Auschwitz

Am 10.08.1942 verläßt ein Sonderzug mit 559 Juden (288 Männer u. Jungen sowie 271 Frauen u. Mädchen) das Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork mit Ziel Auschwitz in Polen. Der Zug erreicht das KL Auschwitz am 11.08.1942. Nach der Selektion werden 164 Männer, die die Nummern 57911 - 58074 erhalten, sowie 131 Frauen, die die Nummern 16506 - 16636 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen 264 Menschen werden der Sonderbehandlung zugeführt.

Bericht

Der Transport am 10. August 1942 wurde durch das Referat für Judenangelegenheiten und Räumungsangelegenheiten (IVB4) des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) in den Niederlanden organisiert. Leiter dieses Referats war seit Februar 1942 bis zum Ende der Deportationen aus den Niederlanden Wilhelm Zöpf. Im August dieses Jahres wurde Zöpf allerdings von Erich Rajakowitsch vertreten, der damit für diesen Transport verantwortlich war.
Ankündigungen, die zum Arbeitsdienst in Deutschland aufriefen, wurden verteilt. Da nur wenige Menschen den Aufrufen folgten, wurden Razzien veranstaltet. Am 6. August 1942 befahl der SD in Den Haag der Ordnungspolizei, in Amsterdam eine Razzia durchzuführen. Die Ordnungspolizei unter der Oberaufsicht von Robert Wieprecht wurde dabei von einem Amsterdamer Polizeibataillon unterstützt. Ferdinand aus der Fünten, Leiter der Zentralstelle, hatte das Kommando. Bei dieser Razzia, die am frühen Morgen begann, wurden zwischen 1.600 und 2.200 Juden auf der Straße oder in ihren Wohnungen festgenommen. Einige von ihnen wurden in die Hollandse Schouwburg gebracht, das zentrale Sammellager für Amsterdam, andere in den Hof der Zentralstelle, wo sie die Nacht verbringen mussten. 600 von ihnen wurden anschließend vom Amsterdamer Hauptbahnhof nach Westerbork deportiert.

David und Esther van Praag schrieben über den Transport von Amsterdam nach Westerbork in ihrem letzten Brief an ihre Familie, der am 9. August 1942 aus Westerbork abgeschickt wurde:
Wir verließen Freitagnacht [7. August 1942] um 12:00 Uhr mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof und trafen um ca. 3:00 Uhr in Hooghalen ein. Wir schliefen gut im Zug, schöne moderne Waggons, geräumige Sitzplätze. Auch Esther schaffte es, wohl zu bleiben. Ihr ärztliches Attest ist nicht akzeptiert worden und auch mein religiöses Amt befreite uns nicht vom Transport. Jetzt ist es zu spät.

David van Praag schrieb auch über den Transport, der am nächsten Tag von Westerbork losfahren sollte, dankbar darüber, dass es „der erste Transport mit einem recht großen Seifer Tora“ [Torarolle] an Bord sei. Dieser letzte Brief, in dem David und Esther ihre Hoffnung zum Ausdruck brachten, zeigt, dass die Deportierten nicht ahnten, was sie erwartete.

Am Abend vor der Abfahrt eines Transports wurde in Westerbork eine Liste mit den Namen der Deportierten verlesen. Viele Zeugenaussagen von Überlebenden beschreiben die Angst der Lagerhäftlinge, auf der Liste zu stehen. Laut der Transportliste, die von der Bank Lippmann & Rosenthal benutzt wurde, setzte sich der Transport vom 10. August aus 560 Juden zusammen, darunter viele Familien mit Kindern. Die Liste führt 36 Kinder unter 12 Jahren auf. Die jüngste Deportierte war die einjährige Juliana Braamberger, der älteste der 64-jährige Henry Hirsch Blumenfeld. Andere Quellen weisen eine andere Zahl von Deportierten auf. So erwähnt die Historikerin Danuta Czech, dass 559 Deportierte in Auschwitz angekommen seien, 288 Männer und 271 Frauen, während ein Dokument der niederländischen Eisenbahn (Nederlandse Spoorwegen) von 547 Deportierten spricht. Die Mehrheit der Deportierten kam aus unterschiedlichen Teilen Amsterdams: der Rivierenbuurt, Süd- und Ostamsterdam, den drei naheliegenden Städten Hilversum, Naarden und Bussum sowie den Provinzen Groningen und Arnheim.

Die Deportierten mussten die etwa 5 km von Westerbork nach Hooghalen zu Fuß laufen. Andere kamen direkt aus Amsterdam und wurden gar nicht erst nach Westerbork gebracht, wie sich Joseph van Rijk in seiner Aussage gegenüber dem NIOD [Niederländisches Institut für Kriegsdokumentation] von 1947 erinnert:

Fünf Tage später [nach der Verhaftung] wurden wir nachts aus der Zelle geholt und gemeinsam mit vier anderen auf einen Transport nach Westerbork geladen. In Westerbork verließen wir den Zug nicht. Er wurde an einen anderen Transport gekoppelt, der dort wartete.

