Jugendschutzlager

Gebiet: Preußen (Provinz Brandenburg)

Unterstellung: Reichssicherheitshauptamt, Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) ein Teil des Lagers wurde ab Januar dem KZ Ravensbrück unterstellt

Eröffnung: 01.06.1942.

Schließung: Evakuierung am 20.04.1945

Häftlinge:

Geschlecht: Mädchen

Lager Personal

Organisationsstruktur
Häftlingsbiografien
Lageralltag
Befreiung (
Kriegstagebuch der 2. Belorussischen Front)

RdErl. d. RFSSuCHdDtPol. v. 25.4.1944

Einweisung in die polizeilichen Jugendschutzlager

A: Die Jugendschutzlager

I. Aufgabe
(1) Aufgabe der Jugendschutzlager der Sicherheitspolizei (Moringen/Solling für männliche, und Uckermark, Post
Fürstenberg/Meckl., für weibliche Minderjährige)ist, ihre Insassen nach kriminalbiologischen Gesichtspunkten zu sichten, die noch Gemeinschaftsfähigen so zu fördern, daß sie ihren Platz in der Volksgemeinschaft ausfüllen können und die Unerziehbaren bis zu ihrer endgültigen anderweitigen Unterbringung (in Heil- und Pflegeanstalten, Bewahrungsanstalten, Konzentrationslagern usw.) unter Ausnutzung ihrer Arbeitskraft zu verwahren.

(2) Erziehungsmittel sind straffe Lagerzucht, angespannte Arbeit, weltanschauliche Schulung, Sport, Unterricht, planmäßige
Freizeitgestaltung.

(3) Die kriminalbiologische Erforschung der Persönlichkeit der Lagerzöglinge und ihrer Sippen erfolgt durch das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei.

II. Personenkreis
Für die Einweisung in die polizeilichen Jugendschutzlager kommen über 16 Jahre alte Minderjährige in Frage, bei denen die
Betreuung durch die öffentliche Jugendhilfe, insbesondere Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung, nicht zum Ziele geführt hat
oder von vornherein aussichtslos erscheint und deren kriminelle und asoziale Neigungen mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden müssen. Bei weiblichen Minderjährigen kommen insbesondere die sexuell schwer gefährdeten für die Unterbringung in Betracht. Minderjährige, die wegen erheblichen Schwachsinns außerstande sind, einfachste Forderungen einer Lagerordnung zu begreifen, oder die aus sonstigen Gründen nicht lagerhaftfähig sind, scheiden für die Unterbringung aus. Die Altersgrenze kann in begründeten Ausnahmefällen unterschritten werden.

B. Einweisungsverfahren

I. Anträge der Erziehungsbehörden Anträge auf Einweisung Minderjähriger in die Jugendschutzlager können vom Landesjugendamt (Fürsorgeerziehungsbehörde) und vom Vormundschaftsrichter, die vorher das gegenseitige Einvernehmen herbeigeführt und der Gebietsführung der Hitler-Jugend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben, bei den
Kriminalpolizei-(Leit-) Stellen eingebracht werden mit der Erklärung, daß eine Einordnung des Minderjährigen in die Volksgemeinschaft mit den Mitteln der öffentlichen Jugendhilfe nicht zu erwarten ist.

VIII. Überführung
Sodann veranlaßt die Kriminalpolizei-(Leit-)Stelle die Überführung des Minderjährigen in das Jugendschutzlager. Sofern dem Vollzug noch Schwierigkeiten entgegenstehen (in Bezug auf Lagerhaft- und Arbeitsfähigkeit o.ä.), ist dem Reichskriminalpolizei Amt umgehend zu berichten. Ebenso ist zu berichten, wenn Umstände eingetreten sind, die die Einweisung nicht mehr erforderlich erscheinen lassen, z.B. wenn ein Arbeitsscheuer inzwischen durch ein längeres Ausharren auf einem Arbeitsplatz den Willen zur Besserung gezeigt hat.

E. Entlassungen

I. Dauer der Unterbringung
Die Dauer der Unterbringung im Jugendschutzlager wird von dem erzieherischen Erfolg, von der charakterlichen Artung und einer etwaigen erblichen Belastung des Lagerzöglings bestimmt; sie kann über die Volljährigkeit hinausreichen.

