Außenlager Überlingen/Aufkirch

Beschreibung

Deutschland, Bundesland Baden-Württemberg, Regierungsbezirk Tübingen, Landkreis Bodenseekreis

Eröffnung
04.10.1944
(Das Außenlager Überlingen-Aufkirch wird erstmals am 3. September 1944 in erhaltenen Unterlagen des Stammlagers Dachau erwähnt.)

Die Gesamtfläche von circa 3600 m⊃2; war mit zwei parallel verlaufenden, 2,8 Meter hohen Stacheldrahtzäunen umgeben, auf denen sich elektrisch geladene Drähte befanden. An den vier Ecken standen 6,5 Meter hohe, mit Scheinwerfern ausgestattete Wachtürme. Außerhalb des umzäunten Geländes lag gegenüber dem Lagereingang eine Baracke für die SS, ein Hundezwinger sowie die Unterkünfte für das Wachpersonal.

Schließung
Das Lager wurde am 21.04.1945 in Richtung des Außenlagers München-Allach evakuiert. Die Häftlinge wurden unterwegs durch die US-Armee befreit.

Deportationen
05.04.1945: Transport von 214 schwerkranken Häftlingen in das Außenlager Saulgau

Häftlinge
Etwa 800

Geschlecht
Männer

Einsatz der Häftlinge bei
OT, Firma Magnesit

Art der Arbeit
Bau von unterirdischen Fabrikanlagen.

Täter


Bemerkungen
In den Molassefelsen bei Goldbach sollten Produktionsstätten der Firmen Dornier, Zahnradfabrik Friedrichshafen, Maybach-Motoren-Werke und der Luftschiffbau Zeppelin GmbH verlegt werden. Das Projekt trug den Tarnnamen Magnesit und wurde unter Aufsicht der OT durchgeführt. Die Häftlinge waren an der Straße nach Aufkirch untergebracht. Das Lager bestand aus vier Barracken: 3 Häftlings- und eine Küchen- bzw. Sanitärbarracke. Die Häftlinge mußten in täglich zwei Schichten zu je 12 Stunden den Stollenausbau vorantreiben. Bei Sprengungen war es ihnen untersagt, die Stollen zu verlassen, was zu vielen Verletzungen und Todesfällen führte. Mindestens 168 Häftlinge, darunter viele italienische Militärinternierte sind durch die SS ermordet worden oder an den Lebens- und Arbeitsbedingungen gestorben.

Samstag, 21. April 1945
Die „Bodenseerundschau“ erschien zum letzten Mal. Berichtet wurde von der „Abwehrschlacht an der Oder“ und „Wendigkeit der Führung und Standhaftigkeit der Truppe meistert alle Krisen“.

In der Nacht vom 20. auf 21. April 1945:
Die noch übrigen KZ-Häftlinge aus dem KZ-Arbeitslager an der Straße nach Aufkirch wurden in die Stadt getrieben und vom Haltepunkt zwischen den beiden Tunnelabschnitten mit einem Zug in Richtung Dachau transportiert. Sie mussten die letzten neun Tage in Allach verbringen, wo sie am 29. April von den Amerikanern befreit wurden.
In dieser Nacht wurden auch die Baracken des Arbeitslagers an der Straße nach Aufkirch angezündet. Diese brannten völlig ab.

Sonntag, 22. April 1945:
Einige Frauen zersägten die Panzersperre am Aufkircher Tor. Der Kommandeur des Kampfraumes Bodensee, Oberstleutnant Wellenkamp, ließ die Panzersperren wieder errichten.

Dienstag, 24. April 1945:
Die ersten Panzer der Franzosen erreichten Owingen.

Mittwoch, 25. April 1945
Bürgermeister Spreng und Stadtinspektor Julius Kitt versuchen beim deutschen Militärkommando zu erreichen, dass Überlingen nicht verteidigt würde, was Oberstleutnant Wellenkamp ablehnte. Er verwies auf die Befehle des Führers und bezog mit seinen Männern eine Verteidigungsstellung beim „Wehrmeldeamt“ in der Krummebergstraße.
In der Mittagszeit schossen Granatwerfer nach Andelshofen und auf die Luisenhöhe, wobei der Schüler Dieter Rübsamen getötet wurde.
Insassen des Lazaretts beim Waisenhaus (heute Franz-Sales-Wocheler-Schule) öffneten auf Weisung des Glasermeisters Josef Hueber die dortige Panzersperre. Mit vorgehaltener Pistole verlangte Oberstleutnant Wellenkamp die Sperre wieder zu schließen.
Zwischen 16:20 und 17:00 Uhr rollten die französischen Panzer heran und umstellten die Stadt.

