SS-Hauptsturmführer
* 12.04.1895 in Hamburg
t 26.04.1969 in Hamburg
vollständiger Name: Mulka Robert Karl Ludwig
Reichsdeutscher
Sohn von Mathes Mulka und Anna Marie Emilie (Bock) Mulka
Ehemann von Erna Wilhelmine Marie (Beckeubach) Mulka — verheiratet am 28. Februar 1920 in Hamburg
Besuch der Volks- und Realschule
1911
Einjährige (Obersekunda)
Ausbildung zum Exportkaufmann bei Arndt und Cohn
ab 00.08.1914 (I Weltkrieg)
Kriegsfreiwilliger
(war neben Frankreich auch in Russland und der Türkei im Pioniereinsatz und brachte es im kaiserlichen Heer bis zum Leutnant der Reserve.)
1918 - bis 1920
Angehöriger der Baltischen Landeswehr
04.02.1919 - 00.08.1919
Angehöriger des Freikorps Grenzschutz-Ost
04.10.1919 - 03.10.1931
Dienst in der Reichswehr
(Infanterie-Regiment 8/Sanitäts-Abteilung 3 / letzter bekannter Dienstgrad: Oberfeldwebel)
1920
Hochzeit mit Erna Mulka (Vater zweier Söhne und einer Tochter)
(1 Sohn Rolf Theodor Heinz * 23.11.1927 in Hamburg; † 14.07.2012 in Hamburg, zweifacher Segelweltmeister)
1920
wegen Hehlerei vor Gericht gestellt und zu acht Monaten Gefängnis und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt. Ihm zum Vorwurf wurde gemacht, er habe zusammen mit anderen treuhänderisch überlassene Rubel unterschlagen.
(1936 vom NS-Justizministerium aus Strafregister getilgt).
1928–1934
beim Stahlhelm
bis 1931
Angestellter in der Firma, in der er seine Ausbildung absolviert hatte
1931
Mit 36 Jahren machte sich Mulka als Außenhandelskaufmann selbständig. Die Geschäfte liefen gut.
1935
Eintritt in die Reichswehr
Beförderung zum Oberleutnant d. R. Als aber seine wohlweislich verschwiegene Vorstrafe ruchbar wurde, entließ ihn die Wehrmacht aus ihren Reihen.
(Alle Bemühungen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Offizier wieder Aufnahme in Hitlers Armee zu finden, scheiterten.)
1939
Im Hamburger Adressbuch von 1939 findet man den Sohn eines Postassistenten und Kriegsfreiwillligen von 1914/18 unter der Adresse Wendlohstraße 28 im Vorort Lokstedt-Niendorf.
00.09.1939
In das Antragsformular auf Mitgliedschaft in der NSDAP trug er im September 1939 als Adresse "Isestraße 127, Hochparterre" ein.
Ein ordentlicher Sprung, aus einem Häuschen draußen am Stadtrand in die Beletage eines der schönsten Häuser in einer der schönsten Straßen in einem der schönsten Viertel der Stadt. Offenbar gingen Mulkas Geschäfte Ende der Dreißiger gut. Womöglich war es auch einfach eine günstige Gelegenheit. Es war nicht lange nach der "Reichspogromnacht", vielleicht war jemand geflohen.
1940
Eintritt in die NSDAP (Mitglieds Nu. 7 848 085)
ab 08.06.1941
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS
Nicht bereit, als gemeiner Soldat von vorn anzufangen und sich hochzudienen, bewarb sich Mulka 1941 bei der Waffen-SS. Hier fand er, der bereits Mitte September 1939 einen Beitrittsantrag in die NSDAP gestellt hatte, Aufnahme und erhielt sogleich, seinem Wehrmachtsdienstgrad entsprechend, den Rang eines SS-Obersturmführers. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Kompanieführer einer Pioniereinheit wurde Mulka, wegen Krankheit nur als garnisonsverwendungsfähig Heimat eingestuft)
(garnisonsverwendungsfähig = tauglich für den Dienst in der Garnison)
08.07.1941
Beförderung zum SS-Obersturmführer
Anfang 1942
Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz
nach Auschwitz kommandiert, dort als Kompanieführer den 1. Wachsturmbann.
