Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen

Gebiet
Österreich, Bundesland Niederösterreich, Bezirk Mödling

Eröffnung
02.08.1943

Schließung
Die Häftlinge wurden am 02.04.1945 nach Mauthausen evakuiert, wo sie am 12.04.1945 angekommen sind.

Häftlinge
2.954 höchster Häftlingsstand

Geschlecht
Männer

Einsatz der Häftlinge bei
Flugzeugmotorenwerke Ostmark GmbH, Wien XXIV; Steyr-Daimler-Puch AG, Autoreparaturwerkstätte, Wiener-Neustadt

Art der Arbeit
Flugmotorenteilefertigung

Täter

Arbeitskommando Halle 9

Bericht des ehemalige SS-Rechnungsführer des Lagers
Hans Pedale, Braunschweig, Wilhelm Sodestr.95
Im Frühjahr 1944 fertigte ich im Auftrag der Lagerkommandantur einen Sondervertrag mit der Direktion der Flugzeugmotorenwerke Ostmark (POW) aus. In diesem Vertrag erklärten die POW sich bereit, in einer ihrer Werkshallen Arbeitsplätze für 150 körperlich schwache oder sonst nicht mehr voll einsatzfähige Häftlinge einzurichten. Diese Häftlinge sollten ganz leichte und sitzende Beschäftigung erhalten. Der Normallohn sollte für diese Häftlinge um 50 % reduziert werden, als Ausgleich sollten diese Häftlinge vom Werk aus der Werkküche verköstigt werden. In dem Vertrag wurde ferner die Bereitstellung von etwa zehn gesunden Häftlingen für Transportarbeiten in diesem Kommando vereinbart."
Die FOW richteten die Werkshalle 9 für dieses Kommando ein, welches die Bezeichnung "Arbeitskommando Halle 9" erhielt.

Bericht Erich Pfeiffers, ehemaliger deutscher Kapo des Kommandos Halle 9:
Das von mir geführte Arbeitskommando Halle 9 wurde von den anderen Häftlingen spöttisch als "Krüppelgardea oder als "Letztes Aufgebot* bezeichnet, well es aus 150 Häftlingen bestand, die alle völlig unterernährt und krank waren.
Die meisten von ihnen wohnten auf dem Schonungsblock des Häftlingsreviers. Auch seine vier Hilfscapos Hermann Sandt, Erwin Metbach, Johann Hebung und Kari Homen waren körperlich sehr schwach und wohnten auf dem Schonungsblock. Wir waren das einzige Kommando des Lagers, welches beim Aus- und Einrücken nicht im Gleichschritt marschieren mussten. Die Arbeit war sehr leicht. Die Häftlinge saßen an langen Tischen und mussten Schrauben, Muttern, Nieten usw. sortieren. Die Bewachung in der Halle 9 bestand nicht aus SS-Männern, sondern aus älteren ruhigen Luftwaffensoldaten. Wir erhielten aus der Werkküche ein sehr gutes Essen. Das Kommando war bald sehr beliebt. Es versuchten sogar Häftlinge aus anderen Kommandos, sich auf den Schonungsblock zu schmuggeln, um in das Kommando Halle 9 zu kommen. Für den Materialtransport standen mir acht gesunde Häftlinge zur Verfügung.
Auch zu dieser Arbeit drängten sich die Häftlinge im Lager. Auf mein Bitten hin wählten die Blockschrelber für diese Posten immer deutsche oder russische Kameraden aus.

Bericht Dr. med. Adam Sobecki, Hohensalsa, Pole, ehemaligr Häftlingsarzt des Lagers Wiener Neudorf:
Es war tatsächlich so, dass viele Häftlinge sich krank meldeten, um in die Halle 9 zu kommen, und Häftlinge, die sich in der Halle 9 soweit erholt hatten, dass sie wieder in andere Kommandos eingesetzt werden konnten, stellten sich krank,in der Halle 9 bleiben zu können.

unbekannter Zeuge:
Aus eigener Erfahrung habe ich die Halle 9 nicht kennen gelernt. Ich kann aber die Beobachtung meines Kollegen Dr. Sobecki nur bestätigen. Auch aus den vielen Eidesstattlichen Erklärungen, die beim WCIT einliefen, geht hervor, dass das Kommando Halle 9 wirklich ein gutes Kommando war.

Am 05.06.1944 geschah es.
Der deutsche Capo Erich Pfeiffer berichtet: Als Ich nach Beendigung der Mittagspause das Zeichen zum Wiederarbeitsbeginn gegeben hatte, stellte ich fest, dass zwei Transportarbeiter fehlten. Zuerst vermutete ich, sie hatten sich auf den Toiletten verspätet. Aber sie waren nicht dort. Unruhig geworden suchte ich mit den Hilfscapos die ganze Hall, vergebens. Daraufhin erstattete ich bei dem Kommandoführer, Oberfeldwebel Otto Schrader Meldung. Nachdem die Luftschutzsoldaten auch vergeblich die Halle durchsucht hatten, kam die SS in die Halle. Während der eine SS-Mann den Oberfeldwebel Schrader anbrüllte und ihn des Kommandos enthob, schlugen die anderen SS-Männer rücksichtslos auf die Häftlinge ein. Mehrere Häftlinge stürzten zu Boden, aber die SS-Männer schlugen weiter auf sie eln. Schließlich mussten die Luftwaffensoldaten abmarschieren und wurden dabei von zwei SS-Männern begleitet. Acht SS-Männer trieben uns zusammen und bewachten uns mit schussbereiten Maschinenpistolen. Wir durften uns nicht rühren und auch den am Boden liegenden Kameraden keine Hilfe leisten. Es dauerte eine ganze Welle, dann kauen der Rapportführer Lamm und die Blockführer Lehnert und Höllriegel. Lamm rief mich zu sich und fragte mich nach den Namen der Geflüchteten. Da ich wusste, dass es sich nur um Transportarbeiter handeln konnte, war es leicht, die Namen herauszusuchen. Es handelte sich um zwei Russen namens Smlrnow und Baranow. Lamm gab Lehnert den Befehl, die beiden Namen telefonisch an das Lager durchzugehen. Dann befahl er uns, die Verletzten an einem Platz zusammenzutragen. Die meisten der Verletzten waren bewusstlos. Lamm ordnete an, dass wir die Verletzten auf einem Lastkraftwagen ins Lager bringen sollten. Als der Lastwagen kam, luden wir die Verwundeten auf. Und dann musste weitergearbeitet werden. Aber es durfte sich niemand mehr setzen. Lamm befragte mich eingehend, ob ich denn nichts bemerkt hätte. Er hat mich aber nicht geschlagen, wie überhaupt seit seinem Eintreffen keine Misshandlung mehr geschah.

