Außenlager Kobier
Übersicht
Polen, Provinz Oberschlesien, Bezirk Pszczyński, Gemeinde Kobiór (Tychy Kobiór)
vor 1942
Am 27. Mai 1939 wurde der Volksdeutsche Josef Mazur aus Kobior von einer größeren Gruppe Polen überfallen. Er wurde mit Gummiknüppeln zusammengeschlagen, so daß er bewußtlos wurde. Der ärztliche Befund ergab zahlreiche Blutergüsse und Schnittwunden am Kopf, im Gesicht und an den Ohren sowie zahlreiche Striemen, blaurot gefärbt und mit geronnenem Blut bedeckt auf der Brust, dem Rücken und Gesäß.
SS-Obersturmbannführer Koeppen
Er NS-Täter: Koeppen wurde durch den Chef der allgemeinen (schwarzen) SS, den Konstanzer SS-Oberführer Walter Stein, angesichts einer nicht in Brand zu steckenden Synagoge telefonisch am frühen Morgen des 10. November 1938 um „Amtshilfe“ gebeten. Unter Einwilligung und Verantwortung von Koeppen sprengte kurze Zeit später der Pionierzug des SS-Bataillons „Germania“ die Synagogen, zuerst in Konstanz, danach von Wangen bis Gailingen. Der SS-Obersturmbannführer hatte die antisemitische NS-Ideologie bis in jede Haarspitze in sich aufgesogen. Mit dem Überfall auf Polen wurde sein Bataillon schon in den ersten Septembertagen des Jahres 1939 in Kämpfe bei Piasek und Kobior verwickelt. Wenige Tage später fand Koeppen bei einem nächtlichen polnischen Gegenangriff in der Nähe von Lemberg zusammen mit 22 Kameraden den Tod.
Die verzerrten Gesichter der im Nahkampf mit Bajonetten erstochenen Deutschen zeugten von Überraschung und Fassungslosigkeit ob des polnischen Gegenstoßes – die Leiche des Kommandeurs wurde in einem Maisfeld gefunden. Lapidar wurde in Koeppens Wehrpass vermerkt: „Gefallen für Großdeutschland am 16.9.1939 bei Jaworow.“
Kobiór
Nebenlager von Auschwitz-Birkenau
In einem Waldstück beim Dorf Tychy Kobiór befand sich von September 1942 bis August 1943 das Nebenlager NL Kobior. Das Lager war mit Stacheldraht umgeben und an den Ecken befanden sich vier Wachtürme. Innerhalb des Zaunes waren in drei Baracken 158 Häftlinge untergebracht. Es handelte sich überwiegend um Juden aus verschiedenen Ländern, darunter Polen, Franzosen, Belgier, Holländer, Tschechen, Österreicher und 28 Griechen. Sie wurden vor allem zum Fällen von Bäumen, Reparatur von Forststraßen, Demontage und Reparatur von alten Häusern und dem Anlegen von Entwässerungsgräben eingesetzt. Aus 1945 aufgefundenen Lagerdokumenten geht hervor das mindestens 21 Personen in diesem Bereich erschossen wurden oder an Erschöpfung starben.
Im September 1943 wurden die noch lebenden Häftlinge in die Außenlager Sosnowitz und Janinagrube verlegt. Im Herbst 1943, nach der Verlegung der Häftlinge wurde das Lager als Kriegsgefangenlager von britischen Kriegsgefangenen genutzt, die im Sägewerk kobiórskim und auf dem angrenzenden Gleisanschluss (Holzverladung) Zwangsarbeit verrichten mußten.
Vom Nebenlager und dem Kriegsgefangenenlager ist heute nichts mehr vorhanden. Wie aus den Aussagen der Einwohner hervorgeht, wurden die Gebäude nach dem Krieg abgerissen. An dem Ort, wo das Tor zum KZ-Außenlager war, wurde ein Obelisk zum Gedenken an den Ort errichtet.
Eröffnung
Oktober 1942
Schließung
September 1943 Die Häftlinge wurden in die Außenlager Sosnowitz und Janinagrube verlegt.
Häftlinge
am 25.04.1943 158 Häftlinge
Skrein Friedrich (Häftlings Nu. 85 888)
Schon beim Ausrücken in der Früh hat die SS bestimmt, wer an diesem Tag umgebracht werden soll. Der Betreffende wurde fortgesetzt gequält und ihm dabei immer zugerufen: Lauf, lauf! Wenn der Unglückliche dann gelaufen ist, wurde er auf der Flucht erschossen. Ein Häftling, der wußte, was der Ruf Laufen zu bedeuten hatte, hat sich trotz aller Quälereien geweigert zu laufen. Da haben sie ihn zehnmal auf einem Baum auf- und wieder abgehängt, bis er auch verzweifelt davongelaufen und dann auf der Flucht erschossen worden ist.
