Außenlager des Konzentrationslagers Auschwitz
Beschreibung
Bezeichnung
Lager Ostland
Gebiet
Polen, Wojewodschaft Schlesien, Powiat Kreisfreie Stadt Mysłowice
Wesola (Fürstengrube) (heute Ortsteil von Mysłowice)
Eröffnung
02.09.1943
Schließung
Die Häftlinge wurden am 19.01.1945 in das Außenlager Gleiwitz evakuiert; die Kranken blieben im Lager zurück; Befreiung am 29.01.1945
Häftlinge
am 17.01.1945 1283 Häftlinge
Geschlecht
Männer
Einsatz der Häftlinge bei
Fürstengrube GmbH
Art der Arbeit
Arbeit in der Kohlengrube Fürstengrube beim Kohleabbau und dem Bau einer neuen Grube
Wachmannschaft
3. Wachkompanie Auschwitz III
Täter
Häftlingseinsatz
Der Häftlingseinsatz wurde zwischen I.G. und SS detailliert geregelt, nach dem Vorbild der I.G. Auschwitz.
12 Punkte definieren die Häftlingsarbeit, die Einsatzbedingungen, besonders die Berechnung der Unkosten zwischen SS und I.G., die Häftlinge selbst erhielten keinen Lohn:
1. „Von den mit sogenannten unproduktiven Arbeiten im Lagerinnendienst beschaeftigten Haeftlingen gehen die K.L. Aerzte zu Lasten des K.L. Lagers, während das übrige Innenkommando uns in Rechnung gestellt wird. (Lagerältester, Sanitäter, Bürokraefte, Schuster...)“ Die Vergütung wurde unterschieden zwischen Fach - und Hilfsarbeitern.
2. Falls Häftlinge Unternehmen auf der I.G. Anlage zur Verfügung gestellt wurden, ging die Anmarschzeit zur Baustelle zu Lasten der I.G. Farben.
3. Für Häftlinge, die weniger als 4 Stunden gearbeitet haben, muß die I.G. keine Zahlungen an die SS leisten. Wurden allerdings 4 Stunden und mehr gearbeitet, war der volle Tagessatz fällig.
4. Verpflegungskosten an den arbeitsfreien Tagen war von dem KZ zu tragen, nicht von der I.G.
5. Das KZ war grundsätzlich verpflichtet die Verpflegungskosten der Häftlinge zu übernehmen, besonders für die Arbeitskräfte, die weniger als 4 Stunden gearbeitet hatten, der I.G. folglich nicht berechnet worden waren.
6. Die Bewachungskosten der Häftlinge waren vom KZ zu tragen.
7. Die Verpflegungskosten der Wachmannschaften mußten ebenfalls vom KZ übernommen werden.
8. Täglich wurde ein Rapport mit den Arbeitszeiten der Häftlinge erstellt, die Abrechnung erfolgte monatlich nach den geleisteten Arbeitstagen.
9. Die sogenannten Durchhaltekosten für erkrankte Häftlinge waren vom KZ zu tragen, dies galt besonders für die Verpflegung.
10. Entlausungskosten mußte ebenso das Konzentrationslager in Auschwitz übernehmen.
11. Kosten für die Bekleidung der Häftlinge entstanden der I.G. nicht. Diese Kosten waren in der Arbeitsvergütung enthalten.
12. Die gesamten Lagerkosten waren von der Fürstengrube, bzw. I.G. zu tragen. Dies betraf besonders die Betriebskosten, Instandhaltung der Baracken etc
28.07.1944
Kommandantur des KL Auschwitz
Am 28.07.1944 wandte sich der Lagerführer SS an die Betriebsführung der Fürstengrube: „Trotz wiederholter mündlicher und schriftlicher Verwarnung höre ich immer wieder Klagen, dass der Oberhauer Goletz nach wie vor Häftlinge schlägt.“ Es wird eine letztmalige Verwarnung ausgesprochen, ansonsten drohe die Bestrafung des I.G. -Mitarbeiters.
