SS-Oberscharführer
* 25.04.1921 in Rio de Janeiro
† 28.11.1993 in Düsseldorf
letzter bekannter Wohnort: Düsseldorf-Rath Derfflingerstraße 14
Reichsdeutscher (brasilianischer Staatsangehöriger)
verwitwet
seine Mutter war die deutsche Joanna Mary Broad, eingebürgerte Brasilianerin im März 1922 und Tochter eines deutschen Industriellen aus Düsseldorf und sein Vater war Kaufmann des Brasilianisches Unternehmen Napoleão Goulart Broad, Repräsentant in Brasilien der deutschen Firma A. Lohmann, Hamburg, und Inhaber der Import- und Exportfirma Broad & Cia.
In der Rua São Pedro, Nr. 39, in der Innenstadt von Rio, wurde diese Firma von Napoleão in Zusammenarbeit mit dem Journalisten Ivo Arruda geführt.
1926 übersiedelte er mit seiner Mutter von Brasilien nach Deutschland, behielt aber auch die brasilianische Staatsbürgerschaft. Der brasilianische Vater blieb in seinem Heimatland zurück.
ab 1931
Mitglied der HJ
Besuch der Volksschule und des Realgymnasiums in Berlin
1940 legte er sein Abitur ab und studierte anschließend an der Technischen Hochschule Berlin
1941 Eintritt in die Allgemeine SS
ab 30.01.1942
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS
30.01.1942
Beförderung zum SS-Schützen
ab April 1942 bis Januar 1945 Wachmann, später meldete er sich freiwillig als Mitarbeiter der politischen Abteilung (Lagergestapo) und kam in das Referat Ermittlungen und Vernehmungen im KL Auschwitz.
01.05.1942
Beförderung zum SS-Sturmmann
01.02.1944
Beförderung zum SS-Rottenführer
Januar 1945 schloss sich eine zweimonatige Dienstzeit im KZ Dora-Mittelbau an, es folgten Bewachungsaufgaben bei Evakuierungsmärschen von KZ-Häftlingen sowie zum Ende des Krieges noch ein kurzer Fronteinsatz.
am 6. Mai 1945 wird er von den Briten festgenommen und im Auffanglager Gorleben interniert. Da er sehr gut Englisch konnte, setzten sie ihn als Dolmetscher ein.
Am 13. Juli 1945 überreichte er den Briten eine lange
«Denkschrift» (Broad Bericht) über Auschwitz, die er am 14. Dezember desselben Jahres in
einer eidesstattlichen Erklärung bekräftigte.
1947 aus der britischen Gefangenschaft entlassen und arbeitete danach als kaufmännischer Angestellter in einem Sägewerk in Munster, und sodann bis zu seiner Inhaftierung im April 1959 in Braunschweig
Am 30. April 1959 im Zusammenhang mit dem Untersuchungsverfahren für den 1. Auschwitzprozess verhaftet
Ende 1960 gegen eine Kaution von 50 000 DM auf freien Fuß gesetzt
Das Schwurgericht Frankfurt am Main verurteilte Broad am 19. August 1965 zu vier Jahren Zuchthaus.
Zur Zeit der Verhandlung:
42 Jahre, verheiratet.
Im Februar 1966 aus der Haft entlassen, da die Untersuchungshaft auf das Strafmaß angerechnet wurde.
Nach der Haftzeit lebte Broad in Düsseldorf
Sowohl Walter Dejaco als auch Pery Broad waren für kurze Zeit zu der SS-Wirtschaftsschule abkommandiert. Die offenbar in noch verfügbaren Akten dokumentierte Zeit in Arolsen bescherte Broad wohl ein Alibi. Er behauptet, während der Liquidation des Zigeunerlagers in Arolsen gewesen zu sein. Es kam nie zu einer Anklage.
Aussage des ehemaligen Häftlings Kagan Raya im Auschwitz Prozeß
Er war ein intelligenter, junger Mann, der musikliebend war. Ich habe alleine an einem Samstagnachmittag ein Bach-Konzert gehört von ihm.
Broad war raffiniert und schlau und führte sehr geschickte Vernehmungen. In meiner Gegenwart hat er keine Häftlinge bei den Vernehmungen mißhandelt.