Während die SS eine Großfahndung nach den geflüchteten Russen einleitete, rollte ein LKW des Werks mit den Verwundeten zum Häftlingsrevier.
Dr. Sobeeki, Dr.Turk und Dr. Busch berichten Übereinstimmend:
Am 05.06.1944, nachmittags gegen 16 Uhr, brachte ein LKW 19 Häftlinge aus der Halle 9. Wir vermuteten zuerst einen großen Betriebsunfall, aber als die Häftlinge von den Pflegern abgeladen wurden, erkannten wir sofort, dass es sich hier nicht um einen Unfall gehandelt hatte. Die Häftlinge sahen furchtbar aus. Drei von ihnen waren bereits tot, als sie abgeladen wurden. Wir ließen die Toten sofort in den Leichenbunker schaffen und kümmerten uns um die Verletzten. Vier Häftlingen konnten wir nicht mehr helfen, sie starben am gleichen Abend. Bei den übrigen Verletzten stellten wir Knochenbruche, Rissquetschwunden, Prellungen usw. fest. Abends, nach der Rückkehr der Arbeitskommandos kamen noch weitere Häftlinge der Halle 9 und ließen sich Verletzungen behandeln. Der völlig verstörte Capo Pfeiffer gab uns einen Bericht über die Vorfälle. Die Toten waren alle vom Schonungsblock. Die Personalien der Toten lagen also im Revier vor. Hach der Ambulanzstunde begaben wir uns mit den Pflegern Diedrichs und Toulet In den Leichenbunker, um für die Todesmeldungen die genauen Todesursachen festzustellen. Da erhielten wir von der Lagerschreibstube die Meldung, dass auf Befehl des Kommandanten lediglich zu schreiben
sei "Tod durch Betriebsunfall". Aber dann kam der SS Lagerarzt, und nachdem er sie eingehend betrachtet hatte, forderte er sogar Leichenschauberichte. Er sagte mit vollen Recht:"
Die können wir nicht als Unfalltote ins Wiener Krematorium schicken, die müssen nach Mauthausen. Er drängte auf Eile, weil er die Toten noch In der Nacht abholen lassen wollte. Lelchenschauberichte (Obduktionsbefunde) sind immer umfangreiche Arbeiten. Meine Schreibmaschine lief also in dieser Nacht heiß. Wir hatten nur eine Maschine, zudem war aber auch keiner meiner Kollegen der deutschen Sprache hinreichend mächtig, um diese Berichte schreiben zu können. zuerst also die Obduktionen selbst, dann die Todesmeldungen (sieben in sechsfacher Ausfertigung, dann die sieben Leichenschauberichte ( vierfach), dann 21 Unfallmeldungen jener Verletzten, die nicht arbeitsfähig waren und im Revier aufgenommen worden waren. Nebenher aber mussten die allfälligen Arbeiten gemacht werden. Aber wir schafften es. In der Nacht, etwa gegen 4 Uhr, wurden die Leichen von einem SS-LKW abgeholt, und morgens vor dem Appell gab ich die Meldungen ab.

Nachfolgend nun die Personalien der Toten, die Art der bei der Obduktion festgestellten Verletzungen und Todesursachen:

Vanderlo Peter, Deutscher, 64 Jahre, Lehrer,
Schädelbasisbruch, linksseitiger Schlusselbeinbruch, völlige Zerstörung des linken Auges. Todesursache: Schädelbasisbruch
(War bei der Einlieferung bereits tot).

Gerwlnski Tadek, Pole, 53 Jahre, Kaufmann
doppelter Schädelbasisbruch, Rissquetschwunden Im Gesicht und am Körper.
Todesursache: Schädelbasisbruch

Lemmert Heinrich, Deutscher, 58 Jahre alt, Kellner
Bauchverletzungen mit Darmaustritt, Todesursache: innere Verblutungen
(war bei der Einlieferung bereits tot).

Goswinski Hans, Pole,37 Jahre alt, Buchdrucker
Nasenbeinbruch, linkes Auge ausgelaufen, linke Ohrmuschel fehlt. Rissquetschwunden im Gesicht und an der rechten Schulter.
Todesursache: Innere Verblutungen.

Martet Pierre, Franzose, 34 Jahre, Dreher
Schädelbasisbruch, Bruch der rechten drei unteren Rippenbögen, Rissquetschwunden am ganzen Körper.
Todesursache: Schädelbasisbruch

Jovanovic Milan, Jugoslawe, 23 Jahre, Arbeiter
absatzähnliche, blutunterlaufene Stellen auf der Brust, Brustbeinfraktur, Rissquetschwunden im Gesicht und an den Armen.
Todesursache: innere Verblutungen

Vukovic Marko, Jugoslawe, 18 Jahre, Landarbeiter
Bauchverletzungen mit Darmaustritt
Todesursache: innere Verblutungen

Die Suche nach den beiden Russen war erfolglos geblieben. Der über die Flucht empörte Lagerkommandant bestrafte am Morgen (06.06.1944) das ganze Lager mit drei Tagen Kostentzug. Weitere Strafmassnahmen folgten im Laufe des Tages.
Die Kapos der Halle 9 wurden mit je 25 Stockhieben bestraft, dem Kommando sämtliche Vergünstigungen (sitzende Arbeit, Werkskost, Luftwaffenbewachung etc.) entzogen. Die schwerstwiegende Strafmassnahme des Kommandanten aber war, dass er die sofortige Strafrücküberstellung der von uns revierkrank geschriebenen 21 Häftlinge, die bei den Vorfällen in Halle 9 verletzt worden waren, und den 8 Häftlinge, die mit den beiden geflüchteten Russen auf Block 4 in einer Stube gewohnt hatten, nach Mauthausen befahl. Das bedeutete den sicheren Tod von weiteren 29 Häftlingen, die an der Flucht gänzlich unbeteiligt gewesen waren.
Am frühen Morgen des nächsten Tages, am 07.06.1944, ging der Straftransport nach Mauthausen ab.
Die Suche nach den Flüchtlingen blieb trotz Einsatz aller verfügbaren Kräfte weiterhin ergebnislos.
Morgens gegen 08:30 Uhr bekam der Lagerkommandant Schmutzler einen Besuch. Im 3. Neudorfer Prozess in Dachau sagt Schmutzler als Angeklagter in eigener Sache darüber aus: "Das Datum weiß ich nicht mehr genau, aber es kann schon stimmen, dass es der 07.06.1944 war, ließ sich bei mir morgens kurz nach 8 Uhr ein Mann bei mir melden. Es war ein Werkmeister aus den Flugzeugwerken, seinen Namen habe ich vergessen. Der Mann war sehr aufgeregt und erzählte, dass sich im Keller seines Hauses in der Schloßstrasse zwei KZ-Häftlinge verborgen hielten. Er hatte vom Fenster aus beobachtet, wie die beiden sich ins Haus schlichen.