(Die Werksleitung der Fürstengrube vertrat allerdings die Auffassung, es sei doch durchaus verständlich, wenn einem Deutschen bei den Juden mal die Hand ausrutsche. Diverse Wachmänner waren bereits aufgrund der verbotenen Mißhandlung von ausländischen Zivilarbeitern bestraft worden. Es wurden 4 bis 9 Monate Gefängnis als Strafen verhängt.
14.09.1944
Im Bereich der Fürstengrube, (Alt und Neuanlage) waren am 14.09.1944 1.350 Häftlinge eingesetzt, die eine Schwerstarbeiterzulage erhielten.
05.12.1944
Invalidenkommando
Ende 1944 setzte die I.G. sogenannte Invalidenkommandos für angeblich leichte Arbeit ein.
Im Lager Süd der Fürstengrube wurden am 05.12.1944 zunächst 5 Häftlinge für derartige Einsätze vorgesehen, mit folgenden Verletzungen:
Koopmann Mauritis, doppelter Bruch des rechten Unterarmes.
Biallek Chaim, offene, doppelte Fraktur am linken Unterschenkel.
Lender Mano, Kontusion (Quetschung) des Beckens.
Kowalski Pinkus, Bruch des Mittelfußknochens.
Bogsor Ilja, doppelter Bruch des rechten Unterarmes
18.01.1945
Wie in allen Lagern des Auschwitz-Komplexes hatten sich in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 1945 rund 1000 KZ-Häftlinge aus Fürstengrube auf die letzte Etappe einer langen Wegstrecke begeben – zu Fuß bis Gleiwitz, von dort in Waggonwagen der Reichsbahn nach Mauthausen, wo sie wegen Überfüllung vergeblich auf „Unterkunft“ warteten; von dort über Nordhausen - Dora und Turmalin mit Elbkähnen und zu Fuß nach Neuengamme, das zum Zeitpunkt ihrer Ankunft schon aufgelöst war, und Lübeck. Der Todesmarsch endete in Ostholstein. Zusammen mit dem Kommando Klosterwerke/Dora unter Leitung des SS-Oberscharführers Johann Mirbeth erreichten rund 400 von ihnen am 13. April 1945 Ahrensbök und bezogen Lager in einer Feldscheune bei Siblin und auf den alten Gütern von Glasau und Neuglasau. Ausgemergelte Gestalten schleppten sich – mühsam durch Ahrensbök.
Noch auf dem Weg von Lübeck über Curau nach Ahrensbök waren Häftlinge erschossen worden. „Unrecht war unser Tod. Sechs unbekannte KZ-Häftlinge. Den Lebenden zur Warnung, den Kommenden zur Mahnung“ lautet die Inschrift auf einem der Grabsteine des Ahrensböker Friedhofes für die KZ-Häftlinge, die man im Straßengraben vor Dunkelsdorf aufgefunden hatte und die am 14. April 1945 beigesetzt wurden. KZ-Häftlinge, die bei Bauern, Kaufleuten und Handwerkern in der Region arbeiteten, suchten und fanden Kontakt zu den Ahrensbökern. Harry Hermann Spitz, nach 1945 erster Leiter der Musikabteilung des NWDR, Jan-Kurt Behr, seit den fünfziger Jahren Dirigent an der Met in New York, Robert Alt, der bald darauf die Pädagogik in der SBZ/DDR prägen sollte, und Salomon Lubicz, Häftlingsarzt aus Fürstengrube, der in Bordeaux nach 1945 praktizierte, zählten zu ihnen. Dem Häftlings-Dentisten Berek Jakubowicz gestattete man in den letzten Apriltagen gar, sich als Zahnarzt in der Region zu betätigen. Und einigen Überlebenskünstlern wie Hermann Joseph oder Mendel Dawidowicz gelang es noch vor Ende des Krieges, das harte Nachtlager durch fremde Federbetten zu ersetzen.
