271
Weiter hat der Zeuge bekundet, Edelsberg habe ihm später mitgeteilt, wer die auf den Lichtbildern abgebildeten Personen seien.
Unter diesen Umständen kann nach Auffassung der Kammer der Tatsache, daß der Zeuge Charlupski in der Hauptverhandlung die den Angeklagten Pansegrau darstellenden Bilder als solche den SS. Mannes Mietliczka bezeichnet hat, keine besondere Bedeutung zukommen.
Gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen Charlupski spricht auch die Tatsache, daß er den Angeklagten Olejak ganz sicher auf dem Evakuierungsmarsch gesehen haben will, obwohl Olejak nach den Feststellungen der Kammer damals nicht in Jaworzno war.
Weiter besteht auch bei diesem Zeugen die Möglichkeit, daß er den SS. Mann Mietliczka mit einem anderen verwechselt hat, da auch er diesen Mietliczka im Lager immer mit einem Wolfshund gesehen haben will. Dies trifft, wie schon wiederholt ausgeführt worden ist, nicht auf den Angeklagten Pansegrau zu.
Weiter ergeben sich aus den verschiedenen Beschreibungen, die der Zeuge Charlupski von dem betreffenden Vorfall gegeben hat, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Aussage dieses Zeugen.
So hat der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung ausgesagt, Zieger sei innerhalb der Kolonne erschossen worden, während er später meinte, der Vorfall habe sich außerhalb der Kolonne ereignet. Auch in einem weiteren Punkt hat der Zeuge Charlupski unterschiedliche Angaben gemacht, nämlich zu der Frage, von wo der betreffende SS. Mann auf den Häftling geschossen hat. Während er bei seiner polizeilichen Vernehmung angegeben hat, der Häftling sei von der Seite her erschossen worden, meinte er in der Hauptverhandlung, der SS. Mann sei hinter dem Häftling gewesen und habe von hinten auf den Hinterkopf des Häftlings geschossen. Die Aussage des Zeugen in der Hauptvorhandlung, der SS. Mann habe von hinten auf den 10 - 15 Meter vor ihm, dem Zeugen, befindlichen Häftling geschossen, bedeutet auch, daß der Zeuge diesen SS. Mann zum Tatzeitpunkt nur von hinten sehen konnte.
Unter diesen Umständen bestehen nach Auffassung der Kammer erhebliche Zweifel daran, ob der Zeuge Charlupski den betreffenden SS. Mann überhaupt sicher hat erkennen können.
Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß sich der Vorfall nach der Aussage des Zeugen, der im Übrigen bei seiner polizeilichen Vernehmung zum Tatzeitpunkt keine Angaben gemacht hat bzw. nicht danach gefragt worden ist, nur kurze Zeit vor der Ankunft in Blechhammer ereignet haben soll. Diese Ankunft erfolgte, wie bereits dargelegt worden ist, am Sonntag, den 21.1.1945 gegen 8.00 Uhr morgens.
Der fragliche Vorfall ereignete sich also nach den Angaben des Zeugen Charlupski in der Zeit zwischen 7.00 and 8.00 Uhr, zu einer Zeit also, in der die Beobachtungsmöglichkeiten angesichts der zu dieser Jahreszeit noch herrschen den Dunkelheit bzw. Dämmerung stark eingeschränkt waren.
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Weiter muß nach Auffassung der Kammer davon ausgegangen werden, daß die körperliche und geistige Verfassung des Zeugen Charlupski - wie die jedes anderen Teilnehmers am Evakuierungsmarsch - kurz vor Erreichen des Lagers Blechhammer, also 4 Nächte und 3 Tage nach dem Verlassen des Lagers Jaworzno, nicht mehr gut gewesen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß gerade die letzte Nacht vor Erreichen des Lagers Blechhammer für die Häftlinge besonders schlimm und anstrengend war. Hierauf und auf die Gründe hierfür wurde bereits hingewiesen.
Schließlich spricht gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen Charlupski, daß er von der Erschießung seines Cousin Zieger erstmals in der Hauptverhandlung gesprochen hat, obwohl er nach seinen eigenen Bekundungen schon jahrelang darauf gewartet hat, zu diesem Vorfall Angaben zu machen. Unter diesen Umständen hätte es nach Auffassung der Kammer nahegelegen, daß der Zeuge Charlupski diesen Fall bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung in aller Ausführlichkeit und Nennung des Namens des Opfers so geschildert hätte, wie er es dann in der Hauptverhandlung getan hat. Bei dieser polizeilichen Vernehmung hat der Zeuge jedoch nur allgemein davon gesprochen, daß Mietliczka einen Häftling, der wegen Durchfalls zur Seite gegangen sei, von der Seite her erschossen habe. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, daß der Zeuge Charlupski bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung von sich aus nicht erwähnt hat, sein Cousin Zieger habe damals Durchfall gehabt.
Bei Würdigung der gesamten dargelegten Umstände kann nach Auffassung der Kammer die Aussage dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig angesehen werden, daß hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau gestützt werden kann. Besonderes Gewicht mißt die Kammer dabei der Tatsache zu, daß der Zeuge Charlupski den Angeklagten Olejak auf dem Evakuierungsmarsch gesehen habe, was nicht richtig ist.
Den weiteren Umstand, daß der Zeuge Charlupski bei einer informatorischen Befragung gegenüber dem Zeugen Edelsberg erklärt hat, er könne für den Evakuierungsmarsch keinen der SS. Leute mit irgendeiner konkreten Mordtat belasten, mißt das Gericht keine Bedeutung mehr zu.
Die Äußerung des Zeugen Charlupski gegenüber dem Zeugen Edelsberg ergibt sich aus dem in der Hauptvorhandlung verlesen Zwischenbericht Nr. 22 vom 29.6.1975, der von dem Zeugen Edelsberg unterschrieben worden ist.
Dieser Zwischenbericht hat folgenden Wortlaut:
1. Herr Hillel Charlupski, Ramat Gan, Karat-Straße 24. Der Zeuge befand sich von Sommer 1943 bis zur Liquidierung im Lager Jaworzno, die ganze Zeit war er im Außenkommando beschäftigt. Er war Zeuge der Hängung von etwa 28 Häftlingen, sah Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch und im Lager Blechhammer, kann aber keinen der SS. Leute mit irgendeiner konkreten Mordtat belasten, da diese ihm nicht namentlich bekannt waren.
Der Zeuge wurde in Blechhammer befreit.
Dieser Zwischenbericht wurde gem. § 251 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung verlesen, da der Zeuge Edelsberg zwischenzeitlich verstorben ist.
273
9. Die Aussage des Zeugen Ben David (benannt zu den Anklagepunkten II 9a und II 9 e) zur Person dos Angeklagten Olejak und zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno und beim Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 271 - 275).
Weiter hat der Zeuge bei seiner ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung ausgesagt, in Jaworzno habe es einen SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka gegeben. Bei Vorlage der Bildtafeln. meinte der Zeuge zu Bild Nr. 5 und 6 (Angeklagter Pansegrau), die abgebildete Person könne der Mietliczka sein, er sei sich aber nicht sicher. Die gleichen Angaben machte er dann zu Bild 27 des Bildbandes.
Bei der Schilderung des Evakuierungsmarsches bekundete der Zeuge dann, er habe während der ersten Nacht beobachtet, wie dieser Mietliczka auf einen Häftling geschossen habe. Der betreffende Häftling habe sich in der Mitte der Kolonne gebückt, wobei Mietliczka auf ihn geschossen habe. Olejak habe er beim Abmarsch am Tor gesehen, nicht aber während des weiteren Marsches. Er habe deshalb auch nicht gesehen, ob dieser beim Evakuierungsmarsch geschossen habe. Nach Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 18.3.1976, bei der er ausgesagt hat, auch Olejak habe beim Evakuierungsmarsch geschossen, erklärte der Zeuge Ben David, alle SS. Leute hätten geschossen. Er sei deshalb überzeugt, daß auch Olejak geschossen habe. Er habe aber nicht gesehen, daß er jemanden getroffen habe. Bei der Fortsetzung seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 20.11.1978, also etwa ein Jahr nach der ersten Vernehmung, erklärte der Zeuge Ben David auf die Frage, ob er einen konkreten Fall nennen könne, bei dem Mietliczka auf einen Häftling geschossen habe, er könne sich an einen solchen Fall jetzt nicht erinnern. Es seien zwar bei Beginn des Evakuierungsmarsches Häftlinge erschossen worden. Er könne die Täter aber nicht beschreiben, da es ja dunkel gewesen sei.
Nach Vorhalt seiner Angaben aus der ersten Vernehmung über die Erschießung des Häftlings während der ersten Nacht des Evakuierungsmarsches meinte der Zeuge dann, alles was ihm vorgehalten worden sei, entspreche der Wahrheit.
Die Kammer sieht die Aussage dieses Zeugen nicht für sicher und zuverlässig an. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß sich der Zeuge bei seiner zweiten Vernehmung in der Hauptverhandlung an den bei der ersten Vernehmung geschilderten Fall einer angeblichen Erschießung eines Häftlings durch den SS. Mann Mietliczka nicht von sich aus erinnert hat. Der Zeuge bat vielmehr zunächst bekundet, es sei zwar geschossen worden, aber wegen der Dunkelheit habe er die Täter nicht erkennen können.
Diese unterschiedlichen Aussagen beweisen, daß der Zeuge an die damaligen Vorgänge keine sichere und klare Erinnerung mehr hat.
Dies ergibt sich auch daraus, daß sich der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung, die ihm vorgehalten worden ist, an den Fall einer angeblichen Erschießung eines Häftlings, der sich gebückt habe, nicht von sich aus, sondern erst nach einem Vorhalt des Vernehmungsbeamten erinnert hat.
Schließlich sprechen auch die widersprüchlichen Angaben, die der Zeuge Ben David zur Person dos Rapportführers Olejak und dessen Anwesenheit in Jaworzno sowie zu der Frage, ob dieser auf dem Evakuierungsmarsch geschossen habe, gegen die Zuverlässigkeit dieses Zeugen.
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10. Die Aussage des Zeugen Grol (benannt zu II 9 c) zur Person des Angeklagten Olejak und zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno wurde bereits dargelegt (vgl. 302 - 304).
