28.11.1942

Gemäß dem Erlass des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) vom 28.11.1942 (V A 3 Nr. 3050/42 IV)[42], gezeichnet von Dr. Schefe, wird das Polen-Jugendverwahrlager Litzmannstadt am 1. Dezember 1942 eröffnet. Nach Pkt. 2 des Erlasses handle sich um ein Lager für „kriminelle oder sonst verwahrloste junge Polen“, „die keine ausreichende häusliche Erziehung haben, so dass ihre polizeiliche Unterbringung dringend erforderlich ist, weil sie durch ihr Verhalten deutsche Kinder in ihrer Entwicklung gefährden oder weitere kriminelle Handlungen befürchten lassen“.
Im Punkt 2 des Erlasses wird das Alter der einzuweisenden „jungen Polen beiderlei Geschlechts“ auf 8 bis 16 Jahre festgelegt. Punkt 9 des Erlasses schränkt jedoch die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ein. Bis auf „weitere Weisung“ sollen „aus praktischen Erwägungen für die Einweisung zunächst männliche Jugendliche im Alter von 12 – 16 Jahren in Frage“ kommen. Diese Einschränkung wird durch das RSHA am 5. Januar 1943, gez. durch Dr. Schefe (V A 3 Nr. 3050/42 IV) mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Bereits im ersten Transport am 11. Dezember 1942 wurden ins Lager auch Mädchen überstellt. Bald kam es auch zur Einweisungen von Kindern zwischen 2 und 8 Jahren, für die das Lager vielfach eine Durchgangsstation war.
Im Pkt. 8 des Erlasses wird die Möglichkeit einer Germanisierung der jungen polnischen Häftlinge vorgesehen. Die Lagerleitung soll hierzu mit dem SS-Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) zusammenarbeiten.
Punkt 7 des Erlasses bestimmt, dass „wegen Namhaftmachung verwahrloster Polenkinder“ Kontakt mit den Jugendämtern aufzunehmen“ ist. Ausführungsvorschriften zu dieser Bestimmung sowie weitergehende Bestimmungen zur Einweisung in das Lager wurden Anfang Dezember 1942 durch das Reichinnenministerium verabschiedet.

Jugendschutzlager

Bezeichnung: Polen-Jugendverwahrlager

Gebiet:
Polen, Woiwodschaft Łódź, Kreisfreie Stadt Łódź

Unterstellung:
Reichssicherheitshauptamt, Amt V (Reichskriminalpolizeiamt)

Eröffnung:
01.12.1942

Schließung:
18.01.1945 Befreiung

Häftlinge:
Jungen und Mädchen

Einsatz der Häftlinge bei:

Art der Arbeit:

Bemerkungen:
Das Lager befand sich am 30.09.1942 bereits im Bau, die Insassen befanden sich schon vor der offiziellen Eröffnung im Oktober und November 1942 im Lager. Das Lager sollte der polizeilichen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen polnischen Volkstums dienen

Das Lager in Łodz wurde, wie ab 1943 auch die „Jugendschutzlager“ in Moringen und Uckermark, der Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität, Referat „Weibliche Kriminalpolizei“ des Reichskriminalpolizeiamtes unterstellt. Alle drei Lager wurden von der Bundesrepublik Deutschland neben dem Ost-Jugendverwahrlager der Sicherheitspolizei Konstantynów, wo russische und belarussische Kinder untergebracht waren, sowie der Filiale des Polen-Jugendverwahrlagers in Dzierżąznia als Konzentrationslager anerkannt.

Aufseher

Edward August (Ausbildung: vier Klassen Volksschule), einer der sadistischsten Aufseher, war vom April 1943 bis Januar bis 1944 im Lager tätig. Nach einem Vorfall, bei dem er den Lagerführer beleidigte, wurde er aus dem Lager entlassen. Unmittelbar nach dem Krieg wurde er durch das Sonderstrafgericht in Łódź wegen zehnfachen Mordes an Kindern im Lager Litzmannstadt zum Tode verurteilt.

Sydomia Bayer, vor dem Krieg als Verkäuferin, später als Arzthilfe und Aufseherin im Łodzer Frauengefängnis tätig, wurde Ende 1944 aus dem Lager entlassen. Nach dem Krieg wurde sie durch das Woiwodschaftsgericht Łodz u.a. wegen des Mordes an Urszula Kaczmarek zum Tode verurteilt.

Eugenia Pol /Genowefa Pohl (Ausbildung: sieben Klassen Volksschule) wurde 1942 als 19-Jährige für die Kriminalpolizei angeworben und war bei Aufbau des Lagers als Aufseherin tätig. Nach dem Krieg hat sie in Łodz als Kindergärtnerin gearbeitet. 1974 hat das Woiwodschaftsgericht Łodz sie zu 25 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Aufseher Teodor Busch (Ausbildung: vier Klassen Volksschule) ist 1945 im polnischen Gefängnis verstorben.[128]

Das Verfahren gegen den Lagerfüher Heinrich Fuge vor dem Landgericht Hamburg wurde 1978 aus Altersgründen eingestellt.[129]

Polizeipräsident von Litzmannstadt
Dr. Karl Wilhelm Albert wurde im Zusammenhang mit NS-Verbrechen niemals vernommen.[130]

Dr. (seit 1950 Professor) Hans Muthesius, ehemals Reichsministerium des Inneren, war nach 1945 langjähriger Vorsitzender des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Für seine Arbeit auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. 1953 mit Bundesverdienstkreuz