Ich will noch diese Sache von der Regina Lebensfeld erwähnen. Es war in Birkenau, als sie nach Birkenau gingen. Und sie hat mir von einem Fall, von einem halbwüchsigen, jüdischen Knaben erzählt, der wurde von einem Posten vor Broad vorgeführt. Er sollte vergast werden. Und das Kind, ein Halbwüchsiger, er wußte davon. Und er hat den Broad angefleht, ihm die Hände gezeigt und gesagt: Lassen Sie mich am Leben, ich kann doch arbeiten! Und der Broad hat gesagt: Weg mit dem!
seine Schreiberin war der Häftling
Steinberg Regina geb. Lebensfeld
Am 30. April 1959 wurde er im Zusammenhang mit dem Untersuchungsverfahren für den 1. Auschwitzprozess verhaftet, aber Ende 1960 gegen eine Kaution von 50 000 DM auf freien Fuß gesetzt. Im Prozess, wo er von den Anwälten Dr. Hans Laternser und Fritz Steinacker vertreten wurde, vollzog Broad eine radikale Wende. Im Unterschied zu seinem Bericht verhielt er sich jetzt wie die anderen Angeklagten. Er leugnete die Verbrechen, wollte sich an nichts erinnern können, belastete die anderen Angeklagten und fand kein Wort der Reue. Als man ihn mit seinen eigenen Aufzeichnungen konfrontiert, war es für seine Verteidigung ein Schock. Er konnte außerdem seine Anwesenheit an der Rampe und dem berüchtigten Block 11 nicht leugnen. Zudem belasteten ihn Zeugen schwer. Das Schwurgericht Frankfurt am Main verurteilte Broad am 19. August 1965 zu vier Jahren Zuchthaus. Im Februar 1966 wurde er aus der Haft entlassen, da die Untersuchungshaft auf das Strafmaß angerechnet wurde. Im gleichen Jahr veröffentlichte das Staatliche Museum Auschwitz den Broad-Bericht. Im Prozess war Broads Beteiligung an der Auflösung des Zigeunerlagers in Auschwitz-Birkenau, nämlich an der Ermordung von 3.000 Häftlingen des Lagers, von nebengeordneter Bedeutung gewesen, vom Hauptverfahren abgetrennt worden und für das Urteil nicht relevant gewesen. Der hessische Justizminister Lauritz Lauritzen hatte dem Sekretär des Internationalen Lagerkomitees zugesagt, diese Morde in einem separaten Verfahren zu verhandeln, was nie geschah. Nach der Haftzeit lebte Broad ein unauffälliges Leben und starb im November 1993 in Düsseldorf.
20.10.1947
eidesstattliche Erklärung Broads vom 20. Oktober 1947:
“Einige Wochen später wurden die Büros der politischen Abteilung, die damals im unteren Stockwerk des Reviergebäudes lagen, in den frühen Nachmittagsstunden geräumt und das Personal in die Unterkünfte geschickt.
Ich folgte diesen Befehl nicht, sondern versteckte mich im oberen Teil des Treppenhauses. Von dort aus konnte ich das etwa 100 m entfernt liegende Krematorium beobachten. Nach einiger Zeit wurde das hohe Einfahrtstor, das zum Vorraum führte, geöffnet und ein Zug von etwa 200 Menschen wurde von einigen SS-Leuten, die mir namentlich nicht bekannt sind, hineingeführt.
Das Tor wurde dann wieder geschlossen. Die Vorgänge auf dem Hof konnte ich nicht beobachten, weil das Tor und die Umzäunung zu hoch waren. Auf dem Dach des Krematoriums erschien danach Untersturmführer Grabner mit einem weiteren, mir nicht mehr erinnerlichen SS-Mann und gab den im Hof versammelten Menschen Anweisungen, die ich aber nicht verstehen konnte. Nach wenigen Minuten betraten zwei weitere SS Angehörige, die Gasmasken trugen, das Dach des Krematoriums. Sie öffneten die 6 Lüftungsklappen, die sich in dem flachen Dach befanden, öffneten durch Hammerschläge mehrere Blechbüchsen, schütteten den Inhalt durch die Öffnungen und schlossen sie wieder. Während des ganzen Vorganges lief der Motor eines vor dem Krematorium stehenden Lastwagens, wahrscheinlich, um die Schreie der sterbenden Menschen zu übertönen. Nach etwa 5 Minuten war die Aktion beendet, der Lastwagen fuhr ab und die Zufahrtstrassen wurden wieder dem Verkehr zur Verfügung gestellt. Diese Massnahmen haben sich im Jahre 1942 noch mehrere Male im Krematorium in Auschwitz wiederholt; ich habe sie jedoch nicht mehr beobachten können.”
nach 1947
Er heiratete, wurde aber 1955 geschieden und heiratete 1958 wieder.
Sein Berufsleben in Westdeutschland war mittelmäßig. Bis 1953 war er Angestellter in einem Sägewerk in Münster, eine Fortführung eines in Braunschweig ansässigen Elektrogeräteherstellers und ein kleiner Angestellter in einem Büro in der Stadt Düsseldorf.
Carioca Pery Broad hatte nie Kinder und kehrte nie nach Brasilien zurück. Er lebte die letzten Jahre seines Lebens mit einer Rente, die ihm das neue, vereinte und demokratische Deutschland gewährte, das er sicherlich verachtete. Er starb am 28. November 1993 in Düsseldorf.