Konzentrationslager Auschwitz
am 20.01.1943 verläßt der Transport Cq Zug Da 101 mit 2.000 Juden und unerwünschten Elemente das Ghetto Theresienstadt. Ziel ist das KL Auschwitz. Der Transport erreicht Auschwitz mit mindestens 1.960 lebenden Menschen am 21.01.1943. 40 Menschen ist unterwegs die Flucht gelungen oder sind unterwegs verstorben. Bei der Selektion werden 254 Männer und 164 Frauen im Lager aufgenommen. 1.542 Menschen werden der Sonderbehandlung zugeführt.
Hintergrund
Transportnummer: Cq
Ursprüngliche Zugnummer: Da 101
Beauftragende Behörde:
RSHA IVB4 - Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten
Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Böhmen und Mähren
Beteiligte Verantwortliche:
Eichmann Adolf (Otto)
Novak Franz
Günther Hans
Siegfried Seidl
Haindl Rudolf
Am 14. Dezember 1942 befahl Heinrich Himmler, dass arbeitsfähige Häftlinge in die Konzentrationslager überführt werden sollten, um die Kriegsproduktion zu unterstützen. Zwei Tage später schrieb Heinrich Müller, Leiter der Abteilung IV (Gestapo) im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), dass 45,000 jüdische Häftlinge im Januar 1943 nach Auschwitz gebracht werden sollten, drunter auch 10,000 Häftlinge aus dem Ghetto Theresienstadt.
Jeder Transport sollte 2,000 Personen deportieren und einmal alle drei Tage um 12:48 Uhr in Auschwitz-Birkenau eintreffen.
In einer Mitteilung an die Häftlinge gab der Jüdische Ältestenrat am 10. Januar 1943 bekannt, dass fünf Transporte “nach Osten”, mit jeweils 2,000 Personen, in Kürze das Ghetto verlassen sollten. Bei der Hälfte der Deportierten handle es sich um Juden, die zuvor aus Deutschland und Österreich nach Theresienstadt deportiert worden waren, bei der anderen Hälfte um zuvor aus dem Protektorat nach Theresienstadt deportiere Juden. Die Mitteilung gab zudem bekannt, dass Juden mit ausländischer Nationalität, Kriegsveteranen, Ehepartner und minderjährige Kinder von Juden, die außerhalb des Ghettos arbeiteten sowie Ehepartner von Nicht-Juden und Kinder aus “Mischehen“ von der Deportation ausgenommen seien. Inoffiziell waren auch sogenannte Prominente, in der Öffentlichkeit bekannte Juden, von diesen bevorstehenden Deportationen ausgenommen.
Die Transportbefehle wurden vom Zentralamt für die Regelung der Judenfrage an den Lagerkommandanten, Siegfried Seidl, weitergegeben. Vilem Cantor zufolge, der für die Transportregistrierung in Theresienstadt verantwortlich war, gab der Kommandant die Befehle an den Jüdischen Ältestenrat im Ghetto weiter, der gezwungen war, diese zu befolgen. Die Befehle beinhalteten das Datum des Transports, die Anzahl der zu deportierenden Personen, spezielle Transportkriterien (bei diesem Transport: Männer und Frauen unter 65 Jahren) sowie die Namen bestimmter Personen, die mit diesem Transport deportiert werden sollten (Weisungen). Der Ältestenrat berief ein Treffen mit 30 bis 40 Personen ein, die unterschiedliche Abteilungen und Nationalitäten im Ghetto repräsentierten. Bei dieser Zusammenkunft wurde die endgültige Transportliste verfasst. Einer grundlegenden Regel folgend, wurden Häftlinge zusammen mit ihren Ehepartnern und ihren minderjährigen Kindern deportiert. Die Liste schloss auch eine Reserve von 20 % des Transports ein: Wenn Häftlinge den Transport, egal aus welchen Gründen, nicht antreten konnten, wurden an ihrer Stelle andere, auf der Reserveliste angeführte, Häftlinge deportiert.