Bei der Schilderung des Evakuierungsmarsches erklärte der Zeuge bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, dabei sei aus den verschiedensten Gründen auf Häftlinge geschossen worden. Täter seien die gewesen, die auch im Lager gewesen seien. Zu einzelnen Fällen könne er nichts sagen. Er habe nur daran gedacht, dabei durchzuhalten. Er habe deshalb nicht darauf geachtet, wer geschossen habe.
Nach Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei, bei der er den SS. Mann Besen beschuldigt hatte, auf einen Häftling geschossen zu haben, erklärte der Zeuge Grol, er könne nicht mehr sagen, wer im Einzelnen geschossen habe.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Zeuge Grol auch bei der Vernehmung vor der Israel-Polizei nicht von sich aus diesen Fall erwähnt hatte, sondern erst nachdem ihm der Bericht über eine informatorische Befragung vorgehalten worden ist.
Bei dieser Aussage den Zeugen der keine konkrete Erinnerung mehr an eine Erschießung eines Häftlings durch den SS. Mann Besen oder Mietliczka hat kommt, es auf die Frage, ob der Zeuge überhaupt den Angeklagten Pansegrau meint, wenn er von diesen SS. Leuten spricht, nicht mehr an.
11. Die Aussage des Zeugen David Lerer (als Tatzeuge zu II 9 a und II 9 b benannt) zur Person des Angeklagten Olejak, zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno und bei der Evakuierung wurde bereits dargelegt, ebenso die Aussage des Zeugen Lerer zur Person den Angeklagten Pansegrau und zu dem Anklagepunkt II 6 (vgl. 273, 417 – 420).
Die Kammer geht davon aus, daß die Aussage des Zeugen Lerer, Olejak sei immer als Rapportführer in Jaworzno gewesen und habe auch am Evakuierungsmarsch teilgenommen, nicht richtig ist.
Auf die Frage nach Häftlingstötungen auf dem Evakuierungsmarsch bekundete der Zeuge Lerer, er sei Zeuge von zwei Erschießungen durch den SS.Mann Mietliczka gewesen.
In einem Fall sei ein ihm als „Lui der Schreiber“ bekannt gewordener Häftling erschossen worden. Dies sei am zweiten Tag des Evakuierungsmarsches geschehen. Der betreffende Häftling habe sich gebückt, um seine Schuhe zu binden und gleichzeitig versucht, noch weiter zu laufen. Da sei der SS. Mann Mietliczka dazugekommen und habe auf den Häftling Lui geschossen.
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Einen weiteren Fall habe er am dritten Tag des Evakuierungsmarsches beobachtet. Ein Häftling habe einen SS. Mann gefragt, ob er austreten dürfe. Dies sei ihm erlaubt worden, worauf der Häftling aus der Reihe herausgegangen sei. Auch in diesem Fall sei Mietliczka hinzugekommen und habe auf den Häftling geschossen. Beide Vorfälle seien auf der linken Seite der Häftlingskolonne passiert.
Zur Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich kein anderer Zeuge präzise an einen Häftling im Lager Jaworzno erinnert hat, der unter dem Namen „Lui der Schreiber“ bekannt war. Weiter wurde schon darauf hingewiesen daß der Zeuge Lerer im Rahmen seiner Aussage selbst wegen der langen Zeitdifferenz Zweifel daran geäußert hat, ob seine Angaben über die Täter in diesen beiden Fällen richtig sind.
Außer diesen von dem Zeugen Lerer selbst geäußerten Zweifeln sprechen auch die unrichtigen Angaben über die Teilnahme des Angeklagten Olejak am Evakuierungsmarsch und zu der Frage, ob der SS. Mann Mietliczka in Jaworzno einen Hund hatte, gegen die Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.
Die Kammer sieht deshalb insgesamt die Aussage des Zeugen Lerer nicht als so sicher und zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
12. Die Aussage des Zeugen Mordechaj Hoffmann zu der Frage, wer bei seiner Ankunft in Jaworzno in Juni 1944 Rapportführer war und ob er den Angeklagten Olejak in Jaworzno gesehen bat, wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 304 - 306, 363). Dabei wurde auch bereits auf die Widersprüche hingewiesen, die insoweit in der Aussage des Zeugen Hoffmann aufgetreten sind. Zu der Person des SS. Mannes Pansegrau im Lager Jaworzno hat der Zeuge Hofmann folgendes ausgesagt:
Den SS. Mann mit dem Namen Pansegrau bzw. Panzergrau habe er unter diesem Namen etwa im September 1944 kennengelernt. Er sei jung, ca. 20 Jahre alt und ca. 1,70 Meter groß gewesen und habe kurzgeschnittene helle Haare gehabt. Mit einem Hund habe er ihn im Lager nie gesehen, dieser SS. Mann habe vielmehr immer einen Stock mit sich geführt. Von den Häftlingen sei er Besen gerufen worden. Mit den Namen Mietliczka könne er keine Erinnerung verbinden. Er habe selbst einige Male mit diesem SS. Mann gesprochen. Einmal sei er auch von ihm nach dem Baden mißhandelt worden, allerdings nicht schwer. Dieser SS. Mann sei seiner Erinnerung nach ein Volksdeutscher gewesen, er habe ihn jedoch nur deutsch sprechen hören.
Welche Funktion dieser SS.Mann in Lager Jaworzno ausgeübt habe, habe er damals zwar gewußt. Heute könne er sich nicht mehr im Einzelnen daran erinnern. Der SS. Mann Pansegrau bzw. Panzergrau habe während seines eigenen Aufenthaltes im Lager Jaworzno verschiedene Funktionen ausgeübt. Mal sei er Kommandoführer, mal Rapportführer gewesen. Gelegentlich sei er auch zum Kraftwerk gekommen, um die Häftlinge zu überprüfen.
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Bei Vorlage der Lichtbilder erklärte der Zeuge zu den Bildern 6 und 7 der Bildtafeln und zu den Bildern 27 und 28 des Bildbandes (jeweils Bilder den Angeklagten Pansegrau): Das ist Pansegrau.
Den Angeklagten Pansegrau selbst hatte der Zeuge Hoffmann zu Beginn seiner Vernehmung, als Pansegrau noch mit etwa 8 gleichaltrigen Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saß, nicht erkannt. Der Zeuge Hoffmann deutete vielmehr auf einen Zuhörer und einen Justizangestellten und meinte dazu, einer von beiden könne der Pansegrau sein.
Nachdem der Angeklagte Pansegrau dann zusammen mit dem Angeklagten Olejak auf der Anklagebank Platz genommen hatte und deshalb für den Zeugen als Angeklagter erkennbar war, meinte der Zeuge dann zur Person des Angeklagten Pansegrau, dieser könne der von ihm genannte SS. Mann Pansegrau sein.
Zu der Erschießung eines Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Hoffmann in der Hauptverhandlung folgendes ausgesagt:
Die Evakuierung des Lagers Jaworzno habe abends begonnen. Am ersten Tag des Marsches morgens zwischen 10.00 und 12.00 Uhr, als es taghell gewesen sei, habe ein Häftling, der früher Rabbiner gewesen sei und aus seiner eigenen Heimat gestammt habe, den SS. Mann Pansegrau, der zu diesem Zeitpunkt auf ihrer Höhe neben der Häftlingskolonne marschiert sei, gefragt, ob er austreten dürfe. Dies sei grundsätzlich verboten gewesen, weshalb er selbst seine Notdurft in die Hose gemacht habe. Obwohl Pansegrau den Häftling das Verlassen der Kolonne verboten habe, was er selbst gehört habe, sei der Rabbiner aus der Kolonne gegangen und links an der Kolonne entlang etwa 30 bin 40 Schritte vorgelaufen und habe sich dann außerhalb der Kolonne niedergebückt, um seine Notdurft zu verrichten.
Zu diesem Zeitpunkt habe Schnee gelegen und auf der linken Seite des Weges, den die Kolonne gerade marschiert sei, seien auf mehrere Hundert Meter kleine Eichenbäume gestanden. Es sei kein Wald gewesen. Der Rabbiner sei zwischen die ersten Bäume am Weg gegangen und habe sich niedergebockt. Die Bäume seien so klein gewesen, daß man den Rabbiner in dieser Hockstellung noch habe sehen können. Als Pansegrau zu dem noch am Boden hockenden Rabbiner gekommen sei, habe er mit einer Pistole von hinten dem Rabbiner in das Genick geschossen, wobei die Pistole nur wenige Zentimeter vorn Körper den Rabbiner entfernt gewesen sei. Der Rabbiner sei zu Boden gefallen. Er habe ihn später nie wieder gesehen.
Er, der Zeuge, sei zu diesem Zeitpunkt auf der linken Seite der Kolonne marschiert und nur eineinhalb bis zwei Meter entfernt gewesen. Er habe den SS. Mann Pansegrau, den er ja gut aus dem Lager gekannt habe, genau als Schützen in diesem Fall erkannt. Pansegrau sei zu diesem Zeitpunkt mit einem hellen Wintermantel und etwas Dickem um den Hals bekleidet gewesen. Auf dem Kopf habe er eine Mütze ohne Schirm getragen.
Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt, wenn er auch schon ein Muselmann gewesen sei, noch in einer guten körperlichen Verfassung gewesen und habe den Vorfall genau wahrnehmen können. Obwohl er sich bemühe, die Erinnerungen an das Lager Jaworzno und an die Evakuierung zu verdrängen und sich von diesen Erinnerungen, durch die er auch an Alpträumen leide, freizumachen, sei ihm dies in dem Fall der Erschießung des ehemaligen Rabbiners nie gelungen.
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Er sei sich der Täterschaft des SS. Mannes Pansegrau hundertprozentig sicher und habe sich an diesen Vorfall immer in der gleichen Weise erinnert. Er habe auch immer den SS. Mann Pansegrau als Täter in diesem Fall in Erinnerung gehabt.