Sofort hatte er seine drei Gangnachbarn und den Luftschutzwart des Hauses heimlich benachrichtigt. Gemeinsam hatten sie die Kellertür abgeschlossen. Die Häftlinge saßen jetzt in der Falle, denn der Keller besaß nur ganz kleine Fensterluken, durch die niemand hindurchschlüpfen konnte. Die vier Hausbewohner blieben als Wache vor der Kellertür, während der Werkmeister auf dem Fahrrad hergefahren war, um Meldung zu erstatten.
Schmutzler berichtet dann weiter: Ich gab sofort Alarm, Ich konnte aber nur vier Leute abziehen, weil alle verfügbaren Männer auf Suchkommando waren. Ich befahl dem Rapportführer Lamm, dem Blockführer Höllriegel und den Hundeführern Nitschke und Dura, die Flüchtlinge wieder herbeizuschaffen.
Frage des Anklagevertreters Greenhill: Hatten Sie den Befehl gegeben, die Häftlinge zu erschießen?
Schmutzler: Nein. Aber es ist vollkommen gesetzlich, dass Suchmannschaften von der Waffe Gebrauch machen dürfen, wenn die Flüchtlinge Widerstand leisten oder weitere Fluchtversuche unternehmen.
Lamm und Höllriegel gingen, mit Maschinenpistolen bewaffnet, noch einmal in die Lagerschreibstube und erklärten den dort gerade versammelten Blockschreibern lachend: Jetzt holen wir sie. Wir wissen jetzt, wo sie sind
Lamm, Höllriegel, Nitschke und Dura, fuhren, mit einem SS-Fahrer der namentlich nicht genannt wurde, zu dem Versteck der Flüchtlinge in die Schloßstrasse.
Über den weiteren Verlauf berichtet der Rapportführer Rudolf Lamm als Angeklagter in eigener Sache:
Das Haus in der Schloßstrasse ist ein Eckhaus. Vor der Kellertür standen vier Männer, die ich wegschickte .Während Nitschke und Höllriegel die Wache vor der Kellertür übernahmen, überzeugte ich mich zusammen mit Dura, dass aus den Kellerfenstern tatsächlich kein Entkommen möglich war. Dann öffneten wir die Kellertür, Nitschke und Dura blieben mit den Hunden am Eingang stehen.
Wir leuchteten mit Handscheinwerfen den Keller ab, dann gingen ich und Höllriegel in den Keller.
Wir riefen den Flüchtlingen, die wir noch nicht sahen zu, sich zu ergeben. Als sich nichts rührte, stieg Höllriegel die Stufen hinunter, ich gab ihm mit der Maschinenpistole Feuerschutz und rief immer wieder, die Flüchtlinge sollten herauskommen und sich ergeben. Da kamen sie schließlich hervor und hielten die Hände hoch. Vermutlich sah das für Höllriegel bedrohlich aus, denn er schoss plötzlich auf die Häftlinge, die zusammenbrachen. Ich habe das nicht genau sehen können.
Höllriegel schoss noch mehrmals, dann drangen wir alle, ich, Nitschke und Dura in den Keller ein. Die Häftlinge waren tot. Wir trugen sie aus dem Keller und luden sie auf den Lastwagen und fuhren zum Lager zurück.
Bericht des ehemaligen Lagerkapos von Wiener Neudorf, Joseph Hopfer, Österreicher, Wien, Ruepogasse: (eidesstattliche Erklärung beim WCIT Salzburg):
Ich stand gerade mit einem Häftlingsarzt beim Lagereingang, als ein offener LKW in das Lager einfuhr, auf dessen Ladefläche Lamm und Höllriegel standen. Die beiden SS-Männer winkten fröhlich und lachend und bedeuteten uns, zum Revier zu laufen. Höllriegel machte einige tanzende Bewegungen, plötzlich richtete er seine Maschinenpistole auf den Boden der Ladefläche des Wagens und gab eine Salve ab. Der LKW fuhr dann die Lagerstrasse entlang zum Revier, wir aber liefen quer über den Appellplatz und kamen so fast gleichzeitig mit dem Auto am Revier an.
Der von Hopfer erwähnte Arzt war ich. Auf unser Rufen kamen Sobecki, Türk und die Pfleger Diedrichs, Iwan und Toulet aus dem Revier. Die Seitenfläche des LKW wurde heruntergelassen, ich kletterte auf den Wagon und konstatierte, dass die beiden Häftlinge tot waren. Ich kann mich noch erinnern, das Höllriegel mich warnte: Passen Sie auf, die Hunde sind bewaffnet!. Diedrichs und Toulet trugen die Toten in den Leichenbunker. Da Höllriegel weiterhin behauptete, die Toten seien bewaffnet, wurden sie sofort entkleidet und der Inhalt ihrer Kleidertaschen untersucht. Waffen wurden jedoch nicht gefunden, sondern nur bedeutungslose Kleinigkeiten: ein Stück hartes Brot, etwas Tabak, ein paar Zündhölzer, ein Stück Bindfaden und eine Glasscherbe. Im Hosenbund verborgen waren einige Geldmünzen. Das war alles.

Später kamen der Lagerkommandant Schmutzler und der SS-Lagerarzt Plaettig in den Bunker und betrachteten sich die beiden Toten, Plaettig ordnete die sofortige Obduktionen an. Schmutzler rieb sich befriedigt die Hände und engte: Endlich. Aber wir kriegen doch alle wieder.
Plaettig sprach leise etwas zu ihm. Daraufhin sagte Schmutzler: Natürlich, und zu uns: Ihr sollt auch eine Freude haben. Der Kostentzug ist ab sofort aufgehoben. loh habe auch eine Freud, Schade, das die schon nach Mauthausen abgegangen sind.

