Transport 03.09.1944 Scheuern

Hadamar

Transportliste

Mit diesem Sondertransport wurden Patienten im Rahmen des Euthanasieprogramms aus der
Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern bei Nassau (Hessen) (Zwischenanstalt) in die Landesheilanstalt Hadamar (NS-Tötungsanstalt) verlegt.

Einer von Ihnen war
Helmut Völker aus Marburg
Am 19. Juli 1931 nichtehelich geboren, als Folge einer Vergewaltigung seiner 13-jährigen Mutter Ottilie Völker, lebte Helmut mit seiner Mutter bis 1934 im Mädchen- und Kinderheim Bethesda, Schwanallee 57. Es lag im Dorf Bornim bei Potsdam, 48 Kilometer von Berlin entfernt in einer ländlichen Gegend. Das Heim, in dem 20 bis 30 Kinder untergebracht waren, wurde von Diakonissen der Evangelischen Kirche geleitet. Sie trugen schwarze Kleider, die an der Taille von dicken, weißen Gürteln zusammengehalten wurden, und auf dem Kopf weiße Hauben. Sie wirkten streng und furchterregend.
Die Oberin, Hermine Brinck, war eine sehr hingebungsvolle und energische Person. Jedem im Heim wurde es zur Pflicht gemacht, sonntags zur Kirche zu gehen. Als Teil der täglichen Routine wurde vor und nach den Mahlzeiten sowie vor dem Zubettgehen gebetet.
Seine Mutter war gezwungen, Helmut zu verlassen, weil sie eine landwirtschaftliche Dienststelle antreten musste. Helmut blieb drei Jahre im Kinderheim, dann erfolgte seine Verlegung in die evangelische Anstalt Hephata in Schwalmstadt-Treysa. Das geschah aufgrund der Diagnose Schwachsinn mittleren Grades und anderer, zum Teil nicht eindeutig überprüfbarer körperlicher Befunde.
Von November 1938 bis Januar 1939 lebte er wieder in Marburg in der Landesheilanstalt Marburg-Cappel, Cappeler Straße 98. In seiner Akte wird als Rasse ostisch angegeben, damit war er von offizieller Seite als unwertes Leben abgestempelt.
Daraus folgte die Verlegung in die Heilerziehungs- und Pflegeanstalt Scheuern bei Nassau (Hessen), wo er noch, mittlerweile als erbkrank diagnostiziert, vier Jahre und acht Monate lebte.
Die Gesuche der inzwischen verheirateten Mutter auf Besuch und Urlaub wurden systematisch unterbunden. Immer wieder wurde sie vertröstet, ihr Sohn mache nicht die erforderlichen Fortschritte. Nicht einmal Päckchen von seiner Mutter zum Geburtstag bekam er zugestellt.
Als er wegen Erfolglosigkeit ausgeschult worden war, bedeutete das sein Todesurteil. Am 03. September 1944 wurde Helmut Völker in die Landesheilanstalt Hadamar (NS-Tötungsanstalt) gebracht. Erkrankt an Pneumonie, Fieber, Herzschwäche, heißt es in seiner Akte, er erholt sich nicht mehr, heute Exitus, wurde am 30. September 1944 notiert. Angebliche Krankheiten sollten die Ermordung verschleiern. Ottilie Völker erfuhr offiziell nie den wahren Grund des so plötzlichen Todes ihres Sohnes, auch wenn sie nicht aufhörte, um Antwort zu bitten. So schreibt sie: Mein armer Junge war mir genauso viel wert, wie jeder anderen Mutter ihr Kind. Ein Junge, gerade mal 13 Jahre alt, verachtet als unwertes Leben und Opfer unmenschlicher Ideale und einer gnadenlosen Gesellschaft.