Polizei-Bataillon 322

Das Polizei-Bataillon 322 wurde am 15. April 1941 aus dem Polizei-Ausbildungs-Bataillon „Wien-Kagran“ in Wien-Kagran gebildet. Vom 6. Juni 1941 bis 10. Juni 1941 erfolgte die Verlegung des Bataillons nach Warschau, sodann ab dem 2. Juli 1941 nach Ostrów Mazowiecka, wo es am 3. Juli 1941 eintraf. Es wurde dem Polizei-Regiment Mitte unterstellt, das dem HSSPF Russland-Mitte Erich von dem Bach-Zelewski zugeordnet war.

30.08.1941

Nach der Verlegung des Polizeibataillon 322 nach Minsk berichtet das Kriegstagebuch:
30. August 1041 16:30 Uhr Vorbesprechung des Kommandeurs mit Obersturmführer Koch vom SD im Beisein der Kompaniechefs für eine gründliche Judenaktion am 31.08.1941 und 01.09.1941 im Judenviertel von Minsk. Das Bataillon stellt hierfür zwei Kompanien.

31.08.1941

7. und 9. Kompanie des Polizei Bataillon 322 führen Judenaktion in Minsk durch. Hierbei werden etwa 700 Juden, darunter 54 Frauen, festgenommen und in das Gefängnis von Minsk eingeliefert.

01.09.1941

Die 9. Kompanie des Polizei Bataillon 322 (ab 18. Juni 1941zum Polizeiregiment Mitte unter Oberstleutnant der Schutzpolizei Montua zusammengefasst) nimmt zusammen mit SD und NSKK außerhalb Minsk die Erschießung von 914 Juden, darunter 64 Jüdinnen vor. Die Erschießungen erfolgen ohne Zwischenfälle. Zu Fluchtversuchen ist es dank des sehr günstigen Geländes, der umsichtigen Leitung und der Erfahrung der Männer nicht gekommen. Von der 9. Kompanie wurde durch derbes und sicheres Zupacken in kürzester Zeit ganze Arbeit geleistet. Die Erschießung der 64 Jüdinnen erfolgte, weil diese bei der Razzia ohne Judenstern angetroffen worden waren.

Befriedungsaktion in Gorenjsko

In der sog. »Befriedungsaktion« in Gorenjsko (Oberkrain) waren im Sommer 1942 neben dem Pol. Geb. Regt. 18 auch die Reserve-Polizeibataillone 10, 44, 93, 171 u. 181 sowie das Polizeibataillon 322 eingesetzt. Das Pol. BatI. 322 wurde schon im August 1942 in die Untersteiermark versetzt, alle anderen Polizeibataillone mit Ausnahme des Res. Pol. Bataillons 181, wurden nach September 1942 aus Gorenjsko abgezogen.

Frevert Walter

Göring wollte das Urwaldgebiet von Bialowieza zu seinem persönlichen Jagdgebiet machen. Dies war wahrscheinlich Teil seines größenwahnsinnigen Plans, den stärksten Hirsch der Welt zu erlegen. Dabei waren ihm die ca. 160.000 Hektar nicht genug, es mußten 100.000 Hektar mehr sein. Außerden sollte das Gebiet von Menschen geräumt werden. Den davon betroffenen Menschen, es sollen ca. 6000 gewesen sein, wurde befohlen, innerhalb von 30 Minuten ihre Heimat zu verlassen. Sie wurden auch nicht umgesiedelt, sondern einfach vertrieben. Bei dieser Aktion, ausgeführt vom Polizeibataillon 322, wurden nach polnischen Angaben ca. 900 Personen getötet. Ferner wurden bei dieser Gelegenheit alle noch vorhandenen männlichen Juden getötet, deren Familien mit den bekannten Folgen deportiert. Die geräumten Dörfer wurden niedergebrannt. Der Anteil Walter Freverts an diesen Untaten wurde nie genau aufgeklärt. Es steht aber fest, daß das Polizeibataillon 322 in der fraglichen Zeit unter seinem Komando stand.

An Ort und Stelle erschossen

Das Polizeibataillon 322 hatte die Aufgabe, das eroberte Land hinter der Front zu "sichern". Es war vom 1. Juli 1941 bis zum 19. Mai 1942 in "Rußland Mitte", im Gebiet um Minsk, im Einsatz.

Für das Bataillon gab es zwei Befehlsstränge. Einerseits unterstand die Einheit dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes, also dem Militär, etwa bei der Bewachung von Brücken, Straßen, Eisenbahnen und der Partisanenbekämpfung. Andererseits war die Formation der Sicherheitspolizei unterstellt, das heißt dem Befehlshaber der SS-Einsatzgruppen; aus dieser Anbindung ergab sich, daß die Polizeitruppe auch die Aufgabe hatte, für "Befriedung" zu sorgen.

Im Klartext: Kommunisten waren aufzuspüren und zu erschießen, Juden zu liquidieren.

Kommandeur des Bataillons war der württembergische Polizeimajor Gottlieb Nagel, sein Adjutant der aus Baden stammende Polizeioberleutnant Josef Uhl. An der Spitze der 3. Kompanie stand Gerhard Riebel, Polizeioberleutnant aus Hessen und SS-Obersturmführer. Einen Zug führte der westfälische Polizeileutnant Gerd Hülsemann.