II. Entlassung durch das Reichskriminalpolizei-Amt

(1) Eine Entlassung des Lagerzöglings erfolgt durch das
Reichskriminalpolizei-Amt Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität unter maßgeblicher Berücksichtigung der
Stellungnahme des Kriminalbiologischen Instituts, wenn seine Wiedereingliederung in die Volksgemeinschaft erwartet werden
kann oder eine anderweitige Unterbringung zweckmäßiger erscheint.

(2) Zur Beurteilung dieser Fragen legen die Jugendschutzlager dem Reichskriminalpolizei-Amt halbjährlich Führungsberichte über die Lagerzöglinge vor und schlagen zu gegebener Zeit - in der Regel nicht vor Ablauf von 1 1/2 Jahren - die Entlassung vor.

(3) Von der Entlassung aus dem Jugendschutzlager ist der gerichtlichen Erziehungskartei Mitteilung zu machen.

i.V. Dr. Kaltenbrunner

Einweisungsprozedur

Die Einweisungsprozedur wird von den ehemaligen Häftlingen wie folgt beschrieben:

Bevor sie ins eigentliche Jugendschutzlager kamen, mußten sie zunächst einige Tage bis mehrere Wochen im Aufnahmeblock des FKL Ravensbrück verbringen.
Dort kamen sie in die Badeanstalt, mußten sich nackt ausziehen, alle persönlichen Dinge und Kleidungsstücke abgeben und duschen.
Alle Mädchen wurden untersucht, wobei es für viele das erste Mal war, daß sie sich vor anderen nackt zeigen mußten. Diese Untersuchung war teilweise mit sexuellen Übergriffen verbunden.
Eine Zeitzeugin sagte auch aus, daß sie nach ihrem intakten Hymen (Jungfernhäutchen) untersucht worden ist.
Der Mund wurde aufgerissen (Zitat: Begutachtung wie Viecher). Häufig wurden ihnen auch die Haare geschoren, es wurden Fingerabdrücke genommen und sie wurden teilweise auch nackt fotografiert. In Ravensbrück wurden Akten angelegt.
Die Mädchen und jungen Frauen wurden auch nach kriminalbiologischen Gesichtspunkten untersucht inwieweit dies bei allen der Fall war, ist unbekannt, das bedeutet, ihnen wurden auch Fragen nach ihren Familien gestellt. Durch diese Fragen sollten die Mädchen und ihre Familien kategorisiert werden (z.B. als asozial oder auch nach rassischen Gesichtspunkten).
Eine Zeitzeugin berichtet von Selektionen bei ihrem Transport. So wurden sie sortiert, nach was angestellt und viele von diesen Mädchen blieben in Ravensbrück und kamen nicht ins Konzentrationslager Uckermark.
Nach dieser Prozedur wurden sie mit leinenen Hemden und Hosen, gestreiften Kleidern und Holzschuhen eingekleidet, ihnen wurde ihre persönlichen Sachen abgenommen und zum Block abgeführt.
Nach einigen Tagen bis mehreren Wochen wurden sie dann ins Jugendschutzlager überstellt. Sie kamen dort erst in den Aufnahmeblock (Beobachtungsblock) und erhielten ihre Lagernummer, sowie Eßschüssel und Besteck.
Nach etwa einem halben Jahr wurden sie auf die unterschiedlichen Blöcke aufgeteilt.

