Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau

Transportliste

Vorgeschichte
Ein Teil der mit diesem Transport deportierten waren katholische Juden die vor den Nazis in die Niederlande geflohen waren. Nach dem deutschen Einmarsch am 10.05.1940 und der am 15.05.1940 erfolgten Kapitulation der Niederlande wurde am 29. Mai 1940 Arthur Seyß-Inquart zum Reichskommissar für die besetzten Niederlande ernannt.
Als während der deutschen Besetzung der Niederlande die Deportation von Juden begannen, baten katholische, protestantische und calvinistische Vertreter Arthur Seyß-Inquart, diese einzustellen. Insbesondere baten sie darum, die getauften Juden zu verschonen. Darauf hin bot Seyß-Inquart an, alle vor 1941 getauften Juden zu verschonen, wenn die Kirchen dies nicht öffentlich machen würden. Dies wurde von Seiten der Kirche abgelehnt.
Am 26.07.1942 veröffentlichte unter anderem der katholische Erzbischof von Utrecht, Johannes de Jong einen Hirtenbrief indem er das Vorgehen der Deutschen gegen die Juden anprangerte.
Als Reaktion darauf, und wohl auch aus Persönlicher Rache lässt Seyß-Inquart am 02.08.1942, 244 zum Katholizismus konvertierte ehemalige Juden von der Gestapo verhaften und in das Durchgangslager Westerbork bringen. Unter den Verhafteten ist auch die am 12.10.1891 in Breslau geborene und am 01.01.1922 zum Katholischen Glauben übergetretene Jüdin Edith Stein (Schwester Teresia Benedicta) und ihre Schwester Rosa. Teresia Benedicta vom Kreuz Stein wurde beim Deutschlandbesuch von Papst Johannes Paul II. am 01.05.1987 in Köln selig gesprochen, und am 11.10.1998 erfolgte in Rom durch ihn die Heiligsprechung. Edith Stein hatte 10 Geschwister: Stein Paul * 19.05.1872 Gleiwitz + 29.04.1943 Theresienstadt, Stein Selma * 1873 Gleiwitz + 31.05.1874 Gleiwitz, Stein Paul * 19.05.1872 Gleiwitz + 29.04.1943 Theresienstadt, Stein Hedwig * 05.01.1875 Gleiwitz + 25.04.1877 Gleiwitz, Stein Else * 29.06.1876 Petersdorf bei Gleiwitz + 23.11.1956 Bogotá/Kolumbien, Stein Ernst Joseph * 19.06.1877 Neudorf bei Gleiwitz + 1880 Gleiwitz, Stein Arno * 09.09.1879 Gleiwitz + 15.02.1948 San Francisco, CA, USA, Stein Frieda * 11.12.1881 Lublinitz + (vermutlich) Theresienstadt, Stein Rosa Adelheid * 13.12.1883 Lublinitz + 09.08.1942 Auschwitz, Stein Richard * 1884 Lublinitz + 27.01.1887 Lublinitz, Stein Erna * 11.02.1890 Lublinitz + 1978 Davis, CA, USA
Sie ist die erste geborene Jüdin in der Kirchengeschichte, die offiziell heilig gesprochen wurde. Außer Edith und Rosa Stein werden ihre Geschwister Paul und Elfriede, in Konzentrationslagern ermordet. Ihre anderen Geschwister Else, Erna und Arno können noch rechtzeitig auswandern. Ein letztes Lebenszeichen Edith Steins stammt vom Bahnhof Schifferstadt, wo der Transport am 07.08.1942 gegen 13 Uhr kurz hielt (siehe Transportbericht).