Nach 1945: Nagel, während des Krieges zum Oberst befördert, lebte als Pensionär in Stuttgart. Uhl wurde Polizeirat und Personalchef der südbadischen Polizei, Riebel Steuerinspektor in Bensheim an der Bergstraße. Hülsemann diente als Polizeiobermeister bei der Kreisbehörde in Siegen.

Keiner von ihnen wurde bestraft für das, was sie getan hatten. Lange Zeit nahm die Justiz sie gar nicht wahr. Erst Ende 1958 kam im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen in Nürnberg gegen den SS-Obergruppenführer und Polizeigeneral Erich von dem Bach-Zelewski der Verdacht auf, daß auch das Polizeibataillon 322 an Massenmorden beteiligt gewesen war.

Bei diesen Ermittlungen vernahm das bayrische Landeskriminalamt (LKA) bis 1960 etwa dreißig Angehörige des Polizeibataillons 322 als Zeugen, darunter auch Nagel, Uhl und Riebel. Die Aussagen führten dazu, daß gegen Nagel und Uhl als Beschuldigte ermittelt wurde. Der Tatkomplex wurde dann vom Nürnberger Verfahren abgetrennt und nach Stuttgart abgegeben. Dort beantragte die Staatsanwaltschaft im August 1960 Haftbefehl gegen beide Beschuldigte. Die Haftbefehle wurden bald darauf erlassen.

Wir Beamte von der Sonderkommission der Zentralen Stelle des LKA Baden-Württemberg in Ludwigsburg wirkten aber in Absprache mit der Staatsanwaltschaft darauf hin, daß sie nicht sofort vollzogen wurden. Wir hatten Sorge, daß (Besuch Himmlers beim Polizeibataillon ) (322 in Bialystok am 27. Juli 1941. )

namentlich der Haftbefehl gegen Uhl hätte wieder außer Kraft gesetzt werden können, weil das Belastungsmaterial nicht ausreichte. Im Laufe des September gelang es uns, einige Zeugen zu vernehmen, die die bereits vorliegenden Anschuldigungen gegen Uhl erhärteten.

Am 6. Oktober 1960 wurden Nagel und Uhl zum selben Zeitpunkt in Stuttgart und Freiburg verhaftet. Polizeirat

Uhl wurde von einem Staatsanwalt und meinem Chef verhaftet. Ich selber ging mit zwei Kollegen in die Wohnung des Beschuldigten Nagel in Stuttgart. Nagel war nicht zu Hause. Wir erklärten seiner Ehefrau warum wir gekommen seien.

Frau Nagel schimpfte laut darüber, wie Behörden gegen einen hochverdienten Polizeioffizier vorgingen, der immerhin mal mehr Menschen unter sich gehabt habe als das ganze Land Baden-Württemberg Polizeibeamte. An mich gewandt, ich war damals Kriminalmeister, meinte sie, es sei ihres Mannes unwürdig, von solch "kleinen Leuten" verhaftet zu werden: "Schlimmer als Gestapomethoden."

Nach einer guten Stunde erschien Nagel. Er war damals bereits 68 Jahre alt, aber sehr rüstig. Den Haftbefehl las er ohne sichtbare Erregung im Stehen. Er erteilte seiner Frau, die laufend vor sich hin schimpfte, präzise Anweisungen über alles "Nötige". Dann brachten wir ihn in die U-Haftanstalt Stuttgart.

Am nächsten Tag war er wieder draußen. Aus mir nicht verständlichen Gründen hatte der Staatsanwalt zugestimmt, daß Nagel mit Rücksicht auf sein hohes Alter und seine bisher gezeigte Aussage-Bereitwilligkeit gegen Nachweis einer Kaution in Höhe von 200O Mark auf freien Fuß gesetzt wurde - obwohl er, der ehemalige Kommandeur, die Beteiligung des Polizeibataillons 322 an Massenerschießungen eingeräumt hatte.

Aus unserer Sicht schien Nagels Freilassung ein verhängnisvoller Fehler, und zwar vor allem verfahrenspsychologisch. Ärgerlich genug war, daß Absprachen zwischen Zeugen und Beschuldigten erleichtert, unsere Ermittlungen erschwert und damit die Verdunkelungsmöglichkeiten verbessert wurden - aber mit welcher rechtlich moralischen Legitimation sollten wir nun eigentlich noch, da die Justiz den Kopf des Kommandeurs aus der Schlinge gelassen hatte, dessen Handlanger verfolgen?

Wir bekamen das bei allen folgenden Ermittlungen zu spüren. Wir hatten inzwischen eine größere Anzahl weiterer

Angehöriger des Bataillons ermittelt viele waren nun wieder im Polizeidienst tätig. Uns lag eine Liste von fast hundert Angehörigen vor, deren Anschriften festzustellen waren und die schließlich vernommen werden mußten.

Aufgrund des offensichtlich aufgeschreckten und gut informierten Polizeiapparats blieben unsere Aktivitäten, wie Ausforschung und Anberaumung von Vernehmungsterminen, nicht verborgen. Wo wir auch hinkamen, alle wußten Bescheid.

Bis dahin war es noch in vielen Fällen vorgekommen, daß die Zeugen relativ ungehemmt die fürchterlichen Erschießungen schilderten. Offenbar waren die Polizisten froh, das einmal loszuwerden - spontan und ohne sorgfältiges Überlegen, welche Folgen die Aussagen für sie oder für andere haben könnten. Damit war es nun vorbei. Die Hauptbelastungszeugen schienen jetzt von der Angst beherrscht, sich ihre beruflichen Chancen zu verderben.

