Geographische Lage des Blocks 10
Geographisch befand sich Block 10 neben Block 11, Auschwitz Exekutionsblock. Exekutionen
fanden demnach in Hör- und Sehweite der in Block 10 inhaftierten Frauen statt.
Gegenüber von Block 10 befand sich Block 21, einer von Auschwitz’ Häftlingskrankenbauten und Versuchsstätte für die Experimente Dr. Horst Schumanns.
Block 10 war vom Rest des Lagers vollkommen isoliert: nicht nur waren seine Fenster ständig
verschlossen, womit kein Sonnenlicht in den Block drang, sondern wurde auch jedem
„Unbefugten“ der Zutritt in den Block strengstens untersagt, außer es gab entsprechende
Anweisungen von Dr. Wirths. Nur eigens vorgesehenes Personal durfte mit spezieller Erlaubnis
den Block betreten.
Die Fenster des Blocks 10, der nur durch den Hof von Block 11 getrennt war, waren mit Brettern verschalt, um es den Häftlingen unmöglich zu machen, die Vorgänge auf dem Hof von Block 11 zu verfolgen, vor allem die dort durchgeführten Hinrichtungen. Trotzdem beobachteten die Häftlinge unter Lebensgefahr durch Ritzen in der Bretterverschalung Erschießungen ihrer Mithäftlinge.
Herkunft der Opfer
Die ersten in Block 10 inhaftierten Frauen kamen vorwiegend aus Griechenland, gefolgt von einem Transport aus Belgien. Nach und nach kamen aber auch Transporte aus anderen Teilen Europas an, wie beispielsweise aus Deutschland, Frankreich, oder den Niederlanden
Dr. Clauberg war es ein Anliegen sich stets einen Uberblick uber seine Versuchsgruppe zu verschaffen, sie sozusagen standig statistisch auszuwerten. Aus diesem Grund beauftragte er seine Assistentinnen eine Liste der in Block 10 fur seine Versuche inhaftierten Frauen zu erstellen. Diese Liste beinhaltete alle essentiellen Daten, wie etwa den Vor und Nachnamen seiner Versuchsopfer, ihre familiare Stellung, ob verheiratet oder nicht, Anzahl der Kinder, Alter der Kinder, Nationalitat, Datum der Röntgenuntersuchung, Datum der letzten Menstruation und Datum der Sterilisationsinjektion sowie der Röntgenbestrahlung.
1940 - 1943
1940–1942 diente Block 10 als Wohnblock. 1941 war dort kurze Zeit die neugegründete Strafkompanie für »Erziehungshäftlinge«, die Erziehungskompanie, untergebracht. Von März bis August 1942 diente Block 10 als Wohnblock des Frauenlagers, das die Blocks 1–10 einnahm. Ende 1942 wurden dort medizinische Geräte gesammelt, ein Röntgenraum und Operationssäle eingerichtet, gynäkologische Tische und andere Apparate aufgestellt, die zur Eröffnung einer gynäkologischen Abteilung notwendig waren. Im April 1943 wurde Block 10 Prof. Dr. Carl Clauberg zur Verfügung gestellt, der dort an von ihm ausgesuchten weiblichen Häftlingen, meist Jüdinnen, Sterilisierungsversuche vornahm. Gleichzeitig führte SS-Sturmbannführer Dr. Eduard Wirths, Standortarzt des KZ Auschwitz, dort Krebsuntersuchungen durch und nahm operative Eingriffe an krebsverdächtigen weiblichen Häftlingen vor. Dort führte auch Dr. Horst Schumann Eingriffe an weiblichen Häftlingen durch, die vorher im Versuchslabor von Birkenau durch Röntgenbestrahlung sterilisiert worden waren. Im April 1943 wurde ein Raum des Blocks 10 der Hygiene-Bakteriologischen Untersuchungsstelle der Waffen-SS Südost zugewiesen, die sich mit bakteriologischen, chemischen, pathologisch-anatomischen und anderweitigen Forschungen befassen sollte. Einen Monat später, d.h. im Mai 1943, wurde die Untersuchungsstelle nach Rajsko bei Auschwitz verlegt.
Dr. Michael Jean-Marie Steyns
ehemaliger Häftlingsarzt in Auschwitz (1956)
Clauberg war mir als namhafter Hormonwissenschaftler durch seine
Veröffentlichungen ein Begriff. Ich habe daher nicht glauben können, dass der
Wissenschaftler Clauberg der gleiche sei, der hier an Gefangenen Experimente
durchführte, Experimente, die ein Arzt niemals verantworten konnte.