Bericht
Am 07.08.1942 um 3:30 Uhr verläßt dieser Transport mit 987 Menschen, überwiegend jüdischen und zum Katholizismus konvertierten ehemalige Juden das Polizeiliche
Durchgangslager Westerbork mit Ziel Konzentrationslager Auschwitz in Polen. Die Gefangenen waren in umgebauten Viehwagen ohne ausreichende Verpflegung und Wasser eingezwängt. Am frühen Nachmittag desselben Tages fuhr der Zug, in den Bahnhof von Schifferstadt bei der Stadt Speyer ein. Der Bahnhof war ein wichtiger Bahnverkehrsknotenpunkt. Der Zug hielt hier gegen 13 Uhr kurz.

Begegnung mit Edith Stein am 7. August 1942
Am 7. August 1942 berührte der Lebensweg von Edith Stein auf dem Bahnhof von Schifferstadt noch ein letztes Mal das Bistum Speyer – auf dem Weg ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Am 25. Juni 1986 gab Pfarrer i.R. Ferdinand Meckes (Rodalben) über die kurze Begegnung mit Edith Stein Folgendes zu Protokoll:
Von Speyer kommend, musste ich auf dem Bahnhof in Schifferstadt auf den Anschluss nach Ludwigshafen warten, wo ich in St. Bonifaz Kaplan war. Nur noch zwei Damen standen auf dem gleichen Bahnsteig, etwa 30 Meter von mir entfernt. Auf dem äußersten Bahnsteig Gleis fünf fuhr ein Güterzug ein, Richtung: von Neustadt/W. nach Ludwigshafen – das Ausfahrtssignal stand auf „Halt“. Es fiel mir auf, dass nach einigen Güterwagen ein Personenwagen mit Soldaten sich befand und, da in den haltenden Wagen sich etwas regte, dachte ich an einen militärischen Viehtransport.
Aus dem vergitterten Lukeloch schauten mich zwei Augen – Menschenaugen – an und eine Männerstimme fragte: „Sie, wo halten wir?“ Meine Antwort: „In Schifferstadt.“ Darauf gab es in diesem Wagen, der also gerade da hielt, wo ich stand, eine Bewegung. Ich machte noch die Bemerkung: „Arme Menschen. Gott helfe euch.“ Eine Frauenstimme spricht mich an: „Waren Sie nicht im Konvikt? Ich kenne Sie.“ Ich gab zurück: „Doch – wer sind Sie?“ Es kam die Antwort: „Ich bin Schwester Teresia Benedicta a cruce – wissen Sie: Edith Stein.“ Meine Antwort: „Ich kenne Sie!“ Darauf bat sie: „Bestellen Sie bitte liebe Grüße an Prälat Lauer und die Schwestern von St. Magdalena.“
Ich wollte schnell nachsehen, wohin der Transport laufen sollte und wollte zum Zettelkasten an der linken Ecke des Wagens gehen. Drei Soldaten waren aus dem Personenwagen gesprungen – einer rief mich an: „Was ist dahinten los?“ Ich konnte den Zettel nicht entziffern: russische Schreibweise! Ich drehte mich um und ging wieder bis auf die Mitte des Bahnsteiges zurück.
Einige Sekunden später sah ich vor dem Bahnhof am Gleis eins den Fahrdienstleiter – einen älteren Mann mit roter Mütze – der Zug hatte Ausfahrt und setzte sich langsam in Bewegung. Die drei Soldaten stiegen ein. Edith Stein rief: „Achtung“ und ließ ein kleines Zettelchen (Größe vielleicht 6 mal 8 cm) herausfallen, das flatternd am hohen Bahnsteig vorbei neben die Schiene fiel.
Ich stellte mich hart an die Bahnsteinkante, behielt den Zettel im Auge und ließ den Zug, den langen Zug mit seinen wohl 50 Wagen – immer schneller werdend – vorbeirollen. Der Fahrdienstleiter schaute dem wegfahrenden Zug nach, bis der letzte Wagen über die Weichen war und ging in seine Stube. Jetzt sprang ich in die Schienenanlage und hob den Zettel auf, ging sofort auf die beiden Damen zu und sprach sie an: Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche – sind Sie Lehrerinnen?“ „Ja, warum“, war ihre Antwort. Ich fuhr fort: „Sie waren in St. Magdalena – dann kennen Sie auch Edith Stein. Schauen Sie, dort, die Schlußlichter – in diesem Güterzug wird sie wegtransportiert. Sie hat diesen Zettel herausgeworfen.“ Sie öffneten den gefalteten Zettel und eine der Damen sagte: „Ja, das ist ihre Schrift.“ Und ich sagte weiter: „Sie hat mir liebe Grüße aufgetragen an Herrn Prälat Lauer und die Schwestern von St. Magdalena.“ Wie aus einem Mund kam zurück: „Das tun wir sofort“, und die beiden eilten davon.
Später, ich meine auf der Beerdigung von Pfarrer und Geistlichem Rat Jakob Ernst in Mundenheim, traf ich Herrn Prälaten Lauer und fragte ihn, ob er die Grüße von Edith Stein überbracht bekommen habe. Auf die Bejahung gab ich ihm zu verstehen, dass ich es war, der mit Edith Stein zuletzt gesprochen habe.

