Auschwitz

Mit diesem Transport werden 454 jüdische "Häftlinge" aus dem KL Sachsenhausen ins KL Auschwitz deportiert.

Löbner Walter

Häftlings Nu. 70096 (Häftlingsarzt)
* 27.01.1903 in Hermannshütte in Westböhmen.
Kurarzt in Marienbad.
Nach Einmarsch der dt. Wehrmacht ins Sudetenland Flucht nach Prag.
Verhaftung durch die Gestapo am 18.04.1939.
Am 20.02.1940 Deportation ins KL Sachsenhausen.

Ankunft Auschwitz am 25.10.1942.
Stationen: Außenlager (AL) Budy, Stammlager und AL Janinagrube.

Löbner, der fast sechs Jahre Lagerhaft überlebte, in einem Bericht vom 08.11.1945 (AV, Bl. 6680 f.): »Daß ich diese Leidenszeit durchstand, verdanke ich allein meinem Beruf. Es hat zwar in jedem Lager einen Häftlingskrankenbau gegeben, doch waren dort keine Häftlingsärzte beschäftigt, sondern ungeschulte Laien wie Schuster und Schlosser als Pfleger tätig, während wir approbierten Ärzte in Wind und Wetter draußen mit Schippe und Spaten eine schwere körperliche Arbeit leisten mußten. Wenn aber dem Häftlingspfleger an einem Falle etwas gelegen war, so zog man mich zu Rate, und als Honorar erhielt ich ein Stück trockenes Brot oder einen halben Liter Suppe, und das war das erste Glied in einer Kette von glücklichen Zufällen, die mich dieses Leben durchhalten ließen. Als im Jahre 1943 Mangel am Rohstoff Mensch in Deutschland einzutreten begann, wurden wir Ärzte zum medizinischen Dienst im Häftlingskrankenbau zugezogen.« Löbner (AV, Bl. 4968): »Unendlich groß ist die Zahl der unschuldig Getöteten, darunter meine ganze Familie, Eltern und Geschwister.«
nach 1945 Arzt in Haifa.

Sprei Karl Herbert

* 06.10.1920 in Bremen
Karl Herbert Sprei war der Sohn von Salomon Hilel Sprei (geb. 1010.1890 in Wisnicz/Polen) und seiner Ehefrau Emma, geb. Ginsberger (geb. 18.11.1892 in Mannheim). Das Ehepaar, seit dem 30.12.1919 verheiratet, hatte zwei Kinder: Karl Herbert und Hans-Hartwig (geb. 9.8.1930 in Bremen). Sein Vater war Kürschnermeister; die Eltern besaßen in Bremen ein Pelzgeschäft, Am Wall 171, das von der Mutter geführt wurde. Die Familie wohnte zuletzt in der Wachmannstraße 32.

Herbert Sprei besuchte in Bremen von Ostern 1931 bis Ostern 1937 das Realgymnasium, das er nach seiner Versetzung in die Obersekunda verließ. Das Abgangszeugnis enthält den Vermerk: „Er verläßt das Realgymnasium nach ordnungsmäßiger Abmeldung." Ob er wegen seiner jüdischen Herkunft von der Schule gewiesen wurde, so in der Erinnerung seines Vaters, ist nicht belegt. Ein generelles Schulverbot für Juden hatte es bis zum 15.11.1938 in Bremen nicht gegeben.

Er arbeitete nach Verlassen der Schule als kaufmännischer Volontär bei der Fa. Heinz Neumark, die ihren Sitz in der Baumwollbörse hatte. Heinz Neumark, Sohn des Baumwollhändlers Karl Neumark, hatte sich ab 1934 in seinem Berufsfeld Metallhandel selbständig gemacht. Mit seinem Altmetall-Handel belieferte er unter anderem die Bremer Silberwarenfabriken. Ende 1937 wurde die Firma verboten und musste zum 31.3.1938 abgewickelt werden. Neumark emigrierte mit Ehefrau und Kind im April 1938 in die USA. Herbert Sprei, der sich auch als Metallklassifizierer bezeichnete, verlor mit der Auflösung der Firma seine Arbeitsstelle.