Diese letzte Aussage des Zeugen Hoffmann, daß er nämlich immer den SS. Mann Pansegrau als Täter in Erinnerung gehabt habe, ist nicht richtig. Ebenso hat sich der Zeuge Hoffmann nicht immer daran erinnert, daß der SS. Mann Pansegrau von den Häftlingen Besen gerufen worden ist. Beides ergibt sich eindeutig aus der Vernehmung des Zeugen Hoffmann vom 12.3.1976 durch die Israel-Polizei, die von dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen Edelsberg in Anwesenheit des ersten Staatsanwaltes Gandorfer von der Staatsanwaltschaft Würzburg durchgeführt worden ist. Die Niederschrift über diese Vernehmung (22, 92 - 96) wurde dem Zeugen Hoffmann im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung wiederholt vorgehalten. Außerdem wurde Erster Staatsanwalt Gandorfer hierzu als Zeuge vernommen.
Erster Staatsanwalt Gandorfer hat dabei bekundet, die Vernehmung des Zeugen Hoffmann sei im Wesentlichen von ihm selbst durchgeführt worden. Er habe auch die Niederschrift selbst diktiert. Hoffmann habe in der deutschen Sprache ausgesagt. Verständigungsschwierigkeiten habe es nicht gegeben.
Der Zeuge Hoffmann habe seine Aussage so gemacht, wie sie niedergeschrieben worden sei. Er selbst habe sich bemüht, die Niederschrift möglichst wortgetreu nach der Aussage des Zeugen Hoffmann anzufertigen.
Soweit dem Zeugen im Rahmen der Vernehmung ein Vorhalt gemacht worden sei, sei dies in der Niederschrift vermerkt worden. Seiner Erinnerung nach sei dem Zeugen Hoffmann nur ein Vorhalt aus dem von dem Zeugen Edelsberg über eine informatorische Befragung gefertigten Bericht gemacht worden.
Weiter hat Erster Staatsanwalt Gandorfer ausgesagt, dem Zeugen Hoffmann sei zu Beginn meiner Vernehmung mitgeteilt worden, daß er über das Lager Jaworzno vernommen werden solle. Der Zeuge Hoffmann habe zunächst Angaben über den Zeitpunkt seiner Ankunft im Lager Jaworzno, über das Lager selbst und über seine verschiedenen Arbeitsstellen gemacht.
Dann habe er auf die Frage, ob er sich an SS. Leute aus diesem Lager erinnere, verschiedene Namen genannt, darunter Markewicz und Lausmann. Außerdem habe er von einem jungen blonden SS. Mann gesprochen, den man ist Lager „Besen“ genannt habe.
Dann sei dem Zeugen Hoffmann die Lichtbildmappe, die auch in der Hauptverhandlung benutzt wurde, vorgelegt worden. Nach Durchsicht habe Hoffmann zu Bildern den Angeklagten Olejak erklärt, dies sei der Rapportführer des Lagers Jaworzno. Zu einem Bild des Angeklagten Pansegrau habe er ausgesagt, dieser Mann sei auch in Jaworzno gewesen, einen Namen habe er nicht genannt.
278
Danach habe er den Zeugen Hoffmann gefragt, ob dieser zu Tötungen von Häftlingen im Lager Jaworzno Angaben machen könne. Der Zeuge Hoffmann habe daraufhin von sich aus einige Fälle aus der Lagerzeit geschildert, darunter auch einen Fall, bei dem ein Häftling im Wasserbassin des Lagers ertränkt worden sei.
Auf die weitere Frage, ab auf dem Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen worden seien, habe Hoffmann erklärt, dies sei der Fall gewesen. Der Marsch habe nachts begonnen und schon im Lager selbst sei auf Häftlinge geschossen worden. Während des Marsches sei ein früherer Rabbiner erschossen worden.
Einen Täter für diesen Fall habe der Zeuge Hoffmann zu diesem Zeitpunkt von sich aus nicht genannt.
Außerdem habe Hoffmann davon berichtet, daß in der letzten Nacht des Evakuierungsmarsches auf ihn selbst geschossen worden sei.
Er habe den Zeugen Hoffmann dann ausdrücklich gefragt ob er gesehen habe, dass der Rapportführer oder der SS. Mann Besen während der Evakuierung auf Häftlinge geschossen hätten. Hinsichtlich des Rapportführers habe Hoffmann dies verneint. Hinsichtlich des SS. Mannes Besen habe Haffmann ausgesagt dieser habe zu Beginn des Marsches, noch im Lager, während der Verteilung von Lebensmitteln auf Häftlinge geschossen.
Er habe dann dem Zeugen Hoffmann den von Edelsberg gefertigten Zwischenbericht über eine informatorische Befragung teilweise wörtlich vorgehalten. In diesem Bericht habe gestanden, daß Hoffmann Zeuge gewesen sei, wie der SS. Mann Pansegrau einen ehemaligen Rabbiner erschossen habe. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Name Pansegrau von dem Zeugen Hoffmann nicht genannt worden.
Hoffmann habe dann daraufhin ausgesagt, es falle ihm jetzt wieder ein, dass der SS. Mann mit dem Spitznamen Besen in Wirklichkeit Panzergrau geheißen habe und es dieser SS. Mann gewesen sei, der den ehemaligen Rabbiner erschossen habe. Hoffmann habe dann noch nähere Angaben über die Erschießung dieses Häftlings gemacht.
Zu Ende der Vernehmung habe er dann den Zeugen Hoffmann nochmals die Bildmappe vorgelegt und ihn gefragt, ob er jetzt den SS. Mann Pansegrau auf Bildern erkennen könne. Hoffmann habe dann zu den Angeklagten Pansegrau darstellenden Bildern erklärt, dies sei der Pansegrau. Hoffmann sei sich dessen allerdings nicht ganz sicher gewesen.
Auf Vorhalt an Ersten Staatsanwalt Gandorfer, daß in dem Zwischenbericht über die informatorische Befragung des Zeugen Hofmann nicht stehe, daß Pansegrau einen Rabbiner erschossen habe, sondern nur die Erschießung eines Häftlings durch Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch erwähnt sei, erklärte der Zeuge Gandorfer, er habe Hoffmann nur vorgehalten, was in dem Bericht über die informatorische Befragung gestanden habe.
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Aus dieser Aussage des Zeugen Gandorfer und dem Inhalt der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen Hoffmann vom 12.3.1976, die dem Zeugen Hoffmann im Rahmen seiner Vernehmung in der Hauptvorhandlung wiederholt vorgehalten worden ist, ergibt sich, daß sich der Zeuge Hoffmann bei der Vernehmung durch die Israel-Polizei nicht von sich aus an den Namen des Angeklagten erinnert hat. Trotzdem hat der Zeuge Hoffmann in der Hauptverhandlung bekundet, er habe diesen Namen immer gewußt. Warum er ihn damals nicht von sich aus genannt habe, wisse er nicht.
Weiter ergibt sich aus der Aussage den Zeugen Gandorfer, daß der Zeuge Hoffmann zu Beginn seiner Vernehmung zwar von einem jungen SS.Mann mit dem Namen Besen gesprochen hat, daß er diesen SS. Mann aber nicht mit dem Namen Pansegrau oder Panzergrau in Verbindung gebracht hat. Bei Vorlage der Lichtbilder hat der Zeuge Hoffmann damals die Bilder des Angeklagten Pansegrau dann weder mit dem SS. Mann Besen noch mit Panzergrau in Verbindung gebracht, sondern er hat lediglich bei einem Bild erklärt, diese Person sei in Jaworzno und ein Sadist gewesen.
Schließlich hat der Zeuge bei der erstmaligen Schilderung des Falles der Erschießung des früheren Rabbiners keinen Täter nennen können. Auch auf die ausdrückliche Frage des Vernehmungsbeamten Gandorfer, ob er gesehen habe, daß der „Besen“ auf dem Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen habe, brachte er die Erschießung des Rabbiners nicht mit diesem SS. Mann Besen und auch nicht mit dem SS. Mann Panzergrau in Verbindung.
Aus dieser Aussage den Zeugen Hoffmann bei der Israel-Polizei ergibt sich nach Auffassung der Kammer eindeutig, daß die Erklärung des Zeugen, er habe sich immer an den Namen Pansegrau erinnert und er habe diesen SS.Mann immer als den Täter im Falle der Erschießung des Rabbiners in Erinnerung gehabt, nicht richtig ist.
Der Zeuge Hoffmann hat sich vielmehr an die Identität des SS. Mannes Besen mit dem SS.Mann Panzergrau und an die Täterschaft dieses SS. Mannes im Falle der Erschießung des Rabbiners erst aufgrund eines Vorhaltes des vernehmenden Staatsanwalts erinnert. Dieser Vorhalt lautete, wie der Zeuge Gandorfer nach Vorhalt des Inhaltes des von Edelsberg gefertigten Zwischenberichtes vom 4.7.1975 bekundet hat, folgendermaßen:
... „Auf dem Evakuierungsmarsch hat Panzergrau in Anwesenheit des Zeugen einen Häftling erschossen.“..
Aus diesem Zwischenbericht ergibt sich im übrigen auch daß der Zeuge Hoffmann zum Zeitpunkt der Befragung durch Edelsberg der Meinung war, die SS.Leute Panzergrau und Besen seien nicht identisch gewesen. Insoweit heißt es in diesem Bericht:
... „Es sind ihm auch der Rapportführer, Panzergrau und ein Funktionär mit dem Spitznamen Besen erinnerlich. „ ...
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Die Kammer ist der Auffassung, daß bei dieser Aussage des Zeugen Hoffmann vor der Israel-Polizei bzw. dem vernehmenden deutschen Staatsanwalt nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Zeuge an den Täter im Falle der Erschießung des Rabbiners und an die Identität des SS. Mannes Pansegrau mit dem SS. Mann Besen eine sichere, klare und zuverlässige Erinnerung hat, auch wenn er in der Hauptverhandlung eine insoweit fast widerspruchslose Aussage gemacht hat.
Im Übrigen hat der Zeuge Hoffmann auch bei anderen Fällen der Tötung bzw. Mißhandlung von Häftlingen sowohl in der Hauptvorhandlung selbst widersprüchliche Angaben gemacht und diese Angaben stehen teilweise auch noch in Widerspruch zu seinen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung.
So hatte der Zeuge Hoffmann bei der polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe selbst gesehen, wie Lausmann in Gegenwart des Lagerführers einen Häftling mit Kleidern in das im Lager befindliche Bassin geworfen und dann ertränkt habe.
