Sobibor
Transportliste
Transportweg: Westerbork über Oldenburg, Bremen, Wittenberg, Berlin, Breslau und Lublin - Sobibor. Die Fahrt dauerte 72 Stunden.
Der Güterzug bestand aus Viehwagons und war mit 3.006 jüdischen Männern, Frauen und Kindern bis zum Bersten gefüllt.
Ankunft
Das erste was die Juden am Zielort sahen, war ein ordentlicher Bahnhof und ein paar Häuschen im alpenländischen Stil. Viele mögen gedacht haben, das sieht ja nicht so schlimm aus. Dies war aber nur eine von vielen perfiden Verschleierungstaktiken der Nazis. Am Bahngebäude war der Name der Station zu lesen:
Sobibor
Es war der 04. Juni 1943
Auf der Rampe in Sobibor wurden die Ankommenden von einem Cordon von Ukrainern mit schwarzen Uniformen und von SS-Männern empfangen. Die Menschen wagten es nicht, nach hinten zu schauen. In einer Baracke mussten sie ihr Hab und Gut abliefern.
Bei der anschließenden Selektion durch die SS wurden 81 gesunde junge Männer ausgesucht und in das Lager Dorohucza getrieben. Die anderen wurden noch am gleichen Tag ermordet. Kleinkinder, Kranke und Alte wurden in Loren geladen. Ihnen wurde gesagt, dass sie zum Lazarett fahren würden. Das angebliche Lazarett war aber die Grube III, wo eine Wachmannschaft die Ahnungslosen der Reihe nach erschoss.
Bericht eines Überlebenden (Jules Schelvis)
Der Zug war kaum zum Stehen gekommen, als die Türen von Männern in blauen Overalls, glänzenden Stiefeln und Peitschen in der Hand, aufgestoßen wurden. Sie stiegen in die Waggon und fingen an, unter Gebrüll und den lauernden Augen der SS auf uns einzuprügein.
Die Männer in den blauen Overalls waren so genannte Arbeitshäftlinge, die die SS zuvor rekrutiert hatte.
Als es nach Ansicht der SS nicht schnell genug ging, kamen sie den Männern des Bahnhofskommandos zu Hilfe, in dem sie ihre Gewehrkolben und Peitschen einsetzten.
Jules Schelvis überlebender des Transports
Rachel und ich und glücklicherweise auch der Rest der Familie standen im Handumdrehen auf einer Art Bahnsteig aus Sand und Erde. Hinter uns ertönte das Gejammer und Geheul derer, die nicht schnell genug aufgestanden waren. Mein Schwiegervater, der neben mir lief, bekam grundlos einen schweren Schlag auf seinen Rücken. Er krümmte sich einen Moment lang, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Meine Frau Rachel und ich hielten uns fest aneinander. Wir durften uns nicht von dieser höllischen Situation auseinander reißen lassen. Auf einem von Stacheldraht umsäumten Weg wurden wir in Richtung von ein paar großen Baracken getrieben. Wie Vieh wurden wir durch eine Baracke getrieben, deren Türen an beiden Seiten weit offen standen. Während wir durchliefen, wurde uns befohlen, unser gesamtes Gepäck, das wir bei uns hatten, fallen zu lassen. Die Brot- und Rucksäcke, auf denen unsere Namen, das Geburtsdatum und das Wort Holland standen, landeten auf einem großen Haufen, ebenso meine Gitarre, die ich in meiner Naivität mitgenommen und mit so großer Sorgfalt im Waggon vor Schaden behütet hatte. Dass wir unser Gepäck so plötzlich verloren hatten, hatte mich so überrumpelt und beschäftigt, dass ich, als ich wieder im Freien stand, jenen SS-Mann zwar sah, aber ohne zu realisieren, dass er die Frauen in eine andere Richtung geschickt hatte. Plötzlich merkte ich, dass Rachel nicht mehr neben mir ging. Es war so schnell vonstatten gegangen, dass ich sie weder küssen noch ihr etwas zurufen konnte.
Hier trennen sich die Wege von Jules Schelvis und seiner Frau und deren Familie. Jules Schelvis wird schließlich von der SS als Arbeitshäftling ausselektiert und in ein anderes Lager geschickt. Die nächsten Stationen auf dem Weg der deportierten Jüdinnen und Juden lassen sich nur über die Aussagen von anderen jüdischen Arbeitshäftlingen und SS-Leuten vor Gericht rekonstruieren.