Bericht einer Insassin

Wir sind losgefahren und auf einmal sind wir bei einem eisernen Tor reingefahren. Das habe ich dann eben unten gehört, das war Ravensbrück, ein Frauenlager.
Das war ca. 6.00 oder 7.00 Uhr in der Frühe, eine Uhr hatte ich ja nicht. Da war ich das erste Mal geschockt, denn da ging eine Arbeitskolonne raus von alten Frauen. Mit SS-Bewachung. Da war eine alte Frau, der hing der Verband in Fetzen herunter und
sie ist niedergefallen, und der hat sie getreten. Das war mein erster Eindruck, und da habe ich gedacht: Um Gottes Willen, was ist? Wo bin ich hier? Aber zum Denken sind wir nicht viel gekommen. Da war eine Badeanstalt, da mußten wir alle rein.
Da mußten wir uns ganz ausziehen und alles abgeben, die Halskette und was man so bei sich hatte. Die sind laufend rechts bei einer Tür hinein, da war ein Duschraum.
Wie ich an die Reihe gekommen bin, habe ich nur kurz meine Akte gesehen: Achtung! Fluchtgefahr! Zu mir haben sie gesagt: Setz Dich da hin!“ Ich habe gedacht: Was machen die jetzt? Auf einmal ging es ratsch, ratsch, ratsch - da haben sie mir die Haare geschoren. Das war der zweite Schock. Dann bin ich photographiert worden und Fingerabdrücke haben sie genommen. Dann sind wir rein und sie haben die Duschen aufgedreht und wir mußten alle duschen. Als wir fertig waren, mußten wir uns in Reih und Glied aufstellen.
Da sind zwei SS-Männer gewesen wahrscheinlich Ärzte die uns dann wie die Viecher begutachtet haben. Das muß ich schon sagen. Wie auf dem Viehmarkt, mit Mund aufreißen usw.
Ich habe nur einfach Angst gehabt. Als ich an die Reihe gekommen bin, hat mich der SS-Arzt in die Brustwarze gezwickt und hergezogen und gesagt: Aha, eine Jüdin! Ich war nicht einmal im Stande, darauf was zu sagen. Vor lauter Angst konnte ich kein Wort sagen.
Ja, daß ich keine Jüdin bin. Dann haben wir unsere Kleider bekommen, so leinene Hemden und Hosen und die gestreiften Kleider. Da sind wir dann so auf einen Block geführt worden, im KZ Ravensbrück. Ich konnte zwei oder drei Tage nichts
essen. Ich habe gebrochen, ich habe nichts hinuntergebracht. Ich hab das nicht verkraften können. Morgens beim Appell bin ich rumgelaufen wie eine Irre.
Da waren zwar ein paar alte Frauen, die waren sehr lieb zu mir. Die haben mich getröstet, denn ich habe geweint, geweint und geweint. Ich solle ruhig sein und ich solle dort nicht hinschauen. Doch ich hatte das schon gesehen. Dort hat auf dem elektrischen Stacheldraht ein Mensch gehangen. Eine Frau. Ja, und das waren meine ersten Eindrücke.
Ich bin vor Angst gestorben.“

Bericht einer Insassin
Ich weiß noch, als ich eingeliefert wurde, kam ich zuerst ins KZ Ravensbrück. Da mußten wir uns ausziehen und dann unter die eiskalte Dusche. Anschließend mußten wir vor zwei oder drei SS-Ärzten aufmarschieren, die uns ganz oberflächlich anschauten.
Der eine schaute nur mal kurz auf meine langen schönen Haare und sagte:
Läuse! Ich hatte bestimmte keine Läuse. Aber die haben erst alles abgeschnitten und den Rest mit dem Rasierapparat. Eine totale Glatze. Da stand ich nun splitternackt vor diesen SS-Leuten mit einer Glatze. Bisher hat mich ja noch niemand außer meinen Eltern nackt gesehen. Das war grauenhaft.

Häftlingsgruppen

ehem. Fürsorgezöglinge
Geschlechtskranke
einmal Vorbestrafte
zweimal Vorbestrafte
drei- oder mehrmals Vorbestrafte
Sterilisierte
unehelich Geborene
ein/beide Eltern vorbestraft
Vater Trinker
Eltern geschieden
Mädchen und junge Frauen aus dem Widerstand
Partisaninnen aus Slowenien
Töchter und Schwestern von politisch Aktiven, die
in Sippenhaft genommen wurden
wegen Rebellion z.B. Swing-Kids aus Hamburg
wegen Kontakt mit Fremdarbeiterinnen
Juden/ Jüdinnen
wegen Arbeitsverweigerung

Mädchen, die den Zeugen Jehovas angehörten

Mädchen und junge Frauen, die als sexuell verwahrlost diskriminiert wurden (tatsächliche oder unterstellte Prostitution oder tatsächliche oder unterstellte sexuelle Kontakte zu als fremdvölkisch Diskriminierten.)

Romni oder Sintezza Mädchen
Mädchen und junge Frauen, die aus beliebigen Gründen als asozial diskriminiert wurden

Mädchen und junge Frauen, deren Familien als asozial diskriminiert wurden

Besonders schlimm auch nach der Befreiung dürfte es für die Mädchen gewesen sein, die als sexuell verwahrlost (spezifisch weiblicher Inhaftierungsgrund; kein männlicher Jugendlicher wurde so bezeichnet!) oder als „asozial stigmatisiert wurden. Diese gesellschaftlich anerkannte Ächtung der Mädchen veränderte sich auch nach der Befreiung nicht und ist bis heute ungebrochen vorhanden. Diese Häftlingsgruppe bekam indirekt die Schuld an ihrer Inhaftierung zugesprochen, nur die Art und Weise der nationalsozialistischen Verfolgung wurde manchmal kritisiert.
Aus Angst vor erneuter Diskriminierung blieb den Opfern des Nationalsozialismus häufig nur übrig, ihre Inhaftierung im Konzentrationslager zu verschweigen. Nicht anders ist es zu erklären, daß sich so wenige,
der in diesem Jugendschutzlager Inhaftierten organisiert haben.