Hierüber berichtet auch der Bahnhofsvorsteher Valentin Fouquet später:
Ich stand an der Bahnsteigkante und beobachtete die Einfahrt des D-Zuges.
Direkt vor ihm, kam der Wagon mit Edith Stein zum stehen.
Aus dem Wagen sprach mich eine dunkel gekleidete Dame an, ob ich von Schifferstadt sei, und vielleicht die Priesterfamilie Schwind kenne? Ich bejahte, das mir die Familie von Dekan Konrad Schwind, meinem Schulkameraden gut bekannt sei!
Gemeint sind die Verwandten des Dekans Konrad Schwind, der selber ein Neffe von Prälat Josef Schwind, des langjährigen Seelenführers der Edith Stein war. Es fällt weiter auf, dass Valentin Fouquet von einer dunkel gekleideten Dame sprach, was die Vermutung zulässt, dass die Karmelitin gezwungen wurde, ihren braunen Ordenshabit in Westerbork abzulegen, um den zufälligen Beobachtern des Transportes nicht als Nonne erkennbar zu sein. Die Leute die in den Bahnhöfen entlang der Strecke auf ihre Züge warteten, wollten die SS-Schergen in dem glauben lassen, es würde sich um einen gewöhnlichen Gefängnistransport handeln. Edith Stein trug dem Bahnbeamten Grüße an Herrn Pfarrer Schwind auf, den Neffen ihres väterlichen Freundes, des verstorbenen Generalvikars Schwind.
Wenige Minuten nachdem, der Transport mit Edith Stein den Bahnhof verlassen hatte, lief der Gegenzug aus Ludwigshafen ein.
Aus diesem Zug stiegen aus, eben jene besagte Schwester des Dekan Schwind, in Begleitung einer Bekannten mit Namen Else Eckrig.

