Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 1a Vr 1322/49

Prozess wegen Endphase-Verbrechen (Südostwall-Prozess), Denunziationsprozess

Opfer
Juden/Jüdinnen

Tatland (Tatort)
Donnerskirchen, Waidhofen an der Ybbs, Purbach (Weidenstall)

Volksgerichtsverfahren gegen
Nikolaus Schorn
Beruf Oberförster
seit 1939 Ortsgruppenleiter von Waidhofen an der Ybbs

Johann Ortlieb
Unterabschnittsführer

Josef Bareiner

Josef Laska
Polizeimeister und Leiter der Gendarmerie

Tatvorwurf/Tatvorwürfe
Quälerei und Misshandlung von beim Südostwallbau in Donnerskirchen (Burgenland) eingesetzten ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern (rund 120, wegen Erkrankung an Flecktyphus im Weidenstall bei Purbach/Burgenland untergebrachte, ungarische Juden starben, dieses Faktums waren Ortlieb, Oktober 1944 bis Februar 1945 Leiter des Unterabschnittes II Donnerskirchen, und Schorn, November 1944 bis Januar 1945 Baustreifenleiter im Unterabschnitt Donnerskirchen, angeklagt); Ermordung von drei ungarischen Juden durch Werfen in den Fluss Wulka/Burgenland (Schorn).
Einige weitere Punkte:
Illegalität (Schorn, Ortlieb), versuchte Denunziation (Schorn, Waidhofen/Ybbs, Niederösterreich), Denunziation (Bareiner u. Schorn; Waidhofen/Ybbs), Vertreibung eines Ehepaares vom Claryhof, Waidhofen/Ybbs (Schorn und Bareiner).

Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens

10.12.1947: Schorn zu 4 1/2 Jahren, Ortlieb zu 2 Jahren schweren Kerkers und Bareiner zu 4 Monaten Kerker verurteilt.

11.05.1949: Das LG Wien gibt dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Schorn hinsichtlich der Fakten §§ 1, 3/2 und 4 KVG, § 134 StG statt. Das Urteil wurde hinsichtlich der Freisprüche von Schorn aufgehoben, das Verfahren trat in das Stadium der Voruntersuchung zurück.

24.09. 1951: Schorn zu lebenslänglichem schweren Kerker verurteilt.

informationen zum Akt LG Wien Vg 1a Vr 1322/49 (Vg 4 Vr 3701/45)
Einbezogener Akt Vg 3e Vr 4101/45: Verfahren gegen Josef Bareiner wegen §§ 3, 4, 5a KVG.
Einbezogener Akt Vg 2a Vr 708/45: Verfahren gegen Ortlieb, Schorn und Bareiner wegen §§ 10, 11 VG, §§ 1, 3, 4, 5a KVG, § 134 StG.
Vorerhebungen gegen Josef Laska wegen § 134 StG und § 1(2) KVG (Ermordung eines ungarischen Juden/Jüdinnen durch Werfen in die Wulka) nach Antrag der Staatsanwaltschaft vom 13.11.1950. Mit Beschluss vom 29.03.1952 wird das Verfahren gegen Laska ausgeschieden.

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Judenhetze in Waidhofen an der Ybbs durch den Ortsgruppenleiter Nikolaus Schorn:

In dem am 21. ds. stattgefundenen Parteimitgliederappell gab Ortsgruppenleiter Pg. Schorn) nach Behandlung der dienstlichen Mitteilungen und der Weisungen für die weiteren Arbeiten der Politischen Leiter eine Nachricht bekannt, die alle Parteimitglieder mit größtem Interesse vernahmen. Der ungefähr 11/2 Jahrzehnte lang als Vizebürgermeister und Finanzreferent der Gemeinde Waidhofen a.d. Ybbs, Unheil stiftende Bauer, unter dessen Tüchtigkeit und Hingabe in der Systemzeit nicht weniger als drei Gemeindesekretäre hintereinander wegen Unterschlagung von mehreren tausend Schilling entlassen werden mußten, ist von der zuständigen Behörde einwandfrei als Volljude entlarvt worden. Franz Israel Kunitzer konnte als größter Grundbesitzer innerhalb des Gemeindegebietes kraft seines wirtschaftlichen Einflusses und der bisher gelungenen Tarnung seinen zersetzenden Einfluß auf manche Kreise der Bevölkerung noch weiter ausüben. Nun werden sich noch andere Stellen mit dessen unsauberen Angelegenheiten befassen. Alle deutschen Volksgenossen aber mögen aus dieser vorläufigen Mitteilung ihr Verhalten einrichten. Nach den Staatsgesetzen ist jeder Umgang mit Juden strafbar. Über die weiteren Auswirkungen der Entlarvung dieses Volljuden und dessen echt talmudischen Handlungen wird die Öffentlichkeit noch eingehend unterrichtet. Nach diesen von allen Appellteilnehmern mit Genugtuung aufgenommenen Ausführungen sprach der Ortsamtsleiter der NSV. Pg. Eisterlehner über dringende Aufgaben der nächsten Zeit,)
Jüdische Tüchtigkeit. Unsere Veröffentlichungen über das die Öffentlichkeit schädigende als auch freche Verhalten des Franz Israel Kunitzer haben im besonderen bei der bäuerlichen Bevölkerung starken Widerhall gefunden. Von den uns weiter zugekommenen Meldungen geben wir zur näheren Charakterisierung dieses geschäftstüchtigen Landwirtes eine Aussage einer Landwirtin ... wieder: Am Karfreitag des Vorjahres hat mein Bruder ... zwei Ochsen um 1200 RM. von Kunitzer gekauft. Darüber befragt, wieso die Ochsen ganz erhitzt sind, wurde geantwortet, daß sie soeben von einer schweren Arbeit kommen. Zuhause zeigte sich, daß ein Ochse sehr erkrankt war, er mußte notgeschlachtet werden und wir erhielten dafür nur 160 RM. bezahlt. Erwiesen ist, daß dieser Ochse nicht von der Arbeit erhitzt, sondern schon am Tage des Verkaufs schwer erkrankt war und Fieber hatte. Die Kleinwirtschaftsbesitzer erlitten durch den gerissenen Juden einen Schaden von 440 RM. Diese Schilderung zeigt, wie notwendig es war, den Juden ihr unsauberes Handwerk zu legen. In der Systemzeit wurden derartige Machenschaften dieser Stützen gerne übersehen, insonderheit dann, wenn so ein Abgefeimter Ämter und Würden innehatte und Amtsperson war. Es erscheint uns daher begreiflich, wenn von der Bevölkerung erwartet wird, daß dieser Volljude samt Anhang aus der kerndeutschen Bauerngemeinde entfernt wird.

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Am Festungsabschnitt Mitte wurden im Dezember 1944 insgesamt 700 ungarische Juden, ehemalige Zwangsarbeiter bei der ungarischen Armee, im geräumten Weinkeller einer Meierei zwischen Donnerskirchen und Purbach zusammengepfercht. Sie holzten Wälder ab und hoben Gräben aus. Neben der sinnlosen Schufterei machten ihnen die Misshandlungen und Gräueltaten ihrer Peiniger schwer zu schaffen. Besonders der österreichische Bauleiter am Streifen, Nikolaus Schorn, und der SA-Mann Otto Seitz taten sich in den Grausamkeiten hervor und luden viele Opfer auf ihr Gewissen.
In der Nähe der Einsatzstellen am Rande der Siedlung Donnerskirchen lagen überall Leichen umher. Jede von der Wache für strafbar gehaltene Handlung wurde mit dem Tode bestraft. Schorn belohnte die Täter für jeden umgebrachten ungarischen Juden mit zehn Zigaretten. Wenn Schanzarbeiter wegen Krankheit nicht ausrückten, drohte der brutale Bauleiter, sie an Ort und Stelle in ihrem Kellerquartier zu vergasen. Als Naturtherapie ließ er Schwerkranke im tür- und fensterlosen Stall des Meierhofs isolieren, zum Zweck der Fiebersenkung ließ er die Unglücklichen nackt im Schnee liegen.
Dieses Schanzarbeiterlager wurde gleichfalls am 29. März 1945 geräumt. Die Häftlinge wurden in Fußmarsch gen Westen getrieben. Aus den nach dem Krieg exhumierten Gräbern nahe Purbach kamen die Leichen von 540 Deportierten zum Vorschein.