26.05.1942
Mulkas Ehefrau Erna besucht ihren Mann in Auschwitz
(Aussage Erna Mulka: Bin ich dort gewesen. Und mein Mann kam mir entgegengefahren bis Kattowitz, und ich bin wohl mit dem Zug gekommen, bin, glaube ich, in Berlin umgestiegen. So ganz gegenwärtig ist es mir alles nicht mehr. Aber ich weiß nur, ich bin da in diesen polnischen Zug gestiegen. Es war alles sehr schmutzig. Und mein Mann setzt sich ganz dicht an mich heran, also hat er mich wohl in Kattowitz da empfangen, und hat zu mir gesagt: »Mami, wenn ich da nur wieder fortkönnte. Da werden Menschen umgebracht.« »Ich kann dir und darf dir nichts Näheres sagen. Und wenn du ein Wort darüber sprechen würdest, dann kostet es meinen Kopf.« Und ich habe darüber geschwiegen. Ich habe weder mit meiner Mutter noch mit meiner Schwester, noch mit meinen Kindern darüber gesprochen. Ich habe es alles für mich behalten. )
01.07.1942 - 30.03.1943
Lagerkommandant Rudolf Höß, dessen Adjutant erkrankt war, macht Mulka vertretungsweise zu seinem Adjutanten. Als Adjutant und als »Stabsführer« des sogenannten Kommandanturstabes blieb Mulka bis März 1943 die zweite Hand von Höß.
(Mulka war für Beschaffung und Transport des Giftgases Zyklon B nach Auschwitz und den Transport von Gefangenen in die Gaskammern verantwortlich. Nachweisbar hatte er bei mindestens vier Transporten die Einsatzbefehle für Mordaktionen gegeben und war mindestens einige Male bei den „Selektionen“ auf der Rampe zugegen.)
04.08.1942
Beförderung zum SS-Hauptsturmführer
12.08.1942
In einem von Mulka unterzeichneter Sonderbefehl vom 12. August 1942 fordert er die an Vergasungen beteiligten SS-Angehörigen auf, beim Öffnen der vergasten Räume über 5 Stunden mindestens 15 Meter Abstand von der Gaskammer zu halten.
23.01.1943
Ein Schreiben des Leiters der Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei in Auschwitz, des Herrn Bischoff, der die Krematorien in Auschwitz gebaut hat, an den Amtsgruppenchef C, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Doktor Ingenieur Kammler, vom 23. Januar 1943 beweist, daß Mulka über die Baufortschritte bei den Krematorien, denen ja die Gaskammern angeschlossen
waren, genau orientiert war.
wegen einer abfälligen Äußerung über Joseph Goebbels von der Ehefrau des Leiters der Zentralbauleitung Hildegard Bischoff denunziert und festgenomm (wurde zum SS- Obersturmführer degradiert); später rehabilitiert und während der Bombenangriffe auf Hamburg eingesetzt; letzter Dienstgrad: SS-Obersturmführer.
Mulka hatte eine Hausgehilfin, Wirrer Mathilde eine Stenotypistin aus Österreich. Sie war die Braut des SS-Rottenführer Pomreinke Helmut. Sie war auch später in Hamburg für Mulka tätig.
Aussage Mulka Erna (nach 1945)
(Der letzte Besuch war ganz Ende Februar oder Anfang März 43. Und dann, nachdem ich wieder nach Hamburg zurückgekehrt bin, acht Tage wohl später, vielleicht sogar etwas eher, sechs, sieben Tage später, ganz genau weiß ich nicht mehr die Zeit, da kriegte ich schon eine Karte aus dem Gefängnis irgendwie bei Berlin, daß sie ihn verhaftet hatten. Da hatte der eigene Kommandant Höß ihn in Auschwitz verhaften lassen. Damals hieß es: Wehrkraftzersetzung, Heimtückegesetz.)