Amann Felix (Häftlings Nu. 78 581)
* 09.06.1902
Aussage nach 1945
Da fuhr immer der Begleiter mit, der bei mir war. Aber Klehr kam meistens hin und hat sich überzeugt, daß es auch durchgeführt wurde. Und ich kann mich noch sehr gut entsinnen, als ich in Kobiór war, daß Klehr kam und wir mußten plötzlich abbrechen und mußten nach Auschwitz mit den Entlausungsmaschinen zurück. Und mein Begleiter, das war damals der Chaimies, der war gar nicht da, so daß ich sogar nachher mit dem Auto allein zurückgefahren bin nach Auschwitz, weil der in Kattowitz war.
Klehr gab Anweisungen, wenn andere Lagerabschnitte, also zum Beispiel Außenlager wie Kobiór oder Jaworzno, Jawischowitz, wenn die entlaust werden sollten. Und dann kam er und sagte mir: Das Lager wird entlaust, morgen geht es da und da hin.
Gotland Simon
Jüdisches Sonderkommando, Nr. 53908
* 13.12.1898 Warschau. Schuhmacher, 1927 nach Paris emigriert. Ankunft Auschwitz am 29.7.1942 aus Drancy. Von 990 Deportierten sind 595 Juden polnischer Abstammung. Gotland: Eine Selektion fand bei der Ankunft in Birkenau nicht statt, weil in Drancy bereits nur Arbeitsfähige ausgesucht worden waren. August/September 1942 im Sonderkommando zum Ausschaufeln von Massengräbern und zur Abdeckung der Leichen mit Kalk und Erde. Danach im Bahnhofskommando (Block 17) und im Kommando Kanada. Ende 1942 im Außenlager Kobier. April 1943 erneut Kommando Kanada. Oktober 1944 nach Kaufering deportiert. Nach 1945 Kaufmann in Paris. Als Zeuge im Auschwitz-Prozeß: Ich arbeitete im Kanada-Kommando. Wenn ein Transport ankam, mußten wir die Waggons öffnen und die Menschen herausjagen und das Gepäck auf die Rampe werfen. Dann mußten wir alle in Fünferreihen aufstellen. Einmal waren bei der Ankunft eines Transports alle tot. Der Zug kam aus Weißruthenien oder der Ukraine. Wir haben drei Tage arbeiten müssen, bis alle Leichen aus den Waggons waren. Der Transport war zehn oder zwölf Tage unterwegs. Nur ein Mädchen — vielleicht sieben Jahre alt — lebte noch, sie war im Arm ihres toten Vaters.
ab dem 14. Dezember 1942 etwa sechs Monate lang war der ehemalige Häftling Gotland Simon in Kobier, in der Nähe von Sosnowitz
Aussage
Also eines Tages wurden wir bei der Blockführerstube angehalten, wir waren ungefähr 100 Personen. Davon wurden 15 Personen, die stärker waren, ausgesondert, und wir mußten im Walde arbeiten.
Aussage
Eines Tages wurde gesagt: Alle Juden antreten! Und wir, alle Juden, so zwischen 50 und 100, wurden nach Monowitz geschickt.
zur Person Amann Felix
Amann Felix, geb. 09.06.1902 in Altenkessen, Ökonomieverwalter; wegen Landesverrats in Tateinheit mit Anstiftung zum Diebstahl, Hehlerei, schwere Urkundenfälschung und Vergehen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt
Quelle: Polizeidirektion München (Pol. Dir.) 11493
Geschlecht:
Männer
Einsatz der Häftlinge bei
Oberforstamt Pless (Oberforstamt Pszczyna)
Arbeitsmäßig dem Oberforstamt Pless unterstellte NL
NL Altdorf (1942-1943) 12 Häftlinge
NL Radostowitz (1942-1943) - mit einer Pause im Winter 1942/1943 etwa 20 Gefangene
NL Kobior (1942-1943) 158 Häftlinge (stand 25. Januar 1943)
Art der Arbeit
Waldarbeiten, Entwässerung
Bemerkungen
Das Außenkommando Kobier bestand von Herbst 1942 bis September 1943. Es beherbergte etwa 150 Häftlinge. Sie wurden vom Oberförsteramt'a Pless'a zu Forstwirtschaft eingestellt.
Das Holz wurde an das Lager Auschwitz-Birkenau geliefert und dort bei der Verbrennung der Leichen verwendet, um so die Spuren des Verbrechens zu verwischen, die aus den dortigen Massengräbern herausgeholt wurden. Später wurde das hier geschlagene Holz -dann zur Verbrennung der Leichen der im Zuge der Massenvernichtung ermordeten Juden auf Scheiterhaufen verwendet.
Täter/Wachmannschaft
Tätigkeitsbereiche der Nebenlager oder Außenkommandos mit belegtem Rumäniendeutschem Wachpersonal.