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Zeugenaussage von Josef Spreitzenbarth vor dem Bezirksgericht Eisenstadt in der Strafsache gegen den SA-Mann Otto Seits, 24.07. bzw.. 12.08.1952: "Im Winter 1944/45 wurde ich als Kutscher beim Stellungsbau verwendet. In diesem Winter waren auch zahlreiche ungarische Juden als Arbeiter eingesetzt. Otto Seits war als einziger SA-Mann in Uniform als Aufsichtsorgan tätig. Es war ein Junger Mensch, der Brillen getragen hat.

Eines Tages befahl ihm Nikolaus Schorn, die zwei Juden, die Weinstecken gestohlen haben, zu erschießen. Der Beschriebene Otto Seits erschoß vor meinen Augen und vor Nikolaus Schorn mit dem Gewehr die beiden Juden. Diese wurden dann wie die anderen eingegraben.

Auf Vorhalt, dass es sich um eine schwerwiegende Aussage handelt, erkläre ich, dass ich ganz sicher bin, dass ein Herr Seits der SA-Mann war, der in Donnerskirchen zwei Juden auf Befehl des Nikolaus Schorn erschossen hat."

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Zeugenaussage von Ladislaus Mezey vor den Landesgericht Wien in der Strafsache gegen Nikolaus Schorn; 11.05.1948:
Am 18.12.1944 wurde ich mit 700 Kameraden in Kaschau einwaggoniert, und wir kamen am 29.12.1944 in Donnerskirchen an. Wir waren sämtlich sogenannte Mischlinge und wurden in der ungarischen Armee nur zu Arbeitsdiensten verwendet. Wir trugen Zivilkleider mit einer weißen Armbinde. Als Kopfbedeckung hatten wir eine Honvédkappe ohne Rosette. Etwa 3 Wochen nach meiner Ankunft erkrankte ich auch an Typhus. Ich wurde nun in den genannten Stall (Winkler) mit anderen Kameraden geschickt. Da ich mich noch bewegen konnte, ging ich zu Fuß hin. Ich durfte jedoch meine Decke nicht mitnehmen. Ich bemerkte, dass wir gar keine Medikamente erhielten, keine Badegelegenheit hatten und oft auch nicht genügend Wasser erhielten. Es war auch kein Arzt vorhanden, sondern einer unserer Leute, ein Mediziner, der auch in der Küche beschäftigt war, leistete uns Hilfe. Als ich beim Stall ankam, sah ich bereits 7 Mann ohne Kleider im Schnee liegen. Sie schienen mir im Sterben zu sein. Drinnen im Stall war nicht Platz genug, und wenn sich einer zum Sterben anschickte, wurde er auf Befehl von SA-Leuten, die nur tagsüber den Stall bewachten, von den übrigen ausgezogen und in den Schnee hinausgelegt, wo er dann verstarb. Ich bin noch in derselben Nacht aus dem Stalle geflüchtet und habe mich wieder in unsere Kellerunterkunft nach Donnerskirchen- das vom Stall ungefähr 2 km entfernt war- zurückgeschleppt.

Jeden Morgen beim Antreten pflegten Schorn und Laska die Leute wahllos zu schlagen. Schorn hieb mit einem dicken Stock, und Laska schlug oft mit der Schaufel auf die Leute ein. Auch wenn wir abends von der Arbeit zurückkehrten, wiederholten beide diese Handlungen.

Eines Tages war ich infolge Krankheit und Erschöpfung im Keller zurückgeblieben, mit mir noch ungefähr 12 Kameraden. Schorn brüllte dann in den Keller hinein, er werde den Keller vergasen lassen, falls wir nicht aus demselben herauskommen würden. Vor dem Ausgang erwartete uns schon Laska und vier SA-Männer, Laska hieb mit einer Eisenstange, Schorn mit einem dicken Stock auf uns ein, ebenso schlugen auch die übrigen SA- Leute mit Gewehrkolben auf uns. Ich selber erhielt Schläge auf Kinn, auf die Stirn, 2 von uns blieben infolge der ausgestandenen Misshandlung liegen, sie wurden auf Wagen geladen und weggeführt. Ich habe sie nicht mehr gesehen.

