Ihre Mitwirkung bei der Massentötung

Bei der Massenvernichtung der Juden und Zigeuner in Treblinka haben die Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. nicht als Mittäter, sondern als Gehilfen gehandelt.

Es lässt sich bei ihnen nicht feststellen, dass ihr Wille über die Leistung eines Förderungsbeitrages hinausgegangen ist und dass sie die Tötungen als eigene gewollt haben.

Obwohl diese sechs Angeklagten entweder der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört haben, so hat bei den meisten von ihnen doch eine engere Bindung an die rasseideologischen Vorstellungen des Nationalsozialismus gefehlt.
Sie sind keine fanatischen Antisemiten gewesen, die aus eigenem Antrieb Juden vernichten wollten. Sie haben sämtlich nur die ihnen anbefohlenen Tätigkeiten verrichtet und sind, wie es im Wesen des Handelns auf Befehl liegt, nicht aus eigenem Wollen, sondern in Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht zur Tatausführung geschritten.
Darüber hinaus haben sie auch nicht über die Tatherrschaft verfügt, da sie keinen Einfluss auf Planung und Bestimmung von Art, Zeit und Ort der Tatausführung gehabt haben. Sie haben stets klare Anweisungen des Inspekteurs Wirth, des Kommandanten Stangl und seines Stellvertreters, des Angeklagten Franz, ausgeführt.
Vor allen Dingen ist aber bei den Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. wesentlich auf ihre Willensrichtung abzustellen, denn diese allein ist, selbst bei voller Tatbestandsverwirklichung, dafür entscheidend, ob der Handelnde als Täter oder Gehilfe anzusehen ist (vergleiche BGH in NJW 1963, 355).