Am ersten Tag seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 28.12.1977 erklärte der Zeuge Hoffmann hierzu, Täter in diesem Fall sei der Rapportführer gewesen. Zu diesem Zeitpunkt seiner Vernehmung sprach der Zeuge Hoffmann auch noch davon, daß der Rapportführer und ein SS. Mann, der immer einen Hund und eine Verletzung an den Fingern der linken Hand gehabt habe, ein und dieselbe Person gewesen seien.
Nach Vorhalt seiner Aussage bei der Israel-Polizei erklärte der Zeuge Hoffmann dann im Laufe seiner weiteren Vernehmung in der Hauptverhandlung, er habe das Bild wieder vor seinen Augen, Täter seien Lausmann und noch ein SS. Mann gewesen, an dessen Name er sich nicht erinnere.
In einem weiteren Fall einer Häftlingstötung hatte der Zeuge Hoffmann bei der Vernehmung durch die Polizei bekundet, an der Baustelle des Kraftwerkes habe einmal ein junger, rothaariger Häftling aus Munkatz während eines Bombenalarms zu flüchten versucht. Er habe sich versteckt gehabt und sei längere Zeit mit Hunden gesucht worden. Schließlich sei er gefunden worden. Der Kommandoführer Lausmann und der Oberkapo hätten solange auf ihn eingeschlagen bis er tot gewesen sei.
In der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge Hofmann am Beginn seiner Vornehmung, der junge rothaarige Häftling aus Munkatz sei von dem Rapportführer, Pansegrau und dem Oberkapo totgeschlagen worden.
Im Rahmen der Befragung durch Rechtsanwalt Haase meinte der Zeuge Hoffmann dann, die Täter in diesem Fall seien der Oberkapo, Pansegrau und Lausmann gewesen. Er sei vollkommen sicher, daß Pansegrau damals dabei gewesen sei. Warum er unterschiedliche Angaben mache, könne er nicht sagen.
Wie unsicher und unscharf die Erinnerung des Zeugen Hoffmann an die damalige Zeit ist, beweist auch die Tatsache, daß Hoffmann bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt hat, der Junge SS.Mann Besen sei dabei gewesen, als bei Beginn der Evakuierung, noch im Lager Jaworzno, während der Verteilung von Brot auf Häftlinge geschossen worden sei.
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Hieran hat sich der Zeuge Hoffmann bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung überhaupt nicht mehr erinnert. Im Übrigen sieht es die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme als erwiesen an, daß zu Beginn des Marsches im Lager selbst, insbesondere bei der Verteilung von Lebensmitteln, nicht auf die Häftlinge geschossen worden ist. Dies haben praktisch alle vernommenen Zeugen übereinstimmend bestätigt. Hier sei nur auf das Buch von Dr. Novy aus dem Jahre 1949 hingewiesen, in dem Dr. Novy berichtet hat, die Lebensmittel seien zum größten Teil an die Häftlinge verteilt worden. Daß dabei auch auf die Häftlinge geschossen worden sei, hat Dr. Novy nicht berichtet.
Schließlich geht die Kammer auch, wie bereits ausgeführt, davon aus, daß die Angaben, die der Zeuge Hoffmann zur Person des Angeklagten Olejak und zu der Frage, wer in Jaworzno Rapportführer war, nicht richtig sind. Auf die Widersprüche in diesem Teil der Aussage des Zeugen Hoffmann wurde bereits hingewiesen.
Unter Berücksichtung und Würdigung der gesamten Aussagen des Zeugen Hoffmann sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß es der Angeklagte Pansegrau war, der auf den ehemaligen Rabbiner geschossen hat.
13. Die Aussage des Zeugen Aron Pernat zur Person des Angeklagten Olejak bzw. dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu den Anklagepunkten I 1, I 4, II 1, II 7, II 8 wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 278 und 279, 364; 386 und 387; 421 u.425).
Zur Frage von Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch erklärte der Zeuge Pernat bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv, bei diesem Marsch seien viele Häftlinge erschossen worden. Er selbst habe gesehen, wie der SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka dabei auf Häftlinge geschossen habe. Einzelheiten über die Erschießungen hat der Zeuge Pernat nicht angeben können.
Hinsichtlich den Rapportführers bekundete der Zeuge Pernat, dieser habe auf dem Evakuierungsmarsch mit einem einzigen Schuß aus einer Pistole drei hintereinander laufende Häftlinge niedergeschossen.
Die Kammer hat bereits zum Ausdruck gebracht, daß sie die gesamte Aussage des Zeugen Pernat wegen der zahlreichen Widersprüche zwischen seiner polizeilichen Vernehmung und seiner Aussage vor dem Amtsgericht Tel Aviv nicht für sicher und zuverlässig hält. Gegen eine sichere Erinnerung des Zeugen spricht auch daß er den Rapportführer den Lagers Jaworzno, den er auf den den Angeklagten Olejak darstellenden Bildern wiedererkannt haben will, immer in Jaworzno und auch beim Evakuierungsmarsch gesehen haben will.
14. Der Zeuge Leon Krzetowski, der am 6.4.1978 und 7.4.1978 in der Hauptverhandlung vernommen worden ist, hat dabei ausgesagt, er sei von September 1943 bin zur Auflösung den Lagers in Jaworzno inhaftiert gewesen.
Die Namen der Angeklagten kenne er nicht.
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Von den SS. Leuten in Jaworzno erinnere er sich an Lausmann, Markewicz, Freudenreich und an einen jungen Mann, der von den Häftlingen Mietliczka genannt worden sei. Dieser Mietliczka sei auch auf dem Evakuierungsmarsch dabei gewesen. Während des Marsches seien viele, insbesondere schwache Häftlinge erschossen worden.
Er habe einmal gesehen, wie dieser Mietliczka während des Marsches etwa 20 Häftlinge mit in einen Wald abseits der Kolonne genommen habe. Mietliczka habe eine Maschinenpistole dabeigehabt. Kurze Zeit später habe er Schüsse gehört und Mietliczka sei ohne die Häftlinge zur Kolonne zurückgekehrt. Insgesamt sei Mietliczka etwa 15 - 20 Minuten von der Kolonne weggewesen. Was den betreffenden Häftlingen passiert sei, wisse er nicht. Er nehme aber an, daß Mietliczka sie erschossen habe, da er allein zurückgekommen sei.
Auch aufgrund dieser Aussage, ihre Richtigkeit unterstellt, kann eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht erfolgen. Denn was sich tatsächlich in dem betreffenden Wald abgespielt hat und ob die Häftlinge tatsächlich erschossen worden sind, konnte der Zeuge Krzetowski nicht sehen. Auf die Frage, ob der Zeuge Krzetowski, wenn er von Mietliczka spricht, den Angeklagten Pansegrau meint, kommt es deshalb nicht an.
15. Der Zeuge Tadeusz Lopaczewski, der in Lodz in Polen wohnhaft ist, wurde am 22.5., 23.5., 26.5. und 29.5.1978 in der Hauptverhandlung vernommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum des Sitzungssaales mit mehreren Vergleichspersonen saßen, deutete der Zeuge Lopaczewski auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, diese Person sei ihm aus Jaworzno bekannt. Das gleiche äußerte der Zeuge zu dem Angeklagten Olejak. Weiter deutete der Zeuge auf den Ergänzungsschöffen Zang, wobei er bekundete, auch diese Person könne in Jaworzno gewesen sei. So wie diese Person könne heute der Pansegrau aussehen.
Bei Vorlage der Lichtbilder meinte der Zeuge Lopaczewski zu den Bildern Nr. 5, 6 und 7 der Bildtafeln und zu den Bildern Nr. 26, 27 und 28 des Bildbandes, die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der Pansegrau.
Weiter sagte der Zeuge Lopaczewski folgendes aus: Nach seiner Verhaftung sei er zunächst in das Konzentrationslager Birkenau eingeliefert worden, wo er bei verschiedenen Kommandos habe arbeiten müssen. In Birkenau sei er bis Ende August 1943 geblieben.
Schon während dieser Zeit in Birkenau habe er im Juni 1943 den SS.Mann Pansegrau, der auch schon in Birkenau Mietliczka genannt worden sei, kennengelernt. Damals habe er nicht gewußt, welcher dieser beiden Namen der richtige Name gewesen sei. Erst nach Kriegsende habe er von ehemaligen Mithäftlingen erfahren, daß Pansegrau der richtige Name dieses Mannes und Mietliczka ein Spitzname gewesen sei.
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Auch im Juli und August 1943 habe er Pansegrau noch in Birkenau gesehen, insoweit sei er sich ganz sicher. Im Juni 1943 habe es in Birkenau einen Vorfall gegeben, bei dem zwei griechische Häftlinge von Lausmann, der später auch in Jaworzno gewesen sei, und von Pansegrau zusammen mit einem Kapo getötet worden seien. Die betreffenden Häftlinge seien von der schweren Arbeit erschöpft gewesen und von Lausmann und dem Kapo in der Weise getötet worden, daß diese eine Holzstange auf den Hals der Häftlinge gelegt und diese damit erwürgt hätten. Pansegrau habe sich daran auch beteiligt. Im Rahmen dieses Vorfalles habe er von Mithäftlingen erfahren, daß einer der beteiligten SS. Leute Pansegrau bzw. Mietliczka geheißen habe.
Als er selbst Anfang September 1943 nach Jaworzno gekommen sei, habe er Pansegrau in Jaworzno wieder gesehen. Wahrscheinlich sei dieser gleichzeitig mit ihm selbst von Birkenau nach Jaworzno verlegt worden. Auch Lausmann habe er dann in Jaworzno wieder gesehen.
Auf dem Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer habe er selbst gesehen, wie dieser SS. Mann Pansegrau mindestens zwei Häftlinge erschossen habe. Der Abmarsch aus Jaworzno sei abends gegen 23.00 oder 24.00 Uhr erfolgt. In der Nacht vorher habe er nicht geschlafen, da das Lager von einer Bombe getroffen worden sei und deshalb im Lager unter den Häftlingen große Unruhe geherrscht habe. Der Fußmarsch habe über Beuthen und Gleiwitz nach Blechhammer geführt und insgesamt 4 Nächte und 3 Tage gedauert.