27.01.1945
Am Nachmittag des 27.01.1945 erreichten 20 SS Männer das Lager. Sie forderten die Häftlinge auf, die Betten zu verlassen und in eine Holzhütte zu kommen. Nur 127 waren fähig, dieser Aufforderung zu folgen. Arier sollten
vortreten, 40 waren der SS dann aber doch zu viele. Alle 127 wurden in die Holzhütte gebracht mit dem Hinweis, sich direkt am Fenster aufzustellen. Die SS schoß in die geöffneten Fenster und warf auch Handgranaten in die Hütte, Gefangene, die sich bewegten wurden sofort beschossen. Anschließend brachten die SS Männer Strohmatratzen in die Holzhütte und entzündeten die Matratzen. Noch immer lebten einige Gefangene, noch immer wurde auf jeden geschossen, der sich bewegte. Die Hütte brannte. Zeitgleich wurden in die Unterkunft der bettläge-
rigen Häftlinge ebenfalls Strohmatratzen geschafft und auch diese entzündet. Die schwerkranken Häftlinge verbrannten bei vollem Bewußtsein. Nach einiger Zeit zog die SS ab. Von den ca. 250 Häftlingen hatten 14 schwerverletzt überlebt. Am 07.02.1945 wurden sie von polnischer Miliz in das Lazarett Myslowice gebracht.
Augenzeuge Fiderkiewicz: „Nach kurzer Zeit haben sie nachgeschaut, wer noch lebt. Alle, die sich rührten, wurden erschossen.“ Der Tag, sagt Fiderkiewicz, sei „sonnig und schön“ gewesen.
Evakuierung des Lagers Fürstengrube
Im Januar 1945 rückte die 60. sowjetische Armee der Ersten Ukrainischen Front immer näher an das Oberschlesische Industrierevier heran. Am 18. Januar wurde die Stadt Krakau befreit. Die Häftlinge des Lagers Fürstengrube berichteten, dass sie bereits an diesem Tag den Kanonendonner gehört hätten.
Bei den Lagerinsassen breitete sich die Hoffnung auf eine baldige Befreiung aus, der Überlebenswille nahm zu.
60000 Häftlinge der einzelnen Lager wurden zu Fuß und per Eisenbahn nach Westen und Norden evakuiert, so auch die Häftlinge von Fürstengrube. Es wurden sogenannte „Trecks” gebildet, es gab Trecks der Zivilbevölkerung sowie Trecks der KL-Häftlinge. Den Trecks der KL-Häftlinge wurde eine gewisse Priorität gegenüber den Trecks der Zivilbevölkerung eingeräumt. Der Grund hierfür ist, dass die Häftlinge als mögliche Zeugen für die in Auschwitz begangenen Verbrechen hätten aussagen können.
Die Evakuierung des Lagers Fürstengrube geschah am 19. Januar 1945. Die Häftlinge mussten an diesem Tag noch in aller Frühe an ihre Arbeitsplätze ausrücken. Gegen Mittag jedoch wurden sie wieder zurückgeführt. Im Lager angekommen verkündete Lagerführer Schmidt die für den Abend bevorstehende Evakuierung des Lagers.
Da man keine Beweise der hier begangenen Verbrechen zurücklassen wollte, fand eine Verbrennung jeglicher Akten statt auch alle Geräte wurden zerstört.
Nach Einruch der Dunkelheit, um 19 Uhr, traten die Häftlinge ein letztes Mal auf dem Appellplatz an. Mittagessen hatte es an diesem Tag nicht mehr gegeben, daher erhielt jeder Häftling als Marschverpflegung ¾ Brot, etwas Margarine und Marmelade.