Aussage Mulka Erna (nach 1945)
(letzter Besuch in Auschwitz - Fahrt von Auschwitz nach Berlin)
(Da bin ich verfolgt worden von zwei Geheimagentinnen. Ich habe den Zug bestiegen, und mir haben sich zwei Damen gegenübergesetzt und haben zu mir gesagt: »Sagen Sie mal, wo kommen Sie denn her? Man ist es gar nicht mehr gewohnt, hier eine Dame anzutreffen irgendwie in dieser Gegend.« Und da habe ich gesagt: »Ich habe einen Besuch gemacht bei meinem Mann in Auschwitz.«»Wieso denn in Auschwitz? Hat Ihr Mann denn da nie erzählt, daß da Juden umgebracht werden?« Ich sage: »Um Gottes Willen, nein, davon weiß ich nichts.« »Haben Sie nie irgendwie durch die Bretter gesehen? Haben Sie nie gesehen, daß da die Menschen nackend mit einem Handtuch und einem Stück Seife umhergelaufen sind und daß sie dann irgendwie vergast werden sollten?« Und da habe ich gesagt: »Um Gottes Willen, was erzählen Sie mir da? Schweigen ist das Gebot der Stunde.« Das ist wörtlich so, wie ich es Ihnen hier sage. Und daraufhin haben die mich immer wieder gebeten und angefleht – bis Berlin bald hin –, ich möchte doch zu ihnen kommen. Sie hätten da ein großes Haus, und sie könnten es mir auch gemütlich gestalten. Und ich sollte doch mitkommen. Ich war eine gute Mutter zu meinen Kindern, und ich hatte auch telegraphiert, daß ich mit dem und dem Zug komme. Da bin ich dann bis Berlin mit denen zusammen gefahren. Die haben mir immer gegenübergesessen und immer wieder gefragt. Aber ich bin dabei geblieben. »Nein, mein Mann hat mir nichts erzählt.« Und dann in Berlin haben sie mich noch wieder an den Zug gebracht, der mich nach Hamburg fahren sollte. Es war die Nacht durch. Und in dieser Nacht, in diesem Zug durch, habe ich noch an meinen Mann einen Brief geschrieben. Aber ich wußte, hier war Vorsicht am Platze, und den Brief hat er auch gar nicht verstanden. Er sollte nur eben durch meine Zeilen lesen können. Aber das hat er nicht, er hat gedacht, ist seine Frau eigentlich verrückt geworden, was ist mit ihr los? Den Brief hat er nie verstanden. Da wollte ich ihm eben nur sagen, was mir widerfahren war während dieser Fahrt zwischen Kattowitz und Berlin.
Und dann bin ich zu Hause angekommen. Auch da habe ich nichts erzählt. Erst später natürlich, als alles vorbei war. Und ich habe auch von meinem Mann später erfahren, daß das Geheimagentinnen waren. Damals habe ich es nicht gewußt. Denn ich wußte ja nicht viel von Geheimagenten und daß es Spitzel geben würde. Und ich habe mir da gar nichts dabei gedacht.)
1944
bis zum 19. Januar 1944 dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (Amtsgruppe D – Konzentrationslager) zugeteilt und anschließend bis Ende August 1944 dem SS-Personalhauptamt.
Anfang 1945 wurde er wegen Krankheit nach Hamburg beurlaubt und erlebte in seiner Heimatstadt das Ende des Krieges.
Orden, Ehrenzeichen und Medaillen
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern
Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern
08.06.1945 - 28.03.1948
Zwischen dem 8. Juni 1945 und dem 28. März 1948 war er in verschiedenen Lagern interniert, wie Iserbrook , Neumünster, Eselheide / Paderborn, sowie in den Kriegsverbrecher Lager in Fischbek und Neuengamme.
1945
1945 gründete Mulka sein eigenes Unternehmen: Import/Export Agency Robert Mulka
1954
Antrag auf Entschädigung nach dem Kriegsentschädigungsgesetz
00.11.1960
verhaftet (Dem Untersuchungshäftling Mulka gelang es immer wieder, durch Kautionsstellung der Untersuchungshaft zu entgehen.)