Der Pfleger Toulet holte vom Blockschreiber Block 4 die Personalien der Toten:
Baranow Alexander, russischer Staatsbürge geb. am 24.8.I9I0 In Kiew, ledig, keine Kinder, Schlosser

Smirnow Iwan, russischer Staatsbürger, Leutnant, Zivilberuf Arzt, sonstige Personalien unbekannt.

Die Leichen wurden in den Waschraum des Häftlingsreviers getragen und von Dr. Sobecki und mir obduziert.
Bei der Ausfertigung des Berichtes stieß ich auf viele Schwierigkeiten. Ich fragte zuerst Lamm, wo die Russen erschossen worden seien. Er sagte: Gehen Sie zu Blockführer Höllriegel. Der soll es Ihnen sagen.
Ich ging in das SS-Lager. Höllriegel saß gerade im Bade. Durch dle Tür rief er mir zu: Es war in der Schloßstrasse, die Nummer weiß ich nicht mehr.

Schmutzler wies den fertigen Bericht aber zurück. Ich musste schreiben: Im Lagerbereich erschossen. Der neue Bericht war wieder falsch. Jetzt musste ich schreiben: die Lelche des seit dem 05.06.1944 abgängigen und am 07.06.1944 im Lagerbereich erschossenen.
Wieder falsch. Es mussten verschiedenartige Todeszeiten eingefügt werden, also bei Baranow 06.06.1044, 20:30 Uhr, bei Smirnow 07.06.1944, 12:30 Uhr.
Die nächsten Leichenschauberichte fanden endlich Gnade vor den Augen des Kommandanten. Die Abschriften der beiden Berichte folgen anbei:

Der SS-Lagerarzt
SS-Hauptsturmführer Dr. Kurt Plaettig
im. Arb. Lager Wr. Neudorf

Wiener Neudorf, den 07.06.1944

An den
SS-Standortsarzt Dr. Wolter
KL Mauthausen

Betreff:
Leichenschau an dem Häftling R.No. 26488,
Name: Alex Baranow, geb. 24.08.I9I0 zu Kiew
Beruf: Schlosser, Stand: ledig, Kinder: keine

Am 07.06.1944, um 09:00 Uhr habe ich im Beisein des SS-Lagerkommandanten
SS-Hauptsturmführer Kurt Schmutzler im hiesigen Häftlingsrevier die Leiche des
im Lagerbereich auf der Flucht erschossenen S-Häftlings H 26488, Alex Baranow
besichtigt. Der Häftling wurde am 06.06.1944 um 20:30 Uhr im Lagerbereich auf der
Flucht erschossen.

Bericht über die Leichenschau
Der Tote ist etwa 1.70 m groß, in gutem KuE-Zustand und hat gelbliche Hautfarbe. Die Leiche weist 14 Schussverletzungen auf.

1. Einschussöffnung: etwa Erbsengross in der Mitte der Stirn, ca. 2 cm über der
Nasenwurzel.
Ausschussöffnung: Mitte der hinteren Schädeldecke, etwa 3 cm groß mit zerfetzten Wundrändern.

2. Einschussöffnung: etwa Erbsengross mit versengten umwallten Wundrändern in
der linken wangenmitte ca. 4 cm vom Ohr entfernt, Steckschuss, die Kugel steckt in der rechten hinteren Schädeldecke ca. 5 cm hinter der rechten Ohrmuschel. Die Schädeldecke ist stark zertrümmert und mit Knochensplittern, Gehirnfetzen und Hautstücken, sowie Blutgerinnseln bedeckt.

3. Einschussöffnung: Erbsengross in der rechten Schulter oberhalb der Clavicula.
Ausschussöffnung: rechte Schulter oberhalb des Schulterblattes, talergross.

4. Einschussöffnung: etwa Erbsengross, 2 cm neben der linken Brustwarze
auswärts.
Ausschussöffnung: etwa 3 cm groß in Mittelhöhe außen neben dem linken
Schulterblatt.

5. Einschussöffnung: etwa 1 cm groß unterhalb des linken Rippenbogens etwa 10 cm vom Nabel.
Ausschussöffnung: in Hüfthöhe linksseitig ca. 9 cm neben der Wirbelsäule, talergross

6. Einschussöffnung: etwa Erbsengroß, 5 cm unter der rechten Brustwarze, senkrecht gemessen.
Ausschussöffnung: in gleicher Höhe im Rücken, talergross.

7. Einschussöffnung: Erbsengroß in Nabelhöhe, 12 cm, vom Nabel entfernt rechtsseitig.
Ausschussöffnung: am oberen Rand des rechten Beckenknochens 5 cm groß.

Der SS-Lagerarzt
SS-Hauptsturmführer Dr. Kurt Plaettig
im. Arb. Lager Wr. Neudorf

Wiener Neudorf, den 07.06.1944

An den
SS-Standortsarzt Dr. Wolter
KL Mauthausen

Betreff:
Leichenschau an dem russischen S-Häftling
Iwan Smirnow, Arzt, keine Personalien.

Am 07.06.1944, um 22:00 Uhr habe ich im Beisein des SS-Lagerkommandanten SS-Hauptsturmführer Kurt Schmutzler im hiesigen Häftlingsrevier die Leiche des am 07.06 .44 um 12:30 Uhr im Lagerbereich auf der Flucht erschossenen Häftlings Iwan Smirnow besichtigt.

Bericht über die Leichenschau.
Der Tote ist etwa 1.65 m groß, in mäßigem KuE-Zustand und hat weißliche Hautfarbe. Die Leiche weist vier Schussverletzungen auf.

1. Einschussöffnung: etwa Erbsengross, in der Mitte der Stirn, direkt unter dem Haaransatz. Ausschussöffnung: in der Mitte der hinteren Schädeldecke, etwa faustgroß mit stark zerfetzten Wundrändern.

2. Einschussöffnung: linkes Auge.
Ausschussöffnung: in der Ausschussöffnung.

3. Einschussöffnung: etwa Erbesengross in der linken Wange unterhalb des Wangenknochens.
Ausschussöffnung: in der Ausschussöffnung

4. Einschussöffnung: Mitte des linken Unterkiefers etwa Pflaumengross. Ausschussöffnung: in der Ausschussöffnung.

Als Todesursache wurde, festgestellt:
Zerschmetterung des Gehirns.
Die Leiche weist außerdem noch eine Verletzung und Prellungsstelle an der unteren rechten Rippenseite auf.