Aufbau des Lagers

Das eigentliche Jugendschutzlager bestand aus sechs Holzbaracken (60 m lang, 12,5 m breit), die mit einem 2-3 m hohen Stacheldraht eingezäunt waren.
Jede Baracke soll jeweils zusätzlich durch Stacheldraht eingezäunt gewesen sein. Es gab deswegen nur Barackenappelle und keinen großen Lagerappell. Da für das ganze Konzentrationslager ein absolutes, 24-stündiges Redeverbot bestand, muß für die Verantwortlichen die Isolation der Mädchen sehr wichtig gewesen sein.
Die Turnhalle war nicht gesondert eingezäunt.
Es gab in jeder Wohnbaracke abgetrennte Zimmer, in denen jeweils 18 Mädchen wohnen mußten. Sie schliefen in 3-stöckigen Betten, wobei jede ein eigenes Bett hatte.
Innerhalb des Konzentrationslagers bestand das Bewachungspersonal aus Aufseherinnen (Erzieherinnen)
und außerhalb des Stacheldrahts patrouillierten SS-Männer.
Gegen Ende waren ca. 80 Aufseherinnen eingesetzt, davon 6-7 vorgeschulte Kriminalbeamtinnen
(Hauptführerinnen), die übrigen waren Dienstführerinnen (einzige Voraussetzung war die Absolvierung des BDM (Bund deutscher Mädel) und des Reichsarbeitsdienstes).

Blockeinteilung

Aufnahmeblock (Beobachtungsblock)
untere Blöcke (für hemmungslos Triebhafte, Querulanten und Uneinsichtige)
mittlere Blöcke
und die höheren Blöcke (Ausleseblock)

Die Mädchen aus den unteren Blöcken hatten keine Chance entlassen zu werden. Die aus den mittleren konnten theoretisch in den „höheren Block aufsteigen, aus dem heraus theoretisch die Möglichkeit bestand, entlassen zu werden. Schätzungen zufolge sei das aber nur für etwa 180 Mädchen der Fall gewesen.
Mädchen, die von der Gestapo eingewiesen wurden, kamen automatisch in den Ausleseblock

Außerhalb des Stacheldrahtes befanden sich Funktionsbaracken:
Baracke der Lagerleiterin
vier Blockhäuser für Aufseherinnen
Gewächshäuser
Kaninchenzucht
Pferdestall
Effektenkammer
Küche

die Einrichtungsgegenstände waren ebenso spartanisch einfach, wie die Bauten selbst. In den Schlafräumen standen die Betten dreifach übereinander stehend, mit primitiven Strohsäcken sowie einem blaukarierten Bettbezug und je nach Witterung mit ein bis zwei dünnen Wolldecken ausgestattet. In einem Spind hatten die Häftlinge die wenigen verbliebenen persönlichen Gegenstände (Zahnbürste, Wäsche, Essgeschirr aus Aluminium etc.) zu verwahren. Die sog. Tagesräume, die gleichzeitig als Essraum dienten, waren mit einfachsten Holztischen und schemeln sowie einem Schrank für Gerätschaften versehen. Die inhaftierten Mädchen hatten alle persönliche Habe, wie die eigene Kleidung und Erinnerungsstücke, abzugeben und wurden mit entsprechender Häftlingskleidung ausgestattet, die zunächst aus einem blauen Kittelkleid aus Drillichstoff, einer Schürze, einem weißen Kopftuch und derben Holzschuhen bestand. Später erhielten verschiedene junge Frauen auch die gestreifte Häftlingskleidung des Frauen-KZ Ravensbrück zugeteilt. Ihres Namens entledigt, sprachen die Aufseherinnen die Mädchen lediglich mit der zugewiesenen Häftlingsnummer an, die am rechten Oberarm der Bekleidung sichtbar angebracht war.

