Auschwitz, 14. Februar 1944
Geheim! Nur für den Dienstgebrauch!
Sonderbefehl über die Herabsetzung der Häftlingsarbeitskommandos bei allen Dienststellen im Standort Auschwitz
Jeder deutsche Mensch, insbesondere der SS-Mann, weiß, worum es jetzt im 5. Kriegsjahr geht. Alle Arbeitskräfte und jede Arbeitsstunde gehören der Rüstung und damit dem Siege. Die Durchführung dieser Forderung steht bei der Lösung aller anderen, auch noch so notwendigen Aufgaben, an erster Stelle. Es muß nun endlich danach gehandelt werden; gesprochen ist darüber genug. Wir haben im eigenen Lagerhaushalt damit sofort anzufangen. Wenn hier in Auschwitz von rund 41000 arbeitsfähigen Häftlingen über 12000 Häftlinge für die Aufrechterhaltung der Lagerbetriebe pp. eingesetzt sind, so ist diese friedensmäßige, arbeitseinsatzmäßig verschwenderische Auffassung nicht mehr zu verantworten. Durch längere persönliche Beobachtungen habe ich festgestellt, daß auf allen Arbeitsplätzen - außer den Rüstungsbetrieben - viel zu viel Häftlinge eingesetzt sind, die nicht ausgenutzt werden, faulenzen und durch falsche Arbeitseinteilung und unzulängliche Beaufsichtigung sogar zum Faulenzen erzogen werden. Während draußen in den Rüstungsbetrieben usw. bei dauernd reduziertem Arbeiterbestand die Arbeitsleistungen von Tag zu Tag gesteigert werden, haben verantwortliche SS-Dienstgrade auch hier im KL-Dienst diesen Standpunkt noch nicht erfaßt. Damit mache ich nunmehr Schluß. Ich werde als verantwortlicher SS-Führer für den Gesamtarbeitseinsatz im Standort Auschwitz die notwendige Zahl von Arbeitskräften für die einzelnen Arbeitsplätze, beginnend in den Lagerbetrieben, selbst festsetzen. Mit diesen Zahlen muß die bisherige Arbeitsleistung nicht nur geschafft, sondern noch gesteigert werden. Unterführer, die das nicht fertig bringen, sollen mir das melden; ich werde das betreffende Arbeitskommando dann einige Tage selber übernehmen und ihnen zeigen, daß das von mir befohlene Arbeitsziel mit den gestellten Häftlingen in jedem Falle erreicht werden kann. Die Lagerkommandanten II und III bitte ich, für ihren Dienstbereich sofort ebenso zu verfahren. In den zukünftigen Beförderungsbeurteilungen sind die dienstlichen Leistungen in dieser Hinsicht besonders hervorzuheben und zu bewerten. Daß zur Steigerung der Arbeitsleistungen der Häftlinge eine stärkere Beaufsichtigung durch SS-Dienstgrade notwendig ist, wissen wir, wir wissen aber auch, daß solche SS-Aufsichtsdienstgrade zusätzlich nicht zur Verfügung stehen, weil sie an der Front oder bei uns an anderen wichtigen Stellen Dienst machen. Wir helfen uns also selber. Hierzu befehle ich:
Alle im Innendienst (Bürodienst) tätigen SS-Angehörigen werden nach einem besonderen Dienstplan, der von mir und den Lagerkommandanten II und III festgelegt wird, täglich 1-2 Stunden zur Beaufsichtigung und Kontrolle der Außen-Häftlingsarbeitsstellen herangezogen. Es gibt keinen Arbeitsplatz mehr, der nicht dauernd überwacht wird. Die ausfallenden Arbeitsstunden sind, soweit sie durch geeignete Maßnahmen nicht während der festgesetzten Dienstzeit ausgeglichen werden können, nach beendeter Bürozeit nachzuholen. Die Überwachung der Arbeitsstellen hat sich darauf zu erstrecken, daß jeder Häftling während der Arbeitszeit auch dauernd arbeitet. Häftlinge, die nicht arbeiten, oder nicht wissen, was sie tun müssen, sind von den Kontrollorganen namentlich zu erfassen und meiner Abteilung lila - Zentralarbeitseinsatz - zu melden. Sie rücken am nächsten Tag nicht mehr aus und werden zusammengefaßt einem Rüstungsbetrieb zugeführt, bezw. abgegeben. Andererseits muß, wie mehrfach befohlen, alles getan werden, um die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitskraft der Häftlinge zu erhalten. Dazu gehört, daß der Häftling nach ordentlich getaner Arbeit auch entsprechend behandelt wird. Das Wichtigste sei nochmals gesagt:
1. Es gibt am Tage, wie bisher, nur einen Zählappell, der nicht länger als 10—15 Minuten dauert.
2. Die Freizeit dient der Wiedererlangung verbrauchter Arbeitskräfte; hierzu gehört ausreichender Schlaf. Unnötige und gar schikanöse Beanspruchung der Häftlinge in der Freizeit fällt weg. Verstöße hiergegen sind mit strengsten Strafen zu ahnden.
3. Der Verpflegung ist höchstes Augenmerk zuzuwenden, d.h. es muß jeder Häftling auch wirklich das bekommen, was ihm zusteht (Schwer- und Schwerstarbeiterzulagen). Die Paketzufuhr spielt hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle. In Auschwitz sind innerhalb von 2 l h Monaten weit über 1 Million Pakete eingegangen. Empfänger vieler Pakete, die verderbliche Ware erhielten, die sie, wie ich mich überzeugt habe, nicht allein verzehren können, werden bei entsprechender Belehrung, wenn sie es schon nicht allein tun, an andere diesbezüglich schlechter gestellte Häftlinge abgegeben.
4. Der Zustand der Bekleidung muß laufend überwacht werden, besonders Schuhwerk.
5. Kranke Häftlinge rechtzeitig herausziehen. Lieber bei entsprechender ärztlicher Behandlung eine kurze Zeit in den Krankenbau, und dann wieder gesund an den Arbeitsplatz, als eine lange Zeit ohne Arbeitsleistung krank am Arbeitsplatz belassen.
6. Dem fleißigen Häftling Erleichterungen jedmöglichster Art, gesteigert bis zur Wiedererlangung der Freiheit ; dem faulen, unverbesserlichen Häftling die Härte aller bestimmungsmäßig möglichen Strafen.
Ich habe noch einmal schriftlich auf die Wichtigkeit dieser dringlichen Maßnahmen hingewiesen, für weitere schriftliche Erklärungen auf diesem Gebiet habe ich keine Zeit. Mit den Lagerkommandanten II und III werde ich mich persönlich von der Durchführung dieses Befehls überzeugen. Daß nun schlagartig gehandelt werden muß, ist klar, und ich hoffe, daß ein Jeder von sich aus schon das Erforderliche tun wird. Dem Hauptamtschef,
SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Pohl, habe ich hierüber entsprechend berichtet. Für die Häftlingsarbeitskommandos der Bauleitung ergeht durch den Hauptamtschef gesonderter Befehl.
gez. Liebehenschel
SS-Obersturmbannführer
F.d.R.
Zoller
SS-Hauptsturmführer und Adjutant