Schmidt soll vor Beginn des Marsches noch gedroht haben: Wer fliehe oder zurückbleibe, werde erschossen. In den Prozessen, die gegen Schmidt nach Ende des Krieges geführt wurden, bestritt er jedoch, diese Drohung ausgesprochen zu haben.
(Max Schmidt alias Max Hinz, tauchte in einem Bergwerk von Ibbenbüren mit falschem Namen unter und wurde Gewerkschaftsmitglied. Nach jahrelanger Verschleppung kam es erst 1972 zur Eröffnung eines Verfahrens vor dem Landgericht in Kiel, das am 18. April 1973 außer Verfolgung gesetzt wurde.)
In Fürstengrube erschoss die SS über 100 Häftlinge, während sie 239 Menschen bei lebendigem Leib im Häftlingskrankenbau verbrannten.
Dann um 20 Uhr etwa begann der Marsch.
Der erste Todesmarsch
Als der Todesmarsch begann wurden die Häftlinge in drei Marschkolonnen eingeteilt, an der Spitze marschierte ein Kapo. Max Schmidt fuhr während dieser ersten Etappe des Todesmarsches die ganze Zeit mit einem Motorrad an den Marschkolonnen auf und ab. Die Bewachung der Häftlinge oblag der SS und den Wachmannschaften, die die Häftlinge durch Schläge antrieben. Ergänzend sei erwähnt, dass die Häftlinge die Gepäckwagen der Wachen ziehen mussten. Als wäre dies nicht schon schlimm genug für die völlig entkräfteten und hungrigen Häftlinge, kam auch noch die schlechte Witterung hinzu, denn es lagen überall Schnee und Eis bei einer Temperatur von minus 20 Grad. Der Weg, den die Häftlingskolonnen über unbefestigten Straßen durch einen Wald einschlugen, endete nach 17 km in Mikolow. Am 20. Januar erreichte man nach 28 km Marsch die Stadt Gleiwitz. Im Auschwitz-Nebenlager II Gleiwitz verbrachte man die Nacht.
„Der Weg bis Gleiwitz war ein Todesmarsch im wahrsten Sinne des Wortes gewesen“.
Wie zuvor angekündigt, wurde jeder Häftling, der aus irgendeinem Grund zurückblieb (Schuhe binden, Austreten wegen Hungerdurchfalls) oder aus der Kolonne geriet, erschossen. Die Leichen wurden liegengelassen oder zur Seite gestoßen. Zeugenaussagen bestätigen: ,,Hinter unserer Marschkolonne knallte es laufend.” „Der Weg war besät mit Toten”.
Weitere Zeugenaussagen bestätigen, dass auch Lagerführer Max Schmidt persönlich schwache und zurückgebliebene Häftlinge erschossen habe, statt dem Morden der Wachmannschaften ein Ende zu setzen. Auch wenn er nicht geschossen haben sollte, so trifft ihn doch die volle Verantwortung für diese Morde, denn die Wachmannschaften unterstanden seinem Befehl.
Das Lager Gleiwitz II hatte die Funktion eines Auffangbeckens für die Häftlingskolonnen aus weiteren Auschwitz-Lagern. Der Boden des Lagers muss übersät mit erschöpften Menschen gewesen sein, denn man geht davon aus, dass sich dort 4000 bis 5000 Menschen aufgehalten haben. Es wurde dann ein Eisenbahntransport zusammengestellt, wobei die Häftlinge in offene Kohlewaggons gepfercht wurden. Die meisten Zeugen erinnern sich an 100 bis 150 Häftlinge pro Waggon.
Die Fahrt führte über Gleiwitz, Rybnik, Ostrava, Gottwaldov, Breslav und Wien nach Mauthausen.
