Vormittagssitzung.
Der Zeuge Hauser im Zeugenstand.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird am Donnerstag nachmittag eine geschlossene Sitzung halten; es wird also nach 13.00 Uhr am Donnerstag keine öffentliche Sitzung mehr stattfinden. Es wird jedoch am Samstag vormittag bis 13.00 Uhr eine öffentliche Sitzung stattfinden.
RA. PELCKMANN: Herr Zeuge! War die Waffen-SS ein besonderer Kampfverband zur Partisanenbekämpfung, und wurde der Kampf gegen die Partisanen als ein Ausrottungskrieg betrachtet?
HAUSER: Der Kampf gegen die Partisanen ist eine allgemeine militärisch-politisch polizeiliche Aufgabe, die allen Truppen zufallen kann. Fronttruppen sowohl des Heeres wie der Waffen-SS wurden dazu nur ausnahmsweise verwendet, wenn sie zum Beispiel im Raume rückwärtiger Gebiete lagen. Im Operationsraume waren Partisanenkämpfe meist nicht gegeben, meist nur rückwärts im Hinterlande. In erster Linie war dieser Kampf Aufgabe von Sicherungsdivisionen des Heeres und Landesschützenbataillonen, außerdem von Polizeitruppen. Verbände der Waffen-SS an der Front waren dazu nicht besonders ausgebildet und wurden ebensowenig wie zum Beispiel Panzerdivisionen des Heeres für diesen Kampf eingesetzt. Im Osten sind Einheiten meiner Divisionen niemals für Kampf gegen Partisanen eingesetzt worden. Es war also keine besondere Aufgabe für SS-Verbände, und sie waren dazu auch nicht extra ausgebildet oder geschult.
RA. PELCKMANN: Welche Beziehungen bestanden zwischen der Waffen-SS einerseits und der Sicherheitspolizei und der Ordnungspolizei und den sogenannten SD-Einsatzgruppen und Einsatzkommandos andererseits?
HAUSER: Diese verschiedenen Teile der Organisation Heinrich Himmlers trugen leider dieselbe Uniform, wenn auch mit verschiedenen Abzeichen. Sie hatten gemeinsam nur die Spitze Heinrich Himmler. Die einzelnen Teile wären schon im Frieden völlig voneinander getrennt. Diese Trennung wurde im Krieg immer schärfer. Die Einheiten der Waffen-SS standen unter dem Befehl der Heeresdienststellen, die anderen Sparten, SD und so weiter, Polizei, unterstanden Himmler.
RA. PELCKMANN: Haben Sie etwas von den SD- Einsatzgruppen gehört?
HAUSER: Von den SD-Einsatzgruppen habe ich mündlich bei Beginn des Feldzugs 1941 ungefähr dasselbe gehört, was wohl auch die Oberbefehlshaber...
RA. PELCKMANN: Bitte fahren Sie fort, Herr Zeuge.
HAUSER: Von den SD-Einsatzgruppen habe ich dasselbe mündlich gehört, was wohl auch die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen wußten, nämlich, daß sie im rückwärtigen Heeresgebiet eingesetzt waren neben der Geheimen Feldpolizei mit Aufgaben: Überwachung der Bevölkerung und Sicherstellung von Material in den feindlichen Verwaltungszentralen. Ich habe mit irgendwelchen Teilen von ihnen niemals persönlich Verbindung gehabt, kann über ihre Tätigkeit daher weiter nichts angeben.
RA. PELCKMANN: Ist es also richtig, daß Sie erst in der Gefangenschaft etwas über die Beteiligung von schwachen Kräften der Waffen-SS, etwa im ganzen drei bis vier Kompanien, neben der Polizei und der Gendarmerie gehört haben?
HAUSER: Das habe ich erst hier in der Gefangenschaft gehört.
RA. PELCKMANN: Gehörte der Höhere SS- und Polizeiführer zum Offizierkorps der Waffen-SS?
HAUSER: Die Höheren SS- und Polizeiführer gehörten nicht zur Waffen-SS. Sie hatten keine Befehlsgewalt und hatten mit uns nichts zu tun.
RA. PELCKMANN: Stellte die Waffen-SS die Bewachungseinheiten und das sogenannte Kommandanturpersonal für die Konzentrationslager?
HAUSER: Die Bewachungseinheiten der Konzentrationslager und das Kommandanturpersonal gehörten nicht zur Waffen-SS. Erst im Verlauf des Krieges sind diese Einheiten, um ihre Freistellung vom militärischen Dienst für ihre polizeilichen Aufgaben zu erleichtern, als Waffen-SS bezeichnet worden. Die Angehörigen der Waffen-SS haben diese Maßnahme, von der sie erst nach dem Kriege erfahren haben, als eine bewußte Täuschung Heinrich Himmlers empfunden. Wir hatten mit den Männern der Konzentrationslager und deren Bewachungspersonal nichts zu tun.
RA. PELCKMANN: Es ist wohl noch nicht richtig klar geworden, Herr Zeuge, was Sie damit meinen, »um sie freizustellen vom Heeresdienst«. Wollen Sie das noch etwas näher erläutern?
HAUSER: Alle Persönlichkeiten, die in der Heimat und in der Polizei Dienst taten, mußten von ihrer Wehrpflicht beim Heere von den Wehrkreis-Bezirkskommandos freigegeben, freigestellt werden für ihre polizeilichen Aufgaben. Das fiel weg, wenn die gesamten Einheiten der Bewachungsmänner geschlossen als Waffen-SS bezeichnet wurden, denn diese galten ja als ein Teil der Wehrmacht. In den Hauptämtern in Berlin wurden diese Einheiten daher auch zum Unterschied als »nominelle Waffen-SS« bezeichnet; aber alles das habe ich erst hier später erfahren.
RA. PELCKMANN: Die Anklage behauptet, daß die Waffen-SS nur ein Teil der Gesamtorganisationen der SS gewesen sei, und als solche sei sie nötig gewesen für die Durchführung der verbrecherischen Gesamtverschwörung.
Bitte nehmen Sie hierzu Stellung.
HAUSER: Ich glaube, daß aus allen meinen Aussagen hervorging, daß die Waffen-SS ein vollkommen selbständiges Gebilde war, mit den anderen Organisationen nur verbunden war durch die Persönlichkeit Heinrich Himmlers. Diese Trennung der einzelnen Teile hat sich im Kriege ohne Zweifel noch verschärft. Wir können also nicht mit den anderen zusammen verbrecherische Pläne gehegt haben oder sie mit ihnen zusammen ausgeführt haben.
RA. PELCKMANN: Sie fühlten sich doch als ein Teil des Heeres?
HAUSER: Wir waren vollkommen in das Heer einrangiert, und der Begriff als »Vierter Wehrmachtsteil« ist zwar nicht offiziell geprägt, aber im Grunde zutreffend.
RA. PELCKMANN: Abgesehen von den Vorwürfen bezüglich der KZ-Lager behauptet die Anklage weiter, daß die Waffen-SS auf Grund ihrer Erziehung ein besonders grausames militärisches Werkzeug sei. Das beweise die Beteiligung von Waffen-SS-Männern an der Ausräumung des Warschauer Ghettos; das beweisen auch, so sagt die Anklage, Verstöße gegen das Völkerrecht, zum Beispiel Ermordung von Kriegsgefangenen. Ist das richtig?
HAUSER: Ich habe auch schon gestern ausgeführt, daß unsere Erziehung nicht darauf eingestellt war, daß unsere Kampfweise vom Heere überwacht und befohlen war, und daß wir nicht durch grausame Kampfmethoden irgendwie unser Ansehen erworben haben. Darüber wachten schon die Kommandeure, die den Ehrgeiz hatten, eine saubere Truppe an den Feind zu führen.
Von der Beteiligung von kleinen Einheiten der Waffen-SS an der Ausräumung des Warschauer Ghettos oder an Exekutionen in Böhmen und Mähren habe ich erst hier erfahren. Es kann sich hier nur um kleine Teile von Ersatzeinheiten handeln, die vorübergehend auf kurze Zeit unterstellt waren.
Ich habe weiter leider während der Gefangenschaft von zwei Prozessen gegen Angehörige der Waffen-SS gehört. Der eine Prozeß ist noch nicht abgeschlossen, ich kann dazu auch innerlich keine Stellung nehmen.
RA. PELCKMANN: Meinen Sie jetzt die Gefangenentötung?
HAUSER: Jawohl.
Diese Vorkommnisse sind aber nicht eine Folge der Erziehung, sondern sind das Versagen einzelner Persönlichkeiten, auch vielleicht Versagen der Nerven in schwierigen Lagen weit im feindlichen Lande, die niemals der Allgemeinheit vorgeworfen werden dürfen. Selbst wenn es nicht nur zwei Fälle wären, sondern zehn Fälle, dann würde das Verhältnis bei der Gesamtstärke der Waffen-SS von etwa einer Million Mann bedeuten, daß ein Fall auf 100000 Mann kommt. Solche Ereignisse sind die Folgen der Verschärfung der Kampfführung auf der Erde und in der Luft in einem langen Kriege, wie sie auf beiden Seiten immer vorgekommen sind und vorkommen werden. Man kann sie der Masse der Waffen-SS nicht verantwortlich zuschieben.
RA. PELCKMANN: Welchen Einfluß hatte denn tatsächlich Heinrich Himmler auf die innere Haltung der Angehörigen der Waffen-SS?
HAUSER: Heinrich Himmler hat sicher versucht, im Frieden auf die kleine Verfügungstruppe einen Einfluß auszuüben. Im Kriege war das wenig oder gar nicht möglich. Truppenteile der Waffen-SS sprach er nicht. Er hat nur einige Male Kommandeure und Offiziere einzelner Divisionen im Felde gesprochen. Man wußte, daß Heinrich Himmler, der wohl nur ein Jahr mal Soldat gewesen ist, absolut truppenfremd war, daß er die militärischen Aufgaben und ihre Arbeit unterschätzte. Er liebte es, den starken Mann durch Übertreibungen und Superlative zu markieren. Das lehnt der Frontsoldat wohl auf allen Seiten ab, wenn ihm einer mit großen Worten kommt.
So ist auch der Einfluß von Heinrich Himmler im Kriege gering gewesen. Wir trugen die Uniform von ihm; das Gesicht der Waffen-SS haben seine Kommandeure durch ihr Vorbild und tägliche Arbeit an der Truppe geschaffen.
RA. PELCKMANN: War vielleicht der Einfluß Himmlers auf die Kommandeure stärker als auf die Masse der SS-Soldaten?
HAUSER: Das Gegenteil ist der Fall. Die Kommandeure standen zwar zu ihm in militärischem Gehorsam, aber die Kritik auf Grund ihrer eigenen Lebens-und Welterfahrung war von vornherein gegeben, und gerade gegenüber seinen übertriebenen, romantischen Ansichten vorhanden. Sie hatten genug Lebenserfahrung, um seine Äußerungen in die Sprache und Denkweise der Soldaten zu übertragen. Die kritische Einstellung wurde im Laufe des Krieges Heinrich Himmler gegenüber immer stärker. Ratschläge eines alten Soldaten glaubte er meist entbehren zu können. Einwürfe wurden oft beendet mit den Worten: »Das ist der typische Generalsstandpunkt« – den er bekämpfte.
RA. PELCKMANN: Ist es richtig, daß Heinrich Himmler in seinen Reden maßlose Ausfälle gegen Juden und Slawen machte?
HAUSER: Ich kenne nur seine Rede vom Jahre 1943 in Charkow; in der erwähnte er drei Punkte, die unsere Kritik und Opposition hervorriefen. Über den einen Punkt, über den Terror, der uns vorangehen sollte, habe ich mich bereits geäußert. Seine geschmacklosen Äußerungen über das Judentum bezogen sich nur auf Deutschland und ließen irgendwie eine Ausrottung nicht erkennen.
Seine Hinweise auf die überlegene Zahl unseres östlichen Gegners konnte der Soldat nur so verstehen, daß eben diese Überlegenheit im Kampfe ausgeglichen werden müßte.
