Die Ravensbrücker Zeit ist abgelaufen
Die Tage des Schreckens sind vorbei
Wir sind durchs Nadelöhr gekrochen
Es ist gelungen, wir sind nun endlich frei
Wir trauten unseren Ohren nicht
Wurden ausgerufen beim Appell
Sollten die uns mal wieder zum Besten halten
Von den Moffen* kannten wir das nur zu gut.

Jahre saßen wir gefangen
Hinterm endlos grausamen Stacheldraht
Doch wir ließen nie die Köpfe hängen
Denn wir wussten, dass das Ende naht
Wir sehnten uns die ganzen Jahre nach Zuhaus
Träumten vom weißen Auto mit rotem Kreuz
Die uns Rettung bringen sollten
Hinterm endlos grausamen Stacheldraht

Beladen mit Beuteln und mit Säcken
Den Rest des Rotkreuzpakets in der Hand
Zogen wir in dreckige Baracken
Nichts war unter unserem Stand
Zuerst die Kranken in die Betten stopfen
Mit Liebe haben wir sie mitgeschleppt
Prompt hört man es von allen Seiten klopfen
Die leckersten Häppchen wurden wieder gebraut

Manch eine hatte düstre Gedanken
Man sagte: Wir kommen hier nicht mehr raus
Jahre konnten wir ruhig warten
Mit unserer Geduld jedoch war es jetzt aus.
Anstellen wollten wir nie hören
Nun wurde es zum Zauberwort
Holterdiepolter stürmten wir vor
Im Namen von Oranien ging auf das Tor.
Nun sind wir nicht mehr gefangen
Hinterm endlos grausamen Stacheldraht
Dies ist das Ende von unserem Verlangen
Vom Hungern und von dem Verrat
Wir reisen jetzt nach Schweden,
unserem vorläufigen Zuhaus
In den weißen Autos von Roten Kreuz
Die kamen, um uns Rettung zu bringen
Hinterm endlos grausamen Stacheldraht.

Text: Gisela Söhnlein/Hetty Vôute (KZ Ravensbrück 1945)