Polizeimeister Johann Allerödder etwa, der Uhl in mehreren Vernehmungen eindeutig identifiziert und stark belastet hatte, weigerte sich plötzlich bei einer Nachfrage von mir, weitere Angaben zu machen. Er erklärte mir auch, warum: Ehemalige Bataillonsangehörige, nun ebenfalls wieder im Dienst, hätten ihm laufend Vorhaltungen gemacht, er sei ein Nestbeschmutzer.

Typisch der Fall eines Mannes, der seinerzeit zur 3. Kompanie gehört hatte und nun, als ich ihn vernehmen wollte, Polizeihauptmeister in einer kleinen Stadt war. Als ich zu ihm kam, sagte er, er wolle keine Angaben machen - sein Vorgesetzter, ein Oberkommissar, habe ihm soeben davon abgeraten. Warum, wurde mir sehr schnell klar, als ich den Namen des Vorgesetzten erfuhr. Der war früher selbst Zugführer in einer anderen Kompanie des Bataillons gewesen und wurde als Beschuldigter geführt.

Für uns war diese Entwicklung mehr als deprimierend. Kaum, daß wir bei unseren Vernehmungen noch Kontakt fanden, im Gegenteil wir wurden versteckt oder unverhohlen beschimpft. Man könne nicht verstehen, bekamen wir zu hören, daß Kriminalbeamte sich zu so etwas hergäben. Wegen dieser Anfeindungen gab es nicht wenige, die um ihre Ablösung von der Sonderkommission gebeten haben. Sie wurden durch andere ersetzt, denen es nicht anders erging.

Immerhin führten die Ermittlungen dazu, daß der Sachverhalt weiter geklärt und auch neue Beschuldigte festgestellt werden konnten. So wurden im Februar 1961 der ehemalige Hauptmann der Schutzpolizei und SS-Hauptsturmführer. Gerhard Riebel, Führer der 3. Kompanie

des Bataillons, und im Februar 1962 Gerd Hülsemann, Zugführer in der 1. Kompanie des Polizeibataillons, verhaftet.

Damit waren die Ermittlungsmöglichkeiten erschöpft, weitere Zeugen nicht mehr feststellbar. Dokumente standen nicht zur Verfügung. Aber die vorliegenden Zeugenaussagen reichten nach unserer Ansicht und nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft für eine Anklage und zur Verurteilung aus.

Als im Mai 1962 die Anklageschrift gegen die Angeschuldigten Nagel, Uhl, Riebel und Hülsemann beim Landgericht Stuttgart zur Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht Stuttgart vorgelegt wurde, trat das ein, was die kriminalpolizeiliche Ermittlungsstelle und auch ich befürchtet hatten. Der Hauptbeschuldigte Nagel, bei bester Gesundheit und noch immer auf freiem Fuß, ließ ärztliche Gutachten präsentieren, die seine Verhandlungsunfähigkeit feststellten - "voraussichtlich dauernd". Dabei blieb es, Nagel starb über 15 Jahre später, als 86jähriger im November 1978.

Die Strafkammer des Landgerichts lehnte prompt die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Nagel ab und erklärte sich hinsichtlich der anderen Beschuldigten obendrein für örtlich nicht zuständig. Daraufhin gab die Staatsanwaltschaft Stuttgart das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Freiburg ab, zuständig für den Wohnsitz des Nächstbeschuldigten Uhl.

An der Substanz der Ermittlungen hatte sich durch diesen Transfer nichts geändert. Trotzdem wurden, aus für uns unerfindlichen Gründen, die wichtigsten Belastungszeugen vom Staatsanwalt in Freiburg nochmals vernommen. Die meisten von ihnen konnten sich nun noch weniger erinnern. Der Zeuge Allerödder zum Beispiel erklärte, er müsse sich in der Person des nunmehr Hauptbeschuldigten Uhl wohl irren.

Gleichwohl, im Februar 1963 war die neue Anklageschrift gegen die verbliebenen Beschuldigten Uhl, Riebel und Hülsemann fertig. Nur wies sie bemerkenswerte Veränderungen auf. Von Erschie-Bungen war nicht mehr die Rede, die Person Uhl wurde völlig anders geschildert als in der Stuttgarter Anklageschrift.

Ursprünglich hieß es: "Von seinen ehemaligen Untergebenen wird der Beschuldigte Uhl als profiliert, sehr scharf und arrogant, ferner als forscher, herrischer und härter als sein Vorgesetzter Nagel bezeichnet. Er soll ''nach oben gestrebt'' und ''nach unten gedrückt'' und gegenüber Untergebenen keine Gnade gekannt haben, weshalb er ''Schrecken des Bataillons'' genannt wurde. Schließlich soll der Beschuldigte Nagel ihm

ziemlich freie Hand gelassen, andererseits selber nichts ohne ihn unternommen haben. Uhl soll sich so gegeben haben, als sei er der Kommandeur."

Nach der Freiburger Überarbeitung lautete diese Passage: "Von seinen ehemaligen Untergebenen wird der angeschuldigte Uhl als zwar strenger und genauer, jedoch absolut korrekter, gerechter und anständiger Offizier, der eher etwas zurückhaltend als draufgängerisch veranlagt war, beschrieben."