RA. PELCKMANN: In welchen besonderen Punkten richtet sich nun die Kritik des Offizierkorps gegen Heinrich Himmler?
HAUSER: Er dachte sicher daran, nach einem Kriege die verschiedenen, ihm unterstehenden Organisationen, SS und auch wohl Polizei, zu einem einheitlichen Gebilde zu verschmelzen, also gerade das Gegenteil zu machen von dem, was im Kriege erfolgt war. Dagegen richteten sich unsere Absichten.
RA. PELCKMANN: Wie weit waren die Verbrechen in den Konzentrationslagern, die Ausrottung der Juden, in der Waffen-SS bekannt, und ich bitte Sie, dabei auch daran zu denken, daß Sie hier nicht nur für sich selbst als hoher General, sondern auch für einen einfachen Soldaten der SS sprechen, natürlich auf Grund Ihrer Erfahrungen.
HAUSER: Es klingt unwahrscheinlich, und das Ausland will es nicht glauben, daß die Angehörigen der Waffen-SS, genauso wie ich, von den Verbrechen, die wir hier gehört haben, nichts gewußt haben. Zur Erklärung diene, daß ja in der Heimat nur der, der Opfer in den Konzentrationslagern hatte, etwas erfuhr, nur die heimliche Opposition, die immer vorhanden war, raunte sich Geschichten und Gerüchte zu. Dem SS-Mann gegenüber hielt man dies zurück. Das, was er vielleicht einmal gehört hatte, glaubte er als Feindpropaganda bewerten zu müssen, ausländische Sender oder Zeitungen kannte er nicht, das war schon in der Heimat nicht möglich. Die Masse der Waffen- SS stand am Feinde. Die Aufgaben dieses Krieges wuchsen von Jahr zu Jahr, die Sorgen, die Anstrengungen wurden größer. Er hatte nicht die Zeit und die Möglichkeit, die Gerüchte zu prüfen und war, wie ich, überrascht und empört über alles das, was Heinrich Himmler, im Gegensatz zu dem, was er im Frieden ausgepredigt hat, getan hat.
RA. PELCKMANN: Kennen Sie die Posener Rede Himmlers, in der er davon spricht, daß Tausende und Zehntausende von Juden umgebracht worden sind?
HAUSER: Ich bin bei der Rede in Posen nicht gewesen und habe sie erst hier in der Gefangenschaft kennengelernt. Soviel ich weiß, war diese Ansprache an die Führer in der Heimat und in den besetzten Gebieten gerichtet. Angehörige der Waffen-SS waren entweder gar nicht oder nur verschwindend gering dabei.
RA. PELCKMANN: Die KZ-Bewachungseinheiten wurden auch als Waffen-SS bezeichnet, und Dienstgrade der Waffen-SS wurden an Persönlichkeiten, die mit dem Konzentrationslagerwesen etwas zu tun hatten, verliehen. Haben Sie von diesen Dingen während des Krieges gewußt?
HAUSER: Ich habe schon erwähnt, daß die Bezeichnung für die KZ-Bewachungsmänner als Waffen-SS mir erst nach dem Kriege bekanntgeworden ist. Ich muß aber noch nachholen, daß Heinrich Himmler die Grenzen zwischen seinen verschiedenen Organisationen in der Öffentlichkeit ja bewußt verwischt hat. Und Beispiele dafür sind eben die Bezeichnung der KZ-Bewachungseinheiten als Waffen-SS, und auch die Verleihung von Dienstgraden der Waffen-SS an Persönlichkeiten, die hiermit, mit der kämpfenden Truppe, nichts zu tun hatten.
RA. PELCKMANN: Halten Sie die Waffen-SS in ihrer Masse für beteiligt an den Verbrechen, die unzweifelhaft begangen worden sind?
HAUSER: Nein. Die Anklage kettet die Waffen-SS an das Schicksal von Heinrich Himmler und einen kleinen Kreis von Verbrechern um ihn. Die Waffen-SS empfindet das besonders bitter, denn sie glaubt, in ihrer Masse anständig und fair gekämpft zu haben. Sie rückt von diesen Verbrechen und von dem, der sie veranlaßt hat, weit ab. Ich bitte das Hohe Gericht, hören Sie auf Äußerungen und die Urteile der Frontsoldaten auf Ihrer Seite. Ich glaube, daß diese ihre Achtung uns nicht versagen werden. Wo besondere Vorkommnisse eingetreten sind, sind sie Ausnahmen. Die Waffen-SS empfindet es als ungerecht, daß sie anders behandelt wird als die Masse der deutschen Wehrmacht, und sie hat nicht verdient, daß sie als verbrecherische Organisation gerichtet wird.
RA. PELCKMANN: Ich habe keine weiteren Fragen mehr; danke.
MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sie haben doch die Rede Himmlers in Charkow im April 1943 vor den Führern der drei SS-Divisionen im Osten gehört, nicht wahr?
HAUSER: Diese Rede habe ich gehört.
MAJOR ELWYN JONES: Und Sie erinnern sich, daß er seine Rede mit den Worten schloß:
»...diese ausgezeichnete Waffe, der Ruf des Schreckens und des Terrors, der uns bei den Kämpfen um Charkow vorausging, wollen wir niemals schwach werden lassen, sondern sie immer nur verstärken.« (1919-PS.)
Erinnern Sie sich, daß er das sagte?
HAUSER: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Und Ihre Einheiten der Waffen-SS gaben diesem Schreckensruf ständig neuen Nachdruck, stimmt das?
HAUSER: Nein, ich habe das Gegenteil gestern und heute zum Ausdruck gebracht. Ich habe es als eine Beschimpfung betrachtet, daß unsere Erfolge von Terror abhängen, ich habe im Gegenteil gesagt, daß die Erfolge nur durch tapferen Einsatz von Führer und Mann erkämpft worden sind.
MAJOR ELWYN JONES: Gestern haben Sie dem Gerichtshof erzählt, daß die Beziehungen der Waffen-SS zur lokalen Bevölkerung gut gewesen seien, daß Ihre Waffen-SS-Einheiten keine Geiseln festgenommen, keine Dörfer strafweise zerstört noch Kriegsverbrechen begangen hätten; das war doch Ihre Aussage, nicht wahr?
HAUSER: Ich habe gesagt, daß die Beziehungen einwandfrei und gut waren, daß wir keine Teile der Bevölkerung abschoben für Aufgaben in der Heimat.
MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte, daß Sie sich die Verlesung einiger Dokumente anhören, die sich ganz allgemein auf die SS, im besonderen aber auf die Waffen-SS beziehen. Zuerst einmal zwei Dokumente aus Ihren eigenen Quellen.
Euer Lordschaft! Das erste Dokument ist D-419, es wird GB-552. Ich habe nicht vor, den Zeugen über diese zahlreichen Dokumente ins Kreuzverhör zu nehmen. Anscheinend wünscht der Gerichtshof, daß sie so schnell wie möglich vorgelegt werden.
VORSITZENDER: Wenn es neue Dokumente sind, können Sie den Zeugen darüber ins Kreuzverhör nehmen.
MAJOR ELWYN JONES: Wenn es Euer Lordschaft genehm ist.
[Zum Zeugen gewandt:]
Das erste Dokument D-419 ist ein Bericht des Generals der Artillerie Petzel vom 23. November 1939 über die innere Lage im Warthegau – in Westpolen –, der, wie im Dokument steht, dem Reich einverleibt war.
Ich möchte Sie mit der ersten Seite des Dokuments, dem Bericht vom 2. Dezember und dem Schreiben vom 30. November, nicht belästigen, aber wenn Sie das Schreiben von General Petzel vom 23. November 1939 lesen wollen; der zweite Absatz lautet:
»Die große Aufbauarbeit auf allen Gebieten wird nicht gefördert durch das Eingreifen von SS-Formationen, die mit volkspolitischen Sonderaufträgen‹ eingesetzt und darin dem Reichsstatthalter nicht unterstellt sind. Hier macht sich die Tendenz geltend, über den Rahmen dieser Aufgaben hinaus, maßgebend in alle Gebiete der Verwaltung einzugreifen und einen ›Staat im Staate‹ zu bilden. Diese Erscheinung bleibt nicht ohne Rückwirkung auf die Truppe, die über die Formen der Aufgabendurchführung empört ist und dadurch verallgemeinernd in einen Gegensatz zu Verwaltung und Partei gerät. Die Gefahr ernsthafter Auseinandersetzungen werde ich durch strenge Befehle ausschalten. Daß darin eine hohe Anforderung an die Disziplin der Truppe liegt, ist nicht von der Hand zu weisen.«
Und dann der nächste Absatz:
»Fast in allen größeren Orten fanden durch die erwähnten Organisationen öffentliche Erschießungen statt. Die Auswahl war dabei völlig verschieden und oft unverständlich, die Ausführung vielfach unwürdig.
In manchen Kreisen sind sämtliche polnischen Gutsbesitzer verhaftet und mit ihren Familien interniert worden. Verhaftungen waren fast immer von Plünderungen begleitet.
In den Städten wurden Evakuierungen durchgeführt, bei denen wahllos Häuserblocks geräumt wurden und die Bewohner nachts auf Lastkraftwagen verladen und in Konzentrationslager verbracht wurden. Auch hier waren Plünderungen ständige Nebenerscheinungen. Die Unterbringung und Verpflegung in den Lagern waren derart, daß vom Korpsarzt der Ausbruch von Seuchen, und damit eine Gefährdung der Truppe, befürchtet wurde....
In mehreren Städten wurden Aktionen gegen Juden durchgeführt, die zu schwersten Übergriffen ausarteten. In Turck fuhren am 30. 10. 1939 drei SS-Kraftwagen unter Leitung eines höheren SS-Führers durch die Straßen, wobei die Leute auf der Straße mit Ochsenziemern und langen Peitschen wahllos über die Köpfe geschlagen wurden. Auch Volksdeutsche waren unter den Betroffenen. Schließlich wurden eine Anzahl Juden in die Synagoge getrieben, mußten dort singend durch die Bänke kriechen, wobei sie ständig von den SS- Leuten mit Peitschen geschlagen wurden. Sie wurden dann gezwungen, die Hosen herunterzulassen, um auf das nackte Gesäß geschlagen zu werden. Ein Jude, der sich vor Angst in die Hosen gemacht hatte, wurde gezwungen, den Kot den anderen Juden ins Gesicht zu schmieren.
In Lodz ist vertraulich bekanntgeworden, daß der SS-Oberführer Mehlhorn folgende Anordnungen getroffen hat:
1.) An Polen und Juden werden ab 9. 11. keine Arbeitslosenunterstützungen mehr ausgezahlt, lediglich die Pflichtarbeit wird entschädigt. (Maßnahme bereits bestätigt.)
2.) Juden und Polen werden ab 9. 11. von der Zuteilung der rationierten Lebensmittel und der Kohlen ausgeschlossen.
3.) Durch Provokationen soll Unruhe und Zwischenfälle hervorgerufen werden, um die Durchführung der volkspolitischen Arbeit zu erleichtern.«
Mit dem Rest des Dokuments werde ich Sie nicht aufhalten. Dieser Teil gibt Einblick in die Tätigkeit der SS in Polen im November 1939.
Das nächste deutsche Dokument ist D-578.
Euer Lordschaft! Ich wurde eben noch auf einen weiteren Satz in Dokument D-419 hingewiesen, auf den ich noch die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs lenken möchte, es ist der vorletzte Absatz:
»Wie der Militärbefehlshaber von Posen seinerzeit bereits an das Oberkommando des Heeres gemeldet hat, wird von der Truppe das Mißverhältnis zwischen ihrem Wehrsold und den um ein Vielfaches höheren Tagegeldern der anderen Formationen sehr stark empfunden.«
Das Dokument D-578 ist ein Bericht von einem deutschen Brigadekommandeur der 1. Gebirgsbrigade, Oberst Pericic, mit dem Datum vom 26. September 1943. Es wird GB-553. Es ist ein Bericht über den Einsatz der SS-Einheiten im Raume Popovaca in Bosnien. Ich möchte daraus nur die zwei ersten Absätze verlesen:
»Am 16. September 1943 marschierte aus Popovaca nach Osekovo wegen Zwangseinkauf von Vieh eine SS-Einheit mit 80 Mann. Über die Ankunft dieser Einheit im taktisch-operativen Raum der 1. Geb. Brig. und über die Tätigkeit dieser Einheit in dem Raum, für den ich allein verantwortlich bin, wurde ich von keiner Seite benachrichtigt.