Tagesablauf

Der Tagesablauf der Mädchen war exakt festgelegt.
Zwischen 5.00 und 5.30 Uhr wurden sie geweckt und mußten sofort nur mit Unterwäsche bekleidet zum Frühsport.
Dieser bestand aus um die Baracke laufen und Freiübungen, wie z.B. Kniebeugen.
Manchmal mußten sie auch die jungen Frauen Kinderspiele spielen, wie z.B. Hänschen klein oder Häschen in der Grube.
Es folgte der militärisch exakte Bettenbau mit anschließendem Appell neben den Betten.
Nach dem Frühstück, dem Zählappell und der Zuteilung in Arbeitskommandos, mußten die Häftlinge zum Arbeitseinsatz.
Abends wieder Zählappell, dann Abendessen, Geschirreinigung und zum Schluß das Päckchenabgeben, was bedeutete, daß sämtliche Tageskleidungsstücke abgegeben werden mußten.
Es wird auch von politischen Schulungen am Abend berichtet.

Zitat Lagerleiterin Toberentz, (1945) im Mitteilungsblatt des RKPA
Die feste, klare Ordnung, die den gesamten Tagesablauf beherrscht, läßt im Zögling nie das Gefühl der Langeweile aufkommen
und bürgt für eine gesunde Müdigkeit am Abend. Zur diesjährigen Kartoffel- und Rübenernte waren wochenlang täglich 255 Zöglinge eingesetzt, die mit der Bahn, Treckern und Gespann in Entfernungen bis zu 45 km abgeholt wurden. Die Zufriedenheit der Bauern mit den Leistungen der Zöglinge bestätigt, daß sie unter straffer Führung gut arbeiten. Im Hinblick auf den totalen Kriegseinsatz war es sehr zu begrüßen, daß sich trotz der Abgelegenheit des Lagers einrichten ließ, ständig einen größeren Teil der Lagerzöglinge für kriegswichtige Fertigungen in einigen großen Betrieben einzusetzen. Hier zeigt sich, daß es unter den asozialen Frauen viele gibt, die einen eng umschrieben, leicht überschaubaren Arbeitsplatz lieben, in dem sie die oft monotonen Griffe mit zunehmender Übung zu einer staunenswerten Schnelligkeit entwickeln.

Bericht einer Insassin
Aber sie haben uns oft auch so aus den Betten gepfiffen. Da mußtest du mit den Nerven fertig werden, du warst am Einschlafen - rausgepfiffen. Ich weiß nicht aus welchen Gründen. Die ist oft mit der Taschenlampe leuchten gegangen. Wir haben sie nicht gehört, denn wir waren so todmüde. Die hat geleuchtet, auf die Hocker.
Wenn die Kleidung nicht geschlichtet war wir haben das nicht so hinschmeißen dürfen, wenn der irgendwas nicht gepaßt hat, ist gepfiffen worden und alles musste raustreten. So war es halt manchmal in der Nacht, daß wir nicht durchschlafen konnten.

Bericht einer Insassin
Da haben wir so kleine Kränzchen gehabt. Da haben wir uns zusammengesetzt, so wie eine Clique. So drei, vier oder fünf Mädchen. So haben sich immer welche zusammengetan.

Bericht einer Insassin
Sie (gemeint ist die SS) haben aber nur eine zurückgebracht, die hat einen Lungenschuß gehabt. Die haben sie dort neben dem Zaun hingelegt. Dann mußten wir einzeln an der vorbeigehen, ohne daß sie ihr Hilfe angedeihen ließen.
Der ganze Block mußte einzeln im Gänsemarsch vorbeigehen und sie ansehen. Zur Abschreckung!

Bericht einer Insassin
wir waren ungefähr vier Mädels beim Arbeiten. Die Männer (Häftlinge des Männerlagers Ravensbrück) steckten uns nach unseren Fragen Zigaretten zu.
Wir rauchten auch und irgendjemand aus unserer Gruppe hat das gemeldet.
Daraufhin wurde der Block praktisch abgesperrt und die Lagerleiterin samt Gefolge erschien und die ging dann mit ihren Stiefeln, d.h. sie schlug uns erst und als wir am Boden lagen, ging sie mit ihren Stiefeln über uns her. Das Ende vom Lied war,
daß ich vier oder fünf Tage Bunkerarrest in Ravensbrück kriegte. Da kamen sie in ein Verließ, ohne Fenster, ohne Alles, wo sie nur einmal am Tag Essen kriegten.

