Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen
Bezeichnung:
Gebiet:
Brandenburg, Landkreis Dahme-Spreewald, Amt Lieberose/Oberspreewald
Eröffnung: April 1944
Schließung: Herbst 1944
Deportationen:
Häftlinge:
Geschlecht: Männer
Einsatz der Häftlinge bei:
Art der Arbeit: Errichtung eines Panzerübungsplatzes
Bemerkungen:
Das Lager befand sich in der Nähe des Jamlitzer Bahnhofs. Die durch Hunger und Zwangsarbeit ermordeten Häftlinge wurden in Massengräbern verscharrt.
Im Herbst 1943 wurde im Dorf Jamlitz unmittelbar am Bahnhof ein Nebenlager des KZ Sachsenhausen errichtet. Häftlinge verschiedener Nationen sowie niederländische Zwangsarbeiter wurden unter mörderischen Arbeitsbedingungen beim Bau des Truppenübungsplatzes „Kurmark“ der Waffen-SS eingesetzt, für den die Bewohner von 17 Gemeinden östlich von Lieberose ausgesiedelt werden sollten.
Im Frühjahr 1944 kamen weitere Häftlingstransporte aus anderen Lagern, vor allem aus Auschwitz und Groß-Rosen. Die meisten der Häftlinge aus allen besetzten Ländern Europas waren Juden. Die Sterblichkeitsrate war ungemein hoch, die Toten wurden ins Hauptlager Sachsenhausen überführt. Der Wahlspruch des SS-Lagerführers Kersten war: „Die Juden sollen zittern.“
Im Januar 1945, als die sowjetischen Truppen bereits an der Oder standen, kam der Befehl zur Auflösung des Lagers. Von den noch verbliebenen 3000 Häftlingen wurden 2000 zu Fuß ins KZ Sachsenhausen getrieben. Unterwegs starben viele Häftlinge, Marschunfähige wurden erschossen. In Sachsenhausen wurde wieder selektiert, viele Häftlinge wurden erschossen, andere kamen ins Nebenlager „Klinkerwerk“ oder wurden in die Konzentrationslager Mauthausen, Dachau, Flossenbürg und Bergen-Belsen deportiert, wo nur wenige überlebten.
Die im Lager Lieberose verbliebenen Häftlinge wurden im Februar 1945 ermordet und in der Nähe des Dorfes Staakow in Massengräbern verscharrt.
Schon im August 1945 dienten die zurückgelassenen Baracken dem „Speziallager Nr. 6“, das der sowjetische Geheimdienst NKWD / MWD zunächst im östlichen Teil von Frankfurt/Oder, heute Slubice, eingerichtet hatte. Bis Mitte Oktober 1945 kamen 3000 Internierte in Jamlitz an. Insgesamt hatten im April 1947, als das Lager aufgelöst wurde, 10213 Häftlinge das Lager Jamlitz durchlaufen. 3154 Internierte starben an den unmenschlichen Bedingungen, an Hunger und Krankheiten.
Es gab ein Frauen- und ein Männerlager. Der NKWD übernahm die vollkommen unzureichende Infrastruktur des Barackenlagers von der SS. Die Internierten waren auf Grund von Denunziationen festgenommen worden, wegen ihrer tatsächlichen oder vermuteten Nähe zu den Nationalsozialisten. Unter ihnen befanden sich neben Mitläufern und Funktionsträgern auch vollkommen Unbeteiligte, auch Künstler und
Prominente, die man für Repräsentanten des NS-Regimes hielt, sogar ausgewiesene Gegner des Nationalsozialismus, denen man Opposition zur sowjetischen Besatzung unterstellte. Im Frühjahr 1947 wurden die Häftlinge aus Jamlitz in die Speziallager Mühlberg und Buchenwald gebracht, auf dem Transport gab es weitere Tote.