Kurze Zeit nach der Ankunft in Osekovo wurde diese Einheit von Partisanen überfallen. Unter dem Druck der in der Übermacht befindlichen Partisanen mußte sich diese Einheit in Richtung der E.- Station zurückziehen, was ihr auch gelang; doch hatte sie vier Schwer-, mehrere Leichtverwundete, darunter der Einheitsführer, einen Vermißten und einen PKW verloren sie auch.
Der Einheitsführer meldete dann aus Popovaca fernmündlich, daß er, als er sich zurückziehen mußte, alle Leute, die sich im Freien aufhielten, tötete, denn er hatte keine Möglichkeit, die loyale Bevölkerung von den Banden zu unterscheiden. Er teilte selbst mit, daß er bei dieser Gelegenheit ca. 100 Personen tötete.«
Nun möchte ich noch einige Dokumente, die von den Opfern einiger dieser Greueltaten handeln, vorlegen. Als erstes das Dokument D-945 der Jugoslawischen Delegation.
Zeuge! Sind Sie sich dessen bewußt, daß die Division »Prinz Eugen« eine Division der Waffen-SS war?
[Keine Antwort.]
VORSITZENDER: Zeuge! Haben Sie die Frage gehört?
MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Ich fragte Sie...
HAUSER: Jawohl. Die Division gehörte zu der Waffen-SS.
MAJOR ELWYN JONES: Das Dokument D-945, Euer Lordschaft, wird GB-554. Es ist ein Auszug aus einem Bericht der Jugoslawischen Staatskommission zur Feststellung von Kriegsverbrechen der Besatzungsmacht und deren Helfershelfern. Ich will den zweiten und dritten Absatz verlesen:
»Gemäß Befehl des Kommandeurs der 118. deutschen Division haben ein SS-Bataillon der ›Prinz Eugen‹ Division und ein Bataillon der ›Teufelsdivision‹ unter dem Kommando des deutschen Oberstleutnants Dietsche am 27. März 1944 und den darauffolgenden Tagen eine ›Säuberungsaktion‹ von Sinj in Richtung auf... – verschiedene Dörfer, deren Namen genannt sind – durchgeführt.
Am 28. März überrannte dieses SS-Bataillon die Dörfer Otok Cornji, Ruda und Dolac Dolnji, und führte schreckliche Metzeleien, Brandstiftungen und Plünderungen durch. Diese Bestien ermordeten an einem einzigen Tage in den oben genannten dalmatinischen Dörfern 834 Menschen, abgesehen von erwachsenen Männern auch Frauen und Kinder und brannten 500 Häuser nieder und plünderten alles, was zu plündern war. Sie entfernten Ringe, Uhren und andere Wertsachen von den Leichen. Diese Massenschlächterei wurde in allen Dörfern in derselben schrecklichen Art durchgeführt. Die deutschen Soldaten trieben Frauen, Kinder und Männer auf einen Platz zusammen und eröffneten dann Maschinengewehrfeuer auf die Menge, warfen Bomben hinein, raubten ihr Besitztum und zündeten die Leichen an. In dem Hause Milanovic-Trapo wurden 45 verbrannte Leichen gefunden. In einem anderen Hause in demselben Dorf Otok wurden 22 unverbrannte Leichen auf einem Haufen gefunden. In dem Dorfe Ruda trie ben sie die Leute zusammen und töteten sie alle. Diejenigen, welche entkommen waren, wurden nach Auffinden getötet. Nicht einmal die Säuglinge an der Mutterbrust wurden verschont. In manchen Dörfern wurden die Opfer mit Petroleum begossen und angezündet. Sie töteten auch diejenigen, die sie aus Furcht beherbergen wollten, auch diejenigen, die gezwungen wurden, Munition und andere Dinge für sie zu schleppen. Nach der Aussage zuverlässiger Zeugen waren diese Metzeleien schon vorher vorbereitet, dies ist umso schlimmer, als die soeben genannten Dörfer zu dieser sogenannten ›Säuberungsaktion‹, zu irgendwelchen Repressalien gar keinen Anlaß gaben.«
Dieser Bericht ist unterzeichnet von dem Präsidenten der Staatskommission, Dr. Dusan Nedeljkovic, Universitätsprofessor.
Dann das Dokument D-940, das GB-555 wird, es ist ein anderer Auszug aus dem Bericht der Jugoslawischen Staatskommission, gezeichnet von demselben Präsidenten der Staatskommission, Dr. Dusan Nedeljkovic, Universitätsprofessor, über die Verbrechen der 7. SS-Division »Prinz Eugen« in Crna Gora in Montenegro. Da heißt es:
»Die einzelnen deutschen Divisionen, die in dem Gebiete des besetzten Jugoslawien operieren, haben ihren Weg durch Spuren von Verwüstung und Vernichtung der friedlichen Bevölkerung, welche noch jahrelang von dem verbrecherischen Charakter der deutschen Kriegsführung zeugen werden, gekennzeichnet. Die Operationen der deutschen Divisionen waren eigentlich Strafexpeditionen. Sie haben ohne jede militärische Notwendigkeit ganze Dörfer zerstört und niedergebrannt, und die Zivilbevölkerung auf barbarische Art ohne Vorliegen einer militärischen Notwendigkeit vernichtet.
Durch Grausamkeit berühmt ist die 7. SS-Division ›Prinz Eugen‹.«
Dann der nächste Absatz:
»Wo sie auch immer hinkam – durch Serbien, durch Bosnien und Herzegowina, durch Lika und Banija oder durch Dalmatien – überall hat sie Brandstätten und Verwüstungen, Leichen unschuldiger Männer, Frauen und Kinder, die in den Häusern verbrannt wurden, zurückgelassen.
Ende Mai 1943 kam die Division ›Prinz Eugen‹ nach Montenegro in die Gegend von Niksic, um an der fünften Offensive des Feindes zusammen mit italienischen Truppen teilzunehmen. Diese Offensive wurde von den deutschen Besatzungstruppen als Offensive ›Schwarz‹ bezeichnet. Aus der Herzegowina vorstoßend fielen Teile der Division in die ruhigen Dörfer des Kreises Niksic ein.
Gleich nach ihrem Einfall eröffnete diese Truppe ohne jeden Grund das Feuer sämtlicher Waffen und begann mit der Ausübung unerhörter Verbrechen in den ruhigen Dörfern. Alles was sie antraf, wurde niedergebrannt, ermordet und geplündert. Die Offiziere und Mannschaften der SS-Division ›Prinz Eugen‹ verübten bei dieser Gelegenheit Verbrechen von unerhörter Grausamkeit. Die Opfer wurden erschossen, abgeschlachtet, gefoltert oder in brennenden Häusern verbrannt. Wenn ein Opfer nicht im Hause, sondern davon entfernt am Wege oder am Felde angetroffen wurde, wurde es dort ermordet und verbrannt. Kinder mit ihren Müttern, schwangere Frauen und gebrechliche Greise wurden ebenfalls hingemordet; kurz gesagt: Jede in diesen Dörfern von diesen Truppen angetroffene Zivilperson ist ermordet worden. In vielen Fällen sind ganze Familien, die sich, ohne eine solche Behandlung zu erwarten und ohne Zeit zur Flucht gehabt zu haben, ruhig in ihren Häusern aufhielten, vernichtet und ermordet worden. In vielen Fällen sind ganze Familien in die brennenden Häuser geworfen und so verbrannt worden.
Durch die angestellten Untersuchungen steht fest, daß bei dieser Gelegenheit auf die erwähnte grausame Weise 121 Personen, größtenteils Frauen, darunter 30 Personen im Alter von 60 bis 92 Jahren, und 29 Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 14 Jahren hingerichtet worden sind.
Die Dörfer« – und dann folgt eine Aufzählung der Dörfer – »wurden niedergebrannt und dem Erdboden gleichgemacht.«
Dann wird von der Zerstörung von Möbelstücken berichtet. Außerdem trieben die deutschen Soldaten alles Vieh aus den Dörfern, plünderten Schmuckstücke und Geld, bevor sie diese Dörfer in Brand setzten.
Dann oben auf der nächsten Seite:
»Für alle diese schwersten Kriegsverbrechen sind außer den unmittelbaren Tätern, den Angehörigen der SS-Division ›Prinz Eugen‹, auch alle über- und untergeordneten Kommandeure als Überbringer und Erteiler der Befehle zur Hinmordung und Verwüstung verantwortlich.
Unter anderem sind folgende Kriegsverbrecher bekannt: SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS Arthur Phleps, Divisionskommandeur, Generalmajor der Waffen-SS von Oberkamp, Kommandeur des Regiments 13, später Divisionskommandeur, Generalmajor Schmidthuber, Kommandeur des Regiments 14, später Divisionskommandeur, SS-Standartenführer Bachmann, SS- Sturmbannführer Dietsche, der Kommandeur des 16. italienischen Regiments.«
Dann werden noch ungefähr zehn hohe deutsche SS-Regimentskommandeure sowie sonstige Kommandeure aufgezählt.
VORSITZENDER: Sollten Sie nicht fragen, ob das Leute von der Waffen-SS waren?
MAJOR ELWYN JONES: Diese Männer, Zeuge, waren doch Angehörige der Waffen-SS, nicht wahr? Sehen Sie sich doch die Namen an!
HAUSER: Einen Teil von diesen Namen kenne ich, sie waren Führer in der Waffen-SS.
MAJOR ELWYN JONES: Wollen wir sie der Reihe nach nehmen: Phleps, Divisionskommandeur?
HAUSER: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Er war doch Generalleutnant wie Sie selbst, einer Ihrer Kollegen in der Waffen-SS, nicht wahr?
HAUSER: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Generalmajor der Waffen-SS, Karl Ritter von Oberkamp, war doch in der Waffen-SS?
HAUSER: Die nächsten Namen sind mir bekannt, Oberkamp, Schmidthuber und Dietsche, die übrigen kenne ich nicht.
MAJOR ELWYN JONES: Aber Sie streiten nicht ab, daß sie der Beschreibung nach Offiziere der Waffen-SS gewesen sind?
HAUSER: Ich nehme es an, wenn ich auch nicht weiß, wo dieser Bericht herstammt. Sehr wahrscheinlich nur aus Nachrichten, die auf dem mündlichen Wege entstanden und in irgendeiner Form zusammengestellt sind.
MAJOR ELWYN JONES: Ich will Sie nicht mit dem Wert der Berichte als Dokumente belästigen, Zeuge; das ist ja Angelegenheit des Gerichtshofs.
Jetzt möchte ich, daß Sie sich Dokumente anhören, die ich im Auftrage der Polnischen Delegation vorlege, und die sich ebenfalls auf die SS beziehen.
Die erste Serie der Dokumente betrifft die Erschießung von Geiseln auf Befehl von SS-Funktionären durch SS-Männer. Das erste Dokument, 4041-PS, das GB-556 wird, besteht aus 31 Maueranschlägen für die Jahre 1943 und 1944, unterzeichnet vom Höheren SS- und Polizeiführer in Warschau, oder in einigen Fällen von dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD für Warschau. Sie geben die Tötung von Geiseln bekannt.
Der Gerichtshof wird sehen, daß in diesen grimmigen Mordberichten verschiedene Zahlen von Opfern der Nazi-Besatzung aufgezählt sind. In dem Anschlag Nummer 25 zum Beispiel, auf Seite 16, ist eine Liste von 270 erschossenen Geiseln; Anschlag Nummer 29, Seite 20, zeigt an, daß 200 Geiseln erschossen wurden. Anschlag 31, Seite 26, zeigt 100 Geiselerschießungen an.