Die Fahrt bis an den Bestimmungsort Mauthausen dauerte zehn Tage, eine unvorstellbare Qual für die Häftlinge. In den Kohlewaggons gab es kaum genug Platz, um überhaupt einen unbedrängten Stehplatz zu erlangen, denn an Hinsetzen oder Hinlegen konnte man nicht denken. Die offenen Kohlewaggons ließen zudem die Kälte ungehindert herein und dies zehrte zusätzlich am schon sehr schlechten Gesundheitszustand der Häftlinge, denn es herrschte eine Temperatur von minus 20 Grad. Verschlimmert wurde dies noch durch die ungenügende Kleidung, die die Häftlinge trugen. Die Notdurft konnte nur durch die Kleidung erfolgen, die dadurch nass und eiskalt wurde. All diese Faktoren bedeuteten für viele Häftlinge den Erfrierungstod. Hunger und Durst taten dann ein Übriges.
Der Transportführer (ein SS-Oberscharführer) und Max Schmidt sahen nicht nur diesem von ihnen verursachte Massensterben zu, sondern sie nahmen es auch hin oder veranlassten, dass die Wachmannschaften zusätzlich ihr Morden fortsetzten. Es wurde von Zeugen berichtet, dass jeder Kopf oder jedes andere Körperteil, das während der Fahrt über dem Waggonrand auftauchte für sie zur Zielscheibe wurde.
In Mauthausen angelangt, hofften die Häftlinge auf eine Beendigung der Qualen, aber Mauthausen lehnte die Übernahme der Häftlinge ab, es durften hier nur die Toten ausgeladen werden. Für die Überlebenden ging die Fahrt weiter über Nürnberg, Plauen, Chemnitz, Leipzig, Weimar und Nordhausen. Endstation war das KL Dora am 28. Januar 1945.
Das Lager Dora lag etwa 5km nordwestlich von Nordhausen auf der Südseite des Kohnsteinmassivs im Landkreise Thüringen. Hier befand sich ein unrentabel gewordenes Gipswerk der I.G. Farben. In diesen Stollen wurde nach dem ungünstigen Verlauf des Krieges die Montage der V-2-Waffen fortgesetzt.
Ab Herbst 1944 erhielt dieser gesamte Lagerkomplex im Südharz die Bezeichnung „KL Mittelbau” mit Dora als Stammlager und Verwaltungssitz. Je mehr Rüstungsbetriebe sich in den bombensicheren Stollen des Harzes ansiedelten umso größer wurde dort der Bedarf an Arbeitskräften. Ende Januar 1945 wurden Zehntausende von Häftlingen von Auschwitz nach Dora gebracht.
Max Schmidt erhielt nach wenigen Tagen den Auftrag, bei Blankenburg ein neues Außenkommando zu errichten. Er begab sich also mit den Häftlingen aus Fürstengrube nach Blankenburg. Die 300 bis 400 verbliebenen Häftlinge des ersten Todesmarsches wurden wieder in Waggons verladen und in das 50 km entfernte Blankenburg gebracht. Für diese Strecke soll man zwei Tage gebraucht haben.
Das Kommando unter Max Schmidt fand am Ort vier einstöckige, unverputzte Blocks vor. Das errichtete Lager trug den Namen „Turmalin”. Der erste Auftrag bestand darin, dass die Häftlinge einen Stacheldrahtzaun um das Lager ziehen sollten. Nach der Fertigstellung der Umzäunung beschäftigte sich ein Arbeitskommando mit der Errichtung von vier Wachtürmen, ein anderes Arbeitskommando sollte Stollen in den Berg sprengen.
Anfang April bekam man die Information über das rasche Vordringen der alliierten Streitkräfte. Man begann sofort mit einer Evakuierung von rund 40000 Zwangsarbeitern in der Südharz-Region. Auf das Wohl der Häftlinge wurde auch hier im Endstadium des Krieges keine Rücksicht genommen, die menschlichste Möglichkeit wäre demnach eine Auslieferung der Häftlinge in alliierte Hände gewesen.
Max Schmidt trat den zweiten Todesmarsch am 6. April 1945 an, auch hier wurde wieder nach dem Grundsatzverfahren: „Wer aus der Reihe tanzt, zurückbleibt, marschunfähig wird, wird erschossen”.
