Lebenslauf

* 10.10.1900 in Sternenfels
† 23.03.1942 auf dem Flug nach Prag

Religion: ev., Kirchenaustritt

Eltern
Vater: Eugen Stahlecker (geb. 1867), Oberstudiendirektor in Tübingen
Mutter: Anna, geb. Zaiser (1872-1932)

Geschwister:
Rudolf (geb. 1898)
Gerhard (geb. 1906)

Gymnasium Tübingen

1920
Abitur

1920-1924
Studium der Rechtswissenschaft in Tübingen, Referendariat in Reutlingen und Tübingen

1927
II. Höhere Justizdienstprüfung

07.03.1928-27.08.1930
Amtmann in Ehingen und Saulgau

1929
Regierungsrat

28.08.1930-28.05.1933
Arbeitsamtsdirektor in Nagold

14.10.1932
Heirat mit Luise-Gabriele Freiin von Gültlingen
vier Kinder

Konrad
Botho
Anne-Kristine
Gisela
(Anne-Kristine und Konrad Zwillinge geboren 1934)

29.05.1933-23.11.1933
stellvertretender Leiter des Württembergischen Politischen Landespolizeiamtes

23.11.1933-14.05.1934
Oberregierungsrat bei der Reichsregierung in Berlin

14.05.1934-11.05.1937
Leiter des Württembergischen Politischen Landespolizeiamtes

11.05.1937-20.05.1938
Leiter der Staatspolizeileitstelle Breslau

20.05.1938-02.06.1939
Inspekteur der Sicherheitspolizei und des SD in Österreich

02.06.1939-00.05.1940
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Protektorat Böhmen und Mähren

00.05.1940-00.11.1940
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Oslo

14.11.1940-18.06.1941
Ministerialrat im Auswärtigen Amt

00.04.1941
Leiter der Einsatzgruppe A

ab Herbst 1941
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) im Reichskommissariat Ostland

Am 22.03.1942 erlitt Stahlecker bei einem Partisanenangriff in der Nähe seines Hauptquartiers eine Schussverletzung an einer Hauptarterie im Oberschenkel. Er wurde in einem Lazarett in Riga behandelt, verstarb aber infolge seines Blutverlustes auf dem Flug nach Prag

Louise Gabrielle Freiin von Gültlingen (Witwe von SS-Brigadeführer Dr. Walter Stahlecker) heiratet am 8. Juni 1946 in Tübingen Otto Bittelmann
Otto Bittelmann (* 05.08.1911 Schönholz / Westhavelland, † 26.11.2000 Walsrode).
20.10.1969 - 22.09.1972 Mitglied des Deutschen Bundestages für die CDU

Werdegang

Aus einer wohlhabenden württembergischen Familie stammend, bewegte Stahlecker sich seit 1919/20 im Umfeld des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes und der Organisation Consul. Er studierte Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen und promovierte dort 1927. Aus dieser Zeit stammten die Kontakte zu späteren Mittätern beim Massenmord (Martin Sandberger, Erich Ehrlinger und Eugen Steimle).

Er besaß einen gehörigen persönlichen Ehrgeiz, außergewöhnliche organisatorische und intellektuelle Fähigkeiten sowie eine unbedingte Loyalität gegenüber SS-Führer Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes. Dies machte Walter Stahlecker universell einsetzbar. Aus dem stellvertretenden Leiter der Württembergischen Politischen Polizei in Stuttgart wurde einer der effizientesten und skrupellosesten Vollstrecker der nationalsozialistischen Ideologie und Vernichtungspolitik.

Walter Stahlecker wurde am 10. Oktober 1900 als zweiter Sohn des protestantischen Pfarrers Paul Eugen Stahlecker und seiner Frau Anna, geborene Zaiser, in Sternenfels im Kreis Maulbronn geboren. Er wuchs in einem streng deutschnationalen Elternhaus auf. Der Vater leitete ab 1905 die Mädchenrealschule in Tübingen, weshalb die Familie in die Universitätsstadt zog. Walter Stahlecker besuchte dort das Gymnasium und kam direkt von der Schulbank weg noch zu einem kurzen Kriegseinsatz im September 1918.

Im Frühjahr 1919 schloss sich Walter Stahlecker dem bewaffneten Tübinger Studentenbataillon an und zog mit dieser Gruppe unter der Parole Metzelsuppe im März 1919 nach Stuttgart, um die Republik vor dem von der politischen Linken ausgerufenen Generalstreik zu schützen. Auch bei anderen Gelegenheiten kämpfte er mit seiner akademischen Truppe gegen linke Aufständische. So bewegte er sich früh in einem Umfeld, das seine rechtsextreme, antidemokratische Ausrichtung verstärkte.