Diese Erschießungen durch die SS waren doch sicherlich keine Erfindungen der SS! Ich übergebe die beiden Dokumente 4038-PS und 4039-PS, welche...
VORSITZENDER: Herr Elwyn Jones! Sie sollten den Zeugen fragen, oder ihm vorhalten, ob irgendeine Beziehung zwischen der Waffen-SS und diesem Dokument besteht.
MAJOR ELWYN JONES: Wenn Euer Lordschaft es wünschen.
HAUSER: Ich habe leider ein englisches Exemplar hier. Ich beherrsche die Sprache nicht völlig und habe nicht folgen können. Ich habe entnommen, daß das alles Maßnahmen sind, die in Warschau passiert sind. Mit Warschau hat die Waffen-SS – genau so wie bei dem ersten vorgelegten Schreiben, das vom Warthegau handelte – hat die Waffen-SS nichts zu tun gehabt. Das sind sicher Männer gewesen...
VORSITZENDER: Warten Sie, bis man Ihnen die richtige Kopie gibt.
MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte natürlich nicht behaupten, Euer Lordschaft, daß alle Dokumente, die ich vorlege, sich nur auf den Zweig der Waffen-SS der SS-Organisation beziehen. Das ganze Verfahren der Anklage gegen die SS beruht auf der Annahme, daß eine Einheit zwischen den verschiedenen Abteilungen der SS bestand.
VORSITZENDER: Ja, aber sie sollten ihm Gelegenheit geben, seinen Standpunkt klarzulegen, wenn er das wünscht.
MAJOR ELWYN JONES: Ja, Euer Lordschaft.
[Zum Zeugen gewandt:]
Haben Sie nun Gelegenheit gehabt, die Anschläge anzusehen, Zeuge?
HAUSER: Ich habe gesehen, daß die Unterschriften nur von SS- und Polizeiführern sind, die mit der Waffen-SS, wie heute schon ausgeführt, nichts zu tun haben.
Dasselbe bezieht sich auf die Ereignisse im Warthegau, wo im November 1939 Einheiten der Waffen-SS nicht gewesen sind. Von den Dokumenten betrifft die Waffen-SS nur das Dokument 3 und 4, wo über die SS-Division »Prinz Eugen« gesprochen wird, deren Unterlagen kann ich nicht nachprüfen, ich bin auf dem Balkan nie gewesen.
VORSITZENDER: Gehörte die »Teufelsdivision« auch zur Waffen-SS? War es eine Division Keitels?
HAUSER: Nein, eine Division »Teufelsdivision« hat es nie gegeben.
VORSITZENDER: Sie sagen, es hätte niemals eine »Teufelsdivision« in Jugoslawien gegeben?
HAUSER: In der Waffen-SS nicht.
MAJOR ELWYN JONES: Euer Lordschaft! Ich werde darüber noch mehr Beweismaterial vorlegen, wenn der Gerichtshof mir später gestattet, ein Kreuzverhör über die ganze Frage der Einheit der SS anzustellen. Das würde das Vorlegen alter Dokumente nötig machen, und soviel ich verstehe, zeigte der Gerichtshof ein gewisses Zögern, mir diese Erlaubnis zu erteilen. Aber ich will ganz zufrieden sein, wenn ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs...
VORSITZENDER: Herr Elwyn Jones! Der Gerichtshof wünscht nicht, daß Sie kein Kreuzverhör anstellen, sondern nur, daß Sie dem Zeugen nicht Dokumente vorlesen und vorlegen, die bereits vorgelegt worden sind. Sie können die Tatsachen, die in dem Dokument enthalten sind, dem Zeugen im Kreuzverhör vorhalten.
MAJOR ELWYN JONES: Wie es Euer Lordschaft genehm ist. Ich werde dann später in meinem Kreuzverhör auf diesen Gegenstand zurückkommen, wenn mir der Gerichtshof das erlaubt. Ich möchte zuerst diese Dokumente vorlegen, wenn ich darf.
VORSITZENDER: Herr Elwyn Jones! Der Gerichtshof wollte nur der Meinung Ausdruck geben, daß er nicht möchte, daß Sie lange oder kurze Stellen aus Dokumenten vorlegen, die der Zeuge nie gesehen hat und die bereits als Beweismittel vorliegen; aber abgesehen davon können Sie den Zeugen über jedes Dokument ins Kreuzverhör nehmen.
MAJOR ELWYN JONES: Wenn Euer Lordschaft es wünschen, werde ich das Kreuzverhör über diese allgemeinen Fragen fortsetzen, nachdem ich diese Dokumente vorgelegt habe, Euer Lordschaft.
Nun lege ich die Dokumente 4038-PS und 4039-PS vor, die GB-557 und GB-558 werden. Diese zeigen, daß die SS-Erschießungen in Warschau eine Fortsetzung der Praxis der Zivilgewalt des Generalgouvernements aus der Zeit vom März 1941 waren. Ich brauche den Zeugen damit nicht zu belästigen.
Dann lege ich Dokument D-956 vor; das wird GB-559. Es ist ein offizieller polnischer Bericht über deutsche Verbrechen in Polen. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf eine Eintragung auf Seite 184 dieses Berichts lenken, die sich auf die Erschießungen von Geiseln bezieht und die ungefähre Zahl von Polen angibt, die in Warschau vom Beginn der öffentlichen Hinrichtungen bis zum Aufstand getötet worden sind, also vom 5. Oktober 1943 bis 1. August 1944; sie betrug ungefähr 8000, von denen die meisten bei Menschenjagden in den Straßen von Warschau gefangen worden waren.
RA. PELCKMANN: Euer Lordschaft! Darf ich mir einen Hinweis zur Verfahrensordnung erlauben?
Mr. Jones sagte, daß er diese Urkunden, die er jetzt dem Hohen Gericht vorlegt, dem Zeugen nicht vorlegen will. Ich bin der Auffassung, daß eine Vorlage von Dokumenten in dem augenblicklichen Stadium des Verfahrens nur möglich ist in Verbindung mit dem Kreuzverhör, das heißt, zur Prüfung der Frage, ob der Zeuge glaubwürdig ist oder nicht, sonst könnte ja die Staatsanwaltschaft neues Belastungsmaterial einführen ohne jede Beschränkung. Ich würde sonst bitten, dem Zeugen Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.
MAJOR ELWYN JONES: Ich habe natürlich nichts dagegen einzuwenden, daß der Zeuge alle Dokumente sieht. Ich habe nur, um Zeit zu sparen, auf einen Satz in diesem Dokument hingewiesen, den der Zeuge in der Übersetzung gehört hat, und ich hatte eigentlich gedacht, daß dies genügen würde. Aber ich werde den Zeugen auf alle Fälle gern alle Dokumente sehen lassen.
VORSITZENDER: Dr. Pelckmann! Der Gerichtshof hat bereits verfügt, daß die Dokumente in dieser Weise vorgelegt werden können, und Herr Elwyn Jones hat auf bestimmte Stellen in diesem Dokument Bezug genommen. Sie haben die Möglichkeit des Rückverhörs und Sie haben eine Abschrift des Dokuments. Sie können also jede Frage über das Dokument, die Sie wünschen, beim Rückverhör stellen.
MAJOR ELWYN JONES: Dann lege ich als nächstes einige Dokumente vor, die auf die durch die SS im Zusammenhang mit der Zerstörung von Warschau verübten Greueltaten Bezug nehmen.
Vor allem Dokument 4042-PS, das GB-560 wird. Es besteht aus drei eidesstattlichen Versicherungen aus einem anderen offiziellen polnischen Bericht mit der Überschrift: »Das deutsche Verbrechen in Warschau im Jahre 1944«.
Die erste eidesstattliche Versicherung ist von der Zeugin Alexandra Kreczkiewicz, die folgendes erklärt:
»Am 2. August 1944 wohnte ich im Wola-Stadtviertel in der Gorczewska-Straße Nummer 45. Mir hatte die SS befohlen, in ein gegenüberliegendes Haus umzuziehen. Unser Haus und die Nachbarhäuser wurden in Brand gesteckt. Am 3. August wurden wir benachrichtigt, daß es uns schlecht gehen wird und wir erschossen werden sollen. In unserem Haus waren einige hundert Personen versammelt. Am 4. August 11 Uhr wurde das Haus umstellt und es wurde uns befohlen, die Wohnung zu verlassen. Am Eingang fielen Schüsse und ein furchtbares Geschrei der Frauen und Kinder begann. Einige Personen wurden verwundet, andere getötet. Die Deutschen jagten uns dann in ein Kartoffelfeld und befahlen uns, uns hinzulegen, wäh rend wir ringsum bewacht wurden. An eine Flucht konnte nicht gedacht werden. Nach einigen Minuten befahl man uns aufzustehen, und wir wurden unter eine in der Nachbarschaft gelegene Brücke geführt. Auf die Frage einer Frau, wohin wir geführt werden, kam die Antwort: ›Durch eure Schuld sterben deutsche Frauen und Kinder, deshalb müßt ihr alle sterben‹. Wir werden in Reihen aufgestellt, eine Gruppe von 70 Leuten wird abgetrennt und hinter die Brücke auf einen Hügel geführt. Die anderen (unter welchen ich mich befand) werden nahe einer Mauer gesammelt, die mit Draht umzäunt war. Von verschiedenen Punkten in der Nähe hörten wir Serien von Schüssen. Die Opfer der deutschen Henker starben. Wir sind in einer kleinen Schar zusammengepfercht. Fünf Meter von uns entfernt macht einer der Henker in vollster Ruhe sein Maschinengewehr schußbereit; ein anderer macht einen photographischen Apparat fertig, um die Exekution zu photographieren. Einige Deutsche hatten Wache. Es fiel eine Serie von Schüssen und man konnte das Stöhnen und Geschrei hören. Ich werde verwundet und verliere das Bewußtsein. Nach einiger Zeit komme ich wieder zu mir. Ich höre wie Verwundete getötet werden. Daraufhin bewege ich mich nicht und simuliere eine Tote. Ein Deutscher blieb auf Wache, die anderen gehen weg. Die Henker stecken die nahe gelegenen Häuser in Brand. Die Feuerhitze brennt, mein Kleid glimmt und der Rauch ist erstickend. Die deutsche Wache ist noch immer da. Ich lösche an mir das Feuer.«
Dann beschreibt sie, wie sie in einen Keller lief, und sagt..
VORSITZENDER: Das ist doch eine Frau?
MAJOR ELWYN JONES: Ja, das ist eine Frau.
