Durchführung einer Massenhinrichtung an Zwangsarbeitern durch die Gestapo als Sühne- und Abschreckungsmaßnahme
06.05.1942
Anweisung der Staatspolizeistelle Weimar an die Lagerleitung wegen Überstellung von neunzehn polnischen Häftlingen aus dem Konzentrationslager Buchenwald (06. Mai 1942)
Betrifft: „Sühnemaßnahmen in Poppenhausen" für den Mord an dem Gendarmeriebeamten Gottwald.
Vorgang: Ohne.
Auf Befehl des Reichsführers-SS sind die nachgenannten polnischen Schutzhäftlinge am Tatort sofort zu erhängen:
1.) Laskowski Piotr
geb. am 29.07.1917 zu Najbukow
2.) Pikur Joseph
geb. am 04.02.1919 zu Konotopy
3.) Broszko Eduard
geb. am 16.04.1921 zu Susiec
4.) Tokarsi Stefan
geb. am 20.01.1915 zu Rykaly
5.) Skurczynski Kasimir
geb. am 13.03.1920 zu Sosnowitz
6.) Kaprzyk Stanislaus
geb. am 10.02.1920 zu Dombrowa
7.) Guzek Tadeusz
geb. am 24.03.1911 zu Ignackowo
8.) Zawadzki Nikodem,
geb. am 17.11.1922 zu Julijanow
9.) Pasiak Wladys
geb. am 21.05.1912 zu Pabianice
10.) Makowski Michael
geb. am 28.07.1920 zu Konotopy
11.) Smolarek Jan
geb. am 29.10.1915 zu Walenia
12.) Pokorski Bronislaw
geb. am 17.10.1909 zu Czestkow
13.) Kazmierczak Stanislaw
geb. am 19.10.1916 zu Kobela-Lonka
14.) Jaroch Leon
geb. am 18.07.1916 zu Schwekadowo
15.) Sokal Wladyslaus
geb. am 06.01.1908 zu Sma Lolea (Sinolaka)
16.) Prybyla Jan
geb. am 20.06.1913 zu Myto pod Dumbieron
17.) Jaros Jan
geb. am 07.01.1920 zu Oraszev
18.) Adam
geb. am 24.11.1904 zu Dzialoszyn
19.) Wajdenfeld Henryk
geb. am 25.12.1915 zu Litzmannstadt
Die Exekutionen finden am 11. Mai 1942 auf der Straße zwischen Poppenhausen und Einöd, Landkreis Hildburghausen, statt.
Beginn: 10:30 Uhr.
Ich bitte, die Häftlinge, die Geräte und ein Begleitkommando am 11.05.1942 rechtzeitig dahin zu beordern. Den hier einsitzenden, inzwischen festgenommenen einen Mörder Jan Sowka, bitte ich am 11.05.1942 bei der Hinfahrt zu übernehmen, ferner bitte ich den Lagerarzt zu verständigen, da seine Anwesenheit erforderlich ist. Der Betriebsstoff wird von hier erstattet.
Im Auftrage:
07.05.1942
Mitteilung des Landrats von Hildburghausen an seinen Kollegen in Arnstadt über die von der Gestapo veranlasste Massenhinrichtung
Hinrichtung des Mörders Jan Sowka.
Das Reichssicherheitshauptamt teilt mit: „Der Pole Jan Sowka, der zusammen mit dem noch nicht gefaßten Polen Nikolaus Stadtnik den Oberwachtmeister der Gendarmerie d.R., Albin Gottwald in der Nacht vom 26. zum 27. April d.J. ermordet hat, ist zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Vollstreckung des Urteils an Sowka und weiteren 20 Polen findet am Montag, dem 11. Mai 1942 gegen 11:00 Uhr vormittags an der Mordstelle, im Wald zwischen Poppenhausen und Einöd (Kreis Hildburghausen) statt. Die Mordstelle liegt unmittelbar an der Straße von Poppenhausen nach Einöd. Es sollen nach Möglichkeit alle Polen aus dem Kreis Hildburghausen und aus den angrenzenden Gemeinden der benachbarten Kreise als Zuschauer anwesend sein. Diese Polen müssen bis 10:00 Uhr vormittags am Exekutionsort eintreffen. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Ukrainer dürfen nicht erscheinen.
Das für die" Zu- und Rückführung der Polen Erforderliche soll von den zuständigen Kreispolizeibehörden geregelt werden. An der Exekution sollen auch die Herren Landräte, die Kreisleiter, sowie sonstige Vertreter von Partei und Staat aus den angrenzenden Kreisen teilnehmen und zwar recht zahlreich." Ich bitte, die dortige Kreisleitung, die Kreisbauernschaft und etwa sonstige in Betracht kommende Behörden und Dienststellen zu verständigen.
In Vertretung
14.11.1960
Augenzeugenbericht über die Massenexekution am 11. Mai 1942 im Wald zwischen Poppenhausen und Einöd
Im II. Weltkrieg war ich reklamiert u. wurde dementsprechend nicht eingezogen, doch hatte ich viele Aufgaben zu erfüllen. Ich war Schmiedemeister, Bauer, Poststellenleiter, Wehrführer, Luftschutzwart und wurde als Aufsichtsbeamter für die hiesigen fremden Landarbeiter eingesetzt.