Eine innere Leichenschau ist nicht notwendig. Die Leiche muss aus sanitären Gründen sofort verbrannt werden. Das Krematorium Wien ist von mir zur sofortigen Abholung der Leiche veranlasst worden.

Der SS-Lagerkommandant
gez. Schmutzler
SS-Hauptstürmführer

Der SS-Lagerarzt
gez. Dr. Plaettig
SS-Hauptsturmführer

Proksch Hans

österreichischer Staatsbürger, 28 Jahre alt, Kaufmann, Wien, ledig, kinderlos, katholisch, kam im Frühjahr 1944 von Mauthausen nach Wiener Neudorf, war zuerst Revierschreiber, dann Schreiber in der Lagerschreibstube, dann Schreiber einer SS-Dienststelle, Proksch sollte auf Befehl von Wiener Neudorf nach Mauthausen rücküberstellt werden. Da die SS von Wiener Neudorf fürchtete, dass Proksch in Mauthausen über die Verhältnisse in Neudorf plaudern würde, wurde Proksch zuerst aufgefordert, über die Postenkette zu gehen, d.h. sich von den Bewachungsmannschaften erschießen zu lassen. Als Proksch sich weigerte, diesem Befehl nachzukommen, wurde er von den Blockführen Thunke und Kaldun in ein Transformatorenhaus gebracht und dort durch Schläge gezwungen sich selbst zu erhängen.
Lt. Leichenschaubericht des Häftlingsarztes Dr. Bogdan Zakrzewski wies der Tote neben den Strangulierungsmalen am Halse (durch das Erhängen) am Körper auch noch schwere teils aufgeplatzte, teils blutunterlaufene Striemen auf. Außerdem wurde ein linksseitiger Schlüsselbeinbruch festgestellt.
Der Fall Proksch wurde gerichtlich nicht geahndet, weil Proksch Österreicher war.

Koslowski Georg

polnischer Staatsbürger, 18 Jahre alt, Schlosserlehrling
kam mit dem zweiten Transport von Mauthausen nach Wiener Neudorf.
Als Koslowski im Oktober 1943 von seinen Eltern ein Lebensmittelpaket erhielt, wurde dieses in seinem Beisein von dem Blockführer Höllriegel restlos ausgeplündert. Mit den Gebräuchen in Konzentrationslagern noch zu wenig vertraut, wollte Koslowski sich schriftlich in Mauthausen beschweren. Daraufhin befahl der SS-Lagerkommandant Kurt Schmutzler, ihn zu liquidieren. Koslowski wurde in das Arbeitskommando des deutschen Kapo Heckner eingesetzt und musste beim Ausrücken einen Wagen ziehen, auf dem ein leerer Sarg stand. Schmutzler war beim Ausrücken zugegen und bedeutete dem Häftling, dass der Sarg für ihn, den Häftling bestimmt sei. Auf der Arbeitsstelle wurde Koslowski von einem namentlich nicht bekannten SS-Mann erschossen und abends vom Kommando in dem Sarg ins Lager gebracht.
Lt. Leichenschaubericht des Häftlingsarztes Dr. Busch wies die Leiche einen Nahschuss ins Gesicht auf. Einschussöffnung linke Wange unterhalb des Wangenknochens. Die hintere Schädelhälfte (Ausschussöffnung) war vollständig zertrümmert.
Der Fall Koslowski wurde im dritten Prozess in Dachau verhandelt und abgeurteilt. Schmutzler wollte sich an diesen Fall nicht mehr erinnern, erkannte jedoch seine eigenhändige Unterschrift unter dem vorgelegten Leichenschaubericht an.

Rosenträger Hermann

deutscher Staatsangehöriger, 24 Jahre alt, Kaufmann,
kam 1944 nach Wiener Neudorf. Nach einem Bombenangriff arbeitete Rosenträger in einem Aufräumungskommando. Der SS-Hundeführer Nitschke fragte ihn, ob er Jude sei. Als Rosenträger verneinte, schlug Nitschke auf ihn ein und nannte ihn einen frechen Judenbengel. Nitschke schleppte den Häftling dann in ein Klosett der ausgebombten Fabrikhalle und schloss ihn darin ein. Nitschke und ein namentlich nicht bekannter zweiter Hundeführer kletterten dann von außen auf den oben offenen Klosettraum und streckten Rosenträger mit mehreren Salven aus ihren Maschinenpistolen nieder.
Lt. Leichenschaubericht von Dr. Busch und Dr. Thomas wies die Leiche 34 Einschüsse und 6 Streifschüsse auf.
Der Fall Rosenträger wurde gerichtlich nicht verhandelt, weil Rosenträger deutscher Staatsbürger und kein Jude war.

Hergesreither Eugen

deutscher Staatsangehöriger, 41 Jahre alt, Arbeiter,
Hergesreither wurde im Frühjahr 1944 aus unbekannten Gründen von den Blockführern Thunke, Kaldun und Höllriegl und dem Lagerältesten Stindl verprügelt und dann mit dem Kopf in eine gefüllte Luftschutz-Wassertonne gesteckt, bis der Häftling ertrunken war.
In der Todesmeldung nach Mauthausen wurde als Todesursache Unfall durch Ertrinken angegeben.
Obwohl 11 persönliche und Eidesstattliche Zeugenaussagen vorlagen, konnte der Fall nicht gerichtlich verhandelt werden, weil der Tote Deutscher war.

Froschauer Franz

Österreicher, 41 Jahre alt, Landarbeiter
Froschauer, ein schmächtiger, etwas beschränkter, aber sehr gutmütiger Mensch, war, obwohl für diesen Posten absolut ungeeignet, als Hilfskapo eingesetzt. Er wurde von der Lagerprominenz rund um Stindl gerne gehänselt.
Im Frühjahr 1944 hatte Stindl sich Schnaps verschafft und lud seine Freunde, darunter auch den Blockältesten Rudi Denk, zu einem Gelage ein. Ein junger Pole, der eine Ziehharmonika besaß, musste dazu musizieren. Als Stindl und seine vier Freunde betrunken waren, holten sie Froschauer aus dem Bett und haben ihn unter den Klängen der Ziehharmonika in Stindls Stube aufgehängt.
Bei der Leichenschau stellte Dr. Zakrzewski fest, dass dem Toten auch das linke Auge eingedrückt worden war.
Der Fall Froschauer fand keine Sühne, weil Froschauer Österreicher war und Stindl selbst auch im Lager Mauthausen den Tod gefunden hatte.