Nach der durch den Versailler Friedensvertrag erzwungenen Demobilisierung des Bataillons stellte er sich mit einem Teil der Einheit der württembergischen Polizeiwehr zur Verfügung. Nachdem auch diese nicht weiter bestehen durfte, betätigte sich Stahlecker in militant nationalistischen und antisemitischen Organisationen wie dem Deutschvölkischen Schutz und Trutzbund. Diese Organisationen bildeten oftmals die Basis der neu gegründeten NSDAP-Ortsgruppen. 1921 wurde Stahlecker Mitglied der bald schon verbotenen NSDAP.

Mit Beginn seines Jurastudiums 1920 trat Stahlecker, der Familientradition entsprechend, der ebenfalls extrem nationalistischen studentischen Verbindung Lichtenstein bei. Die dort gepflegten gehobenen Umgangsformen trugen viel zu seinem späteren gewandten Auftreten auf dem gesellschaftlichen Parkett bei.

Sein Jurastudium beendete er 1924; drei Jahre später erfolgte die Promotion. Politisch profilierte er sich nun nicht mehr; er betrieb stattdessen seine berufliche Karriere. 1927 trat er in den württembergischen Landesdienst ein, avancierte schon zwei Jahre später zum Regierungsrat und übernahm im Herbst 1930 die Leitung des Arbeitsamts Nagold. 1932 heiratete er Luise-Gabriele von Gültlingen, die altem schwäbischen Reichsadel entstammte.

Nach der Machtübernahme der Nazis fiel sein Versäumnis, der im Februar 1925 neu gegründeten NSDAP nicht beigetreten zu sein, unangenehm auf. So gab er an, die Mitgliedschaft wegen einer angeblichen Weisung der Partei erst im Mai 1932 beantragt zu haben. Durch Protektion des Reichsstatthalters Wilhelm Murr erhielt Stahlecker eine deutlich niedrigere Parteinummer und wurde Ende Mai 1933 stellvertretender Leiter der Württembergischen Politischen Polizei.

Anfang Mai 1934 wurde auf ausdrücklichen Wunsch Murrs der bisherige Leiter des Politischen Landespolizeiamts, Hermann Mattheiß, seines Amtes enthoben. Stahlecker, mittlerweile als Oberregierungsrat bei der Vertretung Württembergs in Berlin tätig, sollte sein Nachfolger werden, was rückwirkend auf den 14. Mai 1934 datiert wurde. Ob Stahlecker am gewaltsamen Tod von Mattheiß im Juni 1934 beteiligt war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die kurze Notiz Murrs über Stahlecker, Er ist durchaus zuverlässig und hat auch am 30. Juni größte Umsicht und Tatkraft an den Tag gelegt, weist auf eine Beteiligung an der Niederschlagung des Röhm-Putsches hin.

Mittlerweile hatte die Familie eine standesgemäße Wohnung in der Gustav- Siegle-Straße 41 in bester Stuttgarter Halbhöhenlage mit schöner Aussicht über die Stadt bezogen. Im Juli 1934 kamen die Zwillinge Kristine und Konrad zur Welt, später folgten noch Gisela und Boto.

Im dienstlichen Umgang deutlich verbindlicher als sein Amtsvorgänger, setzte Stahlecker dessen Kampf gegen die ausgemachten Gegner des Nationalsozialismus nachdrücklich fort. Als im Herbst 1934 die evangelische Landeskirche im nationalsozialistischen Sinne gleichgeschaltet werden sollte, widersetzte sich der Landesbischof Theophil Wurm. Stahlecker verhängte Hausarrest und drohte mit Schutzhaft. Gegen Verleger der katholischen Publikationen, die sich weigerten, den NS-Tenor zu übernehmen, hagelte es Verbote. So musste das Deutsche Volksblatt am 1. November 1935 sein Erscheinen einstellen; der Chefredakteur erhielt Berufsverbot. Auch das Sonntagsblatt, eine demokratische Wochenzeitung, wurde ständig von der Politischen Polizei überwacht, denn es hatte seiner Leserschaft offiziell unterdrückte Nachrichten verklausuliert mitgeteilt. Infolgedessen untersagte Stahlecker dem Herausgeber Erich Schairer jegliche weitere publizistische Tätigkeit.