Untersuchungshaft von November 1960 bis März 1961, Mai bis Dezember 1961, Februar bis Oktober 1964, seit Dezember 1964
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
Strafsache gegen Mulka und andere, Az. 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
Rund drei Jahre zuvor: Die Olympischen Spiele 1960 in Rom. Zu den Siegern in der deutschen Mannschaft gehört auch Rolf Mulka. Der zweifache Weltmeister im Flying-Dutchman ist etwas enttäuscht. Er muss sich mit einer Bronzemedaille zufriedengeben. Zu Hause in Deutschland bleibt Staatsanwalt Joachim Kügler auf der Sportseite der Zeitung hängen. "Gar nicht so häufig, der Name Mulka", denkt er bei sich:
"Der Adjutant des Kommandanten von Auschwitz war ein gewisser Herr Mulka, und der war für mich unauffindbar. Und dann las ich eines Tages eine Zeitungsüberschrift, die sich auf die Olympischen Spiele in Rom bezog, da war ein Herr Mulka als Sieger im Segeln genannt. Dem bin ich nachgegangen, und dann hat sich herausgestellt, dass das der Sohn jenes Mulka war, und dann fand ich ihn in Hamburg."
Die olympische Medaille des Sohnes führt auf die Spur des Vaters. Wenige Monate nach den Wettkämpfen wird Robert Mulka verhaftet. Drei Jahre später findet vor dem Frankfurter Landgericht der Prozess gegen "Mulka und andere" statt, so der offizielle Name des Auschwitz-Prozesses. Angeklagt sind 22 Angehörige der Waffen-SS.
Schier unvorstellbares Grauen
"Erstens. Der Exportkaufmann Robert Karl Ludwig Mulka, geb. am 12.4.1895 in Hamburg, verheiratet, Deutscher."
20.08.1965
vom LG Frankfurt am Main zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Urteil: Schuldig der gemeinschaftlichen Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in mindestens 4 Fällen an mindestens je 750 Menschen
13.01.1966
Neues Deutschland Ausgabe vom 13.01.1966
Der zu nur 14 Jahren Zuchthaus verurteilte Hauptangeklagte im ersten Auschwitzprozeß, SS-Massenmörder Robert Mulka, ist auf Beschluß des Landgerichts Frankfurt (Main) wegen angeblicher Kreislaufschwäche aus der Haft entlassen worden.
1968
wegen Haftunfähigkeit vorzeitig entlassen
Sein Sohn Rolf Mulka blieb dem Segelsport sein Leben lang treu. Seine Enkelin Friederike Belcher und Kathrin Kadelbach, die Tochter des einstigen Ersatzmannes von 1960, setzten die Familientraditionen gemeinsam fort. Von 2006 bis 2012 segelten sie in einem Boot. Im 470er wurden sie bei den Olympischen Spielen 2012 in Barcelona Achte.
Wendlohstraße 28, Hamburg
Isestraße 127, Hamburg
Aussage Rybka Rudolf (Auschwitz Prozeß)
Bei seiner Aussage gegen Mulka war der Kinoleiter Rudolf Rybka 47 Jahre alt, er lebte in der Tschechoslowakei. Von 1942 bis 1944 war er als politisch verfolgter Tscheche in Auschwitz interniert, seine Häftlingsnummer war 35 667.
Wir waren erst etwa 600 bis 800 Meter von der SS-Küche weggefahren, da begegneten wir einem Häftlingskommando, das Strohsäcke trug. Es waren vielleicht 40 Häftlinge. Auf dem Weg kam uns ein offener PKW entgegen. Aus dem Auto stieg Mulka aus. Ich kenne ihn und kann mich in seiner Person nicht irren. Er schrie die SS-Begleiter des Häftlingskommandos an: ,Man muß die Strohsäcke mit der Öffnung nach oben tragen.‘ Mulka war sehr aufgeregt, zog schließlich die Pistole und gab auf einen Häftling, der einen Strohsack trug, zwei Schüsse ab. Der Häftling fiel zu Boden. Unter den anderen Häftlingen entstand eine große Unruhe; sie drehten sich um. Da gab Mulka auf den nächsten auch zwei Schüsse ab. Ich sah, wie sich der Häftling hinter dem Strohsack versteckte, und sah auch, daß Blut aus seinem Ärmel rann. Mulka gab noch zwei Schüsse ab, und ein dritter Häftling wurde erschossen, ebenfalls von hinten. Wir waren sehr aufgeregt, ich habe gezittert.