Bereits Ende September 1947 baute die Rote Armee die Baracken des Lagers ab. In den fünfziger Jahren entstanden hier Eigenheime. Die Geschichte der sowjetischen Speziallager wurde in der DDR verschwiegen und tabuisiert. Wegen der doppelten Nutzung des Lagergeländes verschwieg man lange auch das KZ-Außenlager in Jamlitz Ein „Lagerstein“ des KZ-Außenlagers mit der verharmlosenden Inschrift:
„1944/ ARBEITSLAGER/ LIEBEROSE“, den KZ-Häftlinge im Auftrag der SS behauen hatten, wurde 1949 bei Aufräumungsarbeiten neben dem Lagergelände wieder entdeckt. 1956 stellte man ihn unmittelbar in der Straße am Bahnhof wieder auf.
Fortan wurde diese Stelle „Denkmalplatz“ genannt.
Erst 1970 regten ehemalige Sachsenhausen-Häftlinge an, eine Gedenkstätte zu schaffen und den Hinweisen der Einwohner auf das Massengrab nachzugehen. Im September 1971 wurde der Grundstein für ein Mahnmal gelegt, nicht in Jamlitz, sondern in Lieberose. Kurz zuvor hatte man die Überreste von 577 ermordeten Häftlingen gefunden. Diese ungeheuerliche Entdeckung blieb in der DDR einzigartig, ein größeres Massengrab aus der NS-Zeit gab es nicht auf dem Boden der DDR.
Obwohl es sich erkennbar um Juden handelte, deren Religionsgesetze eine Erdbestattung fordern, ließ man die Toten im Krematorium von Forst verbrennen. Die Asche wurde anonym verscharrt, nur einen kleinen Teil bestattete man symbolisch in einer Urne inmitten des Ringgrabens, der zum Mahnmal in Lieberose gehört, das am 6. Mai 1973 enthüllt wurde. Am 1. 9. 1971, zwei Tage vor der Grundsteinlegung für das neue Mahnmal in Lieberose, verschwand der „Lagerstein“ auf Empfehlung des Rats des Bezirks Frankfurt/Oder aus Jamlitz. An diesem Ort sollte nichts mehr an die Lager erinnern. Der Stein lag nun, mit der Inschrift zur Erde, auf dem Innenhof der Burg Beeskow, nahe einem Stellplatz für Müllfahrzeuge.
Das Mahnmal auf dem Galgenberg von Lieberose hat die Form eines Ringgrabens. Dazu gehört eine seitlich vorgesetzte Gedenkmauer, die aus Dreiecken gestaltet wurde. Neben einem roten Winkel trägt die Mauer die Inschrift: „EHRENDES GEDENKEN DES OPFERN DES FASCHISMUS / DIE IM NEBENLAGER LIEBEROSE /JAMLITZ DES KZ SACHSENHAUSEN / VON DER SS ERMORDET WURDEN / 1943–1945“.
Das Urnengrab in der Mitte des Ringgrabens wird bedeckt durch eine runde Metallplatte des Künstlers Walter Kreysel, die ein Relief mit einer Todesmarsch-Szene zeigt und die umlaufende Inschrift: „EUER TOD DURCH DIE FASCHISTISCHEN HENKER IST UNS LEBENDEN EWIGE MAHNUNG.“.
1995, bei einem Besuch ehemaliger Häftlinge anlässlich des 50. Jahrestags der Befreiung, kam eine individuell gestiftete Tafel hinzu, die an der Innenmauer des Ringgrabens hängt. Unter einem Davidstern steht: „AN ERINNERUNG UNSERE / VERNICHTETE FAMILIE: / VATER YOSEF, MUTER MIRYAM/ KINDER BENYAMIN, YUDA, GERSON / SCHWIEGERSON, KLEIN MOSE / SOHN YAEL / ERRICHTET AN DIE LEBENDE KINDER / WALLNER LACI, ILUS ISRAEL“. Das Mahnmal wurde 1982 um ein Museum am Fuße des „Galgenbergs“ ergänzt. Doch bis 1990 wurde die Geschichte des KZ-Außenlagers vor allem aus der Sicht der wenigen nichtjüdischen politischen Häftlinge dargestellt. Ein Lehrer der Ortes, Roland Richter, der sich in den siebziger Jahren mit seinen Schülern um die Erforschung der Lagergeschichte bemühte und Kontakt zu jüdischen ehemaligen Häftlingen suchte, wurde von der Staatssicherheit an dieser Arbeit gehindert. 1979 verließ er Lieberose. 1990 wurden die Ausstellungen überarbeitet, das Museum beteiligt sich an Forschungen und Publikationen zur Lagergeschichte. Seit Beginn der neunziger Jahre wird zur Geschichte beider Lager geforscht. Besondere Verdienste erwarb sich hierbei der Historiker Andreas Weigelt, der in Lieberose aufgewachsen ist und spürte, dass es an diesem Ort Geschehnisse gab, über die nicht gesprochen wurde. Vor allem durch seine Persönlichkeit, seine Beharrlichkeit und Sensibilität und durch die Kontakte zu ehemaligen Häftlingen sowohl des KZ-Lagers als auch des Speziallagers wurde die verdrängte Geschichte dieses Ortes und auch die Geschichte des Umgangs mit dieser „doppelten Vergangenheit“ in die Erinnerung zurückgeholt.