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Zeugenaussage von Robert Böhm vor dem Gendarmeriepostenkommando Zwettl in der Strafsache Gegen Nikolaus Schorn, 24.11.1947:
Am 13. Dezember 1944 wurde ich durch die Kreisleitung Zwettl nach Donnerskirchen, Bezirk Eisenstadt, Burgenland, kommandiert und als Magazineur des Volkssturmes in einem Meierhof in Verwendung genommen.

Am 25. Dezember 1944 kamen aus Ungarn 950 Juden an. Diese wurden im Meierhofkeller untergebracht. Infolge von Infektionskrankheiten sind von diesen täglich 10-15 Juden gestorben. Alle verstorbenen Juden wurden außerhalb des Ortes Donnerskirchen beim Winkler beerdigt. Schorn, Ortsgruppenleiter aus Waidhofen an der Ybbs, wurde unserer Einheit bzw. dem Schanzstab zugeteilt. Dieser misshandelte täglich die Juden mit Schlägen, Fußtritten und drohte diesen auch mit dem Erschießen. Jene Juden, welche durch Misshandlungen von Schorn verletzt wurden und arbeitsunfähig waren, wurden auf Befehl von Schorn auf einen Leiterwagen geworfen und auf einen entsiedelten Bauernhof gebracht. (Winkler) Sie mussten dort ein Grab schaufeln, anschließend wurden sie erschossen und dort begraben. Schorn hat sich einmal im Hofe des Meierhofes, in meiner Anwesenheit, dahin gehend geäußert, dass er selbst schon so manchen umgelegt hat.

Nikolaus Schorn fungierte als Baustreifenleiter und es oblag ihm die Überwachung der Arbeitsleistung der Juden. Infolge des Überbelages von Donnerskirchen, es waren zu jenem Zeitpunkt, mit dem Volkssturm und den deutschen Süd-Ostwallarbeitern, etwa 3000 Mann in unserem Ort, waren keine geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten für die Juden vorhanden. Sie wurden deshalb in einem Keller, der etwa 60-70 m lang und 6 m breit war, untergebracht. Dieser Keller war zweifellos viel zu klein. Erst nach einigen Tagen ließ der Angeklagte Etagen aus Holz einbauen. Die Juden waren nach einem mehrtägigen Fußmarsch, wie der Angeklagte selbst auch angibt, körperlich vollkommen geschwächt, zum Teil krank, in Donnerskirchen eingetroffen. Die Verpflegung der Fremdarbeiter war unzulänglich, da sie nur zum einen Teil des Verpflegungssatzes der übrigen deutschsprachigen Arbeiter, erhielten. Die sanitären Anlagen waren die denkbar schlechtesten, vor allem wurde anfangs der Keller, in dem die Juden untergebracht waren, nachts zugeschlossen, da Bewachungspersonal nicht zur Verfügung stand, und es wurden für sanitäre Zwecke lediglich auf den Podesten links und rechts der Kellerstiegen Eimer aufgestellt. Da die Juden auf dem kalten Boden liegen mussten, war infolge der Entkräftung und Kälte Durchfall sehr stark verbreitet, sodass die wenigen Eimer in der Nacht nicht ausreichten. Durch diese Zustände trat eine starke Verlausung der jüdischen Zwangsarbeiter ein, die auch durch Waschen und Reinlichkeit nicht beseitigt werden konnte, da lediglich ein paar Waschtröge für so viel Menschen zur Reinigung zur Verfügung standen. Eine Reinigung der Bekleidung war überhaupt nicht möglich. Es brach sofort Flecktyphus aus, der schon am 1. Tage zwei Juden das Leben kostete. Schließlich wurde von der Ärztekammer aus Eisenstadt ein auf der Strecke Donnerskirchen - Purbach befindlicher alleinstehender Meierhof gefunden, als angeblich vorübergehender Absonderungsort für die Flecktyphuskranken bestimmt. Es sollen täglich bis zu 50 Juden in diesem Stall an Flecktyphus oder Erfrierungen gestorben sein. Erst als Ende Jänner 1945 Nikolaus Schorn wegen Erkrankung weg kam und seine Stelle von Johann Fuchs eingenommen wurde, besserte sich die Lage schlagartig. Die Juden erhielten mehr Verpflegung, erhielten eine ärztliche Betreuung und auch Medikamente.