Am Ende der Kolonne sei auch ein etwa zwei Meter langer Schlitten mitgeführt worden, auf dem sich Gepäck von SS. Leuten befunden habe. Der Schlitten sei jeweils von 6 - 10 Häftlingen gezogen bzw. geschoben worden.
Zwischen Beuthen und Gleiwitz sei er von einem ihm nicht mehr erinnerlichen SS. Mann auch zum Schieben an diesem Schlitten eingeteilt worden. Er habe mehrere Stunden und über eine Strecke von ca. 15 km beim Transport des Schlittens mitgeholfen. Ob dies während der Nacht oder bei Tag gewesen sei, wisse er nicht mehr sicher. Das Ziehen des Schlittens sei sehr anstrengend und er und die anderen Häftlinge am Schlitten seien sehr erschöpft gewesen. Deshalb sei der Abstand zu der eigentlichen Häftlingskolonne immer größer geworden.
Noch bevor die Kolonne die Stadt Gleiwitz erreicht habe, sei es ihm gelungen, vom Schlitten wegzulaufen und in der Kolonne unterzutauchen. Etwa zwei oder drei Stunden, nachdem ihm dies gelungen sei, habe er das Bewusstsein verloren. Von Freunden sei er dann bis zu einer Scheune, in der eine längere Pause gemacht worden sei, mitgezogen worden. In dieser Scheune sei er dann wieder zu sich gekommen.
Während der Zeit, in der er den Schlitten geschoben habe, habe sich auch der SS.Mann Pansegrau zusammen mit anderen SS. Leuten in der Nähe des Schlittens aufgehalten. Pansegrau habe damals Stiefel, die übliche SS. Uniform und eine Mütze, ein sogenanntes Schiffchen, getragen. Ob er auch einen Mantel angehabt habe, wisse er nicht. mehr. Während er selbst den Schlitten geschoben habe, habe er beobachtet, wie Pansegrau und die anderen SS. Leute auf erschöpfte Häftlinge geschossen hätten. Die SS. Leute seien dabei in seiner unmittelbaren Nähe gewesen, vielleicht 4, 5 oder 10 Meter von ihm entfernt.
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Von Pansegrau habe er mindestens Zwei Fälle gesehen, in denen dieser auf Häftlinge geschossen habe. Pansegrau habe eine Maschinenpistole benutzt, die er dann auf den Schlitten gelegt habe. Dabei habe er ihn deutlich an seinem Gesicht erkannt. Auch vorher habe er ihn schon an seinem Gesicht erkannt gehabt.
Er selbst habe sich dann die Maschinenpistole, die von Pansegrau auf den Schlitten gelegt worden sei, aneignen wollen. Er habe dies dann aber unterlassen, nachdem er festgestellt habe, daß kein Magazin mehr in der Maschinenpistole gewesen sei.
Zu diesem Zeitpunkt, als er Pansegrau und die anderen SS. Leute beim Schießen auf Häftlinge beobachtet habe, sei seine eigene körperliche Verfassung noch gut gewesen und er habe diesen SS. Mann noch klar und deutlich erkennen können.
Die Kammer verkennt nicht, daß der Angeklagte Pansegrau durch diese Aussage des Zeugen Lopaczewski schwer belastet wird. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch die Aussage auch dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig anzusehen, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.
Zum einen ist nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung davon auszugehen, daß die Angaben, die der Zeuge Lopaczewski über den angeblichen Aufenthalt des Angeklagten Pansegrau in den Monaten Juli und August 1943 im Lager Birkenau gewacht hat, nicht richtig sind. Es wurde bereits ausgeführt, daß der Angeklagte Pansegrau bereits ins Juni 1945 in das Lager Jaworzno versetzt worden ist. Dies ergibt sich sowohl aus der Einlassung des Angeklagten Pansegrau selbst, als auch aus den Aussagen der über das Lager und die dort eingesetzten SS. Leute gut informierten Zeugen Sicinski, Smigielski und Pasikowski. Alle drei Zeugen haben übereinstimmend bekundet, Pansegrau sei, ebenso wie sie selbst, von Anfang an, also von Juni 1943 an, im Lager Jaworzno gewesen.
Auch die Aussage den Zeugen Lopaczewski, er habe den für Pansegrau in Jaworzno gebrauchten Rufnamen Mietliczka schon in Birkenau von Mithäftlingen gehört, ist nicht richtig, da der Angeklagte Pansegrau diesen Spitznamen erst im Lager Jaworzno von den Häftlingen bekommen hat. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Aussage des Zeugen Pasikowski.
Zum anderen hat die Kammer ernsthafte Zweifel daran, ob der körperliche Zustand des Zeugen Lopaczewski zu dem Zeitpunkt, als er den Angeklagten Pansegrau beim Schießen auf Häftlinge beobachtet haben will, noch so gut war, daß er die betreffenden SS. Leute sicher und zuverlässig erkennen und unterscheiden konnte. Der Zeuge selbst hat dies zwar bejaht. Gleichzeitig aber hat er ausgesagt, das Schlittenschieben sei sehr anstrengend und er sei sehr erschöpft gewesen. Dies ist unter Berücksichtigung der bereits mehrfach geschilderten Bedingungen, unter denen die Häftlinge bei der Evakuierung zu leiden hatten, durchaus verständlich. Dazu kommt noch, daß der Zeuge selbst ausgesagt hat, er habe auch in der Nacht vor Beginn des Evakuierungsmarsches wegen der Bombardierung den Lagers Jaworzno nicht geschlafen gehabt.
Weiter hat der Zeuge Lopaczewski dann bekundet, etwa zwei bis drei Stunden, nachdem er vom Schlitten weggelaufen sei, habe er völlig das Bewußtsein verloren und sei erst wieder während der längeren Rastpause in einer Scheune zu sich gekommen.
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Hiermit meint der Zeuge offensichtlich die Pause, die am Freitagnachmittag in der Nähe von Peiskretscham in einer Scheune eingelegt wurde.
Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Wahrnehmungsfähigkeit den Zeugen auch schon während des Schlittenschiebens erheblich eingeschränkt war. Hierzu ist zu bemerken, daß sich der Zeuge sicher war, zum Schlittenschieben zwischen Beuthen und Gleiwitz eingesetzt worden zu sein. Er konnte allerdings nicht mehr sicher sagen, ob er den Schlitten während der Nacht oder tagsüber geschoben hat.
Es wurde bereits ausgeführt, daß der Abmarsch der Häftlinge aus Beuthen gegen 4.00 Uhr morgens am 19.1.1945 erfolgt ist (vgl. Seite 48) und daß die Häftlinge am Vormittag dieses Tages die Stadt Gleiwitz passiert haben. Es ist deshalb durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, daß der Zeitraum, in dem der Zeuge Lopaczewski zum Schlittenschieben eingenetzt worden ist, noch in die Nacht oder zumindest in die Dämmerung gefallen ist. Der Zeuge selbst konnte sich, wie bereits erwähnt, insoweit nicht mehr sicher erinnern. Er meinte, es könne sowohl nachts als auch tagsüber gewesen sein, als er den Schlitten geschoben habe.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit der Häftlinge auf dem Evakuierungsmarsch während der Nächte wegen des allenfalls geringfügigen Mondlichtes in Verbindung mit den anderen ebenfalls bereits dargelegten Umständen (Ermüdung und Erschöpfung der Häftlinge, Winterkleidung der SS. Leute) sehr eingeschränkt war. Im Übrigen will der Zeuge Lopaczewski den SS. Mann Kraus, von den Häftlingen Lapka genannt, ebenfalls beim Evakuierungsmarsch gesehen haben. Bei seiner Vernehmung durch eine polnische Richterin am 27.10.1976, die ihm im Rahmen seiner Aussage in der Hauptverhandlung mehrfach vorgehalten worden ist, hat der Zeuge Lopaczewski sogar noch gemeint, zusammen mit Pansegrau habe auch Kraus auf Häftlinge geschossen, als er selbst den Schlitten geschoben habe. Es wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zu dem Inhalt des Buches „Rückkehr unerwünscht" von Dr. Novy (vgl. Seite 175 - 191) darauf hingewiesen, daß die Kammer die Teilnahme des SS. Unterscharführers Kraus am Evakuierungsmarsch nicht als erwiesen ansieht.
Bei Berücksichtigung und Würdigung der gesamten Aussage des Zeuge Lopaczewski sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau unter den von dem Zeugen geschilderten Umständen während des Evakuierungsmarschs auf Häftlinge geschossen hat.
16. Der Zeuge Piotr Kowalczyk, der ebenso wie der Zeuge Lopaczewski in Lodz in Polen wohnhaft ist, hat zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptvorhandlung, als die beiden Angeklagten noch unter mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, auf den Angeklagten Pansegrau gedeutet und erklärt, er kenne diesen Mann, dies sei der Mietliczka. Unter diesem Namen habe er ihn gleich bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno im August 1943 kennengelernt. Am Ende der Lagerzeit, kurz vor der Evakuierung, habe er von Mithäftlingen erfahren, daß der richtige Name dieses Mietliczka Pansegrau sei.
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Bei Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge zu den Bildern 5 und 6, die den Angeklagten Pansegrau darstellen, diese Person sei der Pansegrau. Auch zu Bild 27 des Bildbandes meinte der Zeuge, die abgebildete Person sei Pansegrau.
Zum Evakuierungsmarsch sagte der Zeuge Kowalczyk folgendes aus:
Der Abmarsch aus dem Lager sei abends erfolgt. Während des Marsches habe er die SS. Leute Krause, der in Jaworzno Blockführer gewesen sei, und Pansegrau gesehen. Es seien viele Häftlinge von den SS. Leuten erschossen worden, vor allem schwache Häftlinge und solche, die versucht hätten, zu fliehen.
Nach der letzten Pause vor Blechhammer habe jeder Häftling versucht, den anderen irgendwie zu helfen oder sich helfen zu lassen. Auch er selbst habe zusammen mit anderen Häftlingen, einen Häftling, der im gleichen Block wie er gewesen sei und Rosinski geheißen habe, eine Zeitlang mitgeschleppt. Als sie selbst keine Kraft mehr gehabt hätten, habe Rosinski gesagt, sie sollten ihn liegenlassen. Er und der andere Häftling, der zuvor Rosinski geführt hätte, hätten ihn hingesetzt und seien weitergelaufen. Nachdem er selbst etwa 5 - 6 Meter weggegangen gewesen sei, habe er einen Schuß gehört und sich umgeschaut. Obwohl es Nacht gewesen sei, habe er Pansegrau in der Nähe dieses Häftlings gesehen, mit einer Pistole in der Hand. Dieser Vorfall habe sich kurz vor Erreichen den Lagers Blechhammer ereignet. Er sei sich allerdings nicht sicher, daß Pansegrau auf den Häftling geschossen habe, es könne auch ein anderer SS. Mann gewesen sein.