Der Transport ist in den Tagesbefehlen des Ältestenrats vom 17. Januar 1943 angeführt. Am 19. Januar wurde jeder für den Transport vorgesehene Häftling schriftlich benachrichtigt, dass er bzw. sie für einen “Arbeitstransport” eingeteilt worden sei und sich am Abfahrtstag auf dem Sammelplatz zu melden habe, in der sogenannten Schleuse, die sich in der Aussig-Baracke befand. Den zu Deportierenden wurde erlaubt, begrenztes Gepäck mitzunehmen, in der Regel ein Koffer pro Person. Die Häftlinge, die bei ihrer Deportation nach Theresienstadt eine Identifikationsnummer erhalten hatten, wurde nun eine neue Deportationsnummer zugewiesen, die sie um den Hals tragen mussten. In der Schleuse konnte der Ältestenrat zeitweilig Verpflegung und Vorräte für die wartenden Juden organisieren.
Der Transport mit der Bezeichnung “Cq” verließ Theresienstadt am 20. Januar 1943 und war der erste einer Reihe von fünf Transporten. Der Deportationszug erreichte Auschwitz am nächsten Tag, am 21. Januar. Auf dem Transport befanden sich 2,000 Männer, Frauen und Kinder; ausschließlich Juden, die zuvor aus dem Protektorat nach Theresienstadt deportiert worden waren. Unter ihnen befanden sich 545 Personen, die am 13. bzw. 16. Januar 1943 mit den Transporten “Cl” und “Cm” aus Mlada Boleslav im Ghetto eingetroffen und wahrscheinlich seit ihrer Ankunft in der Schleuse gefangen gehalten worden waren. 482 Personen kamen aus Tabor mit den Transporten “Bz” und “Cb” in Theresienstadt, am 12. bzw. 16. November 1942 an, und 479 Personen kamen aus Klatovy mit den Transporten “Cd” und ”Ce“, am 26. bzw. 30. November 1942 an.
Am Tag des Transports mussten die Häftlinge zum Bahnhof Bauschowitz (Bohusovice) marschieren, etwa 3 km außerhalb des Ghettos, wo sie in die schon wartenden Zugwaggons gezwungen wurden. Diejenigen, die mit schwerem Gepäck nicht laufen konnten, wurden auf Lastwagen oder in LKW zum Bahnhof gefahren.
Der Zug von Theresienstadt nach Auschwitz, mit der Bezeichnung “Da 101”, fuhr zuerst nördlich nach Dresden, dann Richtung Osten nach Breslau (Wroclaw) und Kattowitz (Kattowice). Bei ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau wurden die Häftlinge in zwei Gruppen geteilt, Männer einerseits, Frauen und Kinder andererseits. Diejenigen, die als arbeitsfähig selektiert wurden, wurden ins Lager gebracht. Die anderen mussten zu den Gaskammern in Birkenau laufen, wo sie ermordet wurden. Der leere Zug fuhr unter der Bezeichnung “Lp 102” zurück nach Theresienstadt.
Am 17. Februar 1943 stellte der Inspekteur der Konzentrationslager eine schriftliche Anfrage an den Lagerkommandanten von Auschwitz, in der er sich nach dem Verbleib der Zwangsarbeiter erkundigt, die aus Theresienstadt ankommen sollten. Die Antwort kam prompt: "Gesamtstärke der Zugänge vom 21.1.43 – 2000 Juden, davon ausgesucht zum Arbeitseinsatz 418 – 254 Männer u. 164 Frauen = 20.9 % [...] Die Sonderunterbringung (=Nazi-Euphemismus für Mord) der Männer erfolgte wegen zu grosser Gebrechlichkeit, die der Frauen, weil der grösste Teil Kinder war.”
Im Ghetto-Tagebuch schrieb Egon (Gonda) Redlich, Leiter der Kinder- und Jugendabteilung des Ghettos, über diesen Transport:
“20.01.1943: Wir haben die ganze Nacht gearbeitet. Kranke Waisenkinder wurden von der Transportliste genommen. Die Deportierten sind wie eine Schaafherde. Eine ausgestoßene und verschickte Herde, eine Herde, deren Unterdrücker auch Schafe sind. Juden unterdrücken Juden.”