Jurr Peter

polnischer Staatsangehöriger etwa 25 Jahre alt, Arbeiter
Jurr wurde im Sommer 1944 von dem Blockführer Thunke in das leere
SS-Schwimmbassin geworfen. Fallhöhe etwa 2.50 m. Jurr schlug mit dem Rücken auf den zementierten Boden auf und erlitt schwere Rückgratverletzungen, denen er drei Tage später vollständig gelähmt, im Häftlingsrevier erlegen ist Thunkes Grund war Übermut.
Der Fall Jurr wurde im ersten Dachauer Prozess verhandelt und von Thunke eingestanden.

Frischeis Franz

Österreichischer Staatsbürger, 32 Jahre alt, Arbeiter
kam von Mauthausen mit dem ersten Transport nach Wiener-Neudorf, war als Hilfskapo, dann kurze Zeit als Lagerkapo und dann als Kapo eingesetzt. Frischeis wurde wahrend der Arbeit vom Blockführer Thunke, wie fast täglich, mit einem Auftrag zu den SS-Baracken geschickt. Als Frischeis sich auf dem freien Gelände zwischen Häftlingslager und SS-Lager befand, zog Thunke seine Pistole und schoss den Häftling nieder. An den erlittenen Verletzungen ist Frischeis im Häftlingsrevier gestorben.

Lt. Leichenschaubericht des Häftlingsarztes Dr. Adam Sobecki hatte Frischeis drei Schussverletzungen erlitten und zwar:
1.) Unterleibsschuss mit Zertrümmerung der Hüftknochen
2.) rechter Oberschenkelschuss mit Knochenverletzung
3.) rechter Kniegelenkschuss

Der Fall Frischeis wurde gerichtlich nicht verhandelt, weil Frischeis Österreicher war.

Fenyvesi Karoly Istvan

geboren 01.02.1925, gestorben 18.03.1945 (Nu 114735) ungarischer Staatsbürger, 20 Jahre ait, Techniker.
Fenyvesi wurde auf dem Appellplatz vor seiner Wohnbaracke im alten Lager von dem Kapo Otto Faas durch Fußtritte in den Rücken schwer verletzt und musste in das Häftlingsrevier eingeliefert werden. Dort wurde bei ihm ein Rückgratbruch und Zerreißung beider Nieren festgestellt. Fenyvesi starb an diesen Verletzungen.
Der deutsche Kapo Otto Fass wurde vom Lagerältesten Paul Rudolf sofort abgelöst, vom SS-Lagerkommandanten Kurt Schmutzler aber schon am nächsten Morgen wieder eingesetzt.
Der Fall Fenyvesi kam in Dachau nicht zur Verhandlung, weil Faas nicht eruiert werden konnte. Erst lange nachdem die US Gerichte ihre Tätigkeit eingestellt hatten, wurde Faas von dem ehemaligen Mauthausener Küchenkapo Ernst Jetter, Pforzheim, Magistrat, Wirtschaftsabteilung, entdeckt. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Jetter den Faas, dem noch weitere Verbrechen zur Last gelegt werden, angezeigt hat.

Tomcic Stepan

jugoslawischer Staatsangehöriger 19 Jahre alt, Arbeiter, kam 1944 von Mauthausen nach Wiener-Neudorf und wohnte auf Block 4b. Tomcic hatte am 03. Oktober 1944 zusammen mit anderen Häftlingen im Häftlingslager Erdäpfelsäcke (Kartoffel) in den Kartoffelbunker 2 getragen. Als er gegen 20:00 Uhr nach Beendigung dieser Arbeit auf seinen Block zurückkehren wollte, wurde er auf der Lagerstraße zwischen Block 3 und Häftlingsrevier von einem Turmposten angeschossen und schwer verletzt. Der belgische Häftlingsarzt Dr. Thomas, der französische Pfleger stud. med. Toulet und drei jugoslawische Kameraden befanden sich in unmittelbarer Nähe und wurden Zeugen dieses Vorfalls. Sie leisteten erste Hilfe und trugen den Verwundeten in das Häftlingsrevier. Trotz einer sofort von Dr. Busch und Dr. Sobecki vorgenommenen Operation starb Tomcic acht Stunden später.
Lt. Obduktionsbericht von Dr. Busch und Dr.Turk (unterzeichnet von SS-Hauptsturmführer Schmutzler, SS-Lagerkommandant, und SS-Hauptsturmführer Dr. Plaettig, SS-Lagerarzt) wies der Tote bei drei Einschüssen Magen-, Darm- und Nierenverletzungen auf.
Der Fall Tomcic wurde im 3. Prozess in Dachau verhandelt aber nicht abgeurteilt, da es sich offensichtlich um die spontane, ohne Befehl durchgeführte Handlung eines unbekannten SS-Mannes gehandelt hat.

Schreiner Lutz

deutscher Staatsbürger, 25 Jahre alt, Kaufmann
Schreiner, ein auffallend hübscher, hochgewachsener junger Mann, war in Neudorf zuerst al Blockältester auf Block 6 eingesetzt. Er wurde vom Lagerältesten Fritz Stindl, Wien, einem Zuhälter mit sadistischen und homosexuellen Neigungen eifrig umworben. Weil aber Schreiner Stindls Anträge ablehnte, löste Stindl ihn ab und versuchte, Schreiner in der Lagerschreibstube durch Schläge gefügig zu machen. Als Schreiner mit einer Meldung bei der SS drohte, fielen Stindl und die anwesenden Blockältesten Rudi Denk, Paul Goebel und Otto Bruns über ihn her und erschlugen ihn. Zeugen dieses Mordes waren der Lagerschreiber Christel Linden, der Schreiber Gerhard Brause und der Reiniger Rathmann.. Diese drei Häftlinge haben auch in eidesstattlichen Erklärungen über diesen Fall berichtet, der allerdings nicht verfolgt werden konnte, weil Schreiner deutscher Staatsbürger war und außerdem seine Mörder nicht eruiert werden konnten. (Nachforschungen ergaben, dass Stindl selbst auch im KZ umgekommen ist).