Bericht einer Insassin
Wir durften ja auch nicht sprechen. Sobald man Kontakt suchte mit irgendjemandem, hagelte es Strafen. Ich mußte nur Strafstehen. Aber ich weiß, daß auch geschlagen wurde. Wir haben die Mädchen ja abends beim Duschen gesehen, wie sie grün und blau waren. Vor allem die kleinen Zigeunermädchen, aber auch die anderen.

Bericht einer Insassin
Wenn sie hat dreschen können, hat sie auch zugeschlagen. Und sie hat ziemlich rumgeschrien. Wir waren ja keine Menschen mehr da oben, wir waren nur noch Schweine und Drecksäue. Der Abschaum der Menschheit. Ich bekam einmal einen
Fußtritt, daß ich mitsamt meiner Schubkarre umgefallen bin.

Bericht einer Insassin
Wir gingen zu Fuß von Ravensbrück nach Uckermark. Wir wünschten uns, daß es ein so schöner Ort sei, wie er aussah, aber das erwies sich als Illusion.

Zwangsarbeit

in der Schneiderei im FKL
in zwei Siemens-Baracken auf dem Uckermark-Gelände (Herstellung von Kehlkopfmikrophonen und Überlandtelephonen)
Siemenslager Ravensbrück
Nachtarbeit im Rüstungslager Dallgow--Döberitz
Urbarmachung der umliegenden Wald- und Sumpfgebiete
Be- und Entladen von Lastkähnen auf der Havel
Puppen für Kinder gefallener SS-Soldaten basteln
in der umliegenden Landwirtschaft
in der Forstwirtschaft
als Hausangestellte in ausgesuchten parteitreuen Familien
in der Küche
in der SS-Verwaltung
in lagereigenen Gewächshäusern
in der Angorazucht
Instandhalten von SS-Uniformen und Stopfen von Strümpfen

Bericht einer Insassin
diese Sandhügel in der Heide mußten wir abtragen mit großen Loren volladen. Dann waren Schienen gelegt, runter zum Moor. Da wurde dann der Sand reingeschüttet. So haben wir dann das Moor urbar gemacht. Wir arbeiteten nur in Holzpantinen,
Schuhe gab es nicht. Meine Füße sind heute noch vernarbt davon. Wir haben ja durch die Holzpantinen enorme Blasen gekriegt dann verunreinigt, so daß das wochenlang eiterte. Da gab es nur Papierverband, so daß das teilweise Monate dauerte, bis das verheilt war. Ja also, ich habe hauptsächlich diese Loren mit voll geschüttet und runtertransportiert zum Moor. Ich kann es nicht mehr sagen, aber es mußte ein bestimmtes Pensum erfüllt werden, soundsoviel Loren pro Tag. Wir durften auch nicht bummeln oder die Latschen ausziehen, wenn wir nicht mehr laufen konnten. Die Loren wurden nur mit einem Knüppel abgebremst. Da ist auch manches passiert, wenn der Knüppel abrutschte und ein Mädel mit der Hand rein kam, in die Räder“

Bericht einer Insassin
Seinerzeit als ich die kaputten Füße hatte, war ich in der sogenannten Nähstube, wo die Strümpfe gestrickt wurden. Es wurden Strümpfe gestopft und zwar für die Damen der Lagerleitung. Da mußte so sparsam mit dem Stopfgarn umgegangen werden,
tja meins war toll gestopft, aber ich mußte es wieder auftrennen, weil ich zuviel Garn darin verwendet hatte. In dieser Arbeitsbaracke waren Stuhlreihen, keine Tische wie im Kino. Die Aufseherin hatte vorne ihren Tisch mit ihrem Stuhl. Sie
verteilte auch die Arbeiten, und diese Mädel saßen in der zweiten oder dritten Reihe und waren nur am Auftrennen von gebrauchter Garderobe. Wenn so ein Mädel vorn zur Aufseherin ging, dann war es für die anderen strikt verboten ihren Platz zu verlassen. Wir durften nicht vorne an den Tisch gehen, sonst durften wir uns ja auch sowieso nicht raus bewegen. Im Laufe der Zeit sind verschiedene dahinter gekommen, daß da Schmuck und Goldgegenstände aus den Garderobenstücken rausgetrennt wurden, die die Aufseherin dann einsammelte.

Die Mädchen und jungen Frauen mußten Zwangsarbeit leisten, für die sie wie fast alle ehemaligen Häftlinge niemals entschädigt wurden