Hauptfeinde waren jedoch nach wie vor die Mitglieder der verbotenen Linksparteien. Nach den ersten großen Verhaftungswellen im Frühjahr 1933 hatten sich sowohl die Kommunisten als auch die Sozialdemokraten teilweise reorganisiert.
Mitte 1935 allerdings war Stahleckers Politische Polizei den meisten Widerstandsgruppen auf die Spur gekommen. Viele der Verhafteten wurden nach Verbüßung ihrer Gefängnis oder Zuchthausstrafe in Konzentrationslager verbracht. Ein besonders erfolgreicher Schlag gelang ihm im Laufe des Jahres 1935 mit der Aufdeckung des kommunistischen Widerstandskreises um Stefan Lovász. Die Gruppe hatte Informationen über die deutsche Aufrüstung gesammelt und an Mittelsmänner in der Schweiz weitergegeben. Vier Mitglieder der Gruppe, unter ihnen Stefan Lovász und Lilo Herrmann, wurden im Juni 1937 vom in Stuttgart tagenden Volksgerichtshof wegen Landesverrat in Tateinheit mit Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt und am 20. Juni 1938 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Im Zuge der Umstrukturierung und Zentralisierung der Länderpolizei wurden 1936 die Politische Polizei und die Kriminalpolizei als Sicherheitspolizei (Sipo) unter der Leitung von Reinhard Heydrich zusammengefasst. Von nun ab hießen alle früheren Organisationen der Politischen Polizei im Reich Geheime Staatspolizei und das bisherige Württembergische Politische Landespolizeiamt führte ab dem 1. Oktober 1936 die Dienstbezeichnung Geheime Staatspolizei – Stapo-Leitstelle Stuttgart.

Stahlecker führte die neue/alte Dienststelle jedoch nur noch ein halbes Jahr. Mit der Versetzung in gleicher Funktion nach Breslau war die Zeit in Stuttgart für ihn beendet. Mitte September zog auch seine Familie nach Breslau.

Ein neuer Karriereschub ergab sich mit der Ernennung zum Inspekteur der Sipo und des Sicherheitsdienstes (SD) der NSDAP für Österreich nach dessen Annexion im März 1938. Stahlecker, nun Heydrich direkt unterstellt, organisierte hier den Aufbau der Gestapo und sorgte in enger Zusammenarbeit mit Adolf Eichmann für eine möglichst rasche Vertreibung der österreichischen Juden. Eichmann verband mit Stahlecker ein fast freundschaftliches Verhältnis. Er beschrieb Stahlecker später als außerordentlich lebendig und aktiv, vielleicht auch etwas ehrgeizig, aber immer auf der Suche nach schöpferischen Ideen.

Doch auch Stahleckers Wiener Aufenthalt währte nicht lange. Bereits im Herbst 1938 benötigte man den Mann mit den schöpferischen Ideen im Sudetenland zur Niederwerfung der politischen Gegner. Nach der Zerschlagung der Rest- Tschechoslowakei setzte ihn Heydrich als Befehlshaber der Sipo und des SD im Protektorat Böhmen und Mähren ein, wo er in bewährter Weise wieder mit Eichmann zusammenarbeitete. In gleicher Funktion waren Stahleckers Dienste im 1940 eben besetzten Norwegen gefragt, bevor er schließlich Ende des Jahres als Ministerialrat von Heydrich ins Auswärtige Amt nach Berlin beordert wurde.

Walter Stahlecker war zur Durchführung der sicherheitspolizeilichen Aufgaben universell einsetzbar. Trotz seiner rechtsextremen politischen Sozialisation war er kein fanatischer Hitzkopf. Nüchtern und zweckrational schuf er die optimalen Bedingungen, um die politischen Gegner unschädlich zu machen. Ganz im Sinne Himmlers, der von seinen SS-Führern ein gewisses Maß an selbstständigem Handeln forderte, analysierte er die Gegebenheiten bei der Besetzung eines Landes sehr genau und leitete daraus die zu unternehmenden Schritte ab. Stahleckers Berichte, die sich unter anderem auch mit wirtschaftlichen und kulturellen Fragen befassten, wurden in Berlin hoch geschätzt und empfahlen ihn als Führungspersönlichkeit.

Im Zuge des Überfalls auf die Sowjetunion im Juni 1941 konnte Stahlecker erneut seine vielseitige Verwendbarkeit unter Beweis stellen. Anfang Februar 1941 war er zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei befördert worden. Nun entfaltete er als Leiter der Einsatzgruppe A unmittelbar nach der Besetzung des Baltikums und Nordrusslands ein mörderisches Treiben, das alles Bisherige in den Schatten stellen sollte.

Mit gewohnter Gründlichkeit entwickelte er sein Vorgehen. Er bemühte sich darum, dass seine Einsatzgruppe gleichzeitig mit der Wehrmacht in die größeren Städte einzog, um dort sofort kollaborationsbereite einheimische Kräfte für die Drecksarbeit einzuspannen. In seinem Tätigkeitsbericht vom 15. Oktober 1941 liest sich das folgendermaßen: Es wurden schon in den ersten Stunden nach dem Einmarsch, wenn auch unter erheblichen Schwierigkeiten, einheimische antisemitische Kräfte zu Pogromen gegen die Juden veranlasst. Befehlsgemäß war die Sicherheitspolizei entschlossen, die Judenfrage mit allen Mitteln und aller Entschlossenheit zu lösen. Dann berichtete Stahlecker von ungewöhnlich harten Maßnahmen, die auch in deutschen Kreisen Aufsehen erregen mussten.