Im Plädoyer flüchtete sich der Staatsanwalt ins Schicksalhafte: "Ich glaube, daß es kaum möglich ist, das Ausmaß der schweren Schuld und Sühne, die hier vorliegt, voll zu erfassen. Kaum vorstellbar sind für uns heute aber auch die furchtbaren Leiden der armen Opfer.

Was diese Menschen erdulden mußten, ist unfaßbar. Wieviel Tränen sind hier vergossen worden, wieviel Todesnöte mußten ausgestanden werden und welche seelischen Schmerzen mußten erlitten werden, bis das grausige Vernichtungswerk vollendet war und die sterblichen Überreste Tausender Menschen in großen Massengräbern in der Erde Rußlands ruhten."

Wer das "grausige Vernichtungswerk vollendet" - darauf verwendeten die Staatsanwälte nicht viel Verfolgungsenergie. Die milden Strafanträge entlarvten die großen Worte als hohles Pathos: Riebel schuldig der Beihilfe zum Mord in 300 Fällen - macht fünf Jahre Gesamtstrafe, Hülsemann schuldig der Beihilfe zum Mord in 100 Fällen - macht drei Jahre; unter Anrechnung der Untersuchungshaft natürlich. Uhl: nicht schuldig - mithin Freispruch auf Kosten der Staatskasse plus Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft.

Da zumindest der Verteidiger von Uhl nach diesem Plädoyer des Staatsanwalts zugunsten seines Mandanten nichts mehr vorzutragen brauchte, konzentrierte er sich auf Angriffe gegen die polizeilichen Ermittlungsbeamten. Seine Ausführungen gipfelten in dem Satz. daß bei der Behörde in Ludwigsburg nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien. Uhl sei ein Opfer "dieses Systems" der Ermittlungen geworden. Doch wenn das Verfahren dazu beigetragen habe. daß dem "Herrgott seine Liebsten" - gemeint waren die Ermordeten - in Zukunft nicht so massenhaft zugeführt würden, dann habe sich auch das "ungeheure Opfer" seines Mandanten, zweieinhalb Jahre U-Haft, gelohnt.

Nach siebenwöchiger Verhandlungsdauer wurden alle Beschuldigten freigesprochen. Der Hauptangeklagte Uhl wegen erwiesener Unschuld. Riebel und Hülsemann unter Zubilligung eines Befehlsnotstands. Das Schwurgericht war der Meinung, daß beide die ihnen gegebenen Befehle, Hunderte von unschuldigen Menschen zu erschießen, ohne eigene Gefahr für Leib und Leben nicht hätten verweigern können.


Das trifft nicht zu, denn die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg war jedem einzelnen Fall, in dem sich Beschuldigte darauf beriefen, nachgegangen - ohne auch nur eine einzige Bestätigung zu finden, wie der Leiter Dr. Adalbert Rückerl in seinem Buch "NS-Verbrechen vor Gericht" feststellte.

Von den Gerichten konnte nicht ein einziger Fall präsentiert werden, in dem die Weigerung, einen verbrecherischen Befehl auszuführen, eine im Sinne der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen objektiv drohende Gefahr für Leib und Leben des Befehlsempfängers mit sich gebracht hatte.

Umgekehrt ist in einer bereits 1961 von der Zentralen Stelle zusammengetragenen Dokumentation belegt, daß Weigerungen von Polizeioffizieren, Juden zu erschießen, nicht zu persönlichen Konsequenzen für die Befehlsverweigerer geführt haben. Vielmehr geht es auf die Einwände eines Polizeibataillon-Chefs zurück, daß die Ordnungspolizei nach 1941 nicht mehr zu den großen, systematisch abgewickelten Juden-Exekutionen herangezogen wurde.

Der "Rheinische Merkur" kommentierte den glatten Freispruch: "Die Juristen und Historiker, die in mühseliger Kleinarbeit den blutigen Weg des Polizeibataillons 322 nachgezeichnet und aufgeklärt sowie die amtlichen Mordberichte mit den heutigen Zeugenaussagen verglichen hatten, fragten sich erstaunt, welche NS-Leitstelle während dieses Prozesses am Werke war, um die Wirklichkeit zu verdunkeln, um Widersprüche zu setzen und Zeugnisverweigerungen anzuraten. Fragezeichen auf Fragenzeichen gab es, ohne daß der Berg von Schuld kleiner wurde. Was übrigblieb, müssen ganze Serien schlechter Gewissen, nicht nur schlechter Gedächtnisse sein."

Die Staatsanwaltschaft Freiburg legte Revision ein. Sie wurde vom Bundesgerichtshof im Januar 1964 verworfen. Die Zubilligung des Befehlsnotstandes sei "nicht zu beanstanden".

Nach dieser Entscheidung war uns klar, daß es kaum noch möglich sein würde, die Führer anderer Polizeibataillone strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Mehr als ein Dutzend Polizeieinheiten waren in Rußland ähnlich vorgegangen wie das Bataillon 322. Über hunderttausend Menschen dürften insgesamt in diesen Polizeieinsätzen ermordet worden sein. Das strafrechtliche Fazit in der Bundesrepublik: dreieinhalb Jahre Freiheitsentzug für einen einzigen von den Kommandeuren, den Chef des Polizeibataillons 11, Franz Lechthaler.