Else Eckrig berichtet später ihrer Freundin Frau Anna Heckmann, die auch eine ehemalige Schülerin Edith Steins, in der Mädchenschule des Sankt Magdalenenklosters gewesen war, folgendermaßen:
Der Bahnhofsvorsteher Herr Fouquet kam uns aufgeregt entgegen, und sprach uns an: jetzt kommt ihr, gerade eben ist der Zug hinausgefahren, in dem eine Frau namens Edith Stein war. Sie hat mich nach der Familie Schwind gefragt, sie bat mich dann dringend dies auszurichten: Ich komme nach dem Osten. Grüßen sie die Familie Schwind in der Ludwigstrasse. Darüber waren wir sehr betroffen, denn der Herr Fouquet teilte uns mit, dass dies ein Gefangenentransport war!
Kaplan Ferdinand Meckes schilderte Jahre später sein Erlebnis, gegenüber einer Frau Mathilde Fetz, die seine Aussagen 1980, so niederschrieb:
Mit dem Rücken zu dem Zug stehend, der auf dem Gleis 5, auf seine Weiterfahrt wartete, bemerkte er, das in den Güterwagen Leben ist.
Sie zitiert nun wörtlich:
Dann hörte ich Stimmen und machte für mich die Bemerkung, ach Gott da sind ja Menschen drin, o ihr armen. Beim kurzen Umdrehen, bemerkte ich am, mit Stacheldraht gesicherten Oberlicht aus dem Dunkel zwei helle Augen, und es kam die Frage: Sind sie nicht im Konvikt gewesen? Ich kenne Sie, ich bin die Schwester Benedicta, Edith Stein. Sagen sie bitte liebe Grüße an Prälat Lauer und die Schwestern von Sankt Magdalena. Wenn der Zug abfährt lass ich einen Zettel fallen.
Eine Minute später ließ sie einen kleinen Zettel herausfallen, der aber nicht auf dem Bahnsteig landete, sondern auf die Bahngeleise fiel. Auf demselben Bahnsteig warteten noch zwei Damen, dem Anschein nach jüngeren Lehrerinnen, und als der Zug weitergefahren war, holte ich den Zettel von den Geleisen. Ich lief damit, ohne es groß gelesen zu haben, zu den beiden Damen und fragte: Sind Sie nicht Lehrerinnen, kennen sie die Schwester Benedicta, Edith Stein? Eben ist sie mit diesem Zug weggefahren. Dieses Zettelchen hat sie hinausgeworfen, überbringen sie es bitte. Weiter sagte er aus, dass die Frauen den Zettel, nachdem sie ihn durchgelesen hatten an sich nahmen, eiligst davonliefen, das Bahnhofsgebäude umgehend, über die Absperrgitter hüpften, und verschwunden waren. So seine Erinnerungen dazu.

Wenige Tage später, erhielt eine Ordensfrau in Freiburg, die mit Edith Stein bekannt gewesen war, und deren Postanschrift die Heilige Karmelitin, aus irgendeinem Grund noch auswendig wusste, und von der sie wohl annahm, sie könne dem Karmel Nachricht, von ihrer Verschleppung übermitteln, von unbekannter Seite einen mit Bleistift geschriebenen Zettel auf dem geschrieben stand:
Grüße von der Fahrt nach Polen. Schwester Theresia Benedicta.
Mit keinem Wort erwähnte Edith Stein darin die Lüge der Nazis, über den angeblichen Zielort der Deportation. Wohl von Anfang an hatte Sie nicht geglaubt, was den Häftlingen zur Beruhigung aufgetischt wurde. Die SS hatte im KZ Westerbork behauptet, man würde alle arbeitsfähigen Häftlinge in schlesische Bergwerke verbringen, da es dort an Arbeitskräften mangele.

Der Transport erreicht am 08.08.1942 Abends das Lager Auschwitz-Birkenau. Nach der Selektion werden 315 Männer mit den Nummern 57405-57719 und 149 Frauen mit den Nummern 15812-15960 ins Lager übernommen. 523 Menschen sterben in der Gaskammer des Weißen Hauses in Auschwitz-Birkenau.
(Gegen 22 Uhr war der Transport an der Rampe des KZ eingetroffen. Noch in derselben Nacht trieben SS-Leute die Häftlingskolonne in die Vernichtungsmaschine. Im zweiten Drittel des Zuges schritt die Philosophin Edith Stein, Schülerin, Gesprächspartnerin und Weggenossin von Edmund Husserl, Martin. Heidegger, Max Scheler und vielen anderen Philosophen -- im Ordenskleid einer unbeschuhten Karmelitin.)

Die holländischen Behörden denen die Transportlisten nach dem Krieg in die Hände fielen, erklärten alle Insassen der Transportliste Nummer 34, im Jahre 1950 für Tod, da keine weiteren Spuren mehr über ihren Verbleib gefunden wurden. Als Todestag für alle, wurde der 09.08.1942, behördlich festgesetzt