Landwirtschaft/Waldarbeiten
Babitz, Budy, Rajsko, Kobior
SS-Unterscharführer
Baumgartner Franz
* 29.03.1917 in Handlöd (Langeneck)
vor 1945 Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz, NL Kobier u, NL Janinagrube
SS-Schütze
Tossmann Martin
* 05.02.1915 in Ruma/Kroatien.
Ab Oktober 1942 in Auschwitz. Kommando Kobier, Eintrachthütte und Neu-Dachs. Nach 1945 in Österreich.
SS-Schütze
Scholz Erwin Fritz
* 12.08.1925 in Niederschlesien.
vor 1944 Kommando Kobier
Ab 27.10.1944 Wachmannschaft Außenlager Gleiwitz I. Teilnahme am Evakuierungsmarsch. Am 22.1.1948 in Krakau zu 3 Jahren Haft verurteilt.
SS-Rottenführer
Capliuk Michael
* 30.09.1911 in Storozynetz
letzter bekannter Wohnsitz: Stuttgart
vor 1945 Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz u. NL Kobior
SS-Obersturmführer
Kollmer Josef
* 26.02.1901 in Händlern
+ 24. 01.1948 im Gefängnis Montelupich (Tod durch den Strang)
ab 1943 Kommando Kobier
SS-Oberscharführer
Klehr Josef
* 17.10.1904 in Langenau (Krs. Leobschütz/OS)
zuletzt wohnhaft in Braunschweig, Goslarsche Straße 90,
verheiratet, Deutscher
Beruf: Tischler
SS-Hauptsturmführer
Heimann Karl
* 15.05.1891 in Breslau
vor 1945 Angehöriger des SS-T. Stuba. im KL Flossenbürg, KL Auschwitz u. NL Kobier
SS-Unterscharführer
Schönbohm Alfred
* 04.03.1909 in Wilhelmshaven
letzter bekannter Wohnort: Aalen
vor 1945 Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz, NL Eintrachthütte u. NL Kobior
Zeuge Prokop, Häftlingsapotheker in der Auschwitzapotheke:
Als ich in dieser Apotheke arbeitete, konnte ich oft beobachten, wie Viktor Capesius zusammen mit Josef Klehr in einen Raum des Kellers dieses Blockes gingen. Aus Neugierde beobachtete ich diesen Raum genauer und eines Tages sah ich, dass der SS-Oberscharführer Jurasek in Begleitung von Josef Klehr in diesen Raum ging. Jurasek war technischer Mitarbeiter der Apotheke. Durch die offene Tür erblickte ich einen Wandschrank. Aus der Unterhaltung der beiden hörte ich, dass der Schlüssel zu diesem Schrank in der Apotheke liege. Als Jurasek die Schlüssel holte und den Schrank öffnete sah ich, wie er Josef Klehr zahlreiche Büchsen übergab. Dabei hörte ich etwa folgenden Satz: „Es wird wahrscheinlich eine größere Aktion“. Klehr bejahte es. Ich hatte es mir sofort gedacht, dass Jurasek im Auftrage von Capesius die Büchsen mit Zyklon B herausgab. Diese Vermutung hat sich auch bestätigt, denn tatsächlich vergaste man an diesem Tage ca. 32 000 ungarische Juden. „Theoretisch 6o Dosen, das sind 5 Kisten. Alles erfunden! 9000 war einmal am 29.6.44 Rekord!“ Erst später hatte ich davon gehört, es handele sich dabei um so eine große Aktion, dass infolge Platzmangels in den Verbrennungsöfen die Leichen der Vergasten in Gruben und auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. Durch die Verbrennung der vielen Leichen im Freien entstand in der ganzen Gegend ein unangenehmer süsslicher Geruch. Man suchte deshalb nach einem Mittel, um diesen Geruch zu neutralisieren. Mit dieser Angelegenheit befasste sich auch Jurasek, der selbst Drogist war. Ich vermute, er tat es im Auftrage von Capesius. (Vielleicht im Auftrag von Dr. C. weil er so etwas als Apotheker nicht wissen konnte?) Jurasek fragte mich als Drogisten, wozu Naphtalin gut sei. Ich erklärte ihm, dass es sich um ein Mittel handele, welches unangenehme Gerüche in Räumen wie auch im Freien neutralisiert. Danach ging Jurasek weg.
SS-Hauptsturmführer
Heimann Karl
Literatur
Podobóz Kobiór (Aussenkomando Kobier) i pszczyńskie komanda leśne (Forstkommandos Pless) /
von Setkiewicz, Piotr Veröffentlicht 2010
“...Zeszyty Ośwįecimskie, ISSN 0474-8581, ZDB-ID 9630545 ztop169291448 26(2010) 139-156...”
Bibliothek: Topographie des Terrors (Berlin)
Signatur: Aufsatz