Gut ein Jahr nach der bedrückenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeichnete sich noch einmal die Aussicht ab, das Blatt in dem verfahrenen Verfahren zu wenden.

In Prag tauchte im Frühjahr 1965 das bis dahin verschollene Kriegstagebuch des Bataillons 322 auf. Mit Hilfe einer tschechischen Stelle gelangte das Dokument nach Ludwigsburg. Nach den vorangegangenen Gerichtsentscheidungen waren wir zwar skeptisch, wie weit - unabhängig von der Beweislage - die Bereitschaft westdeutscher Juristen überhaupt reichte, die grausame Vergangenheit im Einzelfall strafrechtlich zu bewältigen. Doch immerhin lag nun ein eindeutiger, unwiderlegbarer Sachbeweis für die Untaten vor, die nach unserem Rechtsgefühl einfach nicht ungesühnt bleiben durften.

Das Kriegstagebuch beginnt am 10. 6. 1941 und wird am 26. 5. 1942 geschlossen. Es wurde von dem Adjutanten des Kommandeurs, eben von Josef Uhl, verantwortlich geführt. Die Tagesläufe der einzelnen Kompanien sind akribisch festgehalten. Nach Abschluß des Kriegstagebuches wurde die Richtigkeit und Vollzähligkeit der Eintragungen von dem Oberstleutnant und Bataillonskommandeur Nagel nach Überprüfung bestätigt.

Die Auswertung erbrachte, daß das Polizeibataillon 322, ab August 1941 umbenannt in "III. Bataillon des Polizeiregiments Mitte", in 234 Einzelfällen Erschießungen verschiedener Gruppen durchgeführt hat. In einzelnen Fällen wurden mehrere hundert Personen getötet. Möglich, daß die Zeugen sich auch wegen der Vielzahl ähnlicher Mordtaten nicht mehr genau erinnerten, wer wann wo von wem umgebracht wurde.

Nach dem Kriegstagebuch wurden von dem Bataillon 322 während des Rußlandeinsatzes zirka 11000 Personen erschossen, davon mehr als 9000 Juden - Männer, Frauen und Kinder-, 82 wiederaufgegriffene russische Kriegsgefangene, 74 russische Soldaten als "Freischärler" und 230 russische Soldaten als Partisanen oder Partisanenverdächtige. Bei den übrigen Getöteten handelte es sich um nichtjüdische Zivilisten, die wegen "kommunistischer Umtriebe" umgebracht wurden, sowie neun "partisanenverdächtige Frauen".

Die gemeinsam mit dem Tagebuch vorgelegten Dokumente widerlegen auch die Behauptungen der Angeklagten, sie wären über den Umfang der vorgesehenen Maßnahmen und Erschießungen nicht unterrichtet gewesen und hätten auch nicht gewußt, daß sie - obwohl zeitweise der Wehrmacht unterstellt - Befehle der zuständigen Höheren SS- und Polizeiführung (HSSPF) ausführen und ständigen Kontakt mit den Einsatzgruppen und Einsatzkommandos von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst halten mußten.

Mit welcher Einstimmung die Bataillons-Angehörigen abmarschierten, belegt ein Satz aus der Rede des Generalmajors der Polizei Dr. Retzlaff bei der Verabschiedung des Bataillons am 6. 6. 1941 in Wien: " ... daß sich jeder vom Bataillon bewußt sein soll, den slawischen Völkern gegenüber als Herrenmensch aufzutreten und zu zeigen, daß er Deutscher sei".

Wie klar sich die Polizeiführung auch darüber war, welche seelischen Belastungen die Angehörigen des Polizeibataillons bei den Erschießungen zu ertragen haben würden, geht aus einer vertraulichen Anordnung des Kommandeurs des Polizeiregiments Mitte, Oberstleutnant Montua, hervor:
" Polizei-Regiment Mitte "
" - Ia 15 34 - "
" OU "
(OU = Ortsunterkunft. ) (Sch = Schutzpolizei, Kdr = ) _(Kommandeur. )

Art und Weise des Einsatzes belegt eine der ersten Eintragungen im Kriegstagebuch:
2. Juli 1941
"Beschlagnahme von Gegenständen für den Truppenbedarf "
" ist grundsätzlich er laubt... Kein Einsatz unter Kompanie "
" stärke. Jeder Zivilist mit Gewehr wird erschossen. "
" Ebenfalls sind Politische Kommissare zu erschießen. "
" Weißrussen und Ruthenen, Ukrainer deutschfreundlich. "
" Unter Umständen aus ihren Reihen Hilfspolizei "
" zusammenstel len. "
" Polen und Russen gelten als Feinde. "
" Es ist hart, entschlossen und rücksichtslos "
" durchzugreifen. "

Das Polizeibataillon war unter anderem damit beauftragt, den sogenannten Bialowiezer Forst, ein Gebiet in Ausmaßen von zirka 80 x 100 Kilometer, zu räumen. Dort wohnten seit Generationen überwiegend polnische Familien: Förster, Jäger, Holzarbeiter und Landwirte. Sie waren zu evakuieren und alle Dörfer - etwa 100 - niederzubrennen. Der Forst, die frühere Staatsjagd der polnischen Regierung, sollte auf Befehl des Reichsmarschalls Göring dessen privates Jagdrevier werden.