Es gibt ein schriftliches Zeugnis über Herbert Sprei von Gerhard Zadek (er lebte später als Journalist und Ingenieur in der DDR). Dieser war mit ihm freundschaftlich und politisch verbunden. Zu dem Kreis gehörte auch Günter Hopp, der in unmittelbarer Nachbarschaft von Herbert Sprei wohnte (Holbeinstraße 5) und gleichaltrig war. Zadek war ebenfalls Jude und hatte sich der kommunistischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum angeschlossen. Jüdische Mitglieder dieser Gruppe schlossen sich im Sommer 1936 einem Zeltlager der Hashomer Hatzair (sozialistisch-zionistische, pfadfinderähnliche Jugendorganisation) in Porschendorf bei Pirna an. Dort lernte Zadek Sprei kennen. Er beschreibt ihn als einen lebenslustigen, fidelen Kerl, der Klampfe spielte und gerne sang. Er habe das Talent gehabt, jüdischen Kindern in einer feindlichen Umwelt Mut zu machen. In Bremerhaven soll er eine Gruppe jüdischer Kinder geleitet haben. Die Lagerbibliothek in Porschendorf, die vornehmlich aus zionistischer Literatur bestand, war wegen ständiger Kontrollen durch die örtliche Gestapo frei von kommunistischen Büchern. Ein Ausspruch von Herbert Sprei ist in Zadeks Erinnerung geblieben: "Hauptsache unsere Weltanschauung ist im Oberstübchen gut vertäut".

Günter Hopp, der am 5.4.1939 mit seinen Eltern nach Shanghai emigrierte, informierte kurz vor seiner Abreise Zadek vom weiteren Schicksal seines Freundes Herbert. Nach den Erinnerungen Zadeks, verbunden und korrigiert mit den heute vorliegenden Daten, könnten sich die damaligen Ereignisse wie folgt abgespielt haben: Danach soll Herbert Sprei Mitte 1938 (das stimmt mit seiner Abmeldung auf der Einwohnermeldekartei vom 3.5.38 "nach Prag" überein) mehrfach die "grüne Grenze" zur Tschechoslowakei überquert haben, möglicherweise um Kontakt zu antifaschistischen Jugendlichen aufzunehmen. In Děčín (nahe der sächsischen Grenze) sei er in eine Ausweiskontrolle geraten. Da er ein für die tschechische Polizei unlesbares Notizheft in stenografischer Schrift mit sich geführt habe, sei er als vermeintlicher deutscher Spion verhaftet und nach Prag ins Gefängnis gekommen (über seine Inhaftierung in Prag berichtete Sprei in einem Brief an seine Eltern, siehe unten). Kurz nachdem Hopp mit seinem Vater und Bruder selbst aus dem KZ Sachsenhausen entlassen worden war (im November 1938), sei Herbert auf "abenteuerliche Weise" wieder nach Bremen zurückgekommen und habe bei ihnen vor der Wohnung gestanden. Herberts Eltern waren zuvor im Oktober emigriert. Sally Hopp (Vater) habe ihn zwar aufgenommen aber angehalten, sich am nächsten Morgen polizeilich zu melden. Bei der Polizei wurde er dann verhaftet - ob aus politischen Gründen oder wegen nicht erlaubter Rückwanderung konnte nachträglich nicht mehr geklärt werden. Weil er sich in Polizeigewahrsam befand, erfolgte kein Anmeldevermerk in seiner Einwohnermeldekartei, die erhalten geblieben ist.

Nach einem Dokument aus dem Kz Buchenwald, das von ihm selbst ausgefüllt worden war, befand er sich seit dem 28.10.1938 in Schutzhaft. Am 10.12.1938 wurde er als "Schutzhaft-Jude" ins KZ Buchenwald mit der Häftlingsnummer 2038 eingeliefert. Als letzte Wohnadresse gab er Bremen, Holbeinstraße 5, an; die Wohnung von Hopp. Am 25.8.1939 wurde er wieder aus dem KZ entlassen, und kehrte nach Bremen zurück. Über seine Zeit im Konzentrationslager schrieb er seinen Eltern: "Es war ungeheuer schwer und hart, und dennoch bereue ich nicht, es durchlebt zu haben, denn eine bessere Schule gibt es nicht, und mich kann nichts mehr erschüttern."

Im bereits erwähnten Gespräch vor seiner Ausreise überreichte Günter Hopp an Gerhard Zadek einen Brief (datiert vom 15.4.39 - also nach seiner Abreise), den er an Hermann Göring geschrieben hatte und in dem er um die Freilassung von Herbert aus dem KZ bat. Zadek sollte die Angelegenheit weiter verfolgen, wozu es aber nicht kam, vermutlich weil er Sinnlosigkeit bzw. Risiko des Unterfangens erkannte hatte.