Um 17:15 fuhren die ersten Panzer beim Waisenhaus über die Wiestorstraße in die Stadt ein. Sie wurden vom Wehrmeldeamt aus beschossen. Die Franzosen schossen zurück, wodurch drei Häuser im oberen Bereich der Krummebergstraße in Brand gerieten.

Um 18:00 eroberten die Franzosen die Stellung beim Wehrmeldeamt und nahmen den verletzten Wellenkamp fest.
Polizeiwachtmeister Josef Hini und der Zeitungsausträger Josef Widenhorn wollten den Franzosen den Weg zum Rathaus zeigen. Dabei wurden sie von hinten erschossen.

Um 18:15 fuhr der erste Panzer auf die Hofstatt und die ersten frz. Offiziere begaben sich ins Rathaus, wo ihnen durch Bürgermeister Spreng und Stadtinspektor Julius Kitt die Stadt offiziell übergeben wurde.

Am selben Tag musste der Bürgermeister die ersten „Bekanntmachungen“ erlassen. Auf großen Plakaten war zu lesen:
1.) Jedes Haus hat eine weiße Flagge zu zeigen.
2.) Wenn ein Einwohner einen französischen Soldaten erschießt oder angreift, werden 50
Bürger erschossen und die Stadt angezündet.
3.) Versprengt deutsche Soldaten melden sich auf der Hofstatt. Sie werden nicht
angeschossen.
4.) Das Verlassen der Wohnungen in der Zeit von abends 6 Uhr bis morgens 8 Uhr ist streng
verboten. Das Verlassen der Stadt ist untersagt.
5.) Die Haustüre ist stets offen zu halten.
6.) Abzugeben sind Waffen,....,Ferngläser, Fotoapparate, Radioapparate, alle Karten im
Maßstab von 1:300 000 und weniger.

Insgesamt erfolgten mind. 12 solcher „Anordnungen“.
So wurde in der Anordnung Nr. 4 vom 2. Mai 1945 das Fahrradfahren verboten und in der Anordnung Nr.12 vom 25. Mai 1945 darauf hingewiesen, dass die weißen Fahnen entfernt werden können.

Donnerstag,26. April 1945:
Sämtliche Radios, Feldstecher, Landkarten, Waffen und Munition mussten abgegeben werden und wurden in der Löwenzunft gelagert.

Mittwoch, 1. Mai 1945:
Die Löwenzunft an der Hofstatt brennt bis auf die Grundmauern mit allen requirierten Gegenständen nieder. Ursache war angeblich ein Kurzschluss.

Montag, 8. April 1946:
Abends wurden die Särge der exhumierten Leichen der Häftlinge vom Degenhardt nach dem Landungsplatz in Überlingen überführt.

Dienstag, 9. April 1946:
Morgens fand ein öffentlicher Gottesdienst statt mit anschließender Überführung der Opfer auf den KZ-Friedhof bei der Birnau.

Nach 1945
Beschreibung der Stollenanlage:
Allgemeine Lage:

Unter bebautem Wohngebiet mit meist hangpaarallel verlaufenden Straßen im Westen von Überlingen (Goldbacher Straße, Säntisstraße).
Größe der Anlage:

Breite: ca 2-25m
Höhe: ca 2-10m
Gesamtlänge: 3,6 km (heute zugänglich)
Überdeckung:

ca 10-60m Erdmasse, terrassenförmig ansteigend
Gebirgsverhältnisse:

Obere Meeresmolasse mit Einlagerung von Ton, der Sandstein hat meist ein toniges Bindemittel, außerdem Tonbänder
Zustand 1944/45:

Die rein synthetisch aufgefahrene Anlage - an der Stelle befanden sich vorher keine Höhlen o.ä. - hatte ursprünglich acht Eingänge, zum Teil mit Gleisanschluß, einen Notausstieg im Nordwesten und mehrere Fensteröffnungen. Sie bestand aus drei Längs- und 17 Querstollen von verschiedener Länge, wobei die Kreuzungpunkte zum Teil hallenförmig ausgebaut waren.

heutiger Zustand:
Die Franzosen ließen nach dem Krieg alle Eingänge sprengen. Die Stollenanlage ist heute durch einen neu aufgefahrenen Eingang zugänglich. Im Innern sind nur Teile zugänglich, große Teile sind ebenfalls gesprengt, andere stehen unter Wasser. Die Anlage muss ständig beobachtet und gesichert werden wegen möglicher Gebirgsauflockerungen, Veränderungen durch Wasser, Luft und geologische Abbrüche.

(aus einem bergtechnischen Gutachten von Herrn Ing.-Geologe Egon Wolff vom 17.3.1980)

Täter