Am Ende heißt es:
»Die in meiner Anwesenheit Erschossenen zählten etwa 500 Personen. Drei oder vier Personen haben sich gerettet. Die Henker waren SS-Männer.«
Das nächste Protokoll ist eine eidesstattliche Erklärung des Zeugen Bronislaw Dylak, der die Greueltaten der SS in einem Lazarett in Warschau beschreibt:
»Ich lag in dem Feldhospital in der Dluga Straße Nummer 7 mit einer schweren Bauchverwundung. Am 7. 9. 1944 haben die Deutschen den Schwestern und Leichtkranken befohlen, das Hospital zu räumen, und nur die Schwerverwundeten sollten bleiben. Unter den letzten Zurückbleibenden befand ich mich im Saal, der im Keller war. Im ganzen Hospital hielten sich noch mehrere Hundert Schwerverwundete und Schwerkranke auf, die das Hospital nicht verlassen konnten. Kurz nachdem die Schwestern das Hospital verlassen hatten, es war gegen Abend, kam die SS. Eine Schießerei begann. Die Verwundeten und Kranken, die durch übermenschliche Anstrengungen versuchten, ihre Betten zu verlassen, um sich den Türen und damit den Treppen zu nähern, um ihr eigenes Leben zu retten, wurden sofort getötet. In unseren Saal brachen zwei der Mörder ein. Einer von ihnen machte mit einer Kerze Licht, der zweite mordete die in den Betten liegenden Kranken mit einem Revolver, wobei er immer laut schrie: ›Bandit, Bandit‹. Ich blieb mit einigen anderen in meinem Saal wie durch ein Wunder verschont, da der Zugang zu unseren Betten durch andere vorgeschobene Betten ziemlich schwierig war. Der Saal war in zwei kleinere Säle eingeteilt. Ich lag in dem zweiten und kleineren Saal, zu welchem der Eintritt unmöglich war. In dem anderen Saal wurden alle getötet. Der zweite Teil wurde wie durch ein Wunder gerettet. Vielleicht auch deshalb, weil man schon Rufe hörte, die die Mörder zum Rückzug aufforderten. In den anderen Sälen hörte man noch zahlreiche Schüsse. Die Exekution wurde im ganzen Hospital durchgeführt. Nachher kamen noch Kontrollen, die feststellen sollten, ob alle getötet wären. Mein neben mir liegender Freund machte auf seine Brust und an seine Stirn Blutflecke, um einen Toten zu simulieren. Ein ukrainisch sprechender Deutscher ging an den Getöteten vorbei und hat sie mit dem Gewehr ins Gesicht gestoßen. Es war eine furchtbare Nacht. Einmal hat man durch das Fenster eine Handgranate in unseren Saal geworfen, die meinem Freund den Bauch zerrissen hat. Schließlich wurde das Gebäude in Brand gesteckt. Das Feuer hat sich rasch verbreitet. Wer herauszukriechen versuchte, wurde getötet. In unserem Saal hat sich eine Frau gefunden, die leicht brennende Stoffe vom Eingang entfernte und den Saal so vor dem Feuer schützte. Andere Säle standen in Feuer, auch der Treppengang. Man riecht den Rauch der brennenden menschlichen Körper...«
Und der letzte Satz:
»So blieben weniger als 20 der Verwundeten am Leben von den einigen Hunderten, welche im Hospital Dluga Straße 7 ermordet worden waren.«
Und die dritte eidesstattliche Erklärung ist von Maria Bukowska, die feststellt:
»Am 7. August 1944 waren die Einwohner des ganzen Stadtviertels auf Befehl der SS gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, die sofort in Brand gesteckt wurden. Wir waren einige Tausend, getrieben durch die SS; wer zurückblieb oder wer helfen wollte, wurde mit dem Gewehrkolben geschlagen.«
Es heißt in der Erklärung dann weiter:
»Wir marschieren weiter, man hört, wie ringsum geschossen wird; ein Auto der SS nähert sich uns und aus diesem steigen Offiziere. Sie beobachten unsere Marschkolonne und entführen aus derselben drei junge hübsche Mädchen: Die zwei Schwestern N. und eine mir Unbekannte. Das Auto fährt weg. Die Mädchen schreien und wehren sich gegen die Handgreiflichkeiten der SS-Offiziere. Eine Greisin ist umgefallen, sie kann nicht mehr weitergehen. Ein SS-Offizier schießt sie in den Hinterkopf.«
Zum Schluß heißt es:
»In der Kirche von Wola wird uns alles, was noch geblieben ist, geraubt. Alle jungen Mädchen, manche 12 bis 14 Jahre alt, bleiben zurück. Wir älteren mit den Kindern marschieren zum Westbahnhof und fahren dann mit dem Zug nach Pruszkow.«
Das waren Verbrechen, die durch die SS begangen worden sind; stimmt das nicht, Zeuge?
HAUSER: Das war nicht die Waffen-SS, sondern das ist immer nur ein Teil von Männern, die zu Himmler gehörten, die mit der kämpfenden Truppe nichts zu tun hatten. Wir haben in Warschau nie gefochten.
MAJOR ELWYN JONES: Streiten Sie ab, daß die Waffen-SS an der Zerstörung Warschaus teilgenommen hat?
HAUSER: Ich bin nicht da gewesen, ich kann dazu nicht Stellung nehmen. Gekämpft wurde aber meines Wissens dort nicht, denn dort ist ein Aufstand niedergeschlagen worden, was ja schon mehrere Zeugen hier ausgesagt haben.
MAJOR ELWYN JONES: Es war ein Aufstand, und dann eine Massenausrottung durch SS-Truppen, das hat sich doch in Warschau zugetragen, nicht wahr?
HAUSER: Die Waffen-SS hat daran nur mit einem ganz geringen Teil teilgenommen, denn die Waffen- SS stand am Feinde.
MAJOR ELWYN JONES: Nun lege ich vor das Dokument D-954, GB-561, eine Zeugenaussage des Professors Tomkiewics von der Universität Warschau, und Dr. Lorentz, Direktor des Warschauer Nationalmuseums, über die Plünderung und die überlegte Zerstörung Warschaus Stück für Stück durch deutsche Einheiten einschließlich SS-Truppen. Ich will versuchen, diese Dokumente zusammenzufassen.
Das nächste Dokument 2233-PS ist ein weiterer Auszug aus dem Tagebuch des Angeklagten Frank, das die Zusammenarbeit zwischen der SS und den zivilen Verwaltungsbehörden im Verlauf dieser mörderischen Ereignisse aufzeigt.
VORSITZENDER: Welche Nummer hat das?
MAJOR ELWYN JONES: 2233-PS, und es wird GB-562. Es ist ein Eintrag im Tagebuch des Angeklagten Frank vom 16. Oktober 1944 und besagt:
»Der Herr Generalgouverneur empfängt den SS- Oberführer Dierlewanger und SS-Untersturmführer Ammann in Gegenwart des SS-Sturmbannführers Pfaffenroth.
SS-Oberführer Dierlewanger berichtet dem Herrn Generalgouverneur von dem Einsatz seiner Kampfgruppe in Warschau.
Der Herr Generalgouverneur spricht SS-Oberführer Dierlewanger seinen Dank und seine Aner kennung für den vorbildlichen Einsatz seiner Kampfgruppe bei den Kämpfen in Warschau aus.
Mittagessen aus Anlaß der Anwesenheit des SS-Oberführers Dierlewanger.«
Nun, Dierlewanger war doch Kommandeur der Einheiten, die in Warschau operierten? Stimmt das?
VORSITZENDER: Können Sie beweisen, welche Einheiten diese Offiziere befehligt haben?
MAJOR ELWYN JONES: Das wollte ich gerade dem Zeugen vorlegen.
[Zum Zeugen gewandt:]
War Dierlewanger nicht Kommandeur der Einheiten, die in Warschau kämpften?
HAUSER: Dierlewanger war Kommandeur einer Bewährungstruppe von Männern aus den Konzentrationslagern. Er hatte mit der Waffen-SS nichts zu tun. Ich habe ihn persönlich und seine Truppe nie kennengelernt und kann aus eigenem Wissen weiter nichts sagen.
MAJOR ELWYN JONES: Waren die Offiziere seiner Einheit SS-Offiziere?
HAUSER: Ich kann darüber nichts sagen, weil ich die Einheit nicht kenne.
MAJOR ELWYN JONES: Ich werde weiteren dokumentarischen Beweis zu diesem Punkt später vorlegen, Euer Lordschaft.
Nun möchte ich ein Dokument über die Teilnahme der SS an der Ausrottung der Juden vorlegen und dieses Dokument wird hinreichend beweisen, daß die Waffen-SS daran teilgenommen hat. Das erste ist Beweisstück D-939, GB-563, eine eidesstattliche Versicherung des Israel Eisenberg, der erklärt:
»Ich wohnte in Lublin und wurde von dort Anfang 1942 nach Maidanek verschickt. Als Häftling arbeitete ich jedoch weiter bei den Deutschen, die mich als Fachmann bei elektromechanischen Arbeiten in den verschiedenen SS-Häusern und SS-Büros in Lublin beschäftigten. Ich arbeitete als Elektromechaniker im Palastgebäude des SS- und Polizeiführers Globocznik und im Hauptquartier der SS in Lublin, Warschauerstraße 21. Dort befanden sich auch die ›Waffen-SS‹. Auf der Außenmauer war genau die Anschrift ›Waffen-SS‹ zu sehen, und auf meinem Passierschein, den ich beim Eingang erhielt, war auch ›Waffen-SS‹ aufgeschrieben. Ich kannte alle Offiziere, z.B. Oberscharführer Riedel, Rottenführer Mohrwinkel, Unterscharführer Schramm usw. Ich weiß, daß die Leiter der Waffen-SS sowie das Regiment der Waffen-SS, dessen Sitz sich in demselben Gebäude befand, wo ich arbeitete, an sämtlichen ›Aussiedlungen‹ der Juden vom Distrikt Lublin direkt Anteil genommen haben. Bei diesen Aussiedlungen sind gleich an Ort und Stelle tausende Personen getötet worden und der Rest zur Vernichtung verschickt. Ich habe selbst gesehen, wie im Winter 1941 die Waffen-SS von der Warschauerstraße 21 an der Verschickung von einigen hundert Juden nach Maidanek beteiligt war, wobei auf der Stelle mehrere Personen getötet wurden. Mein Vater wurde damals auch wegen seines langen Bartes verschickt, da diese Aktion hauptsächlich Juden mit Bärten betraf. Ich weiß, daß Rottenführer Mohrwinkel diese Aktion leitete und dafür zum Untersturmführer ernannt wurde. Ich arbeitete bei der Waffen-SS bis November 1942, d.h. bis ich nach Radom abtransportiert wurde. Dieselbe hat die ganze Zeit an sämtlichen Verbrechen der SS in Lublin und im Distrikt teilgenommen. Ich bemerke noch, daß diese SS-Männer ihre Pferde in den Ställen auf dem Flugplatz hielten, wo die Anschrift ›Reiter-Regiment Waffen-SS‹ war.«
Dann zu dem nächsten Dokument D-953, das GB-564 wird.
VORSITZENDER: Ich denke, wir sollten dem Zeugen Gelegenheit geben, sich zu diesem Dokument zu äußern, wenn er möchte.
MAJOR ELWYN JONES: Wenn Euer Lordschaft es wünschen.
Zeuge! Sie hörten mich das letzte Affidavit von Israel Eisenberg verlesen. Er sagte darin, wie Sie hörten, daß die Waffen-SS direkt an der Zusammenziehung von Juden zur Ausrottung beteiligt war, und erwähnt das Waffen-SS-Reiterregiment, das in der Lubliner Gegend im Einsatz war. Diese Reiter waren doch Leute der Waffen-SS, nicht wahr?
HAUSER: Die Namen, die vorgelesen wurden, waren keine Offiziersnamen. Es sind ja Rottenführer- und Scharführernamen. Ich kann natürlich nicht die Namen von jedem Mann eines Verbandes kennen. Ich habe keine Beweise, daß das Angehörige der [420] Waffen-SS sind. Im Jahre 1942 stand die Front nicht bei Lublin, sondern wesentlich weiter ostwärts. Es sind vielleicht Ersatzeinheiten gewesen. Es fiel einmal der Name Reitereinheit. Das ist ein Ersatztruppenteil der Reiterbrigade gewesen, über die ich Näheres nicht angeben kann.
MAJOR ELWYN JONES: Suchen Sie nur zu unterscheiden zwischen Waffen-SS im Fronteinsatz und SS-Einheiten mit anderen Aufgaben im rückwärtigen Gebiet. Denken Sie...
HAUSER: Zu Aufgaben hinter der Front können normal nur Truppenteile der Ersatzeinheiten herangezogen werden, denn die anderen Einheiten standen dauernd an der Front.
MAJOR ELWYN JONES: Diese eidesstattliche Erklärung stellt ganz klar fest, daß es sich um SS-Truppen gehandelt hat. Was könnten es denn sonst für Truppen gewesen sein?
HAUSER: Reiter der SS-Waffe konnten auch Männer einer Einsatzgruppe gewesen sein, die im Hinterland ihre Aufgabe hatten.
MAJOR ELWYN JONES: Sie meinen, daß sie sich als Einheiten der Waffen-SS getarnt hätten?
HAUSER: Unwahrscheinlich.