Nach Bremen zurückgekehrt, meldete Herbert Sprei sich bei Rolf de Vries in der Westerstrasse 28 für die Zeit vom 7.9.1939 –25.9.1939 an. Anschließend wohnte er bis zum 9.11.1939 bei Meta Eppenstein in der Fliederstraße 41b. Nach seinem Auszug aus der Westerstrasse belegte Edgar Rossbach seine Wohnung, der zukünftige Schwiegersohn von Meta Eppenstein.

Für kurze Zeit fand er Beschäftigung als Lagerarbeiter. Seinen Eltern berichtete er, dass er alle Papiere für die Flucht nach England zusammen gehabt hätte, als am 1.9.1939 der Krieg begann und seine Pläne zunichtemachte. Vermutlich stand er auch unter besonderer Überwachung durch die Gestapo, da er seinen Eltern in seinem letzten Brief vom 19.9.1939 schrieb: "Es besteht leider die große Gefahr für mich, dass ich dort wieder hin muss, wo ich hergekommen bin. Ich werde es mit Fassung tragen. Ihr müsstet Euch in diesem Falle - wenn Ihr keine Post mehr von mir erhaltet, dürfte es geschehen sein - sofort an den hiesigen Hilfsverein, Kohlhökerstr. 6, wenden und für meine Auswanderung sorgen."

Es gibt einen Hinweis, dass Herbert Sprei am 26.10.39 aus "politischen Gründen erkennungsdienstlich behandelt" worden sei. Am 18.11.1939 vormittags wurde er unter der Nummer 10026 im KZ Sachsenhausen registriert. Ob er sich zwischen dem 9.11.1939, dem Tag seiner Abmeldung mit dem Ziel "unbekannt", und dem 18.11.1939 noch in örtlicher "Schutzhaft" befand, kann heute nicht mehr ermittelt werden.

Seine Eltern hatten Bremen mit seinem achtjährigen Bruder am 6.10.1938 verlassen und emigrierten über Le Havre nach Buenos Aires, das sie am 4.11.1938 erreichten. Sein Vater wurde 1942 über die jüdische Auswanderungshilfsorganisation HICEM durch eine Suchanzeige auf seinen Verbleib aufmerksam gemacht. Er berichtete 1956: „Auf Veranlassung des Hilfsvereins Berlin wurde ich vom HICEM Buenos Aires durch Anzeige im Argentinischen Tageblatt gesucht, um mir mitzuteilen, dass mein Sohn Karl Herbert Sprei sich im Lager Sachsenhausen befände. Durch Rückfrage bei dem Berliner Hilfsverein erfuhr ich, dass mein Sohn sich noch im September 1942 in dem Lager aufhielt.“ Über die schicksalhafte Bedeutung dieser Nachricht konnte er sich wohl ein Bild machen, da er selbst vom 13.6. - 9.8.1938 im KZ Sachsenhausen interniert gewesen war. Eine weitere Nachricht erreichte die Familie nicht mehr.

Am 25.10.1942 wurde Herbert Sprei aus dem KZ Sachsenhausen in das KZ Auschwitz überstellt. Er wurde unter der Häftlingsnummer 70191 registriert. Wahrscheinlich kam er krank in Auschwitz an. Bereits am folgenden Tag, dem 26.10.1942, wurde sein Tod im Buch des Häftlingskrankenbaus des Block 28 eingetragen. Als Krankheit ist Lungen TBC vermerkt. Nach drei Jahren Haft in Sachsenhausen kann angenommen werden, dass er dort nicht mehr arbeits- und verwendungsfähig war und für den Tod in Auschwitz selektiert war.

Von den Geschwistern seines Vater wurden Opfer des Holocaust: Elsa Sprei (geb. 1900), 1941 in Lodz; Jacob Sprei (geb. 1902), 25.9.1942 in Auschwitz; Berta Sprei (geb. 1898), verh. Wüstenbecker, 1941/1942 in Minsk. Adolf Sprei (geb. 1906) emigrierte 1938 in die USA. Salomon Sprei, sein Vater, verstarb 1959 und seine Mutter 1985, beide in Buenos Aires.

Verfasser:
Peter Christoffersen (2014)