RAD-Abt. 3/201 (weiblich)

Österreich, Bundesland Niederösterreich, Bezirk Waidhofen an der Thaya

Wolff-Villa, im Volksmund auch Eder- oder Thal-Villa, Groß-Siegharts, Waidhofner Straße 25—27
Villa und Fabrik kaufte 1918 die Firma Kurucz & Co.
Rudolf Hohenberg, einer der nachfolgenden Besitzer, wurde 1938 als „jüdischer Mitbürger“ gezwungen, mit seiner Familie Österreich zu verlassen.
Die Nationalsozialisten beschlagnahmten seinen Besitz und richteten in der Villa 1938 bis Frühjahr 1945 ein Reichsarbeitsdienst-Frauenlager ein.
Von November 1944 bis Anfang der 90er Jahre waren Johann, Leopoldine, Robert und Amalia Eder bzw. deren Rechtsnachfolger Villenbesitzer. Eine neue Bestimmung erfuhr das Gebäude mit dem Einzug der Familie Thal.

Relativ unbekannt dürfte die ehem. Existenz des Reichsarbeitsdienstlagers Nr. 3/201 für weibliche Jugend mitten in Groß Siegharts im Waldviertel sein.

Jetzt ist das Lager bzw. das Gebäude in dem es bestand aktuelles Gesprächsthema, da es in Kürze abgerissen werden soll (Stand 06/2009) und an der Stelle ein Seniorenheim errichtet wird.

Schon 1938 wurde mit der Einrichtung eines RAD-Lagers in Groß Siegharts, in der ehem. Villa des Fabrikanten und Bürgermeisters Cuno Wolff begonnen.
Die eingesetzten Mädchen, genannt Arbeitsmaiden" mußten einen kasernenmäßigen Drill über sich ergehen lassen und arbeiteten tagsüber bei den umliegenden Bauernhöfen. Zweck war es, die Jugend mit der bäuerlichen Arbeit vertraut zu machen.
Nach 6 Monaten sollte dieser freiwillige Dienst zu Ende sein, jedoch ab Herbst 1943 wurde der Dienst zwangsweise verlängert und die Maiden vermehrt im Kriegsdienst eingesetzt.

Im Lager waren meist 20-25 Maiden untergebracht, die laut Zeugen mit viel Idealismus und Ernsthaftigkeit am Werk waren.

Neben dem Lager befindet sich eine Art Bunker bzw. eigentlich nur ein betonierter Unterstand, der aus einem ca. 10m langen Querstollen mit Aus- und Eingang auf jeder Seite besteht. Der Zustand ist noch recht gut!

Nach dem Krieg wurde das Gebäude von der russischen Kommandantur beschlagnahmt. Leider ist das Gebäude in den letzten Jahrezehnten dem Verfall preisgegeben worden und muß jetzt scheinbar abgerissen werden.

Bericht von Theresia Leitner aus Wien über ihre Dienstzeit in der Wolff-Villa:
Der Arbeitsdienst hieß ursprünglich „freiwilliger“ Arbeitsdienst und sollte dazu dienen, die Jugend mit der bäuerlichen Arbeitswelt vertraut zu machen. Mit den fortschreitenden Kriegsgeschehen wurde er aber Pflicht. So mussten wir Wiener Maturantinnen im Frühjahr 1943 zwischen schriftlicher und mündlicher Matura zur Stellung bzw. Musterung gehen und am 1. April in das uns vorgeschriebene Lager „einrücken“. Die Matura war zu diesem Zweck auf März vorverlegt worden. Die ersten Wochen im Lager dienten der Einschulung, das heißt wir durften das Areal nicht verlassen.
Nach einer Art Vereidigung begann der eigentliche Dienst. Die Arbeitskleidung sah folgendermaßen aus:
blaues Kleid, grauweiße, grobleinene Arbeitsschürze, rotes Kopftuch, Strickjacke, wenn es kalt war, mit dem Uniformmantel darüber, hohe Schnürschuhe, im Sommer auch Holzpantinen.
Der Großteil der „Arbeitsmaiden“ arbeitete von 9 bis 17 Uhr bei Bauern, jeweils für drei Wochen beim selben, ein kleiner Teil blieb im Haus, um aufzuräumen, zu heizen, zu kochen, Wäsche zu waschen, den Garten zu pflegen und die Tiere zu versorgen (ein Schwein und viele Angorahasen).
Auch zu diesem Innendienst wurde man abwechselnd eingeteilt. Der Tagesablauf war ungefähr folgender:
6 Uhr Wecken, 6.05 Uhr Frühsport, 7 Uhr Frühstück, 8 Uhr Abmarsch zum Bauern (nach Dietmanns, Waldreichs, Hörmanns, Fistritz, selten in Groß-Siegharts selbst), 17 Uhr Arbeitsschluss beim Bauern, Rückmarsch ins Lager, Waschen, Umziehen und 19 Uhr Abendessen, anschließend meist noch eine Schulung oder gemeinsames Singen usw., 21 Uhr Nachtruhe. Samstag war etwas früher Arbeitsschluss. Sonntags durften wir eine Stunde länger schlafen.
Wollte man in die Kirche zur Messe gehen, musste man aufstehen wie immer, um zeitgerecht zum Frühstück wieder im Lager zu sein.
Als wir unseren Dienst im April 1943 antraten, taten wir dies noch unter den geltenden Bedingungen, nämlich Dauer 6 Monate, Entlassung am 1. Oktober, um noch rechtzeitig zum Semesterbeginn an den Hochschulen inskribieren zu können. Auch Nichtmaturantinnen sollten nach 6 Monaten entlassen werden. Schon im September hieß es dann aber:
Der Dienst wird verlängert als Kriegsdienst, in der Rüstung, im Lazarett oder im Lager. Ich wollte Lazarettdienst machen, wurde aber in die Rüstung eingeteilt. Auf meinen Protest hin musste ich dann im Lager bleiben, wurde 12 Wochen lang in den schlechtesten Außendienst geschickt, was gar nicht erlaubt war, bis ich so krank war, dass Dr. Weichesmüller mich nach Wien ins Allgemeine Krankenhaus überwies. Der
Befund des dortigen Professors fiel so schlecht aus, dass ich entlassen werden musste. Man bot mir vonseiten der obersten Leitung des Reichsarbeitsdienstes sogar eine Rente an, die mein Vater mit den Worten; „Von denen nimmst du kein Geld!“ ausschlug
(man war damals erst mit 21 Jahren großjährig).


Quellen:
Die Geschichte der Wolff-Villa in Groß-Siegharts
eigene Forschung