Leckebusch Walter

deutscher Staatsangehörige 48 Jahre alt, Installateur
Leckebusch war ein schwieriger Häftling. Seine Empörung über das KZ und die SS war so groß, dass er immer und überall revoltierte, auch wenn er sich oder anderen dadurch Schaden zufügte. Es gibt solche Menschen.
Im Herbst 1944 wurde er wegen offener Widersetzlichkeit vom Lagerkommandanten zu dreimal je 25 Stockhieben verurteilt. Die ersten 25 Hiebe erhielt Leckebusch sofort nach der Verurteilung gegen Mittag, die zweiten abends während des Appells, die dritten wurden für den nächsten Morgen aufgehoben. Die Strafe wurde von den Blockführen Thunke und Kaldun vollstreckt, die wegen ihrer besonderen Grausamkeit besonders gefürchtet waren. Der Vorschrift entsprechend wurde Leckebusch nach jeder Strafvollstreckung im Häftlingsrevier untersucht. Abends nach der zweiten Strafe wurde festgestellt, dass die Schlagstriemen am Gesäß aufgeplatzt waren. Aus Furcht vor der dritten Strafe am kommenden Morgen erhängte sich Leckebusch im Magazin.

Mlrkovic Paul

jugoslawischer Staatsangehöriger, 22 Jahre alt, Landarbeiter
Mlrkovic war in Arbeitskommando POW (Kapo Otto Faas) eingesetzt. Er führte mit anderen Häftlingen Transportarbeiten aus. Als er sich in der Pause zwischen zwei Transportfuhren erschöpft neben dem Transportkarren niedersetzte, schlug der Kapo Faas so lange auf ihn ein, bis er bewusstlos liegen blieb. Er musste von seinen Arbeitskameraden in das Lager zurückgetragen werden und wurde in das Häftlingsrevier eingeliefert. Dort starb er an Gehirnblutungen. Der von dem jugoslawischen Häftlingsarzt Dr. Turk ausgestellte Obduktionsbefund stellt fest, dass Mlrkovic sich in einem außerordentlich schlechten Körper- und Ernährungszustand befand. Der Fall Mlrkovic konnte in Dachau nicht verhandelt werden, weil Faas damals nicht eruiert werden konnte.

Smirtic Bohuslav

jugoslawischer Staatsangehöriger, 42 Jahre alt, Gärtner
Smirtic war im Aussenkommando Rella u.Neffe (Kapo Alois Heckner) eingesetzt. Im Oktober 1943 wurde er auf der Arbeitsstelle vom Kapo Heckner wegen zu geringer Arbeitsleistung verprügelt und wegen Faulheit zur Bestrafung gemeldet. Der SS-Unterscharführer Thunke, der damals das Kommando befehligte, nahm Smirtic abseits und streckte ihn durch mehrere Schüsse nieder.
Lt.. Todesmeidung des Häftlingsarztes Dr. Zakrzewski erlitt Smirtic zwei Kopfschüsse und einen Schuss in den Rücken.
Der Fall "Smirtic" wurde in Dachau im Prozess gegen Thunke behandelt und bei der Verurteilung Thunkes in Anrechnung gebracht.

Potocki Anton

polnischer Staatsangehöriger, 29 Jahre alt, Landarbeiter,
vom 3. Senat des Volksgerichts wegen Landesverrat und Spionage zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt, verbüßte seine Strafe zunächst in der Strafanstalt Brandenburg/havel, kam 1944 über Sachsenhausen-Oranienburg nach Mauthausen und von dort im Herbst 1944 nach Wiener Neudorf, (Personalien lt. Auskunft der Strafanstalt Brandenburg). Potocki war in dem Aussenkommando des Kapos Alois Heckner eingesetzt. Der SS-Scharführer Kaldun (Blockführer) riss ihm ausserhaib des Lagertores nach dem Ausrücken zur Arbeit ohne ersichtlichen Grund die Mütze vom Kopf, schleuderte die Mütze weit weg und befahl dem Häftling, die Mütze zu holen und wieder aufzusetzen. Die Mütze lag aber ausserhaib der Postenkette. Als Potocki sich niederbeugte, um die Mütze aufzuheben, wurde er von einem Posten, dessen Namen nicht eruiert wurde, durch einen Kopfschuss niedergestreckt. Potocki war sofort tot und wurde von dem Arbeitskommando ins Lager zurückgebracht.

Der SS-Lagerarzt
SS-Hauptsturmführer Dr. Kurt Plaettig
im Arb. Lager Wr. Neudorf

Wiener Neudorf, den 4.11.1914

An den
SS-Standortarzt Dr. Wolter
KL Mauthausen

Betreff:
Leichenschau an dem polnischen S-Häftling Anton Potocki, geb. 03.02.1915 Landarbeiter, ledig, kinderlos

Am 04.11.1944, um 21 Uhr, habe ich im Beisein des SS-Lagerkommandanten,
SS-Hauptsturmführer Kurt Schmutzler, im hiesigen Häftlingsrevier die Leiche des
am 04.11.1944, um 6:30 Uhr ausserhaib des Lagers auf der Flucht erschossenen
Häftlings Anton Potocki besichtigt.

Bericht Über die Leichenschau.
Der Tote ist etwa 1,74 m groß, kräftiger Figur, in gutem KuE Zustand und hat grauweiße Hautfarbe.
Die Leiche weist eine Schussverletzung auf.

Einschussöffnung etwa erbsengroß im Nacken in der Mitte des Halswirbelansatzes.
Ausschussöffnung: faustgroß in der Stirn leicht linkseitlich der Mittellinie mit stark zerfetzten Wundrändern und Austritt der Gehirnmasse.

Die innere Leichenschau wies keine Besonderheiten auf.
Der Mageninhalt bestand aus einer unverdauten Brotmasse.

Als Todesursache wurde festgestellt:
Zerschmetterung der Schädeldecke und des Gehirns.Die Leiche muss aus sanitäreren Gründen sofort verbrannt werden, und wurde von mir veranlasst.

Der SS-Lagerkommandant
gez. Schmutzler
SS-Hauptsturmführer

Der SS-Lagerarzt
gez. Dr. Plaettig
SS-Hauptsturmführer

Anmerkung: Die Obduktion wurde von den Häftlingsärzten Dr. Busch und Dr.Turk vorgenommen, Plaettig und Schmutzler waren nicht anwesend.