Alles ging seinen ruhigen Gang, bis eines sonntags ein für die hier Oberaufsicht (bestimmter) Gendarm erschien und die beiden Fremdarbeiter bei Landwirt Herrmann S. schlug. Der eine hieß Stofflose oder so ähnlich, er sprach übrigens sehr gut deutsch u. war von polnischen Eltern, in der deutsch-sprechenden Schweiz geboren.
Der Andere, seinen Namen kann ich jetzt nicht sagen, weil vergessen, war aus Polen und hatte eine alleinstehende Mutter. Von dieser Mutter kam alle Monate ein Schreiben durch die polnische Behörde, kraft dessen nach erfolgter Unterschrift durch die hiesigen Behörden die Mutter dort eine Unterstützung bekam. Dieser besagte Gendarm (er war aus Themar) schlug also an jenem Sonntagabend diese beiden Fremdarbeiter und er ging daraufhin mit seinem Fahrrad nach Käßlitz. Das wußten die Beiden. Sie gingen in den Wald und an der Grenze zwischen Poppenhausen und Einöd lauerten sie dem Gendarm auf. Nachts so zwischen 10-11 (22-23) Uhr mußte es sich wohl ereignet haben, daß sie ihn vom Fahrrad herunter holten und mit einem Messer 19 Stiche in die Kehle beibrachten. Die Frau des Gendarms schlug Lärm auf dem Büro, ihr Mann sei von der Streife nicht zurückgekommen. Daraufhin wurde die Feuerwehr von Hellingen, Poppenhausen u. Käßlitz alarmiert und mußten gemeinschaftlich den Wald zwischen Poppenhausen-Käßlitz und Poppenhausen-Einöd durchsuchen. Wir fanden ihn in einer Lehmgrube liegend und mit Reisig zugedeckt. Der Kopf war bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert und außerdem noch die vielen Stiche in die Kehle - dieses habe ich selbst gesehen. Die beiden besagten polnischen Arbeiter waren verschwunden und mit ihnen ein Fahrrad und ein neuer Anzug von seinem Brotgeber. (Bauer)
Der Verdacht fiel auf die Beiden, zumal wir in einem Reisighaufen einen versteckten, blutbefleckten Arbeitsanzug fanden. Nun ging die Suche nach den Beiden los. Nach 14 Tagen bekamen wir zu erfahren, daß man den deutschsprechenden Arbeiter auf dem Bahnhof Bamberg verhaftet hatte, der andere sei über die Schienen entlaufen. Lange blieb es ruhig. Bis auf den besagten 11. Mai 1942.
Da erschienen plötzlich von allen Seiten in unserem Dorf Abteilungen polnischer Arbeiter mit Gendarmen und wurden an die Stelle geführt, wo man den ermordeten Gendarm gefunden hatte.
Neugierig, was das wohl zu bedeuten hatte, schloß ich mich dieser Kolonne an.
Als wir an diese besagte Stelle kamen, waren wohl 5 Lastautos und mehrere Personenautos an der Straßenseite aufgefahren und man war dabei, Gerüste aufzubauen.
Wir erkannten 4 Galgen mit je 5 Haken und noch ein besonderes Gerüst mit Treppenaufsatz und oben eine Plattform, 19 meist junge Männer, die blaugestreifte Sträflingskleider anhabend, standen im Halbkreis drumherum und wurden bewacht von SS Soldaten mit Maschinengewehren.
Nun trat ein SS-Offizier hervor und hielt eine Ansprache in deutscher Sprache, während ein polnischer Arbeiter die Rede ins polnische übersetzte darin er unter anderem sagte: „Trotz vielfacher Belehrungen haben es diese Menschen fertig gebracht sich an deutschen Frauen und Mädchen zu vergreifen. Sie wußten was darauf steht. Unsere Männer sind im Krieg und unsere Frauen und Kinder müssen wir schützen. Sie bekommen hier ihre Strafe, besonders der Mörder Stofflose". Daraufhin machten vier in roten Hosen, blaues kurzes Jackett und Langstiefel (wohl die Scharfrichter), einer nach den anderen Sträflingen die Handschellen los und führten sie die Treppe des alleinstehenden Galgens mit Plattform empor und legten ihnen eine Schlinge um den Hals.
Auf ein Kommando öffnete sich ein Deckel in der Plattform und der Delinquent stürzte etwa 2 mtr. in die Tiefe. Nach meinem Ermessen mußten sie sofort tot sein, denn wir sahen noch einige Zuckungen und dann keine Bewegung mehr. So kam einer nach dem anderen dran, bis auf den „Mörder" der zuletzt dran kam. Ihn ließ man nicht durchfallen, sondern legte ihn eine Schlinge um auf der Erde.
Ich sah wie er plötzlich in die Luft fuhr, er mußte elend ersticken. Ein Mann der neben mir stand sagte: „6 Minuten hat es gedauert bis er tot war".
Dieses Exekutionskommando war aus Buchenwald, wie sich später herausstellte. Die Leichen wurden auf Lastautos aufgeladen, die sie mit fort nahmen.
Diesen Bericht gebe ich wahrheitsgetreu wieder und versichere, daß ich nicht nazistisch organisiert war und mich neutral verhalten habe.
Robert W.
Schmiedemeister und Landwirt.