SA-Obersturmbannführer

* 1906
+ 1993

Verwaltungslehre bei der Wollkämmerei in Blumenthal

kaufmännischer Angestellter

1932
SA-Eintritt

1933
NSDAP-Eintritt

1934-1939
Bürgermeister in Lesum, anschließend in der Bremer Verwaltung

15.03.1938
Am 15. März 1938 entfaltet Fritz Köster im Lesumer Gemeinderat seine Version eines künftigen Wehrmachtsstandorts Lesum: "In Anbetracht der geplanten Kasernenbauten und der damit verbundenen Verlagerung des Schwerpunktes der Flak nach Lesum" seien Grenzbereinigungen mit Grohn im Kasernenbereich verfrüht. Das Reich hat zwischen Holthorster Weg und Rotdornallee Land erworben: den Pastorenacker, Grundstücke von Mahlstedt und Hashagen, den Quadratmeter zu 80 Pfennig.)

1943
Oberreg.Rat, zuletzt Vertreter des Bausenators

1944
SA-Obersturmbannführer

1947-1953
inhaftiert, danach bei der Horten AG in Düsseldorf, in den 1970er Jahren Berater der Lürssen-Werft.

SA-Männer aus Lesum erschießen in der Nacht vom 09. zum 10. November
1938 drei Juden in ihren Wohnungen.
In der Nacht vom 09. zum 10. November 1938 wurden in Lesum bzw. Platjenwerbe
das jüdische Ehepaar Goldberg und der jüdische Elektriker Sinasohn in ihren
Wohnungen erschossen. Sinasohn wurde nach der Erschießung vergraben. Die
Handlungen geschahen anlässlich der Massnahmen gegen die Juden nach dem Tod
des Gesandtschaftsrates vom Rath.
Die Ausführenden waren im Falle Goldberg der SA-Scharführer Frühling, im Falle
Sinasohn der SA-Rottenführer Mahlstedt. Beide legten, zur Verantwortung gezogen,
dar, über den Obersturmführer Jahns bzw. den Obertruppführer Harder von
dem Sturmhauptführer Köster den Befehl zur Erschießung der Juden Goldberg und
Sinasohn und zur Beiseiteschaffung des Sinasohn empfangen zu haben.

Tatvorgang:
Sturmhauptführer Köster, Bürgermeister der Stadt Lesum, wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 um etwa ½ 4 Uhr durch das Telefon geweckt. Sein Hausmeister, der ihn angerufen hat, teilte ihm mit, dass die Standarte 411 ihn zu sprechen wünsche. Auf der Standarte meldete sich ein Truppführer Seggermann. Es entwickelte sich folgendes Gespräch: Hier Standarte 411. Am Telefon Truppführer Seggermann. Haben Sie schon Befehl? Köster: Nein. Seggermann: Grossalarm der SA. In ganz Deutschland. Vergeltungsmassnahmen für den Tod vom Rath. Wenn der Abend kommt, darf es keine Juden mehr in Deutschland geben. Auch die Judengeschäfte sind zu vernichten. Sturmbannführer Roeschmann ist zu benachrichtigen.
Köster hat den ganzen Befehl wiederholt und, überrascht durch den Inhalt des Mitgeteilten, nach der Wiederholung des Befehls noch einmal gefragt: Was soll denn tatsächlich mit den Juden geschehen?, worauf ihm von Seggermann die Antwort wurde: Vernichten! Auf die weitere Frage von Köster, ob Sturmbannführer Roeschmann sich noch eine Bestätigung des Befehls holen solle, gab Seggermann die weitere Antwort: Nein, handeln!
Köster begab sich darauf zu dem Haus von Roeschmann, weckte ihn und teilte ihm den von der Standarte durch Seggermann erhaltenen Befehl mit. Wegen der Bedeutung des Befehls wurden beide sich einig, sich eine Bestätigung bei der Gruppe zu holen. Roeschmann telefonierte deshalb in Gegenwart von Köster auf der SA-Dienststelle mit der Gruppe. Dort meldete sich in vorübergehender, durch die Ereignisse bedingter Abwesenheit des Stabsführers Oberführer Römpagel, der Sturmführer vom Dienst Gross. Roeschmann, der den erhaltenen Befehl am Fernsprecher nicht durchgeben wollte, sagte, als Gross sich meldete, lediglich: Ich habe hier so einen verrückten Befehl; hat das mit dem seine Richtigkeit?, worauf ihm Gross antwortete: Jawohl, in Bremen ist schon die Nacht der langen Messer in Gange. Die Synagoge brennt bereits. Auf die Frage Roeschmanns: Ist das amtlich?, antwortete Gross: Das ist amtlich. Köster, der Roeschmann bei dem Telefongespräch am Tisch gegenüber sass, wollte Klarheit. Als er diese aus dem, was Roeschmann am Apparat zunächst sprach und fragte, nicht zu ersehen glaubte, schlug er, um sich verständlich zu machen und seiner Frage Nachdruck zu verleihen, während des Gesprächs mit der Faust auf den Tisch und sagte unter Anspielung auf die Worte Seggermanns zu Roeschmann: Was heißt vernichten?, worauf ihm Roeschmann wiederholte: In Bremen ist bereits die Nacht der langen Messer im Gange und das Gespräch beendend antwortete: Ja, Fritz, es ist so, wir müssen handeln.
Röschmann und Köster haben das von Gross Gesagte als eine Bestätigung des Befehls der Standarte aufgefasst, also die Nacht der langen Messer auf die Beseitigung der Juden bezogen. Sie haben es nach ihren Aussagen umso mehr als eine Bestätigung des Befehls der Standarte angesehen, als kurz vor dem Gespräch mit der Gruppe die Polizeistation Vegesack die SA-Dienststelle angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass ein Sturmführer Weber unterwegs sei, einen von Vegesack nach Blumenthal, einem Nachbarort, geflüchteten Juden abzuholen. Sowohl Roeschmann als auch Köster erteilten sodann an ihre Männer in der Gewissheit, dass ein solcher Befehl nur im Einverständnis mit den höchsten Stellen gegeben werde, im Innern erschüttert, entsprechende Befehle, wobei Köster, als ihn der Obertruppführer Harder im Falle Sinasohn bei der Befehlsausgabe noch einmal fragte, was denn nun getan werden solle, antwortete: Vernichten, verschwinden lassen.
Die Worte verschwinden lassen, die nach der Meinung Kösters nur ein weiterer Ausdruck für vernichten sein sollten, fasste Harder wörtlich auf, so dass nach der Erschiessung des Sinasohn durch Mahlstedt der Erschossene von Harder und seinen Leuten auf einer Weide begraben wurde. Köster selbst ging mit einem seiner Truppführer zu der jüdischen Familie Hartog verhaftete sie und fuhr sie mit seinem Wagen auf freies Feld, um sie zu erschiessen. Er brachte die Erschiessung jedoch ebensowenig wie sein Truppführer über sich, sondern liess die Juden auf dem Feld unter Abgabe eines Schreckschusses laufen.