Der Zeuge Kowalczyk war im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bereits zweimal vernommen worden, einmal am 6.2.1970 und einmal am 22.10.1976. Die dabei gefertigten Niederschriften wurden dem Zeugen im Rahmen seiner Aussage in der Hauptverhandlung mehrmals vorgehalten.
Nachdem dem Zeugen aus diesen Niederschriften vorgehalten worden ist, daß er sowohl 1970 als auch 1976 zwar die Erschießung des Häftlings Rosinski erwähnt, beide Male aber erklärt hatte, Rosinski bei von einem ihm nicht bekannten SS. Mann mit einem Gewehr erschossen worden, erklärte der Zeuge Kowalczyk, ihm sei die Täterschaft des SS. Mannes Pansegrau wieder eingefallen, als er erfahren habe, daß er in der Hauptverhandlung vernommen werden solle.
Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung bekundete der Zeuge Kowalczyk dann weiter, es habe zwei Fälle gegeben, in denen auf Häftlinge geschossen worden sei. In dem einen Fall sei der ihm bekannte Häftling Rosinski das Opfer gewesen. In diesem Fall sei ihm der Täter nicht bekannt gewesen. In dem zweiten Fall sei ihm das Opfer unbekannt und der Täter bekannt gewesen. Täter sei der SS.Mann Pansegrau gewesen. Sicher könne er das allerdings nicht mehr sagen.
Diese unterschiedlichen Darstellungen und Widersprüche in der Aussage des Zeugen Kowalczyk in der Hauptverhandlung selbst und zu den beiden Aussagen im Ermittlungsverfahren beweisen nach Auffassung der Kammer, daß sich der Zeuge weder an die Person, die auf den Haftung Rosinski geschossen hat, noch daran, ob Pansegrau bzw. Mietliczka beim Evakuierungsmarsch auf einen Häftling geschossen hat, sicher und zuverlässig erinnern kann.
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Im Übrigen hat der Zeuge Kowalczyk weder bei der Vernehmung im Jahre 1970 noch bei der im Jahre 1976 den SS. Mann Mietliczka mit dem Namen Pansegrau in Verbindung gebracht, obwohl der Zeuge in der Hauptverhandlung bekundet hat, er habe von der Identität dieser beiden Personen noch im Lager Jaworzno erfahren
Die Kammer sieht es unter diesen Umständen nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau während des Evakuierungsmarschs auf einen Häftling geschossen hat.
17. Der Zeuge Jozef Szmidt, der in Warschau wohnhaft ist und als jüdischer Häftling in Jaworzno war, wurde am 5.6., 7.6., 8.6. und 12.6.1978 in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen.
Zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch mit mehreren Vergleichspersonen im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, ging der Zeuge auf den Angeklagten Pansegrau zu und bat diesen, aufzustehen und ihm seine Zähne zu zeigen. Dann meinte der Zeuge, er glaube, daß diese Person der SS. Mann Mietliczka sei.
Auf die Frage, warum er sich von ihm zunächst die Zähne habe zeigen lassen, erklärte der Zeuge Szmidt, Mietliczka habe im Lager einen Silberzahn gehabt. Er sei sich dessen zwar nicht sicher, aber er glaube es.
Bei Vorlage der Lichtbilder bekundete der Zeuge Szmidt zu den Bildern 5, 6 und 7 der Bildtafeln (Angeklagter Pannegrau) und zu den Bildern 27 und 28 des Bildbandes (ebenfalls der Angeklagte Pannegrau), die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der Mietliczka. Mietliczka sei damals etwa so alt wie er selbst (geboren am 17.2.1923) und wahrscheinlich blond gewesen. Außer Mietliczka erinnerte er sich insbesondere aus der Lagerzeit noch an die SS. Leute Lausmann und Krause. Lausmann sei untersetzt und dunkelblond gewesen. Er habe ebenfalls einen Silberzahn gehabt. Krause sei älter und größer gewesen, an einer Hand hätten ihm Finger gefehlt. Mietliczka habe oft einen Hund im Lager mit sich geführt.
Wie Mietliczka richtig geheißen habe, wisse er nicht. Es könne jedoch möglich sein, daß der richtige Name dieses SS. Mannes Olejak gewesen sei.
Einen SS.Mann mit dem Namen Pansegrau habe es in Jaworzno auch gegeben. An ihn könne er sich jedoch nicht mehr so genau erinnern. Er sei sich allerdings sicher, daß der SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka und Pansegrau zwei verschiedene Leute gewesen seien.
Während des Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Blechhammer habe er gesehen, wie dieser Mietliczka viele Häftlinge erschossen habe. Diese Beobachtungen habe er tagsüber gemacht, als er zeitweilig am Ende der Kolonne gewesen sei. Etwa 30 - 40 Meter hinter den letzten Häftlingen seien SS. Leute, darunter auch Mietliczka gewesen. Dieser sei jung, gesund und „ein heißer Junge“ gewesen. Er habe eine Maschinenpistole gehabt und sich wie auf einem Kampffeld benommen.
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Wenn ein Häftling gestürzt sei, habe Mietliczka diesen Häftlinge „angefallen und erledigt“. Mietliczka habe seine Maschinenpistole so eingestellt gehabt, daß bei einem Feuerstoß immer zwei Schüsse gefallen seien.
Mietliczka habe er vom Lager her gekannt und deshalb besonders auf ihn geachtet. Nachts habe Mietliczka einen Mantel angehabt, während er tagsüber ohne Mantel gelaufen sei und sogar seine Ärmel hochgewickelt gehabt habe. Er habe damals Mietliczka hinter der Kolonne gesehen und es sei ihm so vorgekommen, daß es Mietliczka gewesen sei, der geschossen habe. Die anderen SS. Leute hinter der Kolonne habe er nicht gekannt.
Nach Ansicht der Kammer bietet diese Aussage des Zeugen Szmidt nicht die Gewähr dafür, daß der Zeuge, wenn er von dem SS. Mann Mietliczka spricht, den Angeklagten Pansegrau meint, obwohl er die den Angeklagten Pansegrau darstellenden Bilder als solche des Mietliczka bezeichnet hat.
So hat der Zeuge Szmidt als einziger der vernommenen Zeugen ausgesagt, ein besonderes Kennzeichen des SS. Mannes Mietliczka sei ein Silberzahn gewesen. Es wurde bereits ausgeführt, daß es nicht der Angeklagte Pansegrau, also der SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka, sondern der SS.Mann Lausmann war, der dieses Kennzeichen im Lager Jaworzno gehabt hat. Auch der Zeuge Szmidt hat im Übrigen bekundet, Lausmann habe als besonderes Merkmal einen Silberzahn gehabt.
Der Angeklagte Pansegrau hat sich hierzu eingelassen, er habe damals zwar schon sine Metallbrücke gehabt, diese sei aber nicht von vorne sichtbar gewesen, sondern hinter den Zähnen verlaufen.
Weiter meinte der Zeuge Szmidt, dieser ihm als Mietliczka bekannte SS. Mann habe im Lager einen Hund gehabt. Dies trifft, wie schon wiederholt ausgeführt wurde, nicht auf den Angeklagten Pansegrau zu.
Schließlich hat der Zeuge Szmidt selbst ausgesagt, im Lager Jaworzno habe es einen SS. Mann Pansegrau gegeben und er sei sich sicher, daß dieser Pansegrau und der ihm als Mietliczka bekanntgewordene SS. Mann nicht identisch gewesen seien.
Unter diesen Umständen kann nicht sicher davon ausgegangen werden, daß der Zeuge Szmidt den Angeklagten Pansegrau meint, wenn er von Mietliczka spricht.
Im Übrigen erscheint es nach der Aussage des Zeuge Szmidt möglich, daß er, soweit er einen Täter für Erschießungen auf dem Evakuierungsmarsch nennt, nicht nur eigene Wahrnehmungen, sondern auch Schlussfolgerungen wiedergibt.
Zunächst ist hier darauf hinzuweisen, daß sich die Erschießungen, die der Zeuge Szmidt am Ende der Kolonne beobachtet hat, hinter ihm selbst zugetragen haben. Dies bedeutet, daß der Zeuge irgendwelche Beobachtungen nur beim Zurückschauen gemacht haben kann, während er selbst weiter nach vorne gelaufen ist.
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Es erscheint sehr zweifelhaft, ob unter diesen Umständen sichere Beobachtungen und ein sicheres Erkennen der SS. Leute für den Zeugen, der selbst, wie er bekundet hat, sehr erschöpft war, überhaupt möglich war.
weiter hat der Zeuge ausgesagt, er habe Mietliczka vom Lager her gekannt und als er seine Beobachtungen bezüglich der Erschießungen gemacht habe, sei es ihm so vorgekommen, daß es Mietliczka gewesen sei, der geschossen habe.
Bei dieser Aussage des Zeugen kann nach Auffassung der Kammer nicht sicher ausgeschlossen werden, daß der Zeuge das Schießen auf Häftlinge, das er beobachtet hat, einer bestimmten Person zugeordnet hat, die er gekannt und der er solche Taten aufgrund ihres anderen Verhaltens zugetraut hat. Von der Gefahr einer solchen Übertragung von Taten auf Personen, denen ein Zeuge diese Taten zutraut, hat auch schon der Sachverständige Prof. Dr. Undeutsch in seinem Gutachten gesprochen. Für eine solche Übertragung spricht im Übrigen auch, daß der Zeuge Szmidt nach seiner Aussage nur den SS. Mann Mietliczka beim Schießen auf Häftlinge beobachtet haben will.
Insgesamt sieht es die Kammer daher aufgrund der Aussage den Zeugen Szmidt nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau Während des Evakuierungsmarsches auf Häftlinge geschossen hat.
