Im Hause von Albert Müller in der Wilhelmstraße 18 wohnte auch die fünfköpfige jüdische Familie Israelsohn, auch kurz Sonn genannt.
Julius, am 29. Oktober 1898 geboren, war 1919 nach seiner Heirat mit Erna Müller aus Vörden im Kreis Höxter nach Minden zugezogen. Erna, am 5. März 1899 geboren, war die Tochter von Albert Müller. Sie arbeitete als Putzmacherin im Modegeschäft ihres Vaters in der Hohnstraße 23. Ihr Mann Julius war ebenfalls in diesem Geschäft beschäftigt und wurde bald neben seinem Schwiegervater Miteigentümer.
Das Ehepaar bekam drei Kinder:
1925 Tochter Gerda
1927 Sohn Hans
1928 Sohn Günter.

Alle Kinder hatten unter der Diskriminierung und Verfolgung durch die Nazis zu leiden; alle wurden als Juden aus den öffentlichen Schulen ausgeschlossen. Gerda, die von der Mädchenmittelschule verwiesen worden war, besuchte ab Mai 1940 die jüdische Haushaltungsschule in Ahlem bei Hannover, von wo sie Anfang Dezember 1941 zu ihren Eltern zurückkehrte.
Das Modegeschäft von Albert Müller und Julius Israelsohn litt wie alle jüdischen Geschäfte unter den 1933 einsetzenden Boykottmaßnahmen, die vor allem von der SA organisiert wurden. 1937 oder 1938, wurde der Verkauf des Geschäfts erzwungen, es wurde arisiert und von Elsa Kaster als Modehaus weiter geführt. Die Familie war nun ohne Einkommen und auf die Unterstützung durch Albert Müller angewiesen.
Nach dem Novemberpogrom von 1938 wurde Julius Israelsohn in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, aus dem er erst Ende September 1939 wieder entlassen wurde. 1941 wurde die Familie gezwungen, ihre Wohnung zu verlassen und in das sogenannte Judenhaus in der Heidestraße 21 umzuziehen, wo sie nun in großer Enge mit mehreren anderen jüdischen Familien zusammen lebte, denen das gleiche Schicksal widerfahren war.
Im Verwaltungsbericht der Stadt Minden von 1941/42 heißt es, dass am 13. Dezember 1941 im Zuge der Abschiebung von Juden aus dem Reichsgebiet 25 Jüdinnen und Juden aus Minden nach Riga evakuiert worden seien. Darunter befand sich auch die ganze Familie Israelsohn. Im Ghetto Riga wurde die Familie auseinandergerissen. Julius und Erna wurden im August 1943 weiter in das KZ Kaiserwald verschleppt, wo Julius 1944 umkam. Erna wurde in das KZ Stutthof deportiert und fand dort im Februar 1945 den Tod. Auch Gerda kam zu einem unbekannten Datum im KZ Stutthof um. Günter wurde über das Ghetto Kowno und das KZ Stutthoff im September 1944 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich im Dezember 1944 bei einer sogenannten Kinderaktion ermordet.
Hans Israelsohn wurde von Riga aus noch mehrfach verschleppt in die Konzentrationslager Stutthof, Kaiserwald, Buchenwald und Theresienstadt, hier wurde er am 5. Mai 1945 befreit. Er hat als einziges Familienmitglied das Naziregime und die Shoa überlebt. 1945 kehrte er nach Minden zurück, von 1947 bis 1948 lebte er in Osnabrück. 1948 wanderte er in die USA aus. Dort legte er den Namen Hans Israelsohn ab und nannte sich John Sonn. Er starb 1988 in den USA.