Auszüge aus dem Kriegstagebuch über diesen Einsatz:
" 23. Juli 1941 "
" Das Bataillon ist getrennt untergebracht, und zwar: "
" Bataillonsstab im Gästehaus des Jagdschlosses in "
" Bialowieza... "
" Das Bataillon setzt sich nach Bialowieza in Marsch "
" ... "
" Ankunft des gesamten Bataillons um 15.00 Uhr in "
" Bialowieza. "
" Für die dem Bataillon bevorstehende Aufgabe ist es "
" dem Höheren SS- und Polizeiführer, SS-Gruppenführer von "
" dem Bach, unmittelbar unterstellt. "
" klare, gute Sichtverhältnisse, Gesundheitszustand "
" sehr gut. "
" 31. Juli 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" Evakuiert wurden heute 12 Orte im Raume um "
" Narewka-Mala, 15-20 km no. Bialowieza, mit 1619 Personen "
" nach dem Raume um Zabludow 50 km von Bialowieza. "
" Einsatzkräfte 3 Kompanien ... 45 Kommunisten (Polen "
" und Russen), darunter eine Frau, wurden wegen kommuni "
" stischer Umtriebe erschossen ... "
" sehr warm, teilweise be wölkt, gute "
" Sichtverhältnisse, Gesundheitszustand im allge meinen bis "
" auf einige Magen kranke sehr gut. "
" 1. August 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" ... Aufgrund sowjetischer schriftlicher Unterlagen, "
" Listen etc. über kommunistische, teilweise an leitender "
" Stelle stehende Funktionäre in Bialowieza und Umgebung, "
" die Oberstjägermeister Scherping von einem Ortseinwohner "
" vertraulich zugingen, worin 72 Personen aufgeführt sind, "
" bekam das Polizei-Bataillon 322 nach fernmündlicher Rück "
" sprache des Oberstjägermeisters Scherping mit SS-Gruppen "
" führer von dem Bach den Auftrag, diese verzeichneten "
" Personen nach Möglichkeit zu ergreifen und sofort zu "
" erschießen ... "
" sehr schwül, bewölkt, Ge sundheitszustand im Monat "
" Juli zufriedenstellend. "
" 2. August 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" Schlagartige Einleitung und Durchführung der "
" geplanten besonderen Aktion in Bialowieza und Umgebung "
" durch das Bataillon. "
" Es gelang hierbei, von den 72 verzeichneten Personen "
" (Kommunisten) 36 zu ergreifen und zu erschießen. Unter "
" diesen 36 befanden sich 5 Juden und 6 Frauen, darunter "
" eine Jüdin. 2 festgenommene Juden wurden wegen Fluchtver "
" suchs erschossen. "
" 15 Zivilgefangene, deren einwandfrei kommunistische "
" Betä tigung feststand, wurden ebenfalls heute vom "
" Bataillon erschossen. Gleichzeitig wurde die 1. Kompanie "
" noch zur Niederzwingung eines ausgebrochenen Streiks im "
" Sägewerk Bialowieza (Grodek) eingesetzt. "
" ... Zuerst die Angehörigen der gestern Erschossenen "
" eva kuiert. Vor Abmarsch hat 3. Kompanie Judenliquidation "
" durchzuführen. In der Zeit vom 25. 7. 1941 bis 31. 7. "
" 1941 wurden vom Bataillon 34 Orte mit insgesamt 6446 "
" Einwoh nern evakuiert. Tag und Nacht waren Offiziere und "
" Mann schaften auf den Beinen, um die rasche Durchführung "
" zu gewährleisten ... "
" klare, gute Sichtverhältnisse, kleine Niederschläge, "
" Ge sundheitszustand gut. "
" 10. August 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" Bereitschaftsdienst und Wachgestellung. Im "
" allgemeinen Sonntagsruhe. Von der 3. Kompanie wurde heute "
" die Liquidierung der im Gefangenen-Sammellager in "
" Bialowieza untergebrachten männlichen Juden durchgeführt. "
" 77 Juden im Alter von 16 bis 45 Jahren wurden hierbei "
" erschossen. "

