Zigeunerlager

Gebiet
Lety (bei Písek)
Tschechien, Region Jihočeský kraj, Bezirk Písek

Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1312. Lety gehörte zu den königlichen Gütern und war Sitz eines königlichen Vogts. Nach der Ablösung der Patrimonialherrschaften wurde Lety 1850 zur selbstständigen Gemeinde.

Die Gemeinde Lety besteht aus den Ortsteilen Lety, Pukňov (Pukniow) und Šerkov (Scherkau)

vor 1940

Noch vor der Besetzung des heutigen Tschechien verabschiedete die tschechoslowakische Regierung ein Gesetz über "Arbeitslager", in denen "Arbeitsscheue" interniert werden sollten. Mit der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" wurde ab November 1939 das Herumziehen von Wohnsitzlosen verboten (Regierungserlasse vom 02. März und 28. April 1939). Viele tschechische Großgrundbesitzer nutzten die "Arbeitslager"-Gesetzgebung, um Zwangsarbeiter für ihre Anwesen zu bekommen. Nachdem im Dezember 1939 ein Schneesturm in den rund 10.000 Hektar Wald der deutsch-tschechischen Familie von Schwarzenberg starke Schäden verursacht hatte, bemühten die Eigentümer sich um Zwangsarbeiter, um die erheblichen Mengen Bruchholz zu verwerten.

Die Protektoratsverwaltung in Prag finanzierte daraufhin die Einrichtung eines Arbeitslagers in der Nähe des schwarzenbergschen Anwesens bei Orlik. Daraus entwickelte sich das Lager Lety.

Im Gegensatz zu anderen Konzentrationslagern unterstand das KZ Lety nicht der SS, sondern tschechischen Behörden. Auch das Lagerpersonal bestand hauptsächlich aus ehemaligen tschechischen Gendarmen und Verwaltungsbeamten. Diese waren ganz wesentlich dafür verantwortlich, dass in Lety 326 Häftlinge, darunter 241 Kinder, aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen umkamen. Ein Grossteil der Opfer wurde in unmittelbarer Nähe des Lagers begraben.

1940-1945

KZ Lety

Ab August 1940 hatte Lety den Status eines Arbeitsstraflagers. Häftlingskategorien waren neben Bettlern und Spielern "Müßiggänger", "notorische Nichtstuer" und "umherziehende Zigeuner".

In den Jahren 1942 bis 1944 wurden von diesen Lagern aus (neben Lety noch Hodony, Prag-Ruzyne, Pardubice, Brünn) insgesamt 14 Transporte angeblich "Asozialer" zunächst nach Auschwitz I, dann nach Auschwitz-Birkenau durchgeführt.

In Lety wurden insgesamt 1308 Menschen inhaftiert. "Körperliche Schwerstarbeit, mangelhafte Ernährung, unzureichende Bekleidung und eine enorme Überbelegung der ursprünglich nur für 300 Personen angelegten Wohnbaracken" bewirkten den Tod von insgesamt 327 Häftlingen im Lager Lety.

Der erste Transport nach Auschwitz-Birkenau, der noch nicht im Zuge des Auschwitz-Erlasses stattfand, erfolgte in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1942.

nach 1945

Im Jahr 1974 errichtete die tschechische Bezirksverwaltung auf dem ehemaligen Lagergelände eine Großschweinemast, die sich heute in Privatbesitz befindet. Der Verband der tschechischen Roma und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wenden sich zusammen mit anderen Roma-Organisationen gegen die skandalösen Zustände auf dem ehemaligen Lagergelände und fordern – unterstützt durch zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - eine Verlegung der Mastanlage. Dies hat der Zentralratsvorsitzende bereits in einem Gespräch mit dem Botschafter der tschechischen Republik in Deutschland, Boris Lazar, am 29. Juli 2004 in Berlin deutlich gemacht. Die tschechische Regierung und der tschechische Staatspräsident haben die Bitte des Zentralrats und der Vertreter der tschechischen Roma um direkte Gespräche über eine Verlegung der Mastanlage bisher abgelehnt.

1994 entdeckte der Genealoge Paul Polansky aus den USA in einem böhmischen Staatsarchiv den Nachlass der Lagerverwaltung . Die Publikation der Dokumente führte zu einem öffentlichen Skandal, denn es erwies sich, dass auf dem Gelände des ehemaligen und durchaus nicht vergessenen Lagers in unmittelbarer Nähe des Lagerfriedhofs seit den 1970er Jahren eine Massenschweinemast betrieben wurde. Der Eigentümer des Schweinebetriebs ist Karl zu Schwarzenberg. Das Verlangen, den Betrieb zu schließen und das frühere Lagergelände als Holocaust-Schauplatz gemäß der Helsinki-Konvention über Todeslager aus dem Zweiten Weltkrieg zu respektieren, blieb wie jede andere Art von Widerspruch erfolglos. 1995 versprach Präsident Havel die Schließung, die aber nicht geschah.

1997 erstatteten 20 namhafte Vertreter des kulturellen Lebens Strafanzeige wegen Völkermord gegen Unbekannt. Die Polizei ermittelte ein Jahr gegen den letzten noch lebenden Aufseher, nach dessen Tod das Verfahren eingestellt wurde. 1998 gründeten Roma ein Komitee für die Entschädigung des Roma-Holocausts (VPORH).