Büttner Walter

deutscher Staatsangehöriger, geb. l901, Arbeiter, Witwer, kinderlos.
Büttner ist nicht ermordet worden, sondern hat Selbstmord begangen.
Er war 1944 durch Unterernährung körperlich vollkommen erschöpft und konnte eines Morgens beim Wecken aus Schwäche nicht mehr aufstehen. Der Österreichische Blockschreiber Viktor Roy ging deshalb sofort zum Häftlingsrevier und veranlasste Büttners Revieraufnahme. Wahrend Roys Abwesenheit wollte aber der deutsche Blockälteste Otto Bruns Büttners Ausrücken zur Arbeit erzwingen und schlug rücksichtslos auf den im Bett liegenden Kranken ein. Als Roy nach seiner Rückkehr erklärte, Büttner sei im Revier aufgenommen worden und müsse auf ärztliche Anordnung im Bett liegen bleiben, sah Bruns sein Vorhaben durchkreuzt und holte sich den SS-Blockführer zur Hilfe. Gemeinsam schlugen die beiden wieder auf den Kranken ein, und Kaldun befahl, Büttner müsse trotz der Revieraufnahme aufstehen und am Morgenappell teilnehmen. Als die anderen Häftlinge dann zum Morgenappell antraten, schleppte Büttner sich mit letzter Kraft in den Waschraum und erhängte sich dort.
Die Pfleger Toulet und Diedrichs, die den Kranken auf einer Tragbahre hatten abholen wollen, berichteten, in Büttners Bett seien große Blutlachen und
Blutspritzer gewesen.

Krausch Willy

holländischer Staatsbürger, 40 Jahre alt, Bergmann (Fremdarbeiter) in Gelsenkirchen, ledig, kinderlos, evangelisch.
vom Volksgericht Berlin, 2.Senat, wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu 15 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Kam von der Strafanstalt Brandenburg/Havel über Sachsenhausen-Oranienburg, Rosen, Mauthausen mit dem 1.Traneport nach Wiener Neudorf. (Personaldaten lt. Mitteilung der Strafanstalt Brandenburg /Havel, Sekretariat). Krausch wurde in der Nacht vom 8./9. August, 1943 von den Blockführern Thunke und Kaldun (beide SS-Unterscharführer) aus dem 1. Schlafraum der Baracke von Block 2 geholt und auf dem Appellplatz im
Beisein des SS-Lagerführers, SS-Hauptsturmführer Schmutzler, mit Knüppeln solange geschlagen, bis er bewusstlos und blutüberströmt liegen blieb. Auf Befehl Schmutzlers wurde Krausch von dem Lagerältesten Stindl und dem Blockältesten Denk in den Waschraum von Block 1 geschleift und ist dort, weil Schmutzler jegliche Hilfeleistung strengsten verboten hatte, am 10. August 1943, gegen 17:00 Uhr gestorben. Der Häftlingsarzt Dr. Bogdan Zakrzewski konstatiert im Leichenschaubericht auf dem Rücken viele sich überkreuzende, aufgesprungene Striemen von unterschiedlicher Länge und Stärke, alle vereitert. Als Todesursache nennt er Allgemeine Sepsis.

00.05.1944

Bieber Johann, polnischer Staatsbürger, 45 Jahre alt, Arbeiter
kam mit dem ersten Transport nach Wiener-Neudorf und arbeitete im Lagerkommando.

Rogalewski Erich polnischer Staatsbürger, 31 Jahre alt
kam mit dem zweiten Transport nach Wiener-Neudorf

Kowmowski Janek, polnischer Staatsbürger, 26 Jahre alt, Masseur,
kam 1944 nach Wiener-Neudorf und war als Masseur des SS-Lagerkommandanten Schmutzler eingesetzt.

Die drei Polen unternahmen im Mai 1944 einen gemeinsamen Fluchtversuch
durch die noch nicht ganz fertiggestellte und noch nicht abgegitterte Kanalanlage des Häftlingslagers (hinter der Handwerkerbaracke altes Lager) unternommen. Beim Einstieg in den Kanalschacht wurden sie jedoch von Raportführer Lamm und den Blockführen Thunke, Kaldun Lehnert und Höllriegl gestellt und festgenommen. Nachdem die drei Häftlinge auf dem Appellplatz mit je 25 Doppelstockhieben bestraft worden waren, wurden Bieber und Rogalewski mit weiteren Schlägen durch das Lager gejagt und hinter der Lagerschreibstube in den elektrischen Draht getrieben, wo sie den Stromtod fanden.

Kowmowski wurde auf Befehl des SS-Lagerkommandanten Schmutzler in ein auszementiertes Erdloch auf dem Appellplatz neben der Lagerschreibstube geworfen. Das Loch, dessen Zweck unbekannt war, hatte Ausmaße 1x1 Quadrat und etwa 1 1/2 m Tiefe. Das Loch wurde mit schweren Bohlen und Felsblöcken verschlossen. Auf Anordnung des Rapportführers Lamm und Befehl des Lagerkommandanten Schmutzler durfte dem Häftling kein Essen und kein Getränk verabreicht werden. Nach drei Tagen ist Kowmowski in diesem Loch gestorben.
Lt. Leichenschauberichten von Dr. Sobecki und Dr. Busch wiesen die Leiche von Bieber mehrere Brandwunden im Gesicht und Händen, sowie Striemen auf dem Rücken und Gesäß, die Leiche von Rogalewski Brandwunden im Gesicht, auf der Brust, an den Armen und Händen, sowie Striemen auf dem Rücken und am Gesäß auf.
Als Todesursache wurde bei beiden festgestellt, Tod durch elektrischen Strom.
Die Leiche Kowmowskis wies Striemen am Rücken und am Gesäß auf. Als Todesursache wurde festgestellt: Allgemeine Erschöpfung, Sepsis.
Dieser Fall wurde im 1., 2. und 3.Prozess in Dachau verhandelt. Schmutzler, Lamm und Thunke wurden für schuldig erkannt uns abgeurteilt. Lamm und Thunke waren geständig, Schmutzler konnte sich nicht mehr erinnern. Er anerkannte jedoch seine Unterschrift unter den vorgelegten Leichenschauberichten.

02.01.1956

LG Wien Vg 1 Vr 572/46
Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 8e Vr 613/55

KZ-Mauthausen-Prozess (Nebenlager Wiener Neudorf)

Opfer
Häftlinge

Tatland (Tatort)
Niederösterreich (Wiener Neudorf)

Volksgerichtsverfahren gegen: Rudolf Schwenger

wegen: Misshandlung von Häftlingen (in einigen Fällen mit Todesfolge) im Lager Wiener Neudorf, Schwenger war Kommandant der Bewachungsmannschaft

Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens
2.1.1956: Vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen §§ 3, 4 KVG gemäß § 412 StPO.
Fahndung erfolglos, daher nur UR-Akten (LG Wien Vg 8e Vr 613/55)