Der Weg dieses zweiten Todesmarsches sollte in nordöstlicher Richtung erfolgen. Als erstes Ziel entschied sich Max Schmidt für die Stadt Magdeburg. Die Frage, die sich die Historiker aufgrund dieser Marschrichtung stellen, ist die, warum er nicht den üblichen Weg in Richtung Nordwesten suchte, wo zahlreiche Todesmärsche endeten.
Auf dem Weg nach Magdeburg traf die Kolonne „Turmalin” mit einer anderen Häftlingskolonne zusammen. Es waren die Insassen des Außenkommandos „Klosterwerke”, ebenfalls aus der Nähe Blankenburgs.
Die Errichtung des Lagers „Klosterwerke” ist auf den 25. August 1944 datiert. An diesem Tage traf die etwa 500 Mann starke Belegschaft am Ort ein. Die Häftlinge bestanden zu einem Großteil aus Belgiern, die auf der Seite des Widerstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht aktiv waren. Diese Belgier waren in Antwerpen nach ihrer Verhaftung zu einem Sammeltransport zusammengestellt und am 9. August 1944 in Viehwaggons mit der Aufschrift „Terroristen” verladen worden. Das Ziel dieser Fahrt war das KZ Buchenwald, wo sie aber nur einige Wochen zugebracht hatten. Dann ging es für einen Teil der belgischen Häftlinge und 100 Angehörige anderer Nationen weiter nach Blankenburg im Harz.
Hier angekommen sollten sie im Lager „Klosterwerke” bestehende Stollen ausbauen und für die Rüstungsindustrie nutzbar machen.
Das Lager wurde ebenfalls wie das Lager Turmalin am 6. April 1945 evakuiert. wurde das Kommando von Johann Mirbeth.
Der zweite Todesmarsch
Die beiden Häftlingskolonnen der Lager „Turmalin” und „Klosterwerke” marschierten nun gemeinsam in nordwestlicher Richtung nach Magdeburg unter der Leitung ihrer beider Lagerführer Schmidt und Mirbeth.
Auch bei den vier Häftlingskolonnen, die das Lager ,,Klosterwerke” bildete, wurde der Befehl erlassen, dass alle, die zurückblieben, erschossen würden.
Insgesamt sollen auf dem Marsch allein aus dem Kommando „Klosterwerke” 35 bis 40 Mann von der Wachmannschaft erschossen worden sein.
In Magdeburg angekommen, organisierte Lagerführer Max Schmidt einen Schleppkahn, der die zwei Häftlingskolonnen flussabwärts bringen sollte.
Die Häftlinge wurde am Morgen des 9.April 1945 in den Lagerräumen des Schiffes untergebracht. Laut der Aussage jüdischer Häftlinge gab es an Bord keine Verpflegung.
Des Weiteren schildert ein jüdischer Häftling: „Pissen und Scheißen über Bord. Wer ins Wasser fiel, wurde nicht gerettet, sondern erschossen”.
Die Fahrt ging elbabwärts, nun nach Lauenburg, und von dort aus wurde die Fahrt auf dem Elbe-Lübeck-Kanal in nördlicher Richtung fortgesetzt.
Der dritte Todesmarsch und die Befreiung
Am Abend des 12. April legte der Elbkahn im Lübecker Industriehafen beim Getreidesilo an. Am nächsten Morgen begann der Fußmarsch, wobei das Kommando „Turmalin” dem der „Klosterwerke” vorausging. Der Fußmarsch führte über Pohnsdorf und von dort weiter Richtung Ahrensbök.
Die Menschen, die Zeugen dieses Anblickes wurden, schildern die Szenerie wie folgt: „Die Leute boten ein Bild vollkommenen menschlichen Jammers.