MAJOR ELWYN JONES: Wenden Sie sich nun einem anderen Dokument zu, das Ihnen in diesem Punkt behilflich sein wird. Es ist D-953 und wird GB-564. Das letzte ist GB-565. Ich bitte Euer Lordschaft um Entschuldigung, aber dieses Dokument wird GB-564. Es ist eine eidesstattliche Versicherung von David Wajnapel und besagt:
»Wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Radom trafen Polizei und SS ein. Unmittelbar nach ihrer Ankunft verschlimmerten sich sogleich die Zustände. Das Gebäude in der Zeromskist, das ihren Stab beherbergte, wurde eine Bedrohung für die gesamte Bevölkerung; Leute, die diese Straße passierten, wurden in den Torweg gezerrt und durch grausame Schläge und Inszenierung sadistischer Spiele mißhandelt. Sämtliche SS-Offiziere und Mannschaften nahmen daran teil. In meiner Eigenschaft als Arzt hatte ich oft Gelegenheit, schwerverwundeten Opfern der SS ärztliche Hilfe zu bringen.
Nach kurzer Zeit wurde die SS-Uniform zu einer Gefahr für die Bevölkerung. Ich wurde trotz meiner Rotkreuz-Binde von vier SS-Männern auf der Straße blutig geschlagen. Später wurden in Radom zwei Ghettos errichtet. August 1942 fand die sogenannte ›Deportation‹ statt. Die Ghettos wurden von zahlreichen SS-Einheiten umstellt, die alle Straßenausgänge besetzten. Man trieb die Leute auf die Straße; wer fortrannte, wurde beschossen. Kranke, die zu Hause oder im Krankenhaus lagen, wurden an Ort und Stelle erschossen. Darunter befanden sich auch die Patienten, die in dem Krankenhaus untergebracht waren, in welchem ich als Arzt beschäftigt war. Die Gesamtzahl der getöteten Menschen belief sich auf ungefähr 4000. Etwa 3000 Menschen blieben verschont und der Rest – ungefähr 20000 – wurde nach Treblinka deportiert. Die gesamte Aktion wurde von der SS geleitet und durchgeführt. Ich habe persönlich den SS-Stab Gruppen bilden und Befehle erteilen sehen. In den Straßen und Häusern mißhandelten und töteten SS-Männer Menschen, ohne Befehle abzuwarten. Nach erfolgter Deportation wurden die restlichen Menschen in einigen engen Gassen zusammengedrängt. Wir kamen unter die ausschließliche Befehlsgewalt der SS und wurden ihr privates Eigentum, das sie gegen Bezahlung an verschiedene Firmen zu vermieten pflegten. Ich weiß, daß diese Zahlungen einem SS-Sonderkonto bei der Radomer Bank Emisy jny gutgeschrieben wurden. Wir kamen nur mit SS-Männern in Berührung. Im Ghetto selbst wurden von der SS häufig Hinrichtungen durchgeführt. Am 14. Januar 1943 fand eine zweite Deportation nach Treblinka statt. Am 21. März 1943 wurde im gesamten Gebiet die sogenannte Aktion gegen die Intelligenz durchgeführt, die meines Wissens in einer Versammlung von SS- und Polizeiführern in Radom beschlossen worden war. Allein in Radom wurden damals etwa 200 Menschen erschossen; unter ihnen fanden auch meine Eltern, mein Bruder und sein neun Monate altes Kind den Tod. Am 9. November desselben Jahres wurden alle Judenkinder bis zu 12 Jahren sowie alle alten Leute und alle Kranken Radoms in dem in der Nähe Radoms gelegenen Lager zusammengetrieben und in der Biala-Straße in Radom erschossen. Sowohl SS-Offiziere als auch SS-Mannschaften nahmen daran teil. Ab März 1943 verbrachte ich 18 Monate im Lager von Blizyn. Das Lager unterstand ausschließlich der Kontrolle der SS und des Radomer Polizeichefs. Lagerkommandant war Untersturmführer Paul Nell, die Wachen bestanden aus einfachen SS-Männern und SS-Unteroffizieren. Die Aufseher waren Angehörige der Waffen-SS, die kriegsverletzt waren. Sie benahmen sich sämtlich auf unmenschliche Art, indem sie uns schlugen und mißhandelten. Es fanden häufig Erschießungen statt. Ursprünglich wurden die Urteile von den SS- und Polizeiführern ausgesprochen, später vom Lagerkommandanten. Die SS-Mannschaften waren über die Bluttaten der SS in Polen sehr wohl unterrichtet.
Im besonderen berichteten sie mir persönlich über Massenmorde an Juden in Maidanek (November 1943). Dieser Vorfall war ein öffentliches Geheimnis; es war sowohl der Zivilbevölkerung als auch den einfachen SS-Männern allgemein bekannt. Als unser Lager von dem Konzentrationslager Maidanek übernommen wurde, erhielt es neue Wachen; es war jedoch kein Unterschied zwischen ihnen und den früheren. Im Juli 1944 wurde das ganze Lager und damit auch ich in das Lager von Auschwitz überführt, zu dem nur SS-Männer Zutritt hatten. Die Zustände in diesem Lager sind wohlbekannt. Ich entkam während der Evakuierung dieses Lagers nach Deutschland. Während des Marsches tötete die SS-Begleitmannschaft erschöpfte Häftlinge durch Maschinengewehrschüsse und den Rest der marschierenden Kolonne später in der Nähe von Rybnik. Damals wurden mehrere hundert Menschen getötet.«
Nun, Zeuge, in dem ganzen Dokument wird die Beteiligung der SS hervorgehoben. Streiten Sie angesichts solcher eidesstattlicher Erklärungen ab, daß die SS an diesen Judenmorden teilgenommen hat?
HAUSER: Es ist ausdrücklich gesprochen worden im Dokument von der Polizei und SS, dort, wo die Polizei mit dem SD arbeitet, ist die Waffen-SS nicht. Von den Lagern, deren Namen genannt wurden, habe ich mehrfach betont, daß sie mit der Waffen-SS nichts gemeinsam hatten wie leider, leider nur den Namen.
Von allen Beispielen, die der Herr Ankläger hier erwähnt hat, muß ich nur zugeben, daß die Mitteilung über die Division »Prinz Eugen« und auch die Reitereinheiten bei Warschau Angehörige der Waffen-SS sind. Weiter kann ich auf Grund eigener Erfahrung nichts sagen.
VORSITZENDER: Möchten Sie ihm nicht den letzten Absatz vorlesen?
MAJOR ELWYN JONES: [zum Zeugen gewandt] Der letzte Absatz kann Ihnen helfen:
»Ich betone, daß ich während der kurzen Kriegsjahre in meiner Eigenschaft als Jude und Arzt mit einer großen Anzahl von SS-Männern verschiedenen Ranges sowohl der Waffen-SS als auch anderer Formationen in Berührung gekommen bin. Ich muß jedoch feststellen, daß ich, was ihre unmenschliche Haltung gegenüber der Zivilbevölkerung betraf, bei ihnen keine Unterschiede bemerkt habe.«
Die Waffen-SS war immer die Ursache solcher Aktionen gegen die Bevölkerung. Das war doch im großen und ganzen ihre Aufgabe...
HAUSER: Nein, die Waffen-SS war einrangiert in das Heer.
MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie zu diesem besonderen Punkt jemals Hitlers Anordnung über die Zukunft der SS gesehen?
HAUSER: Ich habe die Frage nicht verstanden.
MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie jemals die Anordnung Hitlers gesehen?
HAUSER: Die Anordnung von Hitler über die Zukunft der SS kenne ich nicht.
MAJOR ELWYN JONES: In dieser Anordnung, die, wie ich glaube, der Gerichtshof wohl kennt – Dokument D-665, GB-280 –, betont Hitler, daß es Aufgabe der Waffen-SS sei, die Vorhut des Nationalsozialismus und das Mittel tatkräftiger Handlung gegen Widerstand in Deutschland und gegen Opposition im Ausland zu sein.
Haben Sie diese Anordnung Hitlers über die Aufgaben der Waffen-SS nicht gesehen?
HAUSER: Ist das vielleicht eine Weisung, die von Hitler an die militärischen Dienststellen ging, und die über die Zukunft der Waffen-SS nach dem Kriege sprach?
MAJOR ELWYN JONES: Das war eine Anordnung von 1941, die bis zu den Regimentern verteilt und der Waffen-SS zugestellt worden ist. Ich habe das Dokument im Moment nicht hier.
Behaupten Sie, Sie hätten noch nie davon gehört?
HAUSER: Nein, von diesem Befehl... Ich kenne nur einen Befehl, und zwar mündlich, der Maßnahmen oder Absichten enthielt über die Organisation nach dem Kriege, der nur an die Heereseinheiten gegangen ist.
VORSITZENDER: Vielleicht können wir jetzt unterbrechen?
[Pause von 10 Minuten.]
MAJOR ELWYN JONES: Wenn es Euer Lordschaft genehm ist, werde ich eine kleine Verbesserung der genauen Nummern dieser Dokumente vornehmen: Das Dokument D-953 wurde zweimal vorgelegt, als GB-564 und GB-565. D-953 wird 564 und das nächste Dokument, D-955, wird GB-565.
VORSITZENDER: Welche Nummer wird das letzte Dokument haben, das Sie erwähnten? Wird es 564 oder 565? Sie erwähnten noch irgendein anderes Dokument danach.
MAJOR ELWYN JONES: Das nächste Dokument, D-955, das ich gerade vorlegen will, wird GB-565 werden. Dies ist ein letztes Affidavit eines jüdischen Kaufmanns, Mojzesz Goldberg, und es besagt folgendes:
»Am 23. Juni 1941 wurde ich in Lemberg in die Sowjet-Armee einberufen. Mitte Juli geriet ich in deutsche Gefangenschaft. In einer Ortschaft, 5 km von Podwoloczysk entfernt suchten die SS-Kompanien von der ganzen Masse der Kriegsgefangenen die Juden heraus und schossen sie an Ort und Stelle nieder. Ich blieb am Leben, da sie in mir keinen Juden erkannten. Ich betone, daß dies die Waffen-SS machte.
Nachdem ich von der Gefangenschaft herauskam, wohnte ich in Radom und arbeitete in der Zeit von Juni 1942 bis Juli 1944 bei der Waffen- SS an drei Stellen: SS-Veterinär-Ersatzabteilung, Koscinskistr., Standortverwaltung der Waffen-SS, Planty 11 und Bauleitung der Waffen-SS, Slowackistr. 27. Da ich solange bei der SS arbeitete, kenne ich sehr gut dem Namen und Gesicht nach alle Offiziere und Unteroffiziere der obenerwähnten Abteilungen der Waffen-SS. An der Spitze der SS-Veterinär-Ersatzabteilung stand der Sturmbannführer Dr. Held und Hauptsturmführer Schreiner; an der Spitze der Standortverwaltung stand Obersturmführer Grabau (z. Zt. im Lager Dachau), und an der Spitze der Bauleitung stand Oberscharführer Seiler. Alle Erwähnten, zusammen mit ihren Kompanien, nahmen einen direkten Anteil an der Durchführung der Aussiedlungen in Radom am 5., 16. und 17. August 1942, wobei gleich an Ort und Stelle einige tausend Personen erschossen wurden. Ich weiß, daß SS-Veterinär-Ersatzkompanien sich in die Provinzstädte zwecks Durchführung der ›Aussiedlungen‹ der Juden begaben. Ich hörte, wie die einzelnen Soldaten sich mit der Zahl der durch sie getöteten Juden rühmten. Ich weiß von ihren eigenen Erzählungen, daß dieselben Kompanien an den Aktionen gegen polnische Partisanen teilnahmen, sowie die umliegenden polnischen Dörfer in Brand setzten.«
Zeuge, behaupten Sie immer noch, daß die Waffen-SS keinen Anteil an den Grausamkeiten in Polen habe?