Nach diesem Mordtag erhielt das Bataillon neue Aufgaben. Doch nur die Einsatzorte änderten sich. Das Morden ging weiter im Raum Bialowieza/Minsk.
" 15. August 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" Bataillon, ohne 1. und 3. Kompanie, "
" Instandsetzungsarbei ten an Kraftfahrzeugen, Waffen und "
" Gerät, Ausbildung, Wachgestellung. "
" Die 3. Kompanie führt Judenaktion in Narewka-Mala "
" durch. Umgesiedelt wurden 259 Frauen und 162 Kinder nach "
" Kobryn. Erschossen wurden alle männlichen Juden im Alter "
" von 16 bis 65 Jahren (282 Köpfe) und 1 Pole wegen "
" Plünderung. "
" bewölkt, kleine Nieder schläge. "
" 18. August 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" Bataillon, ohne 3. Kompanie, Wachgestellung und "
" Ausbil dung. Die 3. Kompanie führt Suchaktionen in den "
" Orten Narewka-Mala, Luka, St. Narewka, Nowe-Lewkowo, "
" Stary Dwor, Polynic, Mostki und Tarnopol nach Personen, "
" die kommunistischer Umtriebe schuldig sind, durch. 26 "
" Perso nen wurden hierbei festgenommen und erschossen. "
" warm, gute Sichtverhältnisse, Sonnenschein. "
_(Kurz vorher war aus dem ) _(selbständigen Polizeibataillon 322, ) _(zusammen mit den Polizeibataillonen 307 ) _(und 316, das Polizei-Regiment Rußland ) _(Mitte neu gebildet worden. Dadurch ) _(änderten sich die ) _(Kompanie-Bezeichnungen: Was vorher 1., ) _(2., 3. war, firmierte nun als 7., 8., 9. ) _(Kompanie. ) _(Gemeint ist die Sicherheitspolizei. ) _(Nationalsozialistisches ) _(Kraftfahrerkorps. )
" nimmt außerhalb Minsk die Erschießung von 914 Juden, "
" darunter 64 Jüdinnen, vor. Unter diesen befinden sich "
" etwa 700 Juden und Jüdinnen, welche bei der gestern von "
" der 7. und 9. Kompanie im Getto von Minsk durchgeführten "
" Aktion aufgegriffen und ins Gefängnis eingeliefert worden "
" sind. Die Erschießungen erfolgten ohne Zwischenfälle. Zu "
" Fluchtver suchen ist es dank des sehr günstigen Geländes, "
" der umsich tigen Leitung und der Erfahrung der Männer "
" nicht gekom men. Von der 9. Kompanie wurde durch derbes "
" und sicheres Zupacken in kürzester Zeit ganze Arbeit "
" geleistet. Die Erschießung der 64 Jüdinnen erfolgte, weil "
" diese bei der Razzia ohne Judenstern angetroffen worden "
" waren ... "
" 25. September 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" 7. Kompanie Befriedungsaktion in Knjaschizy, 14 km "
" nord westlich Mogilew, anläßlich eines "
" Erfahrungsaustausches in der Zeit vom 24./25. 9. 1941 als "
" Lehrgang beim Stabe des Befehlshabers rückw. "
" Heeresgebietes Mitte gem. Korpsbe fehl Nr. 53 vom 16. 9. "
" 1941. Die Aktion, erst als Lehrübung eingesetzt, wurde im "
" Ort selbst ernstfallmäßig angesetzt. Ortsfremde Personen, "
" insbesondere Partisanen, konnten nicht festgestellt "
" werden. Dagegen ergab die Überprüfung der Bevölkerung das "
" Vorhandensein von 15 Juden, 27 Judenfrauen und 11 "
" Judenkindern. Von diesen wurden 13 Juden und 19 Jüdinnen "
" in Zusammenarbeit mit dem SD exekutiert. "
" nach sternenklarer, kühler Nacht ... "
" 2. Oktober 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" 7. Kompanie ohne 2 Wachtzüge Befriedung von Greschno "
" wo ... Erschießung des kommunistischen Parteifunktio närs "
" Korolow und seiner Frau wegen Sabotage; deren Anwesen "
" niedergebrannt. "
" 8. Kompanie Befriedungsaktion im Raume von "
" Schapotschi zy... Beim Durchkämmen des Waldes acht "
" Partisanen als Freischärler erschossen. "
" 1. Zug. 9. Kompanie Fahndung nach Partisanen in Gus "
" lachtsche und Puschtscha (16 und 21 km südwestlich Mogi "
" lew) ohne Ergebnis. Ab 15.30 Uhr die gesamte Kompanie "
" Judenaktion im Getto von Mogilew zusammen mit Stab "
" Höherer SS- und Polizeiführer - Rußland Mitte - und "
" ukrainischer Hilfspolizei: 2208 Juden beiderlei "
" Geschlechts aufgegriffen, 65 an Ort und Stelle bei "
" Fluchtversuchen erschossen. "
" für die Jahreszeit warmes Wetter. "
" 3. Oktober 1941 "
" Unterkunft unverändert "
" 7. und 9. Kompanie zusammen mit Stab Höherer SS- und "
" Polizeiführer - Rußland Mitte - Exekution von insgesamt "
" 2008 Juden und Jüdinnen außerhalb Mogilews unweit des "
" Waldlagers (7. Kompanie 378, 9. Kompanie 545 Erschießun "
" gen). Nachmittags Instandsetzungsdienst ... "
" herbstlich schönes mildes Wetter, Sonnenschein. "

Über die Exekutionen am 2. und 3. Oktober berichtet der Chef der 9. Kompanie unmittelbar nach dem Geschehen:
" Bericht über Judenaktion am 2./3. 10. 1941. "
" Die 9./III. Pol.-Rgt. Mitte hatte den Auftrag, sich "
" am 2. 10. 1941, 13.30 Uhr, beim Höheren SS- und "
" Polizeiführer, Rußland Mitte, zur Durchführung einer "
" Judenaktion zu melden". "
" Die Aktion wurde in dem neu eingerichte ten Getto in "
" Mogilew durchgeführt. Dabei wurden 2208 Juden beiderlei "
" Ge schlechts festgenommen und mittels Last kraftwagen zu "
" einer Gefangenensammel stelle verbracht. "
" Bei der Durchführung der Aktion konnte sehr häufig "
" die Feststellung gemacht wer den, daß sich Juden in "
" feiger und hinter hältiger Angst in allen nur möglichen "
" Win keln versteckt hielten, so daß es oftmals sehr schwer "
" war, diese vor Schmutz star renden Elemente aus ihren "
" Winkeln her auszuholen. Diesem Umstand ist es zuzu "
" schreiben, daß an Ort und Stelle von der 9./III. "
" Pol.-Rgt. Mitte 65 Juden erschossen wurden ... "
" Die Exekution der am 2. 10. 1941 Festge nommenen "
" wurde am 3. 10. 1941 vormit tags durchgeführt. Von der "
" 9./III. Pol.-Rgt. Mitte wurden insgesamt 555 Juden bei "
" derlei Geschlechts erschossen. Die Ak tion war um 12.30 "
" Uhr beendet. "
" (handschr.) Riebel "
" Oberleutnant der Schutzpolizei und Kom paniechef "

