Im Lager nördlich von Berlin lassen sich fast 30 verschiedene Arten von Menschenversuchen nachweisen. Unter anderem testeten NS-Ärzte an den ihnen wehrlos ausgesetzten Häftlingen Psychopharmaka und vergiftete Munition. Sie infizierten Menschen mit schweren Wundentzündungen, um Medikamente zur Heilung von Kriegsverletzungen zu probieren. Auf der Suche nach Therapiemöglichkeiten steckten sie Häftlinge mit Tbc, Fleckfieber oder Hepatitis an.
Die Nazi-Mediziner kastrierten Homosexuelle und sterilisierten unzählige Menschen, weil sie als rassisch, sozial oder biologisch minderwertig angesehen wurden.

Der Wehrmachtsarzt Arnold Dohnen infizierte jüdische Kinder mit dem Gelbsucht-Erreger. In Sachsenhausen pferchte er sie in ein Zimmer der Krankenbaracke und nahm regelmäßige Leberpunktionen vor.

Marinearzt Hans-Joachim Richert und der leitende Lagerarzt in Sachsenhausen, Heinz Baumkötter, verabreichten Häftlingen Kokain und das Aufputschmittel Pervertin.
Die skrupellosen Mediziner wollten ein leistungssteigerndes Mittel für U-Boot-Führer entwickeln, damit diese mehrere Tage ohne Schlaf auskommen können. Abgesehen vom hohen Suchtpotenzial der Substanzen mussten die Häftlinge unter deren Einfluss tagelang auf einer rund um den Appellplatz angelegten, 700 Meter langen Laufbahn marschieren. Unter der Aufsicht gnadenloser SS-Wärter wurden die Opfer doppelt ausgenutzt: Gleichzeitig testete die Industrie bei dem Zwangs-Dauerlauf über täglich etwa 40 Kilometer die Haltbarkeit von Schuhsohlen. An anderen Häftlingen testete die SS vergiftete Munition, indem Wärter die Opfer so anschossen, dass sie nicht an der Schussverletzung starben. Vielmehr sollten sie erst an der Vergiftung zu Grunde gehen.

Schon früh kamen die Nationalsozialisten auf die Idee, Häftlinge, die in KZs eingesperrt waren, als Versuchsobjekte für Untersuchungen zu verwenden, die Menschen als Testobjekt benötigten und geringe Überlebenserwartungen der Probanden hatten. Dazu zählten unter anderem Versuche zu Hepatitis, Senfgas, Aufputschmitteln (z.B. Kokain) oder Versuche mit vergifteter Munition.
Die Versuche wurden von Ärzten durchgeführt, die entweder der Wehrmacht, der SS oder sogar zivilen Forschungseinrichtungen angehörten.
Da die SS als Lagerleitung immer beteiligt war, gab es auch einen Hauptverantwortlichen: Dr. Joachim Mrugowsky, der oberste Hygieniker des Lagers.
Er war in alle Versuche eingeweiht und oft genug auch verwickelt, sodass er nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes, am 02.06.1948, hingerichtet wurde.