Bei diesem Deportationszug handelte es sich um einen Personenzug. Als die Vorsitzenden des Judenrats David Cohen und Abraham Asscher unterrichtet wurden, dass die ersten Transporte in Güterzügen vonstattengingen, baten sie aus der Fünften um Personenzüge. Ihrem Gesuch wurde stattgegeben. Zwischen dem 24. Juli 1942 und dem 10. März 1943 wurden Personenzüge mit Dritte-Klasse-Waggons eingesetzt. Danach gab Lagerkommandant Albert Konrad Gemmeker bekannt, dass keine Personenzüge mehr verfügbar seien. Bei dem Transport vom 10. August 1942 wurden Lebensmittel für 600 Personen für 14 Tage mitgegeben: Butter, Zucker, Ersatzkaffee, Salz, Marmelade, Käse, Mehl, Grütze, Brot, grüne Erbsen und Karotten. Ob die Deportierten das Essen auch erhielten, ist jedoch ungewiss.

Nach der Abfahrt aus Hooghalen passierte der Zug bis zur deutschen Grenze vermutlich Assen, Onnen, Waterhuizen, Zuidbroek, Winschoten und Nieuweschans. Von da ab fuhr er über Bremen, Hamburg (oder Hannover), Berlin, Liegnitz [Legnica], Breslau [Wroclaw], Oppeln [Oppole], Cosel [Koźle], Katowice [Kattowitz], bis er schließlich in Auschwitz eintraf.
Der Transport erreichte Auschwitz einen Tag später, am 11. August.
Von den 560 Deportierten überlebten nur zwei Personen: Benjamin de Klijn und Jozef van Rijk

Namensliste der Opfer

Guggenheim Dagobert
* 27.10.1910 in Donaueschingen
deportiert am 22.10.1940 zusammen mit 6500 badischen und pfälzischen Juden in das französische Internierungslager Gurs (nordöstlich der Pyrenäen)
Transport nach Auschwitz am 11.08.1942,
vermutlich am 14.08.1942 im KZ Auschwitz ermordet
oder: Dagobert wurde für den Arbeitseinsatz ausgesondert,
sein genauer Todeszeitpunkt ist unbekannt.
Er wurde am 31.12.1945 für tot erklärt.

Glückauf Werner
* 04.07.1909 in Herne

Bastheim Paul (Werner)
* 28.01.1924 in Dortmund
Paul Bastheim wird mit seiner Mutter und der Schwester Johanna in das KZ Westerbork gebracht und am 10.08.1942 in diesem Transport von Westerbork nach Auschwitz deportiert.
Paul Bastheim wird nicht sofort ins Gas geschickt, sondern zur Arbeit aussortiert Er erhält die Häftlingsnummer 57926.
Paul Bastheim versucht vor dem sicheren Tod zu entkommen und flieht wenige Tage nach der Einlieferung aus dem Lager. Er wird wieder aufgegriffen und im Polizeigefängnis Myslowitz inhaftiert. Zurück in Auschwitz wird er in den sog. Bunker im Block 11 des Stammlagers Auschwitz geschafft. Nach drei Tagen, am 21.08.1942 wird er aus dem Bunker entlassen und zur Strafkompanie eingewiesen.

Rosenkranz Samuel
* 07.02.1892 Otynia / Tlumacz / Galizien, wohnhaft in Münster i. Westf. und Essen; emigriert am 11.03.1939 in die Niederlande; inhaftiert am 10.08.1942 in Westerbork; deportiert am 10.08.1942 ab Westerbork nach Auschwitz; umgekommen am 30.09.1942 in Auschwitz; für tot erklärt

Rosenkranz Wilhelmine (Margot) geb. Hartoch,
* 17.06.1900 Köln, wohnhaft in Gelsenkirchen und Essen, emigriert am 11.01.1940 in die Niederlande; inhaftiert am 10.08.1942 in Westerbork; deportiert am 10.08.1942 ab Westerbork nach Auschwitz; umgekommen am 30.09.1942 in Auschwitz; für tot erklärt

Eckstein Otto
* 15.06.1904 in Flamersheim
wohnhaft in Flamersheim, Raesfeld und Düsseldorf
umgekommen am 25.08.1942 in Auschwitz für tot erklärt

Ehrenbacher Hans-Heinz
* 29.11.1925 in Nürnberg
umgekommen am 30.09.1942 in Auschwitz

Kahane Hans
* 14.06.1894 in Wien
letzter Wohnort: Wien 18, Witthauergasse 31/34
deport. 10.08.1942 nach KL Auschwitz
umgekommen am 23.08.1942 in Auschwitz

Sternschein Ella
* 15.01.1891 in Rosenberg
letzter Wohnort: Steyr
deport. 10.08.1942 nach KL Auschwitz
umgekommen am 12.08.1942 in Auschwitz