HAUSER: Ich habe den Eindruck, daß dieses Dokument unglaubwürdig ist. Wie konnten sich die Einheiten von Veterinärkompanien an derartigen Maßnahmen beteiligen? Weiteres kann ich nicht sagen, weil ich die Verbände nicht kenne.
MAJOR ELWYN JONES: Es ist dies ein Dokument eines Mannes, der zwei Jahre lang für die Waffen-SS arbeitete, der diese persönlich kannte und mit den Leuten gesprochen hat. Er ist ein Mann von 36 Jahren, der durch deren Hände Leid erduldet hat, und er hat auch alle Einheiten der Waffen-SS im einzelnen erwähnt, die daran beteiligt waren. Behaupten Sie immer noch, daß sich die Waffen-SS an diesen Dingen nicht beteiligt hätte?
HAUSER: Es sind rückwärtige Einheiten, die anscheinend zur Waffen-SS nicht gehörten. Weiter kann ich nichts sagen.
VORSITZENDER: Kennen Sie den Namen von irgendeinem der Offiziere, die in diesem Schreiben erwähnt sind?
HAUSER: Nein.
VORSITZENDER: Sind Sie jemals in Radom gewesen?
HAUSER: Nein.
VORSITZENDER: Wissen Sie, ob Waffen-SS an irgendeinem in diesem Affidavit erwähnten Orte war?
HAUSER: Ich habe Euer Lordschaft nicht verstanden.
VORSITZENDER: Wissen Sie, ob an irgendeinem der in dem Affidavit erwähnten Orte sich Hauptquartiere von Waffen-SS-Einheiten befanden?
HAUSER: Einheiten der angegebenen Division können dort meines Wissens nicht gelegen haben, auch kein Hauptquartier.
VORSITZENDER: Nun, die Person, die dieses Affi davit abgegeben hat, erwähnt die Einheiten, die an verschiedenen Stellen in Radom einquartiert waren, und ich frage Sie, ob Sie wissen, welche Einheiten an diesen Stellen lagen?
HAUSER: Nein, das kann ich nicht sagen.
MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sie haben ausgesagt, daß die Waffen-SS-Einheiten das Völkerrecht respektiert und im Felde keine Grausamkeiten verübt hätten.
Mit Euer Lordschaft Erlaubnis möchte ich nun eine Zusammenfassung der Anklagepunkte einreichen, die der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen von den Nationalen Kommissionen der verschiedenen Länder vorgelegt worden sind, die durch die Waffen-SS zu leiden hatten. Dieser Zusammenfassung kann ich beglaubigte Abschriften hinzufügen, die Einzelheiten über die zur Last gelegten Vorfälle aufzählen. Ich unterstelle, daß solche Anklagen und Zusammenfassungen Beweiswert haben. Es ist wahr, daß diese Anklagepunkte bisher noch nicht zu Gerichtsverfahren geführt haben, und daß die namhaft gemachten Schuldigen bis jetzt selbst noch nicht abgeurteilt worden sind. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig, aber ich unterstelle dennoch, daß diese Anklagepunkte Beweiswert haben und ich bitte, daß der Gerichtshof dementsprechend verfügen möge.
VORSITZENDER: Vielleicht können Sie uns etwas mehr über den Charakter der Dokumente sagen, die Sie vorlegen möchten.
MAJOR ELWYN JONES: Die Dokumente, die ich als Beweismaterial vorlegen möchte, erwähnen die Namen der verschiedenen Waffen-SS-Divisionen, die beteiligte Einheit, das Datum der Begehung des Verbrechens, Art und Ort des Vorfalls selbst und die Informationsquelle. Sie sind aus den Akten der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen oder von dem Untersuchungsausschuß des SHAEF, der die Angelegenheit der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen vorgelegt hat.
VORSITZENDER: Als Beweismittel ist es nur ein Hinweis. Es enthält nicht den Beweis oder eine Zusammenfassung des Beweises, nicht wahr?
MAJOR ELWYN JONES: Es enthält die Zusammenfassung des Beweismaterials. Die beglaubigten Beschuldigungen, die ich dem Gerichtshof vorlegen werde, enthalten viel umfangreichere Einzelheiten als die Zusammenfassung selbst, die ich dem Zeugen gegenüber zu verwenden beabsichtige. Ich habe nichts dagegen, wenn Euer Lordschaft eine solche einsehen wollen.
VORSITZENDER: Herr Elwyn Jones! Sie wollen die Berichte jedenfalls gemäß Artikel 21 vorlegen?
MAJOR ELWYN JONES: Das ist meine Absicht, Euer Lordschaft. Es sind offizielle Berichte, die von den betreffenden nationalen Behörden der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen vorgelegt worden sind, und sie stellen Beweisaussagen von Zeugen dar und sind zu zusammengefaßten Berichten gekürzt worden in der Form von Anklagepunkten.
Es dürfte von Wert sein, wenn Euer Lordschaft sich zur Veranschaulichung eine dieser Beschuldigungen – ohne Verbindlichkeit, das Dokument zuzulassen oder nicht – anschauen wollen. Wenn es Euer Lordschaft recht ist, wäre Sir David Maxwell-Fyfe in der Lage, das Vorgehen der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen bezüglich dieser Anklagepunkte zu erklären, und es wäre vielleicht nützlich, wenn Sir David dieses Vorgehen dem Gerichtshof schildern würde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Man kann mit Artikel 21 beginnen, der besagt, das Tribunal solle amtliche Kenntnis nehmen von offiziellen Regierungsdokumenten und Berichten der Vereinten Nationen, einschließlich der Akten und Dokumente der in den verschiedenen alliierten Ländern zur Untersuchung der Kriegs verbrechen eingesetzten Kommissionen.
Euer Lordschaft! Es wurde so vorgegangen, daß die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen unter der Leitung zuerst von Lord Findlay und später von Lord Wright das Material sammelte, prüfte und an die einzelnen anklagenden Nationen zurücksandte. Das Nationalbüro sandte einen Bericht an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, die ihn dann prüfte und wieder der Behörde in den verschiedenen Ländern zurücksandte, die sich mit der Strafverfolgung der Verbrechen befaßte.
Euer Lordschaft! Was jetzt vorgebracht wird, ist eine Zusammenfassung der von verschiedenen Ländern an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gesandten Berichte in Form von Entwürfen der Anklagen mit einer Zusammenfassung des sie unterstützenden Beweismaterials. Diese sind verfügbar und beglaubigt, und das Dokument, das wir zur Bequemlichkeit des Gerichtshofs gern verwenden möchten, ist eine Zusammenfassung dieser Anklagepunkte, das die Einheit, das Datum, die Ortschaft und den Vorfall, sowie die Quelle einschließlich der Dokumente der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen anführt.
VORSITZENDER: Sir David! Wenn ich richtig verstehe, was Sie gesagt haben, wurden diese Dokumente, von denen dies eine Zusammenfassung ist, der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen zum Zwecke irgendeiner Stellungnahme oder zum Zwecke einer Art Zustimmung vorgelegt, wonach sie diese dem betreffenden Land zurückschickten. Dann wurden sie einem Gericht zum Prozeß gegen diese Personen übergeben, deren Aburteilung die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gebilligt hatte. Dies ist also eine Zusammenfassung von Anklagepunkten, die bis jetzt noch nicht von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen gebilligt worden ist.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Mag sein oder nicht. Es ist das ein Bericht der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen in einem früheren Stadium. Jede der Vereinten Nationen hatte ihr Nationalbüro zur Nachforschung und Berichterstattung über Kriegsverbrechen. Dabei war ein wichtiger Schritt, daß das Nationalbüro vorerst Beweise zu sammeln, die Anklagepunkte zu unterbreiten und diesen Bericht der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen zu übermitteln hatte. Dann kam er mit einer Genehmigung oder mit einem Kommentar der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen an die Anklagebehörde der verschiedenen Länder zurück. Um die Sache ganz klar zu machen, Euer Lordschaft, möchte ich mein eigenes Beispiel anführen, als ich damit betraut war:
Das Britische Nationalbüro war Sir Thomas Barnes anvertraut, dem Rechtsberater des Schatzamtes, der diese Berichte von den verschiedenen Untersuchungskomitees sammelte. Er übersandte diese an die Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, die ihren Kommentar dazu abgab. Dann kam es zurück zu mir, und ich entschied, ob eine Strafverfolgung stattfinden sollte oder nicht.
Euer Lordschaft! Ich unterbreite dies als einen authentischen Bericht der Vereinten Nationen. Es handelt sich um das Komitee, welches jedes Land eingesetzt hat, um das Beweismaterial zusammenzusuchen und dies dem Komitee der Vereinten Nationen [428] zu übermitteln. Wir unterstellen nun die Tatsache, Euer Lordschaft, daß jede der Vereinten Nationen durch einen autoritativen Ausschuß das Beweismaterial gesammelt, zusammengefaßt und vorgelegt hat, was in dieser Form ihm schon ipso facto seinen Beweiswert verleiht.
VORSITZENDER: Sie sagen also damit, daß das genau dem Wortlaut in der drittletzten Zeile des Artikels 21 entspricht, wo es in folgenden Worten steht: »...Urkunden der in den verschiedenen alliierten Ländern für die Untersuchung von Kriegsverbrechen eingesetzten Komitees.«
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, so ist es.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte sich dieses Dokument näher ansehen, um genau zu sehen, wie es abgefaßt ist. Haben Sie ein Originaldokument da?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Dies ist ein Dokument, das von Oberst Leningham, dem Generalsekretär der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen, beglaubigt ist. Euer Lordschaft! Das hier ist ein Dokument, das von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen genehmigt worden ist, genau so wie viele andere.
VORSITZENDER: Wir haben uns das Dokument angesehen. Nun, bevor sich der Gerichtshof zur Beratung dieser Sache zurückzieht, will er wissen, was Sie noch zu sagen haben, Sir David.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf die Anzahl der bereits von der Kriegsverbrecherkommission der Vereinten Nationen genehmigten Dokumente. Das wäre noch zu meiner Argumentation nötig.
VORSITZENDER: Alles in allem wünschen Sie, von der Zusammenfassung, die Sie da haben, Gebrauch zu machen?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Diese Erklärung wünsche ich abzugeben.
VORSITZENDER: Die Zustimmung zu der Entscheidung liegt also bei der jeweiligen nationalen Behörde?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Als ich Generalstaatsanwalt war, oblag dies mir. Soviel ich weiß, ist dieselbe Prozedur auch in anderen Ländern üblich, wo es den nationalen Behörden obliegt.
VORSITZENDER: Ja, Dr. Pelckmann.
RA. PELCKMANN: Ob das Material, das der Anklagebehörde jetzt vorliegt, in der gehörigen Form vorliegt, und ob es als Bericht alliierter Regierungen oder der Kriegsverbrechen-Untersuchungskommission gewertet werden kann nach Artikel 21, vermag ich nicht von mir aus zu beurteilen. Das lege ich vertrauensvoll in die Hände des Gerichts, diese Entscheidung. Mir scheint aber wichtig zu sein eine andere Frage. Nach Artikel 21 kann das Hohe Gericht von diesen Dingen amtlich Kenntnis nehmen, meines Erachtens aber nur, solange die Anklagebehörde ihren Beweisvortrag vorbringt. Wir befinden uns jetzt im Beweisvortrag der Verteidigung. Wenn die Anklagebehörde diese Berichte zum Gegenstand des Kreuzverhörs macht, so ist auch dagegen verfahrensmäßig, glaube ich, nichts einzuwenden. Nur eine amtliche Kenntnisnahme des Gerichts, ohne diese Berichte auch zum Gegenstand des Kreuzverhörs zu machen, halte ich nicht für zulässig, das heißt, nur wenn jetzt die Zeugen der SS, die gerufen werden, zu diesen Dokumenten Stellung nehmen.
VORSITZENDER: Ist das nicht wirklich eine Angelegenheit, die der Gerichtshof entscheiden muß? Es handelt sich darum, ob die Dokumente jetzt vorgelegt werden sollen, wo der Zeuge dazu seine Erklärung abgeben kann. Ob es unter Artikel 21 fällt oder nicht, das ist eine Angelegenheit, über die noch zu entscheiden ist, das ist eine Rechtsfrage. Ob es jetzt oder später vorgelegt werden soll, steht vollkommen dem Gerichtshof anheim.