Schlusswort des Angeklagten Mulka
Hohes Gericht, wenn ich als erster der hier Angeklagten das mir erteilte Schlußwort ergreife, so will ich den in subjektiver, objektiver und rechtlicher Hinsicht in den Plädoyers meiner Herren Verteidiger bereits gemachten Ausführungen und Darlegungen nichts mehr hinzufügen. Ich will mich darauf beschränken, diese zu bestätigen, und mich den für mich gestellten Anträgen voll inhaltlich anschließen. Mit dieser Erklärung lege ich gleichzeitig mein weiteres Schicksal und dasjenige meiner unglücklichen Familie vertrauensvoll in die Hände des Hohen Gerichtes, und dieses in der tiefen Überzeugung, daß es sämtliche so wahrhaft schicksalshaften Umstände, die mich damals in meine unglückselige Konfliktlage geführt haben, bis ins einzelne erwägt und berücksichtigt. Insoweit verbleibt mir nur die Erwartung und die Bitte auf und um eine gerechte Entscheidung.
Rolf Theodor Heinz
Bevor noch das Urteil gegen die SS -Bewacher des Vernichtungslagers Auschwitz gesprochen und rechtskräftig ist, rächt sich die Sünde des Vaters schon bis ins zweite Glied.
Weil sein Vater Robert Mulka, 70, als ehemaliger KZ-Adjutant die Liste der Angeklagten im Frankfurter Auschwitz-Prozeß ("gegen Mulka und andere") anführt, sollte Sohn Rolf Mulka, 37, auf etwas verzichten, wonach sich Minister und Millionäre drängten: einen Händedruck der Queen.
Mulka segelte in Hamburg nicht mit um den von der englischen Königin gestifteten »The Queen Elizabeth's Cup« - obgleich er gute Chancen hatte, die Regatta auf der heimatlichen Außenalster zu gewinnen und anschließend aus den Händen der Queen (vor den Fernsehkameras) den Cup entgegenzunehmen.
Denn Mulka zählt zu den erfolgreichsten deutschen Seglern. Schon mit 15 Jahren wurde er in der Piratenklasse Jugendmeister. Im »Flying Dutchman« gewann er 1960 eine olympische Bronzemedaille und war je zweimal Welt(1956 und 1957) und Deutscher Meister.
Doch 1960 verkaufte Mulka sein Olympia-Boot »Macky VI«. Die Ermittlungen gegen seinen Vater waren angelaufen. Mulka junior, verheiratet und Vater zweier Töchter, übernahm die väterliche Handelsvertretung, auch um die Verteidigung finanzieren zu können. Rolf Mulka: »Niemand kahn mir verübeln, daß ich zu meinem Vater stehe.«
Erst im Sommer 1963, bevor der Auschwitz-Prozeß (im Dezember desselben Jahres) begann, segelte Rolf Mulka wieder aus der freiwillig angesteuerten, zweijährigen Flaute - wenngleich in einem fremden Drachenboot, vorwiegend auf Alsterwasser und in Regatten von lediglich lokaler Bedeutung. Und Mulka gewann wieder: Nach Siegen in den Regatten von 1963 und 1964 durfte er den »Smuts«-Wanderpreis endgültig behalten. Rolf Mulkas Ehrgeiz wuchs. Mit zwei Seglerfreunden kaufte er ein neues Drachenboot.
Fristgerecht zum Meldeschluß am 12. Mai sagte Steuermann Mulka sich, seine Miteigner Rehder und Petry und den Drachen »0. 1. Sch.« für »The Queen Elizabeth's Cup« vom 26. bis 28. Mai an und überwies das Nenngeld von 30 Mark an den veranstaltenden Norddeutschen Regatta Verein (NRV), den prominentesten Segelklub Deutschlands (unter den Mitgliedern: Krupp und Oetker). Der NRV-Vorstand war »etwas überrascht« (NRV-Geschäftsführer Rolf-Birger Wahlen). Er verschwieg der Presse, daß NRV-Mitglied Mulka mitsegeln wollte.