Bis zum Frühjahr 1942 verging praktisch kein Tag ohne Mordtat. Erschossen wurde aus eigenem Ermessen, auf Befehl der SS, aber auch "auf Ersuchen der Feldkommandantur", also des Militärs.

Die Tagebucheintragungen enden mit dem 19. Mai 1942, dem Tag, an dem das Bataillon per Eisenbahn von Krasny-Bor nach Kattowitz verlegt wurde:
" Das Bataillon verläßt nach reibungslos vor sich "
" gegangener Verladung und Verab schiedung der im Einsatz "
" verbleibenden Ka -Staffel durch den Bataillons-Komman "
" deur bei schönstem Wetter um 13.15 Uhr in geschlossenem "
" Eisenbahntransport den Bahnhof Krasny-Bor bei Smolensk "
" und beendet hiermit seinen tapferen Ein satz in Rußland "
" im Kriege gegen die Sowjetunion. Abrückstärke: 20 "
" Offiziere, 442 Unterführer und Mannschaften. "

Der "Schluß-Vermerk"- des Kriegstagebuchs zieht die interne Bilanz:
" Die Gesamtverluste des Bataillons bezif fern sich "
" auf: 1 Offz. und 7 Unterführer und Mannschaften gefallen; "
" 4 Offz. und 14 Unterführer und Mannschaften verwun det "
" ... Kriegsauszeichnungen: "
" 1 EK 1. Kl. 4 Spangen zum EK 2. Kl. 42 EK 2. Kl. 54 "
" KVK 2. Kl. mit Schwerten 15 KVK 2. Kl. ohne Schwerter 1 "
" Verwundeten-Abzeichen in Silber 14 Verwundeten-Abzeichen "
" in Schwarz. "
" ... Hiermit wird das Kriegstagebuch am 26. 5. 1942 "
" abgeschlossen. Die Richtig keit und Vollzähligkeit der "
" Eintragungen im K. T. B. sind von mir heute überprüft "
" worden. "
" (handschriftl.) Nagel "
" Oberstleutnant der Schutzpolizei und "
" Bataillonskommandeur "
" Hohenlütte b. Kattowitz O/s, den 26. 5. 1942 "

Nach Auswertung des Kriegstagebuchs, der beigefügten Berichte und Zusammenstellungen mußte ein neues Verfahren gegen ehemalige Angehörige des Polizeibataillons eingeleitet werden, weil Vorgänge deutlich wurden, die nicht Gegenstand des Freiburger Verfahrens waren. Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen gab deshalb ihr Vorermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Darmstadt ab. Die war zuständig, weil der nunmehr am meisten belastete ehemalige Chef der 3. (später 9.) Kompanie, Gerhard Riebel, in deren Bereich wohnte.

Nunmehr wurden auch gegen 20 ehemalige Angehörige des Bataillons im Mannschaftsdienst Ermittlungen eingeleitet, die im Freiburger Schwurgerichtsverfahren lediglich Zeugen waren. Dem Bataillons-Adjutanten Uhl wurde in vier Fällen Beteiligung an Erschießungen neu zur Last gelegt, darunter auch jener Fall, der vom Freiburger Staatsanwalt fallengelassen worden war.

Die Staatsanwaltschaft Darmstadt beantragte eine gerichtliche Voruntersuchung. Sie wurde 1966 eröffnet.

Rund sechs Jahre lang wurde abermals ermittelt und untersucht. Dann endete auch dieses Verfahren, so wie wir es befürchtet hatten, ergebnislos. Nach insgesamt zwölfjähriger Ermittlungsarbeit zogen die Juristen endgültig die rechtliche Notbremse zugunsten aller Verdächtigen: Befehlsnotstand für die Offiziere und damit erst recht für die Mannschaften. Durch Beschlüsse vom 2. Februar, 27. April und 2. Oktober 1972 wurden sämtliche Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Landgericht Darmstadt außer Verfolgung gesetzt.
Besuch Himmlers beim Polizeibataillon 322 in Bialystok am 27. Juli 1941. OU = Ortsunterkunft. Sch = Schutzpolizei, Kdr = Kommandeur. Kurz vorher war aus dem selbständigen Polizeibataillon 322, zusammen mit den Polizeibataillonen 307 und 316, das Polizei-Regiment Rußland Mitte neu gebildet worden. Dadurch änderten sich die Kompanie-Bezeichnungen: Was vorher 1., 2., 3. war, firmierte nun als 7., 8., 9. Kompanie. Gemeint ist die Sicherheitspolizei. Nationalsozialistisches Kraftfahrerkorps. Polizei-Regiment Mitte - Ia 15 34 - OU