Alina Brewda (eigentlich Alina Bialostocki)
Häftlingsärztin (Häftlingsnummer 62 761)
Nach der Aufzeichnung einer allgemeinen gynäkologischen Anamnese (frauenärztliche Krankengeschichte) mußte sich das Opfer auf den Untersuchungsstuhl setzen. Clauberg fand dann den Zugang zu den inneren Geschlechtsorganen, ergriff mit einer Kugelzange den Gebärmutterhals und führte eine Kanüle ein. Nun wurde in die inneren Geschlechtsorgane eine spezielle Flüssigkeit eingespritzt. Es handelte sich dabei um eine Mischung aus Formalin und einem Röntgenkontrastmittel. Das Formalin erzeugte eine "sterile Entzündung" der Eileiter, die zu einer Verwachsung führte und damit zur chronischen Unfruchtbarkeit.
Die Häftlingsärztin Alina Brewda schildert die Eingriffe und Nebenwirkungen:
Nach den Einspritzungen erkrankten viele Frauen an Parametritis (Entzündung im Bauchraum nahe der inneren Geschlechtsorgane), Adnexitis [Entzündung der Eierstöcke) und Peritonitis (schwere Bauchfellentzündung, Sterberate 30-55%). Ich selbst habe mit Clauberg über diese Erkrankungen nicht gesprochen, weil ich nicht für ihn existiert habe. Sie berichtet weiter, ich wurde ein- oder zweimal von Silvia gerufen (Schwester Silvia war Claubergs Assistentin), weil Frauen nach der Einspritzung durch Clauberg persönlich einen Schock erlitten haben. Ich habe in diesen Fällen eine Morphiumspritze gegeben. Dabei fiel mir ganz im Allgemeinen auf, daß bei diesen Unterleibseingriffen sämtliche Begriffe der Hygiene nicht beachtet waren. Man sorgte nicht für Sterilität. Aus Erzählungen von Mithäftlingen habe ich immer wieder erfahren müssen, daß Prof. Dr. Clauberg bei seinen Einspritzungen brutal vorgegangen ist, ja, daß Silvia bei Frauen, die sich instinktiv wehrten oder laut schrien, mit Schlägen eingegriffen hat.
Fischmann Sonja
Sonja Fritz (geb. Fischmann) * 25.11.1921 Auschwitz Häftlingsnummer 24 253
Ankunft Auschwitz am 11.11.1942
Sonja Fischmann war Horst Schumanns Schreibkraft im Block 30 (Versuchsstation) des Frauenlagers Birkenau und im Versuchsblock 10 des Stammlagers.
Aussage:
»Schumann war fast täglich auf dem Block und ließ sich jeweils eine größere Anzahl von Häftlingen, oftmals bis zu hundert vorführen. Es waren einmal männliche, einmal weibliche Häftlinge. Diese Häftlinge mußten sich nackt ausziehen, dann wurde jeweils einer in den Raum geholt, in welchem große Siemensapparate aufgestellt waren, die Röntgenstrahlen zum Zweck der Sterilisierung aussandten.«
(Dr. Horst Schumann, geboren am 1. Mai 1906 in Halle an der Saale (alias Dr. Klein oder Dr. Blume)
siehe auch Zeugenaussage Sonja Fritz (geb. Fischmann), 30. Juli 1964, Aktenzeichen: Js 18/67 (GStH. Frankfurt/M.) - Ks 2/70.
Frydman Estera
* 28.04.1913
Häftlingsnummer 15 488
»Ich wurde am 06.07.1942 anläßlich einer Razzia verhaftet, und zwar aus rassischen Gründen. Ich kam zunächst nach Pithiviers, wo ich bis zum 01.08.1942 blieb. Dann wurde ich nach Birkenau deportiert. Dort mußte ich schwere Zwangsarbeit im Straßenbau verrichten. Im Jahre 1943 wurde ich dort eines Tages ausgesucht und als eine der ersten in Block 10 nach Auschwitz geschickt. Dort wurden an mir Injektionen durch Dr. Clauberg und Dr. Göbel vorgenommen. Es waren 4 Spritzen, die im Laufe von 1 1/2 Jahren vorgenommen wurden. Sie waren jedesmal außerordentlich schmerzhaft und gefolgt von einer schweren eitrigen und blutigen Diarrhöe, von starkem Ausfluß und hohen Fieber. Jedesmal blieb ich etwa 8 Tage liegen, ohne Möglichkeit, mich zu rühren, denn ich stand unter dem Eindruck, eine Perforation Durchstoßung des Darms zu haben.«
Ärztliches Gutachten, neun Jahre nach der Befreiung:
»Die Sterilität ist definitiv.«
Vater, Mutter, zwei Schwestern, ihr Ehemann, ihre Tochter wurden ermordet.