RA. PELCKMANN: Ich hielt es für wichtig zu sagen, daß, wenn das Hohe Gericht diese Berichte annimmt als Beweismaterial im Sinne des Artikels 21, dann kann es nach meiner Überzeugung sie nur annehmen – da der Beweisvortrag der Anklage geschlossen ist –, um es dem Zeugen vorzuhalten, und wenn diese Dokumente dem Zeugen vorgehalten werden, dann würde ich es für gerecht halten, wenn der Verteidigung bei dem außerordentlich ungeheuren Umfang dieser Dokumente ausreichend Gelegenheit gegeben wird, sich auf die Examination für diese Dokumente einzurichten. Das würde mindestens zwei Tage in Anspruch nehmen. Eine Verwendung, auch nur zur amtlichen Kenntnisnahme dieser Dokumente seitens des Gerichts ohne Befragung von Zeugen dar über, halte ich für unzulässig, weil der Beweisvortrag der Anklage geschlossen ist und es eine unzulässige Erweiterung des Prozeßstoffes einerseits und eine Beschränkung der Verteidigung andererseits bedeuten würde.
VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird über Ihre Worte beraten und sich jetzt zurückziehen.
[Verhandlungspause.]
VORSITZENDER: Der Gerichtshof nimmt Dr. Pelckmanns Behauptung, es sei unfair oder ungerecht gegenüber der Verteidigung, Dokumente zu diesem Zeitpunkt vorlegen zu lassen, keineswegs an. Er ist der Meinung, daß er nach Erwägung aller Umstände des Verfahrens und in Anbetracht des so weit fortgeschrittenen Prozesses und der Art des Dokuments das von der Anklagevertretung als Beweis angebotene Dokument jetzt nicht zulassen sollte.
MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! In welcher Waffen-SS-Division haben Sie während des Krieges gedient?
HAUSER: Ich habe zwei Jahre die 2. SS-Division geführt und später das...
MAJOR ELWYN JONES: Warten Sie einen Augen blick. Wie hieß sie? Welchen Namen hatte sie?
HAUSER: Die Division hieß später »Das Reich«. Früher hatte sie den Namen »VD-Division«. Vom Jahre 1942 bis 1944 das II. SS-Panzerkorps. Vom Jahre 1944 ab war ich wieder im Heer.
MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte im Augenblick von der Division »Das Reich« nicht abgehen. Sagen Sie uns, während welchem Zeitabschnitt Sie in dieser Division Dienst getan haben.
HAUSER: Ich habe nicht genau verstanden.
MAJOR ELWYN JONES: Wie lange dienten Sie in der Division »Das Reich«? Von wann bis wann?
HAUSER: Von der Aufstellung im Herbst 1939 bis zu meiner zweiten Verwundung im Oktober 1941.
MAJOR ELWYN JONES: Sie haben später nicht wieder in dieser Division Dienst getan?
HAUSER: Später habe ich bei dieser Division keinen Dienst getan. Ich war später Kommandierender General und Oberbefehlshaber einer Armee.
MAJOR ELWYN JONES: So war also die Division »Das Reich« die einzige Division, bei der Sie im Felde als Divisionskommandeur gedient haben? Ist das richtig.
HAUSER: Nein. Nach mir haben andere dort das Kommando geführt.
MAJOR ELWYN JONES: Aber »Das Reich« war die einzige Division, die Sie persönlich während des Krieges kommandiert haben?
HAUSER: In der Zeit, als ich Divisionskommandeur war, war ich der einzige Kommandeur dieser Division.
MAJOR ELWYN JONES: Kommandierten Sie irgendeine andere Division der Waffen-SS außer der Division »Das Reich«?
HAUSER: Zu meinem Panzerkorps haben wechselnd zwei, später drei Divisionen gehört.
MAJOR ELWYN JONES: Welche Divisionen waren das?
HAUSER: Zunächst war es die 1., die »Leibstandarte«, dann die 2., »Das Reich«, und die 3., die »Totenkopfdivision«, während später – im Jahre 1944 – die 9. und 10. Division dazugehörten.
MAJOR ELWYN JONES: Wie hießen diese Divisionen?
HAUSER: Die Namen waren »Hohenstaufen« und »Götz von Berlichingen«, nein, ich bitte um Entschuldigung, »Frundsberg«.
MAJOR ELWYN JONES: Während welcher Zeitspanne stand die Division »Leibstandarte« unter Ihrem Befehl?
HAUSER: Die »Leibstandarte« gehörte von Anfang 1943, etwa Ende Januar, bis zum Anfang August zu meinem Kommando.
MAJOR ELWYN JONES: Vom Januar 1943 bis August 1943?
HAUSER: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Sie waren während der Kämpfe bei Charkow im Frühjahr 1943 Kommandeur dieser Division, vielmehr dieses Korps, wozu die »Leibstandarte« gehörte, stimmt das?
HAUSER: Die Division unterstand mir in den Kämpfen um Charkow.
MAJOR ELWYN JONES: Wissen Sie etwas davon, daß die Stadt Staroverovka von dem zweiten Regiment der »Leibstandarte« in Brand gesteckt wurde?
HAUSER: Nein, davon weiß ich nichts.
MAJOR ELWYN JONES: Und daß dieses Regiment auch Stanitschnoje niedergebrannt hat?
HAUSER: Nein, das weiß ich nicht.
MAJOR ELWYN JONES: Daß es weiter im Frühjahr 1943 Jefrenovka bei Charkow niederbrannte und die Zivilbevölkerung ermordete?
HAUSER: Ich weiß es nicht und kann es auch nicht glauben, weil die damaligen Kämpfe keine Zeit ließen, andere als militärische Aufgaben zu lösen.
MAJOR ELWYN JONES: Der Kampf ließ Ihren Truppen nicht genug Zeit, die Dörfer, durch die sie kamen, anzustecken – wollen Sie das sagen? Das war doch eines der hervorstechendsten Merkmale Ihrer Kampfweise an der Ostfront?
HAUSER: Nein, ich bestreite das. Der Begriff »die verbrannte Erde« ist ja nicht bei uns entstanden. Wenn Ortschaften im Kampf in Brand aufgehen, dann ist das auch oft unvermeidlich. Ich glaube nicht, daß Ortschaften absichtlich angesteckt wurden, denn es lag ja im Interesse der Operationen, diese Ortschaften wieder zu nehmen.
MAJOR ELWYN JONES: Wegen solcher Vorfälle, wie diese Brandstiftungen, hat Himmler den Offizieren Ihrer drei SS-Divisionen von dem Schreckensruf, den sie sich erwarben, gesprochen, nicht wahr? Das waren doch typische Beispiele Ihrer Art der Kriegführung an der Ostfront, nicht wahr?
HAUSER: Nein, darüber hat Heinrich Himmler bei der dortigen Rede nichts gesagt. Er sprach von dem Terror, den ich persönlich abgelehnt habe.
MAJOR ELWYN JONES: Wann war die Division »Das Reich« unter Ihrem Oberbefehl?
HAUSER: Die Division »Das Reich« unterstand mir zu gleicher Zeit, auch vom Ende Januar 1943 bis August dieses Jahres.
MAJOR ELWYN JONES: Kommandierten Sie diese Division auch später noch einmal als Kommandierender General oder als Oberbefehlshaber einer Armee?
HAUSER: Ich habe sie nachher erst... nachher, als ich eine Armee des Heeres führte, die Division wieder in der Normandie unter meinem Befehl gehabt.
MAJOR ELWYN JONES: Erhielten Sie irgendwelche Berichte über die zahllosen Mordtaten und Brandschatzungen von Dörfern, für die die Division »Das Reich« im Juni 1944 in Frankreich verantwortlich ist?
HAUSER: Ich kenne aus der Anklage den Vorwurf, daß sie in Südfrankreich im Kampf gegen die Armée secrète dort gekämpft hat, und daß auch Ortschaften angezündet worden sind. Die Division unterstand mir damals noch nicht, ich war noch im Osten. Ich habe von diesen Vorfällen erst hier in der Gefangenschaft Kenntnis bekommen.
MAJOR ELWYN JONES: Ich spreche nicht von Dörfern, die bei Kampfhandlungen in Flammen aufgingen, sondern von Dörfern, die als Strafmaßnahmen von Einheiten Ihrer Waffen-SS-Division angesteckt worden sind. Haben Sie niemals Meldungen von diesen Vorfällen erhalten?
HAUSER: Ich habe nur hier in der Anklage von diesem einen Fall in Südfrankreich gehört.
MAJOR ELWYN JONES: Im Juni 1944 brannte beispielsweise das Panzergrenadierregiment 3 das Dorf St. Germain-de-Belair nieder. Davon wußten Sie nichts?
HAUSER: Nein. Das weiß ich augenblicklich... kenne ich es nicht.
MAJOR ELWYN JONES: Und Oradour-sur-Glane? Es war die Division »Das Reich«, die für die Greueltaten verantwortlich war, als 793 Männer, Frauen und Kinder überlegt niedergemacht wurden? Haben Sie niemals etwas von den Greueltaten von Oradour-sur-Glane gehört, die von der Division »Das Reich« begangen worden sind, als sie Bestandteil Ihres Korps war?
HAUSER: Ich habe diesen Namen und den Vorwurf hier in der Gefangenschaft aus der Anklageschrift kennengelernt. Bis dahin ist davon keine Kenntnis zu mir gekommen. Es handelt sich anscheinend um eine einzelne Kompanie dieser Division, eingesetzt durch den örtlichen Befehl der Feldkommandantur.
MAJOR ELWYN JONES: Das Panzergrenadierregiment stand doch unter Ihrem Befehl?
HAUSER: Nein, es war damals noch nicht unter meinem Befehl, denn ich bin erst Ende Juni aus dem Osten nach Frankreich zurückgekommen.
MAJOR ELWYN JONES: Es war doch damals charakteristisch, daß Waffen-SS-Einheiten bei diesem terroristischen Vorgehen eingesetzt wurden, nicht wahr? Das ist nämlich der Kernpunkt, über den ich Sie schon eine Zeitlang in diesem Kreuzverhör befrage.
HAUSER: Ich habe schon mehrmals zum Ausdruck gebracht, daß es nicht eine typische Eigenschaft der Division war.
MAJOR ELWYN JONES: Wann haben Sie die »Totenkopfdivision« befehligt?
HAUSER: Auch die »Totenkopfdivision« unterstand zur gleichen Zeit, von Ende Januar 1943 bis zum August, mir.
MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß die 7. Kompanie des 1. Regiments – eine Abteilung, die zur »Totenkopfdivision« gehörte – in Warschau ungefähr 45000 jüdische Männer, Frauen und Kinder ermordet hat? Haben Sie niemals etwas davon gehört?
HAUSER: In welchem Jahr soll das gewesen sein?
MAJOR ELWYN JONES: Im Jahre 1943, als Sie das Korps befehligten, zu dem diese »Totenkopfdivision« mit ihrer großen Mordtradition aus den Konzentrationslagern gehörte.
HAUSER: Die Division als solche unterstand mir in den Kämpfen um Charkow, nicht um Warschau. Es handelt sich anscheinend wieder um Verwechslung von Männern und Bewachungseinheiten der Konzentrationslager.
MAJOR ELWYN JONES: Wußten Sie, daß zum Beispiel im August 1943 das 1. Regiment, die 7. Kompanie, der »Totenkopfdivision« 40 russische Kriegsgefangene bei Charkow erschossen hat?
HAUSER: Nein. Im August war die »Totenkopfdivision« auch nicht mehr bei Charkow, sondern weiter südlich am Mius.
MAJOR ELWYN JONES: Könnte man nicht jetzt unterbrechen? Ich habe nur noch wenige Fragen an den Zeugen zu stellen.
[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]
Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947