18. Die Aussage des Zeugen Walerian Redyk, der ebenfalls in Polen wohnhaft ist, zur Person des Angeklagten Olejak und zu dessen Aufenthalt in Jaworzno wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 263).
Den Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum do, Sitzungssaales saßen, nicht erkannt, ebenso auch nicht den Angeklagten Olejak. Er hielt vielmehr den Ergänzungsschöffen Zang für Pansegrau und einen Justizangestellten für Olejak.
Bei Vorlage der Bilder meinte der Zeuge Redyk zu den Bildern 14 und 17 der Bildtafeln (Angeklagter Olejak) und 5 und 6 der Bildtafeln (Angeklagter Pansegrau), die auf diesen Bildern abgebildete Person sei der „Passengrau“. Dieser Passengrau, der auch Pansegrau geheißen haben könne, sei der schlimmste SS. Mann in Jaworzno gewesen, er habe viel geschrien und geschlagen. Er selbst sei von diesem SS.Mann allerdings nicht geschlagen worden.
Während des Evakuierungsmarsches habe er viele Fälle gesehen, bei denen auf Häftlinge geschossen worden sei. Täter seien der Pansegrau, der Olejak und der Lausmann und auch ihm namentlich nicht bekannte SS. Leute gewesen.
Er könne sich noch an einen Fall erinnern, wo Passengrau auf einen jungen Häftling geschossen habe. Dies sei zwischen Gleiwitz und Blechhammer gewesen, und zwar wenige Stunden vor Erreichen des Lagers Blechhammer. Im Vorbeigehen habe er gehört, wie der junge Häftling bei Passengrau, der mit einer Maschinenpistole in der Hand neben ihm gestanden habe, um sein Leben gebettelt habe. Auch andere Wachleute seien in der Nähe gestanden.
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Nachdem er schon 15 - 20 Meter von dem Häftling entfernt gewesen sei, habe er hinter sich einen Schuß gehört. Ob der Häftling getroffen worden sei, könne er nicht sagen.
Zu diesem Vorfall ist zu bemerken,. daß der Zeuge Redyk weder gesehen hat, wer auf den Häftling geschossen hat, noch ob überhaupt auf den Häftling geschossen worden ist. Im Übrigen konnte der Zeuge nur allgemein berichten, von Passengrau, Olejak und Lausmann sei auf dem Evakuierungsmarsch geschossen worden.
Die Kammer sieht deshalb die Aussage dieses Zeugen, der auch Olejak beim Schießen auf dem Evakuierungsmarsch gesehen haben will, nicht als sicher und zuverlässig genug an, um den Angeklagten Pansegrau mit der Erschießung eines Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch oder auch nur des Schießens auf Häftlinge zu überführen.
19. Die Aussage des Zeugen Mieczyslaw Baran zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer von dessen Einsatz im Lager Jaworzno und seiner angeblichen Teilnahme am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 264).
Weiter hat der Zeuge Baran ausgesagt, Pansegrau, der von den Häftlingen Mietliczka genannt worden sei, sei der jüngste SS. Mann im Lager Jaworzno gewesen. Er habe ihn immer zusammen mit Olejak im Lager gesehen. Bei der Vernehmung im Jahre 1975 sei ihm der Name Pansegrau nicht eingefallen, obwohl er ihn schon damals gekannt habe.
Den Evakuierungsmarsch habe er nicht bis zu Ende mitgemacht. Zwischen Beuthen und Gleiwitz sei es ihm zusammen mit zwei anderen Häftlingen gelungen, von der Kolonne zu fliehen.
Er habe sowohl Olejak als auch Pansegrau während des Evakuierungsmarsches gesehen. Pansegrau sei auf einem Motorrad an der Kolonne auf und abgefahren. Zu Beginn des Evakuierungsmarsches habe Olejak ihm befohlen, einen kleinen Wagen zu ziehen, auf den er, Olejak, Gepäck gelegt habe. Auch Pansegrau habe ein Gepäckstück auf diesen Wagen geworfen.
Kurze Zeit nach Verlassen des Lagers habe er zufällig gehört, wie Pansegrau zu einem anderen SS.Mann gesagt habe, er fahre jetzt mit dem Motorrad in das Lager zurück und erledige dort die kranken Häftlinge, die im Lager zurückgeblieben seien. Er habe dies verstanden, da er damals die deutsche Sprache gut beherrscht habe. Er habe dann einige Zeit später beobachtet, wie Pansegrau mit dem Motorrad zu der Kolonne zurückgekehrt sei. Er habe auch gehört, wie Pansegrau zu einem anderen SS.Mann sinngemäß gesagt habe, er habe dies erledigt.
Auf die Frage, ob er gesehen habe, daß Olejak und Pansegrau während des Evakuierungsmarschs auf Häftlinge geschossen hätten, erklärte der Zeuge Baran zunächst, er habe dies nicht gesehen. Später meinte der Zeuge Baran dann, er habe doch gesehen, wie Pansegrau auf Häftlinge geschossen habe,
Pansegrau habe eine Maschinenpistole und eine normale Pistole gehabt.
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Mit diesen Waffen habe er abwechselnd auf Häftlinge geschossen.
Auf die Frage, ob er Pansegrau während des Marsches auch ohne Motorrad gesehen habe, antwortete der Zeuge Baran zunächst mit nein. Später meinte er dann, er habe ihn zu Beginn des Evakuierungsmarsches auf der Strecke zwischen Jaworzno und Myslowitz ohne Motorrad gesehen. während er dann das Motorrad gehabt habe, habe er es, um schießen zu können, jeweils kurz abgestellt.
Die Kammer hält die Aussage dieses Zeugen, was die Teilnahme von Olejak am Evakuierungsmarsch und das angebliche Verhalten des Angeklagten Pansegrau beim Evakuierungsmarsch betrifft, für völlig unglaubwürdig, obwohl der Zeuge Baran seine Aussage sehr sicher gemacht hat. Daß der Zeuge den Angeklagten Olejak beim Evakuierungsmarsch nicht gesehen haben kann, wurde bereits ausgeführt.
Die Kammer ist auch der Überzeugung, daß der Angeklagte Pansegrau während des Evakuierungsmarsches kein Motorrad benutzt hat. Hierzu hat sich der Angeklagte Pansegrau dahingehend eingelassen, er habe erst 1956 einen Führerschein erworben und habe vorher kein Motorrad fahren können. Im Übrigen hat auch kein anderer Zeuge bestätigt, Pansegrau während des Evakuierungsmarsches auf einem Motorrad gesehen zu haben. Lediglich der Lagerführer Pfütze soll nach den Aussagen mehrerer Zeugen zeitweilig bei der Evakuierung ein Motorrad benutzt haben.
Auch soweit der Zeuge Baran bekundet bat, er habe gehört, wie Pansegrau zunächst gesagt habe, er fahre in das Lager zurück um die kranken Häftlinge zu erledigen und dann einem anderen SS. Mann mitgeteilt habe, er habe dies erledigt, ist diese Aussage völlig unglaubwürdig.
Es wurde schon ausgeführt, daß von den kranken Häftlingen, die im Lager Jaworzno zurückgeblieben sind, keiner im Lager Jaworzno getötet worden ist (vgl. Seite 52 und 145). Der Zeuge Schwarzbart, der nach seiner Aussage in der Hauptverhandlung nach einer Fußamputation im Lager zurückgeblieben war, hat weiter ausgesagt, von den im Lager eingesetzten SS. Leuten sei nur Lausmann noch einmal in das Lager zurückgekommen, ohne allerdings einen der zurückgebliebenen Häftlinge zu töten.
Die Kammer mißt unter diesen Umständen der Aussage des Zeugen Mieczyslaw Baran bei der Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch auf Häftlinge geschossen hat, keine Bedeutung bei.
20. Die Aussage des Zeugen Mordechaj Goldbart (als einziger Tatzeuge benannt zum Anklagepunkt II 9 d) wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 410 - 413).
Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß die Kammer der Aussage dieses Zeugen, der sowohl im Falle der Mißhandlung seiner eigenen Brüder als auch beim Schießen auf einen bestimmten Häftling, den er zuvor selbst gestützt hatte, bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv andere Täter genannt hat, als bei seiner polizeilichen Vernehmung, aufgrund dieser Umstände keine Bedeutung beimißt.
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21. Die Aussage des Zeugen Israel Lior zu der Frage, wer bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno im September 1944 Rapportführer war, wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 319).
Weiter hat der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv ausgesagt, in Jaworzno habe es einen SS. Mann gegeben, über den er von anderen Mithäftlingen gehört habe, er heiße Panzergrau. Für diesen Mann sei auch der Name „Panzer“ verwendet worden.
Außerdem habe es dort einen SS.Mann gegeben, der von den Häftlingen Miotelka genannt worden sei. Dies sei ein polnischer Ausdruck und bedeute auf Deutsch Besen. Warum dieser Mann den Spitznamen gehabt habe, könne er nicht sagen.
Panzergrau sei ein junger Mann von ca. 20 Jahren gewesen. Miotelka sei ca. 28 - 30 Jabre alt gewesen. Seiner Erinnerung nach seien die SS. Männer Panzergrau und Miotelka verschiedene Leute gewesen. Er sei sich jedoch nicht ganz sicher. Dabei blieb der Zeuge.
Lior auch, als ihm aus der Niederschrift über seine polizeiliche Vernehmung vom 19.3.1976 vorgehalten wurde, daß er damals ausgesagt habe, Panzergrau und der Besen seien ein und dieselbe Person gewesen.
Bei Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge Lior zu den Bildern mit den Nummern 1, 6, 10, 11, 13, 14 und 17, diese Männer habe er seinerzeit in Jaworzno gesehen. Ob einer von diesen der Rapportführer, der Panzergrau oder der Besen seien, könne er nicht sagen.
Bei Vorlage des Bildbandes erklärte der Zeuge Lior dann, die auf Bild 33 (Emil Hantl) abgebildete Person könne in Jaworzno gewesen sein.
Bild 27 könne den SS.Mann Panzergrau darstellen, er sei sich aber nicht sicher. Ob dieses Bild und Bild 28 des Bildbandes die gleiche Person darstellten, könne er nicht sagen.