nach 1945
Nach Kriegsende wurde Köster von amerikanischen Offizieren verhaftet und in das Internierungslager nach Westertimke gebracht, später dann nach Fallingborstel und schließlich nach Bremen verlegt.

Köster zu den Ereignissen in der Pogromnacht
Durch unglückliche Umstände war ich in die Geschehnisse des 9. November 1938 (Judenverfolgung) verstrickt worden und dafür nach mehreren Verhandlungstagen auf Veranlassung der Alliierten von einem deutschen Gericht zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.“

Seine Familie war mit fünf Töchtern auf sieben Personen angewachsen. Durch die Verhaftung des Vaters mußte die Dienstwohnung am „Alten Schulhof“ – jetzt Heimathaus – geräumt werden. Bei einer Verwandten in Driftsethe fand seine Frau mit den Kindern eine vorläufige Unterkunft. Sie hat sich nach geraumer Zeit mit namhaften Fürsprechern, wie Bürgermeister Wilhelm Kaisen, Prinzessin Ingeborg von Schaumburg-Lippe sowie Rechtsanwälten um die Freilassung ihres Mannes bemüht.
Der Verurteilte wurde nach 8 Jahren und 6 Monaten Strafhaft begnadigt und am 21.12.1953 kehrte er zu seiner Familie zurück, die inzwischen in Bremen-Aumund eine passende Wohnung gefunden hatte.
Er war gerade zehn Tage in Freiheit, da hatte er eine Anstellung abermals in der Textilfabrik seiner Verwandten, die von Berlin nach Nienburg zurückgekehrt waren. Hier war Fritz Köster als Geschäftsführer tätig. Doch am 01.10.1955 wurde er von dem Kaufhausbesitzer Helmut Horten als Mitarbeiter in der Konzernzentrale in Düsseldorf eingestellt.
Ein Jahr danach bezog Köster dort eine Wohnung. Einerseits gewann er das Vertrauen des Unternehmers Horten, andererseits spürte er auch die konkurierenden Neider in seiner Nähe. Aus gesundheitlichen Gründen schied Köster nach über 11 Jahren aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma Helmut Horten GmbH aus. Noch im Jahre 1967 siedelte das Ehepaar nach Vegesack über.
Durch Empfehlung wurde der Werftbesitzer Gerd Lürßen auf Fritz Köster aufmerksam und engagierte ihn als Mitarbeiter für den kaufmännischen Bereich in seinem Schiffbauunternehmen. Am 21.12.1973 wurde er in den endgültigen Ruhestand versetzt.

Köster zeige in seinen Erinnerungen weder Schuldbewusstsein noch Reue. Allerdings habe er dem Senat ein Sparbuch zukommen lassen mit der Bitte, alljährlich am 9. November am Gedenkstein für das Ehepaar Goldberg in Burgdamm Blumen niederzulegen. „Möglicherweise hat Fritz Köster damit auf seine Art mit seinem Gewissen Frieden geschlossen.“

Hartog Isaak führte mit seinem Vater das Ritterhuder Textilgeschäft. Im Juni 1920 verhandelten beide mit den örtlichen USPD- und KPD-Vorsitzenden, um Plünderungen im Zuge der sog. Teuerungskrawalle abzuwenden, die an vielen Orten entlang der Unterweser und später ganz Deutschlands ausgebrochen waren. Nach dem Tode des Vaters führten Hartog Isaak und seine Frau Paula das elterliche Textilgeschäft weiter, in den 1930er-Jahren wohnten sie in Ritterhude Nr. 302. 1936 wurde Hartog Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Scharmbeck. In der sog. Reichspogromnacht wurde die Familie von SA-Männern unter Sturmhauptführer Fritz-Johann Köster, dem damaligen Bürgermeister von Lesum, verhaftet und mit dessen Wagen zur Erschießung auf freies Feld gebracht.