Der Versuch mit vergifteter Munition
Nachdem mehrere Schusswaffenattentate auf SS- und SA-Funktionäre von Partisanen verübt worden sind und die Opfer starben, obwohl sie nicht tödlich getroffen waren, befahl Himmler, der damalige Leiter der SS, der KTI, der forensischen Abteilung des Kriminalamts, die Projektile zu untersuchen. Der Leiter der Untersuchung war Dr. Albert Widman, ein studierter Chemiker, der schnell herausfand, dass es sich bei den Projektilen um vergiftete Munition handelte. Himmler ordnete an, solche Munition nachzubauen, um ein Attentat auf Stalin zu verüben, wie er sagte. Dr. Albert Widman entwickelte ein Geschoss, das einen Hohlraum für 30 ml des Eisenhutgiftes enthielt. Man ging bereits damals davon aus, dass 4 ml tödlich seien.
Nach Verformungstests an Lehmsteinen fehlte immer noch ein finaler Praxistest. Dazu reiste Dr. Albert Widman nach Sachsenhausen, wo er fünf, wahrscheinlich sowjetische Kriegsgefangene – Häftlinge als Probanden nahm, um die Munition zu testen. Die Männer wurden auf den Boden gedrückt und in den linken Oberschenkel geschossen. Der Schütze war Otto Böhm. Da das Projektil die Schenkel von zwei der Opfer glatt durchschlug, wurden diese an Ort und Stelle getötet, denn das Gift konnte schließlich auf diese Weise nicht wirken. Die anderen drei wurden zu einem Arzt gebracht, der zuerst übermäßigen Speichelfluss und krampfartige Bewegungen, nach etwa 110 Minuten aber den Tod der Männer diagnostizierte. Der Versuch war erfolgreich. Für dieses Ergebnis mussten fünf unbekannte Kriegsgefangene ihr Leben lassen.

Der Schütze, Otto Böhm, wurde 1961 zu lebenslanger Haft verurteilt, Dr. Albert Widman im Jahr 1968 zu 6 ½ Jahre Haft für 600-fachen Mord.

Der Versuch mit Senfgas
Da man in Polen Mienen gefunden hatte, die mit Senfgas präpariert worden waren, wollte die NS-Regierung, dass ein Heilmittel gegen Senfgas gefunden wird. Dazu wurde Dr. Schmidt in Sachsenhausen kontaktiert, der in diesem Auftrag die Chance sah, befördert zu werden. Dr. Schmidt hat bei 27 Häftlingen auf die Oberarme zwei Geldstück große Flächen mit Senfgas behandelt und dann auf jede Stelle ein anderes Heilmittel aufgetragen. Die Häftlinge klagten über heftige Schmerzen und keines der Medikamente zeigte Wirkung. Dennoch haben alle Versuchskaninchen überlebt. Die Häftlinge wurden nach 8 langen Wochen der Qual entlassen, aber die durch das Senfgas entstandenen Wunden heilten erst viel später.
Der Täter Dr. Schmidt war im Mai 1939 als Lagerarzt ins KZ Sachsenhausen gekommen. Berichten ehemaliger Häftlinge zufolge wirkte er nicht nur an Menschenversuchen mit, sondern quälte zudem Häftlinge mit Schlägen und Tritten. Nach der Kapitulation Deutschlands eröffnete Schmidt eine Privatklinik bei München, die er bis ins Pensionsalter führte. Eine gerichtliche Untersuchung wurde 1953 wegen Mangel an Beweisen fallen gelassen.

Versuch mit Aufputschmitteln
Dr. Hans-Joachim Reichert war Marinestabsarzt und er suchte für tagelange Einsätze in kleinen U-Booten ein Aufputschmittel, welches den Soldaten ermöglichte tagelang ohne Schlaf durchzuhalten. Dr. Heinz Baumkötter unterstützte Dr. Hans-Joachim Reichert in dem Versuch, ein Aufputschmittel zu finden, indem er im KZ-Sachsenhausen Häftlingen Aufputschmittel wie Kokaine oder Pervitin verabreichte und dann ihre Leistungsfähigkeit testete, ohne dass sie zwischen den Versuchen schlafen durften. Diese Tests wurden allerdings nicht vollständig zu Ende geführt, da die Deutschen den Krieg schon verloren hatten.
Zum Glück überlebten die Teilnehmer dieser Tests ohne bleibende Schäden. Sie mussten jeden Tag um die gleiche Zeit Kokaine oder Pervitin einnehmen und dann, solange es ging, mit 25 Kilo Marschgepäck laufen. Bei einem 2. Versuch mussten die Teilnehmer das Mittel um 19:30 einnehmen und durften dann 4 Tage lang nicht schlafen. Außerdem wurden sie tagsüber ziemlich hohen Belastungen ausgesetzt.