Am Nachmittag des 23. Oktober 1947 trat im Rathaus von Berlin-Pankow, damals Sitz der sowjetischen Militärkommandantur, ein sowjetisches Militärtribunal zusammen.
Verhandelt wurde unter dem Vorsitz des Obersten Majorov gegen 16 Angeklagte. Sie hatten zum Personal des Konzentrationslagers Sachsenhausen gehört, die meisten von ihnen gehörten der SS an, an ihrer Spitze der ehemalige Lagerkommandant Anton Kaindl. Zwei Angeklagte waren als Häftlinge ins KZ Sachsenhausen gekommen und hatten sich dort zu willigen Werkzeugen der SS machen lassen. Der eine, Paul Sakowski, wurde im Alter von 20 Jahren zum Henker, der andere, Karl Zander, avancierte vom vielfach vorbestraften Kriminellen zum Blockältesten, zum Folterknecht.
Ein dritter, Ernst Brennscheidt, gehörte ebenfalls nicht der SS an. Er war als Beamter des Reichswirtschaftsministeriums zur Leitung Schuhprüfstelle im KZ Sachsenhausen abkommandiert worden. Das klang harmloser, als es war: Um Material und Haltbarkeit von Schuhen für die Wehrmacht zu prüfen, mußte ein Häftlingskommando - 180 Mann - täglich mit einem halben Zentner Sand beladen auf einer Teststrecke marschieren, 40 km, 11 Stunden täglich, und wer es nicht schaffte, wurde mit Essensentzug und Prügeln bestraft. 20 bis 30 Häftlinge brachen täglich unter der Tortur zusammen, und der Beamte Brennscheidt schlug auf sie ein, hetzte Hunde auf sie, betrug sich nicht weniger sadistisch als die SS.
Außer dem Lagerkommandanten Kaindl standen der zweite und der dritte Lagerführer vor dem sowjetischen Gericht, der ehemalige Lagerchefarzt, Heinz Baumkötter, der sich grauenhafter medizinischer Experimente an Häftlingen schuldig gemacht hatte, und ehemalige Lagerfunktionäre wie der Rapportführer Gustav Sorge, einer der schlimmsten Sadisten, den die Häftlinge den Eisernen Gustav nannten, worauf der Erbarmungslose stolz war.
Der Berliner Prozeß dauerte acht Tage, vom 23. Oktober bis zum 1. November 1947. Er unterschied sich von den meisten anderen Verfahren dadurch, daß alle Angeklagten umfangreiche Geständnisse ablegten. Aber wie alle Schergen des Systems beriefen sie sich auch da, wo sie ganz persönlichen Sadismus, eigene Mordlust ausgelebt hatten, auf den Befehlsnotstand.
Dem Gerichtstermin waren umfangreiche Ermittlungen vorangegangen. 27 Zeugen wurden im Prozeß gehört. Das Verfahren hatte - das war in der Sowjetunion üblich - auch den Charakter des Schauprozeßes, der der politischen Propaganda dienen sollte.