Nach dem Werdegang, ihrem Gesamtverhalten in Treblinka und dem in der mehrmonatigen Hauptverhandlung gewonnenen Persönlichkeitsbild der Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. ist das Schwurgericht zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich nicht deshalb an der Vernichtungsaktion beteiligt haben, weil sie sich das Verhalten und die Absichten der Haupttäter zu eigen gemacht haben, sondern weil sie als Folge ihrer grundsätzlichen Einstellung zu Befehl und Gehorsam die fremde Tat befehlsgemäß unterstützen wollten.
Sie hatten an ihr weder ein materielles noch ein politisches Interesse und verrichteten sie nicht aufgrund eigener Entschließung, sondern gleichsam als Werkzeug, weil sie der Autoritt einer verbrecherischen Staatsführung unterworfen waren. Ihre innere Einstellung zu den befohlenen Taten lässt sich unter diesen Umständen nicht als Täterwille (vgl. dazu BGHSt. 8, 397) beurteilen.
Auf der anderen Seite bestehen daran, dass die Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. als Gehilfen die Massentötungen wissentlich und willentlich gefördert haben, keinerlei Zweifel.
Allen diesen sechs Angeklagten waren bei ihrer Beteiligung an den Vernichtungsmaßnahmen in Treblinka alle Tatumstände bekannt. Sie wussten, dass es sich um die Ausführung grundsätzlicher und eingehend vorausgeplanter Befehle der obersten Staatsführung handelte und dass die Staatsführung mit diesen Befehlen die Tötung unschuldiger Menschen aus rasseideologischen und machtpolitischen Motiven, also aus niedrigen Beweggründen, bezweckte.
Mit großer Eindringlichkeit erlebten sie allesamt selbst den grausamen und heimtückischen Ablauf der Vernichtung. Darauf, ob Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. selbst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam gehandelt haben, kommt es in diesem Zusammenhang nicht weiter an, denn entgegen der von der Verteidigung wiederholt gewässerten Meinung kann die Vorschrift des 50 Absatz 2 StGB, wonach besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse, die nach dem Gesetz die Strafe schärfen, mildern oder gar ausschließen, jeweils bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt werden müssen, bei dem sie vorliegen, nur insoweit Berücksichtigung finden, als es sich nicht um strafbegründende Merkmale handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt. 1, 368; BGHSt. 6, 630, BGHSt. 8, 220 und BGH in NJW 1956, 476), von der abzugehen das Schwurgericht keinen Anlass sieht, ist aber der Mord im Sinne von 211 StGB im Verhältnis zum Totschlag nach 212 StGB ein selbständiges Delikt und nicht etwa nur ein qualifizierter Tatbestand des Totschlags. Das bedeutet, dass die strafbegründenden Merkmale, unter anderem des niedrigen Beweggrundes, der Grausamkeit und der Heimtücke, nicht bei dem Gehilfen vorzuliegen brauchen, sondern dass es ausreichend ist, wenn sie beim Haupttäter gegeben sind. Der Gehilfe muss lediglich die Tatumstände kennen, die das Verhalten des Haupttäters als grausam, heimtückisch oder als aus niedrigen Beweggründen hervorgehend kennzeichnen. Sind ihm diese Umstände bekannt, so ist es unerheblich, wenn er sie in seiner Vorstellung rechtlich falsch qualifiziert, sofern er sie nur bei gehöriger Gewissensanspannung rechtlich zutreffend hätte einordnen können.
Dazu waren die Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. hier ohne weiteres in der Lage, wurden sie doch täglich mit der Tatsache konfrontiert, dass Menschen ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht und Alter unter den schrecklichsten Umständen nur deshalb sterben mussten, weil sie Juden oder Zigeuner waren. Da sie trotz ihrer genauen Kenntnis aller dieser Umstände durch ihre Tätigkeit den reibungslosen Ablauf der Massentötungen wissentlich förderten, handelten sie hierbei auch vorsätzlich.
Die befehlsgemäße Beteiligung der Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. an der Massenvernichtung im Lager Treblinka beruhte auf einem Tatentschluss, da alle diese Angeklagten von Anfang an entschlossen waren, bis zu einer Versetzung ununterbrochen in Treblinka tätig zu sein.
Ihre Beihilfe liegt also in einem Gesamtverhalten, das durch den Aufenthalt in Treblinka zu einem einheitlichen Lebensvorgang zusammengefasst wird und das daher bei natürlicher Betrachtungsweise alle Einzelakte zu einer einheitlichen Handlung im Sinne des 73 StGB zusammenfegt.
Das Gesamtverhalten dieser Angeklagten ist deshalb rechtlich als eine Handlung anzusehen. Das gilt auch für den Angeklagten Lambert.
Lambert befand sich in drei getrennten Zeitabschnitten im Vernichtungslager Treblinka, und zwar das erste Mal für mehrere Wochen ab Ende Mai / Anfang Juni 1942, das zweite Mal von August bis Ende September oder Anfang Oktober 1942 und das dritte Mal für mehrere Wochen im Frühjahr 1943.
Da er als fliegender Baumeister der Dienststelle T4 bereits gewohnt war, mehrere Male an denselben Ort zur Erledigung von Bauarbeiten geschickt zu werden, muss man davon ausgehen, dass er bereits bei seinem ersten Einsatz dazu entschlossen war, so oft nach Treblinka zu kommen, wie man es von ihm seitens der Dienststelle T4 und der Lubliner Zentrale verlangte. Seinen zweiten und dritten Einsatz in Treblinka sah er als die fortlaufende Kette eines Ganzen an, dem er seine Dienste zur Verfügung zu stellen hatte. Die Leistungen, die er während seines zweiten und dritten Aufenthaltes in Treblinka erbrachte, beruhten deshalb nicht auf neuen Entschlüssen.
Bei natürlicher Betrachtungsweise muss man seinen in drei Etappen erfolgten Einsatz in Treblinka ebenso als eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine einzige Beihilfehandlung bewerten wie den seiner Mitangeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel und Ru.

Die Angeklagten Mentz, Münzberger, Stadie, Suchomel, Lambert und Ru. verrichteten die ihnen anbefohlene Tätigkeit im Lager Treblinka in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit anderen Angehörigen der deutschen Lagerbesatzung, die ebenfalls nur die ihnen erteilten Befehle ausführten. Jeder von diesen Helfern trug, für den anderen erkennbar und von ihm unterstützt, seinen Teil dazu bei, dass die jdischen Menschen getötet wurden. Nur ihr gemeinsames Handeln führte zum reibungslosen Ablauf der Vernichtungsaktion und sicherte insoweit den gewünschten Erfolg.
Sie handelten deshalb als gemeinschaftliche Gehilfen.