitung“ klassifizierten Menschen an Bord. Ein zweiter Beleg bestätigt die Rückkehr des Zugs am 28. Juli mit den 21 Gendarmen, die den Transport begleitet hatten. Diese Gendarmen wurden von Leutnant Dahuron angeführt. Von den am 27. Juli nach Pithiviers transferierten Juden wurden 54 Erwachsene in den Transport vom 31. Juli eingeschlossen.

Röthke bestätigte die Abfahrt des Zugs 901/8 von der Bahnstation Pithiviers nach Auschwitz am 31. Juli um 6:15 Uhr mit insgesamt 1049 Juden an Bord. Transportleiter war Leutnant Kleinschmidt. Gemäß dem Fahrplan für die erste Deportation aus Pithiviers im Juni 1942 passierte der Zug nach seiner Abfahrt Malesherbes, Monterean, Flamboin, Troyes, Brienne-le-Château, Valentigny, Montier en Der, Eclaron, Saint-Dizier, Revigny, Bar le Duc und Lérouville, bis er in Novéant-sur-Moselle (Neuburg) die Grenze erreichte. Der Zug wurde von einem Offizier und 30 Männern der französischen Gendarmerie und einem kleinen Kontingent der Feldgendarmerie bis zur Grenze in Novéant bewacht. An diesem Punkt übernahm die Ordnungspolizei die Überwachung. Im November 1943 erstellte die Reichsbahn einen Fahrplan für die Transporte aus Frankreich ab diesem Datum. Für die Zeit davor verfügen wir über keine Unterlagen im Zusammenhang mit Fahrplänen von Transporten ab der französisch-deutschen Grenze nach Auscwhitz-Birkenau, aber aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie sehr ähnlich. Insofern haben die früheren Transporte nach Auschwitz, einschließlich dem aus Pithiviers vom 31. Juli 1942, ab der Grenze wohl die folgende Route genommen: Saarbrücken, Frankfurt am Main, Dresden, Görlitz, Nysa, Kattowitz und schließlich Auschwitz.

Am 28. Juli 1942 übermittelte Heinz Röthke Helmut Knochen und dessen Stellvertreter Kurt Lischka Anweisungen mit dem Zeitplan für die nächsten 13 Transporte aus Frankreich, einschließlich dem am 31. Juli. Er erklärte: „Für die Deportationen werden deutsche Güterwaggons eingesetzt, wie es bereits bislang der Fall war.“ Während die Waggons aus Deutschland stammten, wurden sowohl die Lokomotive des Zugs als auch das Personal von der SNCF zur Verfügung gestellt. Dies ist von dem SNCF-Historiker Christian Bachelier bestätigt und durch einen Brief belegt worden, den die SNCF am 15. September dem Präfekten des Départements Loiret geschickt hatte; ihm zufolge hatte man den Transfer von Juden aus Pithiviers zur französisch-deutschen Grenze in Novéant vorgenommen. An der französisch-deutschen Grenze wurden die französische Lokomotive und das französische Personal durch Reichsbahnmitarbeiter und deutsche Technik ersetzt.

In seiner Zeugenaussage beschreibt Paul Gastrain, ein am 16. Juli in Paris verhafteter polnischer Jude, den Transport nach Auschwitz: „Ich kam im August 1942 von Pithiviers, das ich am 31. Juli verlassen hatte, nach Auschwitz. Die Reise dauerte zwei Tage und drei Nächte. Wir wurden zu 60 Leuten in einen verschlossenen Viehwaggon gepfercht, mit einem Eimer Wasser und einem Stück Brot als unserer einzigen Nahrung. Ein kleines vergittertes Fenster war die einzige Luftquelle; es maß etwa 30 mal 20 cm. Bald überfiel uns Uringestank, da der in der Mitte des Raums für unsere Bedürfnisse platzierte Eimer umgekippt war.“

Bei ihrer Ankunft in Auschwitz am 2. August wurden alle Juden zur Sklavenarbeit selektiert. Den Männern wurden die Nummern 55083-55775 eintätowiert, die Frauen erhielten die Nummern 14156-14514. Laut dem Historiker Serge Klarsfeld gab es 1945 16 Überlebende dieses Transports, darunter nur eine Frau.
Quelle: Gedenkstätte Yad Vashem