Sie waren entsetzlich verhungert und abgerissen, liefen teilweise barfuß oder ohne Strümpfe in Holzschuhen. Die Leute schleppten sich mühsam vorwärts”.
Die Erschießungen von Häftlingen kannte auch hier immer noch kein Ende.
Das Kommando „Turmalin” kam am Morgen des 13. April 1945 auf dem Gutshof von Siblin an. Dort wurden sie in der Nähe in einer Wellblechscheune untergebracht, die Scheune war ungefähr 15 mal 20 m groß, sodass kein Platz für die insgesamt 1000 Häftlinge der beiden Kolonnen bestand.
Das Kommando „Klosterwerke” kam im Laufe des 13. Aprils auf dem Gut Glasau an und bezog daher die Scheune auf Gut Glasau. Die Wachmannschaften wurden im Herrenhaus des Gutes untergebracht.
Am 30. April erschienen bei der Scheune in Glasau Vertreter des schwedischen Roten Kreuzes und verkündeten allen Belgiern, Franzosen und Holländern, sie würden in Sicherheit gebracht werden. Die Häftlinge fuhren nach Lübeck und wurden auf die schwedischen Schiffe „Magdalena” und „Lillie Matthiessen“ (22) verladen.
Die sowjetischen und polnischen Häftlinge blieben vorerst in der Scheune zurück, doch in der Nacht zum 1. Mai formierten sie sich unter der Führung von Schmidt und Mirbeth wieder zu einer Marschkolonne. Der Fußmarsch führte die Kolonne nach Süsel, wo sie in der gleichen Nacht noch Quartier in der alten Gutsscheune bezogen.
Am Morgen der Ankunft erschienen hier wieder die Vertreter des schwedischen Roten Kreuzes und riefen alle Personen westeuropäischer Herkunft heraus. Sie wurden ebenfalls auf die oben genannten Schiffe gebracht.
Die osteuropäischen jüdischen Häftlinge wurde einem letzten Marsch nach Neustadt ausgesetzt. Max Schmidt hatte die Absicht, sie auf die dort liegenden Schiffe „Cap Arcona”, „Thielbek”, „Athen” und „Deutschland” zu bringen.
Hier ereignete sich am Nachmittag des 3.Mai die Tragödie der Häftlingsflotte.
Johann Mirbeth
Johann Mirbeth gelang die Flucht in Zivilkleidern von Sarau zu Fuß nach Hamburg. Ab 8. Mai 1945 wurde er in Friedrichsruh bei der Familie des Fürsten von Bismarck als Gärtner angestellt. Also an jenem Ort, der kurz zuvor als Dienstsitz des Grafen Folke Bernadotte diente, dem Retter der westeuropäischen Häftlinge in Sarau. Im Herbst 1945 tauchte Mirbeth ebenfalls in einem Bergwerk im Ruhrgebiet unter. Bedingt durch einen Wadenbeinbruch wurde er im Herbst 1949 entlassen. Mirbeth ging zurück in seine Geburtsstadt München, wo er wieder als Tischler arbeitete. Infolge einer Voruntersuchung gegen den Kapo Helmrich Heilmann und den Lagerältesten von Auschwitz –Golloschau, Joseph Kierspel, kam Mirbeth am 27. September 1952 mit einem Haftbefehl in
Untersuchungshaft. Das Schwurgericht Bremen verurteilte Kierspel wegen Mordes und Totschlag zu lebenslanger Zuchthausstrafe und Heilmann zu 6 Jahren Zuchthaus. Mirbeth musste dagegen seine sechsjährige Zuchthausstrafe nur kurz absitzen. Die Wiederaufnahme des Verfahrens im Juli 1956 führte, begleitet von einem Gnadengesuch, zur vorzeitigen Entlassung zu Weihnachten 1956, angeordnet vom Justizsenator der Hansestadt Bremen. Seine Taten mit Todesfolge von Blankenburg bis Sarau bleiben bis heute ungesühnt.