Bei einer Veranstaltung im Herbst 2002 sagte Andreas Weigelt über das Vergessen: „Wir verstehen heute auch: Es fehlte nach dem Krieg allenthalben an der Fähigkeit zu differenziertem Schauen, Fragen und Beurteilen und wohl ebenso an Besinnung auf grundlegende Werte. Wer wollte darüber richten. Aber wir heute können es erkennen und verstehen.“ In Zusammenarbeit mit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und dem Amt Lieberose konnten 1995 jeweils eine Wanderausstellung gezeigt werden. Seit 1991 bemühte sich die „Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e.V.“, in der sich ehemalige Häftlinge des Speziallagers und ihre Angehörigen zusammengeschlossen haben, um die Anlegung eines Gedenkfriedhofs an den Massengräber nordöstlich und östlich des ehemaligen Speziallagers. Die Massengräber am Splaugraben und
am unteren Mühlenteich wurden mit Holzkreuzen und Gedenktafeln gekennzeichnet. Im September 1995 wurde am Ortsausgang Jamlitz nahe der Bundesstraße 320 in Richtung Guben unter großer öffentlicher Anteilnahme die eingezäunte „Gedenkstätte Waldfriedhof“ eingeweiht.
Ein großes Holzkreuz erhebt sich über einem Gedenkstein mit der Inschrift:
„DEN OPFERN / VON TERROR UND GEWALT / INTERNIERUNGSLAGER JAMLITZ/ 1945 –1947“.
Die Initiativgruppe plant die Aufstellung weiterer Gedenksteine, insbesondere für die in Jamlitz unter Werwolf-Verdacht internierten Jugendlichen, von denen viele im Lager starben.
Auf dem Dorffriedhof wurde die Asche von mehr als 30 Toten des Speziallagers beigesetzt, die man bei Probegrabungen des „Volksbunds
Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ 1990 auffand. Ein Gedenkstein trägt ebenfalls die Inschrift:
„DEN OPFERN/ VON TERROR UND GEWALT / INTERNIERUNGSLAGER JAMLITZ / 1945-1947."
In Staakow, am Ort des Massengrabs des KZ-Außenlagers, wurden erst im April 1995 Informationstafeln aufgestellt - Anlass war der Besuch ehemaliger Häftlinge zum 50. Jahrestag der Befreiung. In der Landkirche Lieberose finden seit 1990 regelmäßig Gedenkveranstaltungen statt.
Die im Juni 2003 eröffneten Freiluftausstellungen wurden von der Kirchengemeinde, die der Träger der Gedenkstätte ist, gemeinsam mit dem Land Brandenburg, der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der „Initiativgruppe Internierungslager Jamlitz e.V.“ vorbereitet.
Die Texte der beiden voneinander getrennten Ausstellungsteile schrieb Andreas Weigelt. Auch die letzten baulichen Zeugnisse der beiden Lager, der Keller eines Sanitätsgebäudes und Reste von Baracken sind mit in die Dokumentationsstätte einbezogen.
Der ehemalige „Lagerstein“ wurde 1990 aus Beeskow zurückgeholt und steht nun vor dem ehemaligen Lagereingang. Die Geschichte dieses Steins symbolisiert die Kompliziertheit und Gebrochenheit des Gedenkens an diesem Ort.