Auch die auf den Bildern 12, 17 und 25 abgebildeten Personen könnten in Jaworzno gewesen sein.
Nach Vorhalt der polizeilichen Aussage vom 19.3.1976, bei der er erklärt hatte, die den Angeklagten Olejak darstellenden Bilder 17, 18 und 19 des Bildbandes seien Bilder des Rapportführers des Lagers Jaworzno, meinte der Zeuge Lior nach nochmaligem Betrachten der Bilder, auf den Bildern 17 und 18 sei nicht die gleiche Person abgebildet.
Nach Vorhalt seiner polizeilichen Aussage zu den Bildern 27 und 28 des Bildbandes, zu denen er damals gesagt hatte, diese Bilder seien Bilder den Panzergrau, meinte der Zeuge Lior, er könne jetzt nichts anderes sagen als das, was er schon gesagt habe.
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Weiter sagte der Zeuge Lior aus, während des Evakuierungsmarsches habe er beobachtet, wie der SS. Mann Pansegrau auf einen Häftling, der aus der Reihe herausgegangen sei und sich gebückt habe, geschossen habe. Seiner Erinnerung nach habe Panzergrau dabei eine Pistole benutzt. Wohin der Häftling getroffen worden sei, könne er nicht sagen. Im Gegensatz dazu hatte der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, der betreffende Häftling sei ins Genick getroffen worden.
Nach Auffassung der Kammer beweisen die unterschiedlichen Angaben des Zeugen bei der Polizei und vor dem Amtsgericht in Tel Aviv zu den Lichtbildern der beiden Angeklagten und zu der Identität der SS. Leute Pansegrau und Besen, daß der Zeuge an die damalige Zeit, insbesondere an die SS. Leute, keine sichere und zuverlässige Erinnerung mehr hat. Die Kammer sieht es deshalb nicht als erwiesen an, daß der Zeuge Lior, wenn er von dem SS. Mann Panzergrau oder Panzer spricht, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint.
22. Der Zeuge Jakob Frenkel (als Tatzeuge benannt zum Fall II 9 f) hat einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge geleistet, worauf er am 4.1. und 8.1.1979 im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv in Anwesenheit der Kammer vernommen worden ist.
Dabei hat der Zeuge Frenkel ausgesagt, er sei bei der Auflösung des Lagers Lagischa nach Jaworzno gekommen. Aus dem Lager Jaworzno erinnere er sich noch an die Namen von drei SS. Leuten, nämlich Lausmann, Markewicz und Mietliczka.
Er habe während des Marsches beobachtet, wie am 2. oder 3. Tag, als es nach hell gewesen sei, etwa zwei oder drei Reihen vor ihm ein Häftling zu Boden gefallen und liegengeblieben sei. Ein SS. Mann, der sich etwa in gleicher Höhe neben der Kolonne aufgehalten habe, habe „halt“ gerufen. Daraufhin seien alle Häftlinge stehen geblieben. Der SS. Mann sei zu dem am Boden liegenden Häftling heran gegangen und habe sinngemäß zu ihm gesagt „aufstehen“. Der am Boden liegende Häftling habe mit einer Bewegung angedeutet, daß er dazu nicht mehr im Stande sei. Daraufhin habe dieser SS. Mann aus seiner Waffe auf den Häftling geschossen und den anderen Häftlingen befohlen, weiter zu gehen.
Den SS. Mann, der auf den Häftling geschossen habe, habe er vor Beginn des Evakuierungsmarsches schon öfters im Lager gesehen. Er habe aber dessen Namen oder Spitznamen bis zu dem Zeitpunkt dieses Vorfalles nicht gewußt. Anläßlich dieser Erschießung habe ein Mithäftling, der den Vorfall auch beobachtet habe, zu ihm gesagt:
„Da hat der Mietliczka den Mann erschossen“.
Erst zu diesem Zeitpunkt und auf diese Weise habe erfahren, daß der betreffende SS. Mann Mietliczka geheißen habe.
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Nach Auffassung der Kammer besteht bei dieser Aussage des Zeugen Frenkel keine genügende Sicherheit dafür, daß es der Angeklagte Pansegrau war, der auf diesen Häftling geschossen hat. Der Zeuge konnte sich nicht mehr an den Namen des Häftlings erinnern, der ihm seinerzeit gesagt hat, daß Mietliczka der Täter gewesen ist. Es besteht deshalb für die Kammer keinerlei Kontrollmöglichkeit, ob der betreffende Häftling, als er von Mietliczka gesprochen hat, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau gemeint hat.
23. Die Aussage des im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht in Tel Aviv Vernommenen Zeugen Chaim Mastbaum zum Anklagepunkt II 2 wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 400 - 403).
Weiter hat der Zeuge bekundet, auf dem Evakuierungsmarsch seien viele Häftlinge erschossen worden. Das habe er zwar gesehen, er habe aber nicht darauf geachtet, wer die Täter gewesen seien. Er sei während des Marsches sehr erschöpft und zu genauen Wahrnehmungen nicht mehr fähig gewesen.
Den ihm unter dem Namen Lischka bekannten SS. Mann habe man unter den Häftlingen auch als „Sadist“ bezeichnet. Er könne sich noch erinnern, daß die mit ihm marschierenden Häftlinge dauernd untereinander gesagt hatten, „der Sadist“ sei hinter ihnen. Dies sei für sie der Grund gewesen, einander zu stützen, vorwärts zu eilen und ja nicht zurück zu bleiben.
Auch hätten einige SS. Leute, darunter der Lischka, mit den Häftlingen in der Weise „gespielt“, daß sie ihnen beim Evakuierungsmarsch die Mütze vom Kopf gerissen, diese zur Seite geworfen und dann den Häftling, wenn er seine Mütze habe holen wollen, erschossen hätten.
Die Kammer sieht es aufgrund der Aussage des Zeugen Chaim Mastbaum nicht als erwiesen an, daß der Angeklagte Pansegrau beim Evakuierungsmarsch selbst auf Häftlinge geschossen hat. Zum einen kann nicht sicher davon ausgegangen werden, daß der Zeuge, wenn er von Lischka oder dem „Sadist“ spricht, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint. Der Ausdruck „Sadist“ ist im Übrigen von keinem anderen Zeugen für den Angeklagten Pansegrau genannt worden.
Zum anderen hat der Zeuge selbst ausgesagt, auf dem Evakuierungsmarsch sei er wegen seines schlechten Gesundheitszustandes zu sicheren Wahrnehmungen nicht mehr in der Lage gewesen. Die Kammer hält auch die Schilderung, die der Zeuge Mastbaum über die Art der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch gegeben hat, nicht für zutreffend. Kein anderer der zahlreichen im Rahmen des Verfahrens vernommenen Zeugen hat Erschießungen von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch aus den von dem Zeugen Mastbaum genannten Gründen und unter den von ihm geschilderten Umständen erwähnt. Auch der Zeuge Mastbaum hatte bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 16.3.1976 diese Art von Erschießungen nicht genannt.
24. Die Aussage des Zeugen Lemel Orenbach zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer von dessen Einsatz ins Lager Jaworzno und seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch sowie zum Anklagepunkt I 7 wurde bereits Dargelegt (vgl. 283 - 286 und 372 - 377).
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Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß der Zeuge Orenbach den Angeklagten Pansegrau beschuldigt hat, bei dem Angeklagten Olejak im Anklagepunkt I 7 zur Last liegenden Vorfall der Erschießung von mehreren Häftlingen auf einem LKW beteiligt. gewesen zu sein. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß der Zeuge Orenbach bei seiner polizeilichen Vernehmung eine Beteiligung des Angeklagten Pansegrau an diesem Vorfall nicht erwähnt hat. Schließlich wurde auch dargelegt, aus welchen Gründen die Kammer diese Aussage des Zeugen Orenbach nicht für zutreffend und richtig ansieht, Jedenfalls was die möglichen Täter anbelangt.
25. Der Zeuge Abraham Strykowski wurde am 3.1.1979 im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv vernommen, nachdem er einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge geleistet hatte.
Dabei hat der Zeuge ausgesagt, er sei von Sommer 1942 an bis zur Evakuierung im Lager Jaworzno inhaftiert gewesen und habe auch den Evakuierungsmarsch mitgemacht.
Von den in Jaworzno eingesetzten SS. Leuten könne er sich nur noch an zwei Namen erinnern, nämlich Lausmann und Mietliczka. Beide seien im Lager als Blockführer tätig gewesen.
Seiner Meinung nach sei Mietliczka der richtige Name dieses SS. Mannes gewesen. Von den Häftlingen sei er Lapka genannt worden. Er sei sich sicher, daß Lapka und Mietliczka ein und dieselbe Person gewesen seien. Dieser SS. Mann habe gleich zu Beginn des Marsches einfach in die Häftlingskolonne hineingeschossen, um die Häftlinge zum schnelleren Verlassen des Lagers zu veranlassen. Weitere Erschießungen durch diesen SS. Mann habe er auf dem Evakuierungsmarsch nicht gesehen.
Nach Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 6.4.1976, bei der er ausgesagt hatte, Mietliczka habe am 2. Tag des Marsches einen Häftling, der sich außerhalb der Kolonne gebückt habe, erschossen, meinte der Zeuge dann, er erinnere sich jetzt wieder an diesen Vorfall. Bei dieser polizeilichen Vernehmung hat der Zeuge Strykowski im Übrigen das angebliche schießen auf Häftlinge beim Verlassen des Lagers nicht erwähnt.
Die Aussage des Zeugen zu den im Lager eingesetzten SS. Leuten, insbesondere die Tatsache, daß er von Lapka (wie ausgeführt war dies der Spitzname für den SS. Unterscharführer Paul Kraus) und Mietliczka als einer Person spricht, beweist, daß der Zeuge Strykowski an die damalige Zeit keine sichere und zuverlässige Erinnerung mehr hat. Auch an den angeblichen Fall einer Erschießung auf dem Evakuierungsmarsch durch den SS. Mann Mietliczka hat sich der Zeuge von sich aus nicht mehr erinnern können.
Die Kammer sieht deshalb die Aussage dieses Zeugen nicht als Nachweis dafür an, daß der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch auf einen Häftling selbst geschossen hat.
Aschaffenburg (Auschwitz Prozess) Teil 13