»Wir hofften, ihn noch rechtzeitig umzustimmen«, begründete Wahlen die Nebel-Taktik. Aus Rücksicht auf den »internationalen Takt« wollte der NRV -Vorstand der englischen Monarchin und der Bundesrepublik, Hamburg, Mulka und sich selbst eine peinvolle Situation ersparen.
Der NRV-Vorstand schickte nach eingehenden Beratungen den Segelkameraden Ernst 0. Ahlers als Parlamentär vor. Er sollte Mulka bewegen, seine Meldung zurückzuziehen. Doch Mulka ließ sich nicht von der Pinne drängend »Ich bin nicht verantwortlich für das, was meinem Vater vorgeworfen wird.«
Im Hamburger Rathaus wollte niemand für den Fall Mulka verantwortlich werden. Zweimal wurde der verzwickte Fall in der zu jedem Montag einberufenen Frühbesprechung behandelt. Allgemeiner Tenor: »Wir wollen keine Sippenhaftung.« Bürgermeister Engelhard entschied: »Das ist nicht unsere Sache.«
Der NRV konnte den Schwarzen Peter nicht aus seinem Klubhaus an der »Schönen Aussicht« hinausschmuggeln. »Alle, die wir ansprachen«, klagte NRV -Funktionär Wahlen, »winkten ab: Das sollten wir unter uns klären.« In stundenlangen Diskussionen wurden innerhalb des NRV abenteuerliche Möglichkeiten erwogen: Im Falle eines Sieges sollten Mulkas Miteigner ohne ihren Steuermann den Pokal abholen. Und: Mulka sollte sich verpflichten, nicht zu gewinnen.
Doch Drachen-Teilhaber Mulka blieb hart am Wind. In der Hamburger Druckerei H. 0. Persiehl wurde die Meldeliste für das Regatta-Programm abgesetzt - mit Mulkas Namen. Inzwischen hatten der Staatsanwalt und die Nebenkläger im Frankfurter KZ -Prozeß gegen Mulka senior ihre Anträge gestellt. Sie waren härter ausgefallen, als beide Mulkas erwartet hatten: 36 500 mal lebenslänglich Zuchthaus.
»Unter den veränderten Umständen«, erklärte - Rolf Mulka dem SPIEGEL schon am 24. Mai, zwei Tage vor Beginn der Regatta, »wäre ein Start zu diesem Zeitpunkt unglücklich gewesen.« Bevor noch das Programm am Abend des 24. Mai in Druck ging, wurde Mulkas Name aus dem fertigen Satz getilgt. Erst am 3. Juni erfüllte der NRV Mulkas Gegenbedingungen: Der Segler hatte eine schriftliche Bestätigung darüber verlangt, daß er freiwillig auf einen Start verzichtet habe und nicht durch ehrenrührige Gründe dazu veranlaßt worden sei. Wahlen: »Wir hatten diesen Wunsch nicht als Bedingung aufgefaßt.«
Das Drachenboot wollte Mulka für die Regatta dem Finndingi-Olympiasieger Willi Kuhweide leihen. Doch Bundeswehr-Leutnant Kuhweide war nicht greifbar. Der Hamburger Segler Ulli Libor gewann den Cup und durfte mit der fachkundigen Königin über seine Regatta-Nöte (er entging knapp einer Kollision mit einem Alsterdampfer) fachsimpeln.
Als das Rennen entschieden und die Queen längst abgedampft war, schlug die Presse Alarm. »Bild« witterte Sippenhaft: »Mulka muß für seinen Vater büßen«.
Rolf Mulka rüstete zur gleichen Zeit schon für den nächsten Start. Am Wochenende beteiligte er sich mit der Gemeinschafts-»O. 1. Sch.«.an der Kieler Regatta »Um den goldenen Pfingstbusch«.
Quelle: DER SPIEGEL 24/1965
2012
die Urenkellin des KZ-Adjudanten, ist auch Seglerin geworden und bei der Olympiade 2012 in London gestartet, allerdings ohne eine Medaille zu gewinnen. Und weil es sicher schwer ist, im Schatten eines solchen Urgroßvaters leben zu müssen, soll ihr Name hier verschwiegen werden. Die Mulkas setzten also die Segeltradition fort, nicht aber jene des unseligen Ahnen Robert.