Lüneburger Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt

Übersicht

Deutschland, Bundesland Niedersachsen, Landkreis Lüneburg

Die Heilanstalt Lüneburg wurde 1901 als Einrichtung der Provinz Hannover eröffnet.
Zu den ersten Transporten von Patienten nach Lüneburg gehörten 91 Geisteskranke aus der Anstalt Hildesheim. Sie trafen am 11. Juli 1901 auf dem Bahnhof Lüneburg ein. Wie in den vorangegangenen Fällen geschah der Ausstieg im Güterbahnhof, um den laufenden Bahnhofsbetrieb nicht zu stören. In Begleitung von Wärtern wurden die Patienten auf das Gelände der Heilanstalt Lüneburg gebracht.
(Quelle: Hauptstaatsarchiv Hannover; Hann 155 Lüneburg Nr. 226)

Schon in den 1930er-Jahren wurden viele Patienten Opfer der Zwangssterilisationen nach dem so genannten „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Zuständig war das „Erbgesundheitsgericht“ Lüneburg, das für weit über 100 Patienten aus der Anstalt Lüneburg die Zwangssterilisation beschlossen hat. Mit Kriegsbeginn wurde das Ausmaß der staatlich organisierten Verbrechen erweitert. Betroffen waren 1941 in Niedersachsen über 2.000 Patienten, die im Rahmen der „Aktion T4“ zu einer Tötungsanstalt transportiert wurden. Etwa 500 dieser Patienten stammten direkt aus der Anstalt Lüneburg oder waren aus anderen Einrichtungen zu Tarnungszwecken vorübergehend dort untergebracht.
Der damalige Direktor, Dr. Max Bräuner, war mitverantwortlich auch für die NS-Verbrechen, die direkt in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg durchgeführt wurden. Betroffen waren in der im Herbst 1941 eingerichteten „Kinderfachabteilung“ über 300 Kinder aus Norddeutschland. Sie wurden in Absprache mit dem so genannten „Reichsausschuß“ in Berlin mit Luminal oder Morphium getötet. Aktiv beteiligt war Dr. Willi Baumert. Weitere Opfer waren über 50 ausländische Patienten aus Norddeutschland. Sie wurden 1944 in Lüneburg gesammelt und einer Tötungsstätte zugeführt.
(Nach: Raimond Reiter, Psychiatrie im Dritten Reich in Niedersachsen. Hannover 1997)

Der erste Transport von Patienten aus der damaligen Provinzal Heil- und Pflegeanstalt in Lüneburg vom 7. März 1941 wurde nach der Erinnerung des damaligen Direktors der Anstalt Lüneburg vom zuständigen Gauleiter direkt angewiesen: (Aussage vom 11.Dezember 1962):
"Ich erinnere mich noch genau an einen Vorfall, der sich einen Tag vor dem ersten Transport der erwachsenen Geisteskranken aus Lüneburg ereignete. An diesem Tag kam der damalige Gauleiter und Verteidigungskommissar von Ost-Hannover, Telschow, in mein Dienstzimmer in voller Uniform und erklärte, wenn jetzt Transporte von Geisteskranken aus der Lüneburger Anstalt angeordnet würden, so hätte ich mich dem zu fügen, weil es sich um Anordnungen der Reichsleitung handele und er als Reichsverteidigungskommissar habe mir mitzuteilen, dass ich diese Anordnung zu befolgen hätte. Damals wusste ich aber noch gar nicht, was es mit diesen Transporten auf sich hatte. Ich erfuhr das erst später nach dem zweiten oder dritten Transport und auch durch Dr. [Name], der von seinem umgekommenen Schwager erzählte." Zitat Ende.

Quelle: Psychiatrie im Nationalsozioalismus und die Bildungs- und Gedenkstätte "Opfer der NS-Psychiatrie" in Lüneburg (Seite70/71) von Dr. Raimond Reiter; Tectum Verlag Marburg; 2005

In den Jahren 1940/41 gingen zudem Patiententransporte zu einer der zentralen Euthanasie-Tötungsanstalten von Lüneburg aus. 1944 wurde die Heil- und Pflegeanstalt zu einer Sammelstelle für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die für geisteskrank erklärt wurden.

heute
Psychiatrische Klinik Lüneburg
Am Wienebütteler Weg 1
21339 Lüneburg

In der Reihe der Direktoren stellt Dr. Bräuner eine Besonderheit dar, da er mitverantwortlich für NS-Verbrechen in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg gemacht werden konnte. Er war schon vor seiner Direktorenzeit seit dem 01.Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Auch war er Mitglied in anderen NS-Organisationen und von 1938 bis 1944 Kreisbeauftragter für das "Rassenpolitische Amt" der NSDAP in Lüneburg. 1941 war Dr. Bräuner aktiv an der Einrichtung der so genannten "Kinderfachabteilung" in der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg beteiligt. Zusammen mit dem Leiter der Kinderfachabteilung, SS-Arzt Dr. Willi Baumert, führte er verantwortlich die "Kinder-Aktion" durch, bei der zahlreiche geistig und körperlich behinderte Kinder mit Luminal und Morphium getötet wurden. Auch war Bräuner als Direktor 1941 mitverantwortlich für so genannte "planwirtschaftliche Verlegungen" in Tötungsanstalten.

Mit den NS-Verbrechen in der Anstalt in Lüneburg beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft Hannover nach dem zweiten Weltkrieg bis 1949 und die Staatsanwaltschaft Lüneburg bis Mitte der 60er Jahre. 1949 wurde das Verfahren wegen "Euthanasie-Maßnahmen im Rahmen planwirtschaftlicher Verlegungen in der Provinz Hannover" gegen Dr. Bräuner u.a. von der Oberstaatsanwaltschaft Hannover eingestellt. Mitte der 60er Jahre hat Dr. Bräuner schließlich bei Vernehmungen mit zwei weiteren Beschuldigten die Tötungen von Kindern in der "Kinderfachabteilung" zugegeben.

Im Frühjahr 1966 folgte ein Beschluß des Landgerichts in Lüneburg, der Dr. Bräuner außer Verfolgung setzte, da er als dauernd verhandlungsunfähig galt. Im gleichen Jahr, am 09.12.1966, starb er in Lüneburg.
Quelle: Verein zur Förderung der Dorfgemeinschaft Altgemeinde Trauen (e.V.)

07.03.1941

Mit diesem Transport werden 122 männliche Patienten aus der Lüneburger Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in die Euthanasie-Anstalt Sonnenstein (Pirna) deportiert und dort ermordet. Es sind keine überlebende bekannt. Es war